Ascot Elite
Mia Wasikowska in "Spuren"
Auf dem Kamel durch Australiens Wüste
Feature: Berührendes Grenzerfahrungs-Abenteuer
Die 25-jährige Robyn Davidson ackert zwei Jahre in Alice Springs für Kamelzüchter, bis sie endlich vier Exemplare erhält, um mit diesen 1977 ihren Traum zu verwirklichen und allein durch die lebensfeindliche Wüste bis zur Küste zu ziehen. Einziger Kompromiss: Ein Fotograf von National Geographic begleitet sie streckenweise.
erschienen am 7. 04. 2014
Ascot Elite
Mia Wasikowska in "Spuren"
Reise zu den eigenen Grenzen
Das gibt es noch - Kino als unbedingt nahegehende Reise zu eigenen und fremden Grenzen, als pures, authentisches Erlebnis jenseits des genormten Hollywood-Abenteuers. Die Zivilisationsflucht ins wilde Outback nach dem Weltbestseller von Robyn Davidson ist mehr als ein Travelogue, es ist eine Odyssee in die eigene Biografie zur Traumzeit - von sphärischen Klängen zur bittersüßen, berückenden Meditation erhoben.

Gut Ding will Weile haben: 1977 wanderte die damals 27-jährige allein mit ihrem treuen Hund Diggity und vier Kamelen 2.700 Kilometer auf eigene Faust durch die ausgedörrte Wildnis bis zur Westküste. Wenige Monate später begeisterte die Fotoreportage von Rick Smolan in der National Geographic weltweit Leser, 1980 verkaufte sich Davidsons Reisetagebuch global, wurde Faszinosum, in der Heimat Kulturgut und Schullektüre.

Mehr als 30 Jahre, nach mehreren Adaptionsversuchen sind vom inneren Monolog des Buchs nur gelegentliche Voice Over übrig geblieben. Der für seine starken Frauenfiguren bekannte John Curran ("Wir leben nicht mehr hier") schafft ein beeindruckendes Porträt einer stillen, ebenso unabhängigen wie willensstarken Frau. Sie wird vom australischen Shooting-Star Mia Wasikowska ("Alice im Wunderland") lebensnah, robust und zugleich sehr verletzlich gespielt.
Ascot Elite
Mia Wasikowska durchquert mit vier Kamelen die Wüste
Magie des Alleinseins zur besinnlichen Einkehr
Bis ihr Abenteuer beginnt, ringt sie mit permanenten Verzögerungen und damit, Hilfe anzunehmen und Kompromisse einzugehen, obwohl sie am liebsten ohne Technik, Unterstützung - vor allem aber: Menschen - losziehen würde. Die 70er Jahre sehen echt aus: das Leben im Dorf, dessen raues Klima Curran mit herber Poesie zärtlich beschreibt, Robyns Arbeit als Kamelzüchterin mit gurgelnd-knurrenden Wildtieren.

Ihr Drang nach Einsamkeit dürfte auch Rousseauisten gefallen, denn sie muss diesen gegen aufdringliche Touristenhorden durchsetzen, die sie als "Kamel-Lady" mit der Kamera jagen, ebenso wie Schmeißfliege Rick, mit dem sie spät Freundschaft schließt. Wenn die Magie des Alleinseins wirkt, man die besinnliche Einkehr spürt, rückt die Zivilisation als idiotische, kommerzielle, lärmend laute Störung in die Kritik.

Das ist subtil und deutlich zugleich, spätestens, wenn ihr über alles geliebter Hund an einer Giftdosis Strychnin qualvoll verendet, ist die hässliche Kultur der Kolonialisten, die nur Übel mitbrachten, eine waschechte Gefahr - die sich zu Belastungsmomenten wie Durstdelirium, Orientierungsverlust, angreifenden Kamelbullen und anderer Härten der Natur hinzugesellt, welche sie hingegen meistert.Anders als Nicolas Roegs "Walkabout", mit dessen Nüchternheit ich nie warm wurde, gerät "Spuren" zu einer nie sentimentalen, aber stets hochemotionalen Erinnerungsreise zwischen Traum und Alptraum, zu tief persönlichen Kindheitserlebnissen und surrealen Begegnungen in fast menschenleerer Wüstenweite, "Mad Max"-artigen Siedlungsresten und herzlichen Menschenaußenposten. Hier ist man Familie.

Es wird zwar nicht wie in "Long Walk Home" die rassistische Politik der Regierung angeklagt, aber sehr wohl die abstoßende Respektlosigkeit des weißen Manns in all ihren Spielarten. Auch deshalb wählt Curran eine Hommage an die Aborigines, ihre Weisheit und Lebensart. Sie nehmen Robyn als eine der ihren auf, geleiten sie bei ihren Marsch, der einer Weihe, einem seelisch-körperlichen Selbstfindungsprozess gleicht.

Die perfekt ausgesuchte Musik transportiert die wunderbaren wie schrecklichen Gefühle, bis man leise erschüttert den gleichen tief bewegten Bewusstseinszustand erreicht wie die Protagonistin. Eine epische Wahnsinnstour, ungefiltert und ungeschönt naturnah - also fern von Postkarten- und anderen Abenteuerklischees - durch ihre zartbittere Art so intensiv, wie geschaffen für die optischen und emotionalen Stärken des Kinos.
erschienen am 7. April 2014
Zum Thema
Spuren (Kinofilm)
1977 unternimmt die Australierin Robyn Davidson (Mia Wasikowska) eine gefährliche Reise: Sie will zu Fuß die australische Wüste durchqueren. Begleitet wird sie von mehren Kamelen und ihrem geliebten Hund. Die Reise wird zu einer sehr emotionalen Selbstfindung. "Spuren" ist die Verfilmung des gleichnamigen Buchs von Robyn Davidson. Kurz nach Veröffentlichung erhält die australische Autorin die ersten Angebote von Filmproduzenten, die sie zunächst alle ablehnt. Auch die Produzenten von "Spuren"..
Weitere Kritiken
Zum Weinen lustig
"Lost City - Das Geheimnis der verlorenen Stadt"
2024