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Ausgestoßen ("Odd Man Out", 1947)

Ausgestoßen

Originaltitel
Odd Man Out
Alternativ
Ausgestossen (falsche Schreibweise)
Regie
Carol Reed
Darsteller
Ann Clery, Maura Milligan, Maureen Cusack, Eddie Byrne, Kathleen Ryan, Wilfrid Brambell
Kinostart:
Deutschland, am 27.02.1948 bei
Genre
Krimi
Land
Großbritannien
Jahr
1947
FSK
ab 12 Jahren
Länge
121 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
8,0 (Filmreporter)
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James Mason muss in Carol Reeds Krimi flüchten
IRA-Kämpfer Johnny McQueen (James Mason) und seine Freunde planen einen Banküberfall, um sich mit den notwendigen finanziellen Mittel für den Kampf gegen die britische Besatzung zu versorgen. Bei dem Überfall erschießt Johny einen Angestellten und wird selbst schwer verwundet. In einem Luftschutzbunker findet er einen ersten Unterschlupf. Während seine Freunde nur halbherzig eine Rettungsaktion organisieren und nach und nach von der Polizei liquidiert werden, zieht sich auch die Schlinge um Johnnys Hals immer enger.
Carol Reeds Drama "Ausgestoßen" wird von Filmhistorikern als Vertreter des Film noir betrachtet. Das mag auf den ersten Blick verwundern, wird der Begriff im Allgemeinen doch vor allem auf eine Reihe US-amerikanischer Filme der 1940er Jahre angewandt. Geprägt von dem französischen Filmkritiker Nino Frank, bezeichnet er eine überschaubare Anzahl von Filmen, die in einer düsteren Tonlage die resignierende Stimmung der Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg zum Ausdruck brachten. Der Film noir war so gesehen kein Genre, sondern eine Weltsicht, die sich über verschiedene Genres erstreckte. Eben dieser Punkt berechtigt nun, den noir-Stil auch auf andere Länder auszuweiten. Mit anderen Worten: Wenn das Kino in der Lage ist, feinfühlig politische und gesellschaftliche Dispositionen zu erfassen, warum sollte die Wirklichkeit nicht auch in Deutschland, Frankreich oder England eine noir-Strömung hervorgebracht haben. Wirtschaftliche, politische und moralische Krisen im Gefolge des Krieges gab es schließlich auch hier.

In Frankreich war der Weg für ein wirklichkeitsnahes Kino nicht zuletzt durch den poetischen Realismus geebnet worden, der mit dem Frühwerk Jean Renoirs ("Toni") sowie den Filmen Marcel Carnés ("Hafen im Nebel") und Marcel Pagnols ("Angèle") seinen Höhepunkt erreichte. Von hier aus zieht sich eine direkte Linie zu Henri-Georges Clouzots "Lohn der Angst", Jean-Pierre Melvilles Neo-noir-Klassikern ("Der eiskalte Engel") und dem Werk der Nouvelle Vague ("Schießen Sie auf den Pianisten"), die alle wesentlich auch vom US-Kino geprägt waren. In Italien entstand in den 1940er Jahren der Neorealismus, der durchaus ästhetische Gemeinsamkeiten mit dem amerikanischen Film noir aufwies, während in Deutschland der Trümmerfilm ein düsteres Nachkriegsbild zeichnete - so auch Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns".

Großbritannien wurde von einer schwarzen Welle geradezu überschwemmt. Filme wie Michael Powells und Emeric Pressburgers "Contraband" (1940), Alberto Cavalcantis "Dämon der Frauen" (1955) und auch Carol Reeds Klassiker "Der dritte Mann" (1949) verdunkelten die Leinwände nicht weniger als der Film noir in den USA. Vor allem Reed prägte die Serie wie kaum ein anderer seiner Kollegen.

Noch bevor er mit "Der dritte Mann" Weltruhm erlangte, drehte er mit "Ausgestoßen" einen nicht minder bedeutenden noir. Der gemeinsame Nenner zwischen seinem nach F.L. Greens Roman "Odd Man Out" entstandenen Drama und den amerikanischen Stil-Verwandten ist die Erfahrung des Krieges. Bereits die ersten Einstellungen von Belfast in "Ausgestoßen" erinnern an Wochenschauaufnahmen aus den Kriegsjahren, in denen Reed übrigens für die britische Armee an der Seite von Garson Kanin die Alliierten-Dokumentation "The True Glory" inszeniert hatte. Auch motivisch weckt der Thriller nicht zuletzt durch den Luftschutzbunker, in dem Johnny vorübergehend Schutz vor der Polizei findet, Erinnerungen an den Krieg.

Ebenso ist der Held ein typisches Motiv des Film noir. Johnny ist kein Handelnder mehr, der aktiv in die Welt eingreift, krank und verwundet kann er auf die Umstände nur reagieren. Wenn er nicht von einem Versteck zum nächsten flüchten muss, dann wird von seinen Mitmenschen wie ein Spielball weitergereicht. In dem Maße wie sein Körper geschwächt ist, ist seine durch Krankheit bedingte Wahrnehmung der Welt getrübt. Johnny ist schwindlig, alles um ihn herum dreht sich, er kann die gewöhnlichsten Dinge nicht mehr verrichten. Es ist ein bezeichnendes Bild. Wenn Reed den Orientierungsverlust Johnnys formal durch optische Verzerrungen, eine hektische Montage, eine unkontrolliert scheinende Kameraführung, Reißschwenks und andere formale Mittel akzentuiert, dann ist das der filmische Ausdruck einer Gesellschaft, der der Glaube an eine übergeordnete ordnende Instanz abhandengekommen ist.

Rezeptionsgeschichtlich steht "Ausgestoßen" heute im Schatten von Reeds Meisterwerk "Der dritte Mann" und wartet auf seine Wiederentdeckung. Nicht wenige haben dessen gewichtige Stellung in der Filmgeschichte dennoch erkannt. Zu den prominentesten Bewunderern gehört auch Regisseur Roman Polanski, der "Ausgestoßen" mit 16 Jahren zum ersten Mal gesehen hat. Sein Kommentar: "Kein Film hat mich glücklicher gemacht".
Willy Flemmer, Filmreporter.de
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2024