Pandora Film
Der Mann ohne Vergangenheit
Jenseits des Massengeschmacks: Kaurismäkis
Feature: Finnische Poetik und Melancholie!
Aki Kaurismäki ("Wolken ziehen vorüber") schreibt, inszeniert, schneidet und produziert Filme jenseits des Massengeschmacks. Seine Protagonisten sind einfache Menschen, seine Schauplätze unspektakulär. Genau wie seine Darsteller, die mit Hollywoods Walk of Fame nichts zu schaffen haben. Sein Feld sind lakonisch erzählten Tragödien und Dramen. Dieses beackert er mit einer Kunstfertigkeit, die seinesgleichen sucht. Alkohol, Depression, Armut und Einsamkeit sind die stets wiederkehrenden Themen. Dass ihm dabei aber nicht der Sinn für das Schöne und den Humor ausgeht, zeichnet den Finnen aus.
erschienen am 14. 11. 2002
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Markku Peltola und Sakari Kuosmanen in "Der Mann ohne Vergangenheit"
Der Mann ohne Vergangenheit (Markku Peltola) stolpert meist schweigend durch sein neues Leben. Von drei üblen Schlägern bewusstlos und geschichtslos geschlagen, findet der bereits für tot Erklärte bei Nachtwächter Nieminen (Juhani Niemelä) und dessen Familie Aufnahme. Als dessen Frau Kaisa (Kaija Pakarinen) nach mehreren Tagen verwundert feststellt, dass der Mann ohne Vergangenheit seine Sprache nicht verloren hat, erwidert dieser ungerührt, dass er bisher nichts zu sagen gehabt habe. Diese Eigenart des finnischen Charakters wirkt auf westeuropäische Zuschauer sicher äußerst exotisch, ist jedoch stilprägend für finnische Filme.
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Szene aus: Der Mann ohne Vergangenheit
Es sind die kleinen Dinge die den Mann ohne Vergangenheit bewegen: nicht die Suche nach der verlorenen Identität steht für ihn im Vordergrund seines Bemühens, vielmehr macht er sich ans Aufräumen des Containers, in dem er bald haust, legt sich einen bescheidenen Garten an, bemüht sich um Arbeit und verliebt sich in die etwas spröde Heilsarmistin Irma (Kati Outinen). Bei der Heilsarmee findet er auch eine Anstellung, - überhaupt entwickelt er ganz langsam ein bescheidenes Netz privater Kontakte. Dabei lässt er sich von der zunächst ruppigen Art seines "Vermieters" Antilla (Sakari Kuosmanen), dem Nachtwächter des Schrottplatzes, Wohnort für viele Gestrandete, nicht irritieren. Mit viel Geduld zeigt dieser sein menschliches Antlitz.
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Finnland melancholisch: "Der Mann ohne Vergangenheit"
Untermalt wird die melancholische Komödie von finnischem Tango, Rock und Blues, die genauso schwermütig und träumerisch daherkommen wie die Figuren. Selten findet man Obdachlose, Verlierer und andere Randgestalten unserer Gesellschaft derart würdig und verständnisvoll dargestellt wie bei Kaurismäki. Bereits in "Wolken ziehen vorüber" gelang es dem klassischen Autorenfilmer (Kaurismäki schrieb das Drehbuch, führte Regie und produzierte in Personalunion) auch filmästhetisch Maßstäbe zu setzten.
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Markku Peltola in: "Der Mann ohne Vergangenheit"
Mit seiner ungewöhnlichen Licht-, Farb- und Bilddramaturgie überzeugt "Der Mann ohne Vergangenheit" trotz der auf den ersten Blick trostlosen Filmlocation und der unspektakulären Personage. Besonders Markku Peltola als Mann ohne Vergangenheit und Sakari Kuosmanen als Heilsarmistin Irma vermögen durch ihr zurückgenommenes, dabei aber gefühlsintensives Spiel zu überzeugen. Genial ist auch die Gesangseinlage von Annikki Tähti, der finnischen Grande Dame der Unterhaltungsmusik, die als Leiterin des Flohmarktes vor ihrer Klientel den melancholischen Walzer "Muistatko Monrepos" (Erinnerst Du dich an Monrepos) darbietet. "Der Mann ohne Vergangenheit" ist eine optimistische Tragödie, ein wertvolles Kleinod des europäischen Kinos.
erschienen am 14. November 2002
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Der vielfach preisgekrönte finnische Regisseur studierte in Helsinki Literatur- und Kommunikationswissenschaften. Über diverse Aushilfsjobs und der Arbeit für ein finnisches Filmmagazin begann er Drehbücher zu schreiben. Seine Werke sind geprägt von den Schicksalen gesellschaftlicher Außenseiter, die sich in städtischen Zentren wie Helsinki nur schwer zurechtfinden. Sparsame Dialoge und ein skurril-lakonischen Humor wurden zu Kaurismäkis Markenzeichen. In Reminiszenz an Regielegende Alfred..
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