Die große Reise

Die große Reise

Originaltitel
Le Grand voyage
Regie
Ismaël Ferroukhi
Darsteller
Erol Atac, Sadik Deveci, Nihat Nikerel, Kadir Kaparoglu, Name Ugantas, Leïla Fadili
Kinostart:
Deutschland, am 24.11.2005 bei Arsenal Filmverleih
Kinostart:
Schweiz, am 02.06.2005 bei trigon-film
Genre
Drama
Land
Frankreich, Marokko
Jahr
2004
FSK
ab 12 Jahren
Länge
108 min.
IMDB
IMDB
Homepage
http://www.arsenalfilm.de/die-grosse-reise/index.htm
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brillant  10|
6,0 (Filmreporter)
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Meinungen
SIC 
Auf Konfrontationskurs gen Mekka
5000 km in einem alten Peugeot von Frankreich nach Mekka; quer durch Europa und den Orient: Italien, Balkan, Kleinasien, Türkei, Arabien. Ein Abenteuer für einen 18-jährigen? Nicht, wenn auf dem Beifahrersitz der erzkonservative marokkanische Vater sitzt, der Réda mitten aus dem Abitur reißt, bloß weil er den einzigen Führerschein der Familie besitzt und schon auf der ersten Etappe dessen Handy in eine Autobahnmülltonne entsorgt. Ein klassischer Vater-Sohn–Konflikt auf engstem Raum. Zwei Welten auf Konfrontationskurs gen Mekka. Die Welt Rédas ist geprägt durch Schule, Handy, französische Freundin, Führerschein. In der Familie aber herrschen noch patriarchalische Zustände. Durchaus typisch für die Situation der 3. Einwanderergeneration, in Frankreich wie bei uns. Sein Vater spricht nur arabisch, sein Tagesablauf ist durch die Gebetszeiten geregelt. Der Wille des Vaters ist Gesetz, Réda muss sich widerwillig beugen. So beschränkt sich die Kommunikation im Auto zunächst nur auf das Notwendige wie Essen, Trinken, Schlafen. Verständigung zwar, aber noch lange kein Verständnis. Der Konflikt ist programmiert, Sympathien des Zuschauers projizieren sich auf den Sohn, besonders, als der halsstarrige Alte auf der Autobahn fast einen schweren Unfall ausgelöst hätte. Unterwegs kreuzen merkwürdige Gestalten den Weg der Pilger: eine sprachlose Jugoslawin, ein geschwätziger Türke, ein Schwarzmarkthändler in Sofia, eine Bettlerin in Syrien und eine Trost spendende Bauchtänzerin. Immer wieder Anlässe für neue Reibereien und gegenseitiges Unverständnis. Trotz all dieser Abenteuer à la Roadmovie kommen beide ihrem geographischen Ziel immer näher. Der Weg führt vom Abend- ins Morgenland. Minarette, Muezzin, Schafherden - Réda taucht immer mehr in eine Kultur ein, die ihn befremdet, verunsichert. Gerade hier aber ist der Vater verwurzelt. Er handelt jetzt, und das nicht nur um ein Schaf, das am Rande der Piste rituell geschlachtet werden soll. Ein Kulturschock für den Zuschauer, doch Regisseur Ismaël Ferroukhi lässt das arme Tier rechtzeitig entkommen… Hinter Amman passiert es schließlich, dass der Generationskonflikt seinen Höhepunkt erreicht und beide ihren eigenen Weg zu suchen scheinen: Réda zurück nach Europa und sein Vater weiter nach Mekka. In der Wüste aber kommt es auch zur Versöhnung. Réda entwickelt Interesse für die Wurzeln seines Vaters, die auch die eigenen sind. Der Vater respektiert das Anderssein der jungen Generation. So wird der Titel des Films auch mehrdimensional. Die geographische Reise endet in Mekka. Mit Réda wird der europäische Kinobesucher in das geheimnisvolle Treiben der Pilger versetzt. Die religiöse Reise führt letztlich zur Selbstfindung. Réda kehrt als Sohn aus Mekka nach Marseille zurück. Er hat für sich den Konflikt gelöst, den in französischen Vorstädten wie deutschen Problemvierteln viele Jugendliche auszutragen haben. Trotz vermutlich kleinen Budgets und ernsten Themas ist Ismaël Ferroukhi mit seinem ersten Spielfilm ein auch unterhaltsamer Streifen gelungen, der wegen seiner Aktualität im Konflikt der Kulturen gerade auch in Deutschland ein breiteres Publikum verdient hätte. Cinéclub WHG
geschrieben am 20.06.2008 um 17:25 Uhr
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