TOBIS Film
Woody Allen wieder in "To Rome with Love" wieder auch vor der kamera
Also lacht Zarathustra
Feature: Woody Allens magisches Rom
Nach London, Barcelona und Paris ist Rom an der Reihe. In der Ewigen Stadt siedelt Woody Allen seine neueste Komödie an. Wie so oft steht ihm hierfür eine Reihe namhafter Schauspieler zur Seite. Fans des Regisseur dürfen sich auch über Schauspieler Allen freuen, der nach "Scoop - Der Knüller" wieder in eine tragende Rolle schlüpft. "To Rome with Love" ist ein vergnüglicher Film über Rom und seine Mythen, der von Allen mit leichter Hand und viel Augenzwinkern in Szene gesetzt wird.
erschienen am 26. 08. 2012
TOBIS Film
To Rome with Love
Der Erzähler über dem Ganzen
Der Anfang von Woody Allens "To Rome with Love" ist eine inszenatorische Umkehrung seines "Midnight in Paris". Während er seine Hommage an die Stadt der Liebe mit statischen Aufnahmen bebilderte, beginnt seine Liebeserklärung an die Ewige Stadt mit einer Reihe in die Tiefe des Raumes reichender Kamerafahrten. Am Ende dieser 'Erkundung' gelangt die Kamera, respektive der Zuschauer an einen Verkehrspolizisten. Dieser schlüpft aus seiner Rolle und entpuppt sich als Erzähler, der den Zuschauer auf eine Reise durch Rom, der Stadt der Träume und des Irrealen einlädt.

Die erzählende Instanz aus dem Off ist ein typisches Element in Allens filmischem Kosmos. Es ist eine narrative Konstante, die den Regisseur einerseits als dezidierten Filmemacher klassifiziert, andererseits die Nähe seiner Filme zur Literatur markiert. In "To Rome with Love" erfährt sie mit dem Erzähler als integraler Bestandteil der erzählten Welt eine angenehme Variation. Zugleich erweist der Regisseur damit einem seiner großen Kinohelden seine Referenz: Federico Fellini. Eine Liebeserklärung, die sich auch thematisch äußert. Wie Fellini in seinem Klassiker "Amarcord" eine filmische Reise an den Ort seiner Kindheit unternimmt, so ist auch Allens Blick auf Rom Ergebnis eines subjektiven Filters. Wie Fellini geht es auch ihm nicht um die tatsächliche, die historische Stadt, sondern um den Traum davon. Wenn sich in dieses Bild mal ein allzu grober Farbtupfer einschleicht, darf das dem Film nicht angelastet werden. Was als Klischee daherkommt, ist in Wirklichkeit folge einer für den Regisseur typische Welt- und filmästhetische Anschauung.
Concorde Filmverleih
Woody Allen am Set von "Tall Dark Stranger - Ich sehe den Mann deiner Träume"
Buntes Treiben in der Ewigen Stadt
Ähnlich Fellinis "Amarcord" ist auch Allens Film erzählerisch dezentral ausgerichtet. Während sein Vorbild seinen Blick jedoch über eine unüberschaubare Zahl von Gesellschaftstypen gleiten ließ und sich erst im Laufe der Erzählung eine Identifikationsfigur herausschält, konzentriert sich Allen auf ein kleines Figurenarsenal. Auch durchkreuzen sich die Wege seiner Figuren nicht wie in Fellinis überschaubarem Rimini. Wie in "Amarcord" die Krise des Künstlers Fellini die Rückschau motiviert, so ist auch in "To Rome with Love" die Sinnkrise und -suche der Figuren Dreh- und Angelpunkt der vier inhaltlich nicht zusammenhängenden Erzählstränge.

Da ist der ehemalige Opernregisseur Jerry (Woody Allen), der mit seiner Frau Phyllis (Judy Davis) anlässlich der Verlobung ihrer Tochter Hayley mit ihrem italienischen Freund Michelangelo (Flavio Parenti) nach Rom angereist ist. Als Jerry das Gesangstalent von Michelangelos Vater Giancarlo (gespielt vom berühmten Tenor Fabio Armiliato) entdeckt, glaubt er an sein Comeback. Von der Idee, auch seinen Schützling groß rauszubringen, lässt er sich weder von den Einwänden des Sängers und seiner Familie abbringen noch von der Tatsache, dass Giancarlo seine Fähigkeiten nur unter der Dusche entfalten kann. Dann soll auf der Theaterbühne eben eine ein Bad aufgebaut werden, so die künstlerisch halsbrecherische Idee des verzweifelten Regisseurs.
Alamode Film
Amarcord
Krise des Menschen
Der Krise des verblendeten und naiven Theatermachers, den Allen genüsslich selbstironisch verkörpert, verspinnt er mit der von Architekt John (Alec Baldwin). Der hat vor Jahren in Rom studiert und streift nun als Tourist ziellos durch die Stadt - auf der Suche nach Erinnerungen. Dabei trifft er auf den jungen amerikanischen Studenten Jack (Jesse Eisenberg). Als er bemerkt, dass Jack drauf und dran ist, sich in Monica (Ellen Page), der Bekannten seiner Freundin Sally (Greta Gerwig) zu verlieben, möchte er ihn vor einem folgenschweren Fehler bewahren.

