Kairos Filmverleih
Metéora
In magisches Licht getauchtes Kunstkino
Feature: Kontraste des Heiligen und Weltlichen
Mönch Theodor (Theo Alexander) und Nonne Urania (Tamila Koulieva-Karantinaki) gehören zwei gegenüber liegenden orthodoxen Klöstern an, die im zentralgriechischen Metéora durch eine tiefe Schlucht voneinander getrennt sind. Heimlich unterhalten beide eine verbotene Liebesbeziehung. Gefühle und Sex stürzen sie in schwere innere Konflikte.
erschienen am 5. 05. 2014
Kairos Filmverleih
Metéora
Fast jede Einstellung ein pastöses Naturgemälde
Der byzantinische Klosterkomplex im thessalischen Metéora dient als bildgewaltiges Relief für die Meditation über eine verbotene Affäre gleich dem mediävistischen Liebespaar Abaelard und Héloise - weniger tragisch denn inkludierend, voller Gewissenskonflikte über das zölibatäre Gelübde. Ein Schweben zwischen Himmel und Erde, so wie die auf monumentalen Sandsteinfelsen aus den Wolken ragenden orthodoxen Konvente.

Der aus Südamerika stammende Grieche Spiros Stathoulopoulos drehte 2007 den kolumbianischen Kultthriller "PVC-1" in einer einzigen Einstellung. Er verbindet mit großem Kunstsinn das Dokumentarische mit Fiktion zu einem Drama fast ohne Erzählung und Scherenschnitt-Animationen christlicher Ikonografie. In ungeschminkten Kontrasten vereint er sakrale Stille mit der Kakophonie einer Hieronymus-Bosch-Hölle zu reinem Arthaus-Genuss.

Divergierendes verschmilzt reizvoll: Trockene Percussion und kirchliche Choräle des mittelalterlichen Notre-Dame-Komponisten Pérotin, Einkehr und Andacht in formidabler Mise-en-Scène, in denen die Kamera fest ruht, kurz durchbrochen von einer hektischen Ziegenschlachtung - Abbilder des inneren Ringens der beiden gut aussehenden Liebenden zwischen Entsagung und Fleisch, Glaube und Gott, Erlösung und Verdammnis.

Selbstkasteiung wie der Versuch, sich mit Feuer die Sünde auszubrennen, sind die Ausnahme in einem vorwiegend ruhige Rituale und Gebete abbildenden, mehr dem Geist als dem Körper entsprechenden Film, der sich als Pastorale mit beschaulicher Bukolik zwischen Klosterleben und Hirtenvolk bewegt: Fast jede Einstellung ist ein exzellentes, pastöses Naturgemälde verschiedener Lichtstimmungen und Tageszeiten.
Kairos Filmverleih
Metéora
Aus teilnehmender Distanz erzählte Passion
Mit den Wanderern über dem Nebelmeer, die Abgründe überwinden und dabei selbst hineinzustürzen drohen, erinnert Stathoulopoulos stilistisch an die schönsten Arbeiten seines berühmten Landsmanns Theo Angelopoulos, nur in religiösem statt politischem Kontext - und halb so lang. "Metéora" hat etwas Alltägliches und zugleich darüber Erhabenes, vor allem aber einen gleichnishaften Charakter, symbolhaft, trotzdem leicht.

Das liegt auch an den handlungsergänzenden Zeichentrick-Sequenzen, ein altmeisterlicher Ikonen-Comic, der biblische und griechische Mythen aufgreift. So schlägt der Mönch in einem minotaurischen Irrgarten Jesus ans Kreuz. Der wird in einem Meer aus Blut sintflutartig fortgeschwemmt. Dann wirken die Liebhaber wie in einem Kreis des Danteschen Infernos gefangen - im Wissen, dass die schlimmste Sünde die Verzweiflung ist.

Mal subtil, mal ganz direkt wirkt die Metaphorik in die aus teilnehmender Distanz erzählte Passion der verlorenen Schäfchen Gottes. Dies fällt nicht so thesenhaft wie im "Kreuzweg" aus, sondern ist, wenn die Lust expliziter in die Askese einbricht, den beiden lebensbejahend zugewandt. Körper und Geist sind keine unüberwindbaren Gegensätze (Rapunzel-Haar macht's möglich) in einem besonderen Werk, das an Lech Majewskis Renaissance-Experiment "Die Mühle und das Kreuz" sowie Pawel Pawlikowskis minimalistische Schwarzweiß-Kantate "Ida" anschließt.
erschienen am 5. Mai 2014
Zum Thema
Metéora (Kinofilm)