Piffl Medien
Unter dir die Stadt

Unter dir die Stadt

Originaltitel
Unter dir die Stadt
Alternativ
The City Below
Regie
Christoph Hochhäusler
Darsteller
Stefan Preiss, Robert Schupp, Nadja Stübiger, Heike Trinker, Van Lam Vissay, Alexandra von Schwerin
Kinostart:
Deutschland, am 31.03.2011 bei Piffl Medien
Genre
Drama
Land
Deutschland, Frankreich
Jahr
2010
FSK
ab 12 Jahren
Länge
110 min.
IMDB
IMDB
Homepage
http://www.unter-dir-die-stadt.de
|0  katastrophal
brillant  10|
8,0 (Filmreporter)
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Hochhäuslers Blick auf unsere kalte Gesellschaft
Roland Cordes (Robert Hunger-Bühler) ist Manager einer Großbank. Eine Begegnung auf einer Vernissage setzt alles in Gang. Hier trifft er auf die junge und attraktive Svenja Steve (Nicolette Krebitz). Später begegnen sich beide erneut, diesmal in der Bank. Sie kommen ins Gespräch und es dauert nicht lange, bis Roland die ersten Annäherungsversuche wagt.
BR>Svenja lässt sich anfänglich auf das Spiel ein, macht aber bald einen Rückzieher. Vielleicht weil sie verheiratet ist und ihr Mann Oliver (Mark Waschke) ausgerechnet in der Firma Rolands angestellt ist? Um sein Ziel doch noch zu erreichen, schickt Roland Oliver nach Indonesien, wo er auf Zeit einen hochdotierten aber riskanten Posten annehmen soll. Ahnungslos von Rolands Plan gibt Svenja ihren Widerstand gegen die Annäherungsversuche des Managers allmählich auf...
Fast kommt "Unter dir die Stadt" ein wenig zu spät. Will man den Wirtschaftsexperten glauben, ist die Finanzkrise, welche nicht nur die Finanzwelt beinahe in ihren Grundfesten und das Vertrauen in die Banken-Manager nachhaltig erschütterte, bereits überstanden. Zu spät ist Christoph Hochhäuslers poetischer Film insofern, als er seine Tentakel auch auf dieses Thema wirft. Die Handlung ist in Frankfurt am Main angesiedelt und Hochhäusler versteht es, die Stadt und ihre Architektonik als kalte und aseptische Welt aus Glas zu zeichnen, ganz wie einst Michelangelo Antonioni die Moderne als das Übergreifen des Betons gestaltete. Überhaupt stand der italienische Filmemacher in vielen Punkten Pate für Hochhäuslers wunderschönen Film. Eine für die Berliner Schule typisch ruhige, in langen Einstellungen sich manifestierende Erzählweise, die eine konventionelle Handlungsführung ersetzt, findet sich schon bei dem italienischen Regisseur. Das Motiv des schlafwandlerisch durch die Niemandsviertel der Großstadt wandelnden Paares klingt an "Liebe 1962" und "Die Nacht" an, wo sich Alain Delon und Monica Vitti, Marcello Mastroianni und Jeanne Moreau in der Anonymität der Großstadt verlieren.

Natürlich ist die Stadt auch bei Hochhäusler niemals nur Kulisse. Sie ist Ausdruck der modernen Welt, aber auch und vor allem Seelenlandschaft, die die psychologische Disposition der Figuren spiegelt. Der Mensch ist Teil der Stadt und diese ist Teil von ihm, Mensch und Stadt gehen Hand in Hand. Hochhäusler übersetzt diesen Moment geradezu wörtlich. Wie die Glashäuser, in denen er sich spiegelt, ist auch der Mensch saubere Fassade, ein kaltes, gefühlloses, funktionierendes Konstrukt. Wer Klarheit, Transparenz und Logik erwartet, ist bei "Unter dir die Stadt" fehl am Platz. Das gilt für die formale Anlage des Films und das gilt vor allem für die Figurenzeichnung. Motive für die irrationalen Entscheidungen der Protagonisten werden dem Zuschauer nicht mitgegeben. Er ist im dunklen Kinosaal so verloren wie die Protagonisten in ihrer Welt. Was veranlasst Svenja, eine Beziehung mit dem viel älteren Bankier einzugehen - und das trotz ihrer funktionierenden Ehe mit dem gutaussehenden und zudem wohlhabenden Oliver? Liebe ist es nicht, das ist gewiss, erotische Anziehung erst recht nicht. Was leitet Roland? Die Anziehung der jungen attraktiven Frau oder die Lust des Eroberns? Er scheint unglücklich und unzufrieden mit seinem Leben. Warum?

Hochhäusler belässt es bei diesen Lücken, klärt den Zuschauer nicht auf. Verfehlt wäre es aber, diese Unklarheiten nur als dramaturgisches Element zu interpretieren. Er entwirft auch ein Bild der Zeit. Dabei verweist Hochhäusler nicht nur auf die Finanzwelt, sondern die moderne Welt an sich. Es geht ihm nicht nur um den gefühllosen Finanzmanager, sondern um die Gefühlslage des Menschen von heute. Als Alter Ego des modernen Großstadtmenschen handeln Svenja und Cordes irrational und suchen die Extreme, weil sie in sich das suchen, was sie längst verloren zu haben glauben: ihre Gefühle. Oder ist ihre Handlung als moralische Indifferenz und Abgestumpftheit angesichts des verlorenen Glaubens an Gott zu verstehen? Die Frage ist gar nicht abwegig. Das Thema Glaube sowie die Suche nach Gott greift auch im deutschen Autoren-Film zunehmend an Raum. Man vergleiche etwa Angela Schanelecs "Orly" oder Tom Tykwers "Drei". So gesehen, sind Hochhäuslers Figuren Menschen, deren Handeln keine Ableitung von Vorschriften und Geboten mehr ist und die angesichts des Glaubensverlustes keine Bestrafung fürchten. Ist in diesem Zusammenhang vielleicht das Ende des Films zu verstehen? Eines der rätselhaftesten und schönsten, das es im Kino seit langem gegeben hat.
Willy Flemmer, Filmreporter.de
Bankmanager Roland Cordes (Robert Hunger-Bühler) und die junge Svenja Steve (Nicolette Krebitz) begegnen sich bei einer Vernissage. Später treffen...
 
Diskussionsbetrag zur Lage der Gesellschaft
Christoph Hochhäusler lässt sich viel Zeit für seine Projekte....
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2024