Tobis Film
All or nothing
Mike Leigh gibt der Gosse Neue Hoffnung
Feature: Anwalt der Gestrandeten
Mike Leigh nimmt sich erneut den Gestrandeten an. Doch der Brite belässt seine Figuren nicht in ihrer Ausweglosigkeit, er sucht nach Auswegen, deutet auf verschüttete Eigenschaften, die diese längst verloren wähnen. Zwar hat sich der innovative Regisseur dem Realismus verschrieben, weigert sich jedoch standhaft die Gestrandeten der Gesellschaft in der Gosse liegen zu lassen.
erschienen am 9. 01. 2003
Lesley Manville, Alison Garland und Timothy Spall in: All or Nothing
Der Alltag im Londoner Südosten ist nicht einfach. Supermarktkassiererin Penny (Lesley Manville)lebt in der tristen Hochhaussiedlung mit Taxifahrer Phil (Timothy Spall), Tochter Rachel (Alison Garland) und dem arbeitslosen Sohn Rory (James Corden) mehr schlecht als recht. Die Familie scheint in ihrem trostlosen Alltag vollkommen erstarrt.
Lesley Manville und Alison Garland in: All or Nothing
Phil kommt mit seinem Geld nicht aus, geht öfters mal einen über den Durst trinken und bettelt Frau und Kinder um Geld an, um trinken gehen zu können. Penny muss neben ihrer Arbeit den Haushalt schmeißen und fühlt sich ständig überfordert. Tochter Rachel (Alison Garland) putzt in einem Altersheim. Das unförmige Mädchen ist ohne jegliche Hoffnung auf eine Liebesbeziehung, ihr Leben hat keinerlei Höhepunkte.
Szene aus: All or Nothing
Auch Sohn Rory ist dick. Der ständig wütende und schlecht gelaunte Teenager wird auf der Straße gehänselt. Zu Hause liegt er meist vor dem Fernseher, und benimmt sich wie die (schlechterzogene) Made im Speck. Als er jedoch mit einem Herzinfarkt auf der Straße zusammenbricht und ins Krankenhaus eingeliefert wird, wirkt die lebensbedrohliche Situation auf Familie wie ein Katalysator. Phill, Penny und Rachel beginnen langsam, ihre Existenz zu überdenken und nach Auswegen zu suchen.
Lesley Manville und Timothy Spall in: All or Nothing
Leigh hat sich mit Haut und Haaren dem Realismus verschrieben, weigert sich jedoch standhaft, die Verlierer unserer Gesellschaft in der Gosse liegen zu lassen. Weder schaut er zur Seite noch steuert er den Plot auf ein unglaubwürdiges Happy End zu. Vielmehr zeigt er erste Ansätze der Umkehr, indem er zulässt, dass die Protagonisten anfangen miteinander zu reden, statt die Hoffnungslosigkeit weiter zu kultivieren. Der Zuschauer ahnt, dass dieser Prozess langwierig und zäh sein wird, schließlich müssen die neuen Kommunikationsstrukturen erst entwickelt werden.
Szene aus: All or Nothing
Wie meist verzichtet Mike Leigh auch in "All or Nothing" auf ein ausgearbeitetes Drehbuch, entwickelt seinen Film vielmehr mit Darsteller und Filmcrew direkt an Set und Probebühne. Dies ist vielleicht ein Grund, dass die hervorragend agierenden Hauptdarsteller in ihren Rollen förmlich aufgehen, und der fiktiven Handlung eine beängstigende Authentizität geben.
erschienen am 9. Januar 2003
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Der vielfach talentierte Brite Mike Leigh sagt von sich selbst, dass es wohl keinen Film gäbe, den er in der Zeit zwischen 1949 und 1960 nicht gesehen habe. Mit einem Stipendium beginnt er ein Studium an der Londoner Royal Academy for Dramatic Arts. Anschließend besucht er die Camberwell Art School und die London Film School. In seiner Karriere als Regisseur konzentriert er sich zunächst auf die Inszenierung von Theaterstücken, wendet sich dennoch Anfang der 1970er Jahre dem Film zu. Er..
All or Nothing (Kinofilm)
Mike Leigh nimmt sich erneut der Gestrandeten der britischen Gesellschaft an. Doch Leigh belässt seine Figuren nicht in ihrer Ausweglosigkeit, er sucht nach Auswegen, deutet auf verschüttete Eigenschaften, die diese längst verloren wähnen. Zwar hat sich der innovative Regisseur dem Realismus verschrieben, er weigert sich jedoch standhaft, Absteiger in der Gosse liegen zu lassen.
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