Warner Bros. Pictures
Harry Potter und der Halbblutprinz
Ist der Film zu retten?
Feature: Kampf den Piraten!
Die Zuschauer in der Schlange der Kinokasse freuen sich auf "Harry Potter und der Halbblutprinz". Harry, Hermine und Ron stürzen dank Pubertät und Liebestrank ins Gefühlschaos. Ein idealer Film für ein erstes Rendezvous, denken sich die Teenager Mark und Christine. Sie suchen ein Platz in der letzten Reihe, weil sie sich hier ungestört wähnen. Sind sie wirklich ungestört? In diesem Punkt irren sich unsere fiktiven Kinobesucher vielleicht, denn sie könnten während der Vorführung mit Nachtsichtgeräten beobachtet werden. Dabei geht's nicht darum, die Teenager beim Knutschen zu erwischen, beobachtet werden sie, um das Mitschneiden des Films zu verhindern.
erschienen am 27. 12. 2009
Internationales Filmfest von Locarno 2009
Jeder Zuschauer gilt als potentieller Pirat
USA: Der gläserne Kinobesucher
Während diese Methode in Deutschland nicht nur bei Datenschützern für Aufregung sorgte, ist man in den USA schon einen Schritt weiter. Jeder Zuschauer gilt hier als potentieller Pirat. Er könnte ja einen Camcorder ins Kino schleusen, den Film mitschneiden und anschließend ins Internet stellen. Kinobesucher müssen sich bei der Platzreservierung an der Kasse mit ihren persönlichen Daten registrieren lassen. Die Motion Picture Association of America (MPAA) plant zudem die Einführung eines digitalen Wasserzeichens in der Audiospur. Damit kann sogar nachvollzogen werden, von welchem Sitzplatz aus der Pirat seine Beute gemacht hat. Vielleicht wird dem Zuschauer im Saal ein spannenderes Spektakel geboten, als auf der Leinwand. Das kann für ihn außerdem noch lukrativ werden. Wer einen Filmpiraten erwischt und den Vorfall sofort meldet, bekommt von den Kinobetreibern 500 Dollar Belohnung. Der Erwischte wird noch im Saal verhaftet.
Highlight
Totale Überwachung des Kinopublikums
Immer mehr Überwachung?
Werden sich in Deutschlands Kinos bald ähnliche Szenarien abspielen? Muss der Zuschauer sich auch bei uns permanent beobachtet fühlen? Gehört der romantische Kinoabend zu zweit mit ungestörtem Händchenhalten in der letzten Reihe endgültig zur Vergangenheit? Die Meinungen über Überwachungspraktiken sind bei Kinobetreibern und den Verleihern gespalten. Cinemaxx-Sprecher Arne Schmidt hält im Gespräch mit Filmreporter.de wenig von der Videoüberwachung seines Publikums, da es seiner Ansicht nach zu teuer ist. Seiner Meinung nach ist es ausreichend, den Saal von Mitarbeitern während eines Films beobachten zu lassen - ohne technische Hilfsmittel. Verständnis für Warners Methode äußert Friedrich Radmann von der Constantin AG gegenüber Filmreporter.de. Die ersten Spielwochen eines Films seien eben entscheidend für seinen wirtschaftlichen Erfolg. Deswegen sei es notwendig, gerade beim Start weitreichende Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, um ein illegales Mitschneiden und Verbreiten im Internet zu verhindern. Jedoch sollten die Zuschauer vor dem Kauf einer Eintrittskarte "eindeutig auf die Überwachungsmaßnahmen hingewiesen werden". Ähnlich hat auch das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt im Oktober 2009 in einem Fall entschieden. Der Zuschauer soll sich frei entscheiden können, ob er die Beobachtung in der Dunkelheit in Kauf nehmen will.
Cinemaxx
Bald gähnende Leere in deutschen Kinos?
Legale Downloadplattformen
Constantin hält in ihrer Anti-Piraterie-Kampagne Prävention für den wichtigsten Baustein. Neben Aufklärungsspots macht sie sich für die Einführung von legalen, Konsumentenfreundlichen Internetangeboten stark. Wenn der Zuschauer sich das Warten an der Kinokasse oder den Gang zur Videothek ersparen will, braucht er eine legale Alternative. Sogenannte Video-On-Demand-Plattformen, bei denen der Kunde einen Film gegen eine Gebühr im Internet anschauen und herunterladen kann, könnten für die Verleihe als Einnahmequelle zunehmend wichtiger werden. Es gibt bereits eine Reihe solcher Angebote, unter anderem von den Internetanbietern T-Online und Arcor. Dabei kann der Benutzer einen Film herunterladen und ihn schon während des Herunterladens ansehen. Die Videodatei wird nach einer gewissen Zeit unbrauchbar.
