Film Kino Text
Wenn einer von uns stirbt, geh ich nach Paris

Wenn einer von uns stirbt, geh ich nach Paris

Originaltitel
Wenn einer von uns stirbt, geh ich nach Paris
Alternativ
Wenn einer von uns stirbt, geh' ich nach Paris
Regie
Jan Schmitt
Darsteller
August Diehl, Michel Haebler, Suzanne von Borsody
Kinostart:
Deutschland, am 19.11.2009 bei Film Kino Text
Genre
Dokumentarfilm
Land
Deutschland, Niederlande
Jahr
2007
FSK
ab 12 Jahren
Länge
81 min.
IMDB
IMDB
Homepage
http://www.schmitt-film.de
|0  katastrophal
brillant  10|
7,0 (Filmreporter)
0,0 (1 User)
Kindesmissbrauch und seine fatalen Konsequenzen
Februar 1996: Eine Frau, Mitte 50, wird in ihrer Wohnung in Bremerhaven tot aufgefunden. Neben sich ein Wasserglas mit Lippenstiftspuren. Sie hat sich mit einer Überdosis Tabletten das Leben genommen. Ihr Name: Mechthild Schmitt. Nach mehr als zehn Jahren hat Sohn Jan den Tod seiner Mutter immer noch nicht überwunden. So geht er der Frage nach, was seine Mutter zu dieser Tat veranlasst hat. Dazu spricht mit ihren Schwestern und Schulfreundinnen und liest das Tagebuch der Krankenschwester. Außerdem verschafft er sich Zugang zu offiziellen Akten und Tonbändern von Therapiesitzungen. Dabei dringt er immer tiefer in die Geschichter seiner eigenen Familie ein und stößt auf eine erschütternde Wahrheit. Aufgewachsen in Heidelberg, wurde seine Mutter bereits mit neun Jahren sexuell missbraucht. Der Täter war ein Jesuitenpater und vermeintlicher Freund ihrer Familie. Um die Sache zu vertuschen und den Familienfrieden zu wahren, wurde das traumatisierte Mädchen kurze Zeit später in ein Heim im Odenwald gebracht. Angeblich war sie schwer erziehbar.
Jan Schmitt hat drei Jahre an seiner autobiographischen Dokumentation gearbeitet und diese aus eigenen Mitteln finanziert. Mit diesem Regiedebüt beweist er Mut, denn er deckt sexueller Missbrauch seiner eigenen Mutter auf. Dabei gibt er einen tiefen und verstörenden Einblick in die Geschichte seiner Familie. Die verschwiegene Wahrheit deckt Schmitt wie ein Puzzle Schritt für Schritt auf. Man hat als Zuschauer bis zum Schluss das Gefühl, dass noch etwas aufgedeckt wird. So bleibt man wie gebannt sitzen, obwohl die Fakten schwer zu ertragen und schier unfassbar sind. Auch die Form der Dokumentation ist interessant. Trotz seines erschütternden Themas ist sie ästhetisch sehr ansprechend und fast poetisch geraten. Dazu tragen die Wahl der Bilder und die von Susanne von Borsody vorgelesenen Tagebucheinträge bei. Nachgestellte Szenen und Aufnahmen des herbstlichen Paris geben dem Zuschauer die Möglichkeit, sich zwischen den Interviews für einige Augenblicke zu entspannen. Die Bilder lenken jedoch nie vom Thema ab, sondern untermalen die traurige Stimmung.
Gudrun Schmiesing/Filmreporter.de
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Wenn einer von uns stirbt, geh ich nach Paris
2024