Neben den Irrwegen der Künstler gibt es die des einfachen arbeitenden Mannes. Der aufstrebende Antonio (Alessandro Tiberi) möchte seine einflussreiche Familie von seiner jungen Ehefrau Milly (Alessandra Mastronardi) überzeugen und einen gutdotierten Job an Land ziehen. Doch es kommt anders. Milly verliert sich im Irrgarten Roms, während Antonio seiner Sippe die leichtbekleidete Prostituierte Anna (Penélope Cruz) als Gattin ausgeben muss. Und dann ist da noch Leopoldo (Roberto Benigni), ein durchschnittlicher, verheirateter Mann, der eines Tages in seinem eigenen Traum aufwacht. Hier wird er als berühmter Mann von der Presse verfolgt, tritt im Fernsehen auf, gibt Interviews und hat Auftritte auf dem Roten Teppich. Dies dauert an, bis er seines Promilebens überdrüssig wird. Als er sich unversehens wieder in seiner Existenz als Normalo wiederfindet, trauert er dem Berühmtsein nach.
Jean-François Martin/Ricore Text
Woody Allen
Liebe und Abenteuer
Rom ist die Stadt der Liebe, der Romantik, der Abenteuer, diesem Klischee gibt auch Allen in seiner Komödie nach. In gewohnt bissiger Manier zeigt er, wie sich in der italienischen Metropole Paare finden und verlieben, sich auf Abenteuer einlassen dafür gesicherte Lebenssituationen aufs Spiel setzen. Rom, die magische und mystische Stadt, ist der Katalysator für das Lebensglück wie für das Lebensleiden. Für alle Allen-Kritiker und -Skeptiker, welche die europäischen Filme des Regisseurs gerne als Postkarten-Ansichten abtun, sei versichert, dass vom touristischen Rom in "To Rome with Love" nicht viel zu sehen ist. Allen möchte kein Reiseführer sein, verzichtet darauf, seine Kamera auf die architektonischen Höhepunkte der Stadt zu richten. Stattdessen erzählt er vom Menschlichen und Zwischenmenschlichen, den vielen Begegnungen und Abenteuern, die die Menschen in Rom tagein, tagaus erleben.

Wie Fellini dies vor allem in seinem wunderbaren "Amarcord" tat macht es auch Allen - mit dem Blick eines Künstlers, der sich von der abstrahierenden Quelle der Erinnerung und der Imagination inspirieren lässt. Klar dass eine solche Perspektive kein realistisches Bild ergibt, sondern die Essenz und das Typische hervorhebt. So nimmt es nicht wunder, dass Allen in "To Rome with Love" einen eitlen und selbstverliebten Schauspieler gibt, der einen Fan rücksichtslos verführen will. Auch fehlt die eifersüchtige Ehefrau nicht, die dem Betrüger im Hotelzimmer auflauert. Oder die Edelprostituierte, zu deren Kundschaft die Hälfte der gehobenen Gesellschaft Roms gehört. Und natürlich ist die italienische Frau temperamentvoll und bis aufs Blut reizbar, während in jedem einfachen Italiener ein Luciano Pavarotti steckt.
TOBIS Film
Judy Davis und Woody Allen in "To Rome with Love"
Spöttisches Lachen
Allens Blick auf das bunte Treiben ist nicht strafend. Er spottet, macht sich lustig, aber er verurteilt nicht. Wie kann er das auch, wenn den Menschen als Teil eines sich ewig wiederkehrenden Reigens betrachtet. Diese deterministische Weltsicht unterscheidet Allen letztlich von der fortschrittlicheren Perspektive Fellinis. Wenn dieser seine Protagonisten immer wieder aus ihrer vertrauten Welt ausbrechen lässt, dann kann er seine Trauer nicht darüber verbergen, dass diese Welt der Zeit ausgeliefert ist. Das war in "Die Müßiggänger" der Fall, in "Amarcord" wird es angedeutet. In "Das Lied der Straße - La Strada" lässt Fellini Gelsomina, den Engel in menschlicher Gestalt, gar sterben und einen in Ansätzen geläuterten Protagonisten zurück. In Allens Welt der Wiederkehr des Ewiggleichen gibt es dagegen weder Schuld noch eine erlösende Erkenntnis. Das Leben bei diesem spöttischen Waisen ist nichts anderes als eine "Geschichte voller Lärm und Wut und bedeutet nichts", wie er William Shakespeare in "Ich sehe den Mann deiner Träume" zitiert. Über dieses Leben verzweifelt man nicht, darüber lacht man.
erschienen am 26. August 2012
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Woody Allen scheint sich eine europäische Hauptstadt nach der anderen vorzunehmen. Nach "Vicky Cristina Barcelona" und "Midnight in Paris" verschlägt es den New Yorker Regisseur nach Rom. Dort bringt er Jesse Eisenberg als Architekturstudent Jack in die Bredouille. Als dessen Freundin Sally (Greta Gerwig) die eigenwillige Monica (Ellen Page) in die italienische Hauptstadt einlädt, gerät das Gefühlsleben des jungen Mannes gehörig ins Wanken. Allen selbst spielt als ehemaliger Opernregisseur..
Woody Allen zählt zu den bekanntesten und anerkanntesten Filmemachern des amerikanischen Independentkinos. Der am ersten Dezember 1935 in Brooklyn geborene Allan Steward Königsberg realisiert seine Filme als Drehbuchautor, Regisseur, Schauspieler und Produzent. Durch seine eigenwilligen, skurrilen und bittersüßen Werke schuf sich Allen weltweite eine große Fangemeinde. Viele seiner frühen Filme haben bis heute an Frische, Spritzigkeit und intellektuelle Schärfe nichts eingebüßt. Allen wurde in..
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