Weltkino Filmverleih
Isabelle Huppert in "Was kommt" (L'avenir, 2016)

Alles was kommt

Originaltitel
L'avenir
Alternativ
Things to Come (Festivaltitel), Was kommt
Regie
Mia Hansen-Løve
Darsteller
Marion Ploquin, Solal Forte, Sarah Lepicard, Edith Scob, Roman Kolinka, André Marcon
Medium
Digital (download)
Im Handel ab
10.03.2017 bei Weltkino Filmverleih
Kinostart Deutschland
Alles was kommt
Genre
Drama
Land
Frankreich, Deutschland
Jahr
2016
FSK
ab 12 Jahren
Länge
102 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
8,0 (Filmreporter)
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Wunderbare Tragikomödie von Mia Hansen-Løve
Nathalie, um die 60 Jahre alt, steht mit beiden Beinen fest im Leben. Wenn sie nicht als Philosophie-Lehrerin in einem Gymnasium unterrichtet, pflegt sie ihren Ruf als Intellektuelle, indem sie hin und wieder auch für Fachzeitschriften schreibt. Verheiratet ist sie seit 25 Jahren mit Kollege Heinz (André Marcon). Die beiden Kinder wollen zwar nicht in die Fußstapfen der Eltern treten, das harmonische Familienleben trübt dieser Umstand jedoch ebenso wenig wie die psychisch labile Mutter (Edith Scob) Nathalies, die zwischen Lebensüberschwang und Depressionen pendelt.

Das Blatt wendet sich, als Heinz Nathalie aus heiterem Himmel gesteht, seit geraumer Zeit eine Geliebte zu haben. Von da an überstürzen sich die Ereignisse. Der Verlag, für den sie an einem Fachmagazin arbeitet, kündigt ihr aus Profitgründen die Stelle, und die nervige aber dennoch geliebte Mutter segnet das Zeitliche.
Es ist schon hart, wie übel das Leben der Protagonistin in "L'avenir" mitspielt. In der Darstellung der allmählichen Auflösung gefestigter Strukturen erinnert Mia Hansen-Løves Tragikomödie an Eric Rohmers Spielfilm-Debüt "Im Zeichen des Löwen", der vom Abstieg eines Musikers zum Obdachlosen handelt. Anders als das unerbittliche Vorbild aber ist "L'avenir" in der Grundstimmmung deutlich lichter. Für Hansen-Løve haben die Rückschläge im Leben Nathalies nichts Schicksalhaftes an sich. Auf bewundernswert unprätentiöse Art nimmt sie ihre Verluste als Gegeben hin. Das Leben ist nun mal kein Zuckerschlecken, kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken - auf diese banale Erkenntnis lässt sich die Lebensphilosophie Hansen-Løve reduzieren.

Mit der betonten Leichtigkeit und der leichthändig, fast ungezwungenen Inszenierung erinnert "L'avenir" daher eher an die späteren, 'sonnigen' Filme Rohmers. Überhaupt stand das joie de vivre der Nouvelle Vague vor allem in der ersten Hälfte des Films Pate. Cafés, in denen in schattigen Plätzchen Kaffee getrunken und Zigaretten geraucht werden, die pulsierenden Straßen, Landhäuser und Strände sind die bevorzugten Schauplätze von "L'avenir" in diesem Passagen.

In der zweiten Hälfte verlagert sich das Geschehen von der Stadt in die Landschaft. Dorthin, wo es den einstigen Lieblingsschüler (Roman Kolinka) Nathalies verschlagen hat. Der war einst ein Intellektuellen-Überflieger, nun zieht er das Leben am Land seiner Doktorarbeit vor. Zu ihm, ihrem Schützling, ihrem Freund, ihrem heimlichen Schwarm - Hansen-Løve lässt das offen - zieht es die Lehrerin immer wieder inmitten ihrer persönlichen Krisen. Der junge Mann wirft ihr bald vor, sich in die Gemütlichkeit des bürgerlichen Lebens geflüchtet zu haben, ihre Überzeugungen allenfalls im Privaten zu leben. Mag sein, dass er Recht hat, die Regisseurin aber verkneift sich ein Urteil über die von Isabelle Huppert zurückhaltend gespielte Protagonistin ebenso, wie sie die hohle Phrasendrescherei der Landhaus-Anarchisten nicht denunziert. Genau das macht ihren Film so wunderbar schwerelos.
Willy Flemmer, Filmreporter.de
Weltkino Filmverleih
Isabelle Huppert in "Was kommt" (L'avenir, 2016)
2024