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Insomnia - Schlaflos

Insomnia - Schlaflos

Originaltitel
Insomnia
Regie
Christopher Nolan
Darsteller
Maura Tierney, Jonathan Jackson, Malcolm Boddington, Katharine Isabelle, Kerry Sandomirsky, Chris Gauthier
Kinostart:
Deutschland, am 10.10.2002 bei Warner Bros. Pictures
Kinostart:
Schweiz, am 17.10.2002 bei Ascot Elite Entertainment Group
Genre
Thriller
Land
USA
Jahr
2002
FSK
ab 16 Jahren
Länge
118 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
7,0 (Filmreporter)
5,5 (2 User)
Remake von Erik Skjoldbjærg genialer Vorlage
Ein erfahrener Großstadt-Ermittler reist zum Polarkreis der Mitternachtssonne, um den Mord an einer Schülerin aufzuklären. Detective Dormer (Al Pacino) stellt dem Täter eine Falle und erschießt im dichten Nebel versehentlich den eigenen Mann. Um seine Täterschaft zu vertuschen fälscht er Beweise und schiebt die Tat dem Gesuchten (Robin Williams konterkariert sein Familien-Image) unter. Der hat ihn jedoch beobachtet und erpresst ihn seinerseits. Dormer bewegt sich auf dünnem Eis - eine junge Polizistin (Hilary Swank), deren anfängliche Euphorie, mit ihrem Idol arbeiten zu dürfen langsam einer desillusionierenden Erkenntnis weicht, ist ihm auf der Spur.
Höchststrafe Hollywood. So lautet das Verdikt für jeden Kritikererfolg jenseits der Traumfabrik. Dann wandert der Geist zu den Geistlosen und wird zu dazu verurteilt, dass die Welt nur seine Imitation kennt. In der Verhandlungssache zu "Insomnia" kannten die Richter immerhin Gnade und ließen Christopher Nolan vollstrecken. Der durch den intelligenten Independent-Hit "Memento" zu großer Reputation gelangte Newcomer hat - paradox genug - per se keinen schlechten Krimi gedreht.

Doch im Vergleich zu Erik Skjoldbjærgs Vorlage ist das nur ein schwacher Trost. Zunächst folgt Nolan brav dem Plot des norwegischen Originals von 1997. Doch der Regisseur wechselt den Kurs und beschreibt das durchaus spannendes Duell zwischen zwei Menschen, die getötet haben. Es wird eine moralische Dimension deutlich, die 1997 fehlte. Gerade das machte das Meisterwerk damals so ungeheuerlich und abgründig. Was dort angedeutet wurde, drängt sich hier auf. Wo Bilder standen, schwirren jetzt Erklärungen. Sie werden wie Moral und Symbolik teils sentenziös erörtert - teils gleich ganz unterschlagen. Die buchstäblich über Leichen gehende Kaltschnäuzigkeit und Misanthropie der Hauptfigur, seine sexuellen Übergriffe auf eine minderjährige Zeugin, die Pädophilie des Mörders: all das ist viel zu abseitig für Hollywood. Vom tiefen Wasser Skarsgard zum sprudelnden Brunnen Al Pacino - Wallanders düsterer Bruder wird zu einem netten Menschen umerzogen, dessen Gewissen schließlich überwiegt. Pacino hat Format und fasziniert, doch ist er wie der Film von innen nach außen gekehrt. Dostojewskis Spuren hatten bei Skjoldbjærg tiefe Furchen hinterlassen, Schuld und Sühne verschmolzen zu seiner eindringlichen Studie. Nolan bleibt dies nicht verborgen und das will er dem Zuschauer auch zeigen: er transportiert diesen Kontext an die Oberfläche, macht den Subtext zur Belehrung.

Nichts darf man sich mehr selber denken. Nolan hätte nach dem formal zwar originellen, intellektuell aber eher kokettierenden "Memento" mehr Zeit und Raum zur Entfaltung gebraucht, anstatt in einem stargespickten Studioprojekt verschlissen zu werden. Aber schließlich hat ihn niemand dazu gezwungen. Sein "Insomnia" geht einen eigenen Weg und hat dem Titel zum trotz nur sehr wenig mit dem Vorbild gemein. Ein passabler Krimi mit Anleihen beim Psychodrama, der abermals Hollywoods korrekte Sicht der Dinge und ihre Verbindlichkeit offen legt. Deshalb ein kleiner Fernsehtipp am Schluss: Skjoldbjærgs Meisterwerk lief bereits zweimal unter dem Titel "Todesschlaf" in ARD und ZDF. Er wird sicher wieder einmal ausgestrahlt.
Bettina Friemel/Filmreporter.de
2024