Universal Pictures
Die vierte Macht
Solides deutsches Genrekino
Feature: Moritz Bleibtreu in den Fängen der Macht
"Die vierte Macht" handelt von einem deutschen Klatschreporter, der in Moskau ein marodes Boulevardblatt sanieren soll. Dabei gerät er wegen eines kritischen Artikels ins Visier der russischen Regierung. Dennis Gansel inszeniert mit seinem Thriller solides Genrekino, das trotz einigem Pathos spannende Unterhaltung bietet.
erschienen am 22. 02. 2012
Universal Pictures
Moritz Bleibtreu in "Die vierte Macht"
Zwischen Anpassung und Widerstand
Schon mit seinem Fernsehdebüt "Das Phantom" hat Dennis Gansel als Regisseur auf sich aufmerksam gemacht. Inzwischen wechselt er mühelos zwischen eskapistischen Genrefilmen ("Mädchen Mädchen!", "Wir sind die Nacht") und Projekten, die sich auf gesellschaftspolitische Themen einlassen. In "Napola - Elite für den Führer" setzt er sich anhand der Vorgänge in einer Eliteschule mit der Verführungskraft des Nationalsozialismus und der schuldhaften Verstrickung des Einzelnen auseinander.

Auch "Die Welle" hat einen mikrokosmischen Charakter, wobei Gansel die moralische Festigkeit einer ganzen Schulklasse angesichts einer hypothetischen etablierten autarken Herrschaftsstruktur auf die Probe stellt. Um die Konfrontation zwischen Macht und Individuum sowie die Frage, ob sich der Mensch von dieser korrumpieren lässt oder bereit ist, Widerstand zu leisten, geht es auch in Gansels neuem Thriller "Die vierte Macht". Auch wenn der Regisseur die emotionale Tonleiter allzu aufdringlich anklingen lässt und das eine oder andere Klischee bedient, ist ihm dennoch solide inszeniertes und spannendes Genrekino gelungen.
Universal Pictures
Moritz Bleibtreu als Klatschreporter in "Die vierte Macht"
In den Fängen der russischen Staatsmacht
Auf der Flucht vor einer gescheiterten Beziehung und seinem offenkundigen Vaterkomplex reist der deutsche Szenejournalist Paul Jensen (Moritz Bleibtreu) nach Moskau. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Vorgesetzte und Mitarbeiter sind mit Pauls Arbeit zufrieden und auch in sozialer Hinsicht findet der Mittdreißiger schnell Anschluss. Zusammen mit Fotograf Dima (Max Riemelt) lernt er schnell die Partyszene der pulsierenden Stadt kennen und lieben. Musik, Alkohol hübsche Frauen - der Deutsche findet Gefallen am russischen Dolce Vita.

Dass das wahre Leben in Russland ohne Festakt auskommen muss, merkt Paul, als ein regimekritischer Journalist vor seinen Augen erschossen wird. Während die Verantwortlichen seiner Zeitung aus Angst und Desinteresse still halten, appelliert die junge Journalistin Katja (Kasia Smutniak) an die journalistische Pflicht, den Fall an die Öffentlichkeit zu bringen. Fasziniert von Katjas Mut und Engagement, verfasst Paul einen Artikel über das Attentat. Das provoziert nicht nur den Unmut seines Chefs, sondern macht auch Regierungsbeamte auf ihn aufmerksam. Als Katja - in die sich Paul längst verliebt hat - bei einem Bombenanschlag ums Leben kommt, wird er verhaftet. Der absurde Vorwurf: Beihilfe zum Terrorismus.
Universal Pictures
Dennis Gansel bei den Dreharbeiten von "Die vierte Macht"
Überlebenskampf des deutschen Genrekinos
Dennis Gansel unternimmt mit "Die vierte Macht" abermals einen Versuch, eine Lanze für das deutsche Genrekino zu brechen. Mit "Wir sind die Nacht" scheiterte er damit am Desinteresse der Zuschauer. Mit einer Gruppe weiblicher Vampirinnen, die in Berlin eine blutige Rauschorgie veranstalten, konnte das Publikum nichts anfangen. Gansel hat aus dem Misserfolg offenbar gelernt. Während "Wir sind die Nacht" thematisch allzu speziell geriet, setzt er in "Die vierte Macht" auf Breitenwirksamkeit und Universalität.

Die Hauptrolle besetzte er Moritz Bleibtreu, anstatt sie erneut seinem Stammschauspieler Max Riemelt anzuvertrauen, der sich mit der Nebenrolle begnügen muss. Die Geschichte ist in Moskau angesiedelt, wobei Gansel mit der Unterdrückung der Pressefreiheit sowie dem Terrorismus bzw. Staatsterrorismus aktuelle Themen aufgreift. Hinzu kommt, dass er seinen Thriller auf Englisch drehte, was zwar durch die inhaltliche Prämisse motiviert, sicher jedoch auch mit Blick auf eine internationale Auswertung des Films erfolgt ist.
Universal Pictures
Deutscher Thriller mit internationalen Darstellern: Rade Serbedzija und Moritz Bleibtreu in "Die vierte Macht"
Spannende Unterhaltung
Dass Gansel sein Handwerk versteht, ist nicht von der Hand zu weisen. Er kennt sich mit dem Politthriller aus und weiß, die Register des Genres zu ziehen. Die äußere Handlung, die Bedrohung des Einzelnen durch die Macht, nutzt er nicht als Mittel für effektvolles Actionkino, sondern verzahnt sie mit der individuellen Entwicklung des Helden. Dabei rückt er die konfliktreiche Beziehung des Journalisten zu seinem mittlerweile verstorbenen Vater in den Vordergrund einer Erzählung über Mut und gewissenhaftes Handeln.

Daneben gelingen ihm aber auch einige emotional packende Szenen. So ist bietet die Gefängnisszene nicht nur einen authentischer Einblick in die bedrückenden russische Haftbedingungen, sondern ist auch spannendes Unterhaltungskino. Auf der anderen Seite ist nicht zu übersehen, dass Gansel die Genremuster allzu gefällig bedient. Dabei streift gerade die emotionale Ebene der Handlung, die Beziehung des Journalisten zu seinem Vater, ein ums andere Mal die Grenze des Kitsches. Auch gegen Ende erliegt Gansel der im Mainstream in letzter Zeit geradezu zum Zwang gewordenen Konvention, die Bilder von einer pathetischen Soße zu übergießen. Dennoch: Abgesehen von diesen Einwänden ist "Die vierte Macht" ein solide und routiniert inszenierter Thriller, der spannende Unterhaltung bietet.
erschienen am 22. Februar 2012
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