Cinemaxx
Cinemaxx Logo
Gesetzliche Lücke
Aber wozu zahlen, wenn man den Film auch kostenlos ansehen kann, denkt sich an dieser Stelle mancher Internetnutzer. Um sich einen Film anzuschauen, muss man ihn meist nicht einmal herunterladen, man kann ihn auch so ansehen. Dieser Vorgang nennt sich Streamen. Durch das bloße Ansehen mache ich mich noch nicht strafbar, oder? Berechtigte Frage. Tatsächlich liegt das Streamen in einer rechtlichen Grauzone. Die eigentliche Urheberrechtsverletzung beginnt erst beim psysikalischen Herunterladen, wenn dadurch eine Kopie des Werks entsteht. Doch auch beim Streamen können je nach verwendetem Player, Betriebssystem und Einstellung eine Reihe von temporären Kopien entstehen. In der Regel werden die Dateien dabei nur zwischengespeichert. Nach dem Neustart des Rechners werden sie wieder gelöscht. Der Nutzer weiß das in den seltensten Fällen. Aus urheberrechtlicher Sicht handelt es sich hierbei streng genommen aber bereits um eine Vervielfältigung. Insgesamt fehlt es in vielen Punkten an klaren Gesetzesvorgaben. Wo kein Gesetz existiert, kann auch nicht dagegen verstoßen werden. Verleiher wie Constantin fordern "eindeutige rechtliche Grundlagen, um wirksam gegen illegale Streaming-Seiten, Host Provider und künftige Plattformen vorgehen können".
Insider-Problem
Während der Zuschauer zunehmend als potentieller Pirat und damit Krimineller ins Fadenkreuz gerät, wird selten über das Insider-Problem der Branche gesprochen. Viele professionelle Raubkopierer geben sich nicht mit mangelhafter Bild- und Tonqualität im Kino mitgeschnittene Filmkopien zufrieden. Hochwertigere Kopien stammen häufig von Mitarbeitern der Produktionsfirmen, der Kopierwerke, der Kinos, der Verleiher oder der PR-Agenturen, da diese alle zeitweise Zugriff auf die Filme haben. Auch Schmidt hat mit einem derartigen Fall bereits Erfahrungen gemacht. Um sich vor Piraten aus den eigenen Reihen zu schützen, gehe man bei Cinemaxx bei der Wahl der Mitarbeiter mit Bedacht vor. Es ist ihm ein Anliegen, diesen vertrauen zu können. Sorgen, dass in seinem Unternehmen noch einmal ein derartiger Fall auftritt, macht er sich jedoch nicht. Er vertraut darauf, dass die technischen Möglichkeiten wie Wasserzeichen dem Raubkopierer seine Tat nachweisen werden. Es dürfte sich allerdings noch dann problematisch gestalten, den illegalen Kopierer ausfindig zu machen, wenn es sich bei der Kopie nicht um einen Mitschnitt aus dem Vorführraum, sondern um eine gebrannte Fassung handelt. Gerade europäische Koproduktionen durchlaufen bis zu ihrer Veröffentlichung viele Stationen, unter anderem zur Bild- und Tonbearbeitung oder der Synchronisation. An jeder Station können Schwarze Schafe sitzen. Diesen stehen außerdem ganz andere technische Mittel zur Verfügung, als dem Zuschauer im Kino. Im Gegensatz zu diesem haben sie die Möglichkeit, Kopien in hoher digitaler Qualität zu fertigen.
Cinemaxx
Geht bald niemand mehr ins Kino?
Wo bleibt das Kino?
In Hinsicht auf den Zuschauer geht Schmidt davon aus, dass dieser das Kino als Erlebnis auch in Zukunft zu schätzen weiß. Seiner Ansicht nach bietet Kino dem Zuschauer die Möglichkeit, richtig in den Film einzusteigen. Aber wie lange noch? Wenn es gelingt, illegalen Streaming-Seiten per Gesetz ein Ende zu setzen und an ihrer Stelle legale Downloadplattformen genutzt werden, bleibt noch eine Frage: Wo bleibt das Kino? Flachbildschirme und Beamer sind heutzutage auch für den kleinen Geldbeutel erschwinglich geworden. Der Fortschritt in der Technik lässt das Heimkino den Filmtheatern in puncto Bild und Ton immer näher kommen. Noch dazu können Mark und Christine sich zu Hause sicher sein, dass sie beim Küssen nicht beobachtet werden. Die Frage bleibt, was sich die Kinos einfallen lassen, um auch in Zukunft ihre Zuschauer zu locken und inwieweit die Verleihe sie dabei unterstützen.
erschienen am 27. Dezember 2009
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