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Gastmahl der Liebe

Das Gastmahl der Liebe

(AKA Umfrage über Liebe)
Originaltitel
Comizi d'amore
Regie
Pier Paolo Pasolini
Darsteller
Lello Bersani, Alberto Moravia, Cesare Musatti, Peppino Di Capri, Ezio Pascutti, William Negri
Kinostart:
Deutschland, am 23.07.1982 bei Freunde der Deutschen Kinemathek
Genre
Dokumentarfilm
Land
Italien
Jahr
1965
Länge
90 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
8,0 (Filmreporter)
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Warmherzige Dokumentation über Liebe in Italien
"Die Waschfrau kommt und hat die Blume in der Tasche". Ein kleiner Junge aus Palermo gibt diese unorthodoxe Antwort auf die Frage, woher die Kinder kommen. Um Regisseur Pier Paolo Pasolini drängen sich Jungs und korrigieren die Aussage. Natürlich bringen die Störche die Babys ins Haus. Eine Mischung von Scheu und Begeisterung für die Kamera ist von den Gesichtern der Knaben abzulesen. Dann verlässt Pier Paolo Pasolini die Szenerie und fragt in italienischen Badeorten, Dörfern, Großstädten, dem Norden wie im Süden des Landes weiter. Unter den Interviewten sind Frauen und Männer jeden Alters. Die Fragen wiederholen sich: "Ist Sexualität wichtig?"; "Soll man darüber reden?", "Sind Mädchen und Jungs in Sachen Liebe gleichgestellt?", "Fühlen Sie sich frei in Ihrer Sexualität?". Schnell wird ein Süd-Norden-Gefälle deutlich. Im Süden haben die traditionelleren Gesetze noch nicht an Bedeutung verloren. Im Norden haben die Italiener freizügigere, wenn auch konfusere Vorstellungen von der Sexualität. Tabus, Anomalien, Ehe, Gleichstellung, Prostitution - das sind die Themen der vielschichtigen Dokumentation.
Die Dokumentation wird von Gesprächen zwischen Regisseur Pier Paolo Pasolini und dem Literat Alberto Moravia sowie dem Psychologen Cesare Musatti begleitet. Moravia vergleicht "Gastmahl der Liebe" mit dem französischen "Cinéma vérité". Im Unterschied zu deren Interview-Filmen bedient sich der Regisseur nicht der Provokation. Vielmehr zeugen Pasolinis Interviews von Sympathie für die Befragten. Dabei verliert er sein Ziel nicht aus den Augen. Höflich, aber hartnäckig lockt er Antworten heraus, die von den Vorurteilen und Unwissenheit geprägt sind. Pasolini macht nicht einmal vor Themen wie Masochismus oder Sadismus halt. Diese Freizügigkeit steht im Gegensatz zu den zensierten Szenen: immer wieder wird der Ton aus-, und der Schriftzug "Selbstzensur" eingeblendet. Abgesehen davon, bietet der Interview-Film ein komplexes, wenn auch etwas konfuses Bild der Sexualität der Italiener. Nur in wenigen Szenen steht der Filmemacher selbst vor der Kamera, jedoch immer, wenn er politische Fragen thematisiert. So, das Verbot der Prostitution und Fragen zur Gleichstellung der Frauen.
Tzveta Bozadjieva, Filmreporter.de
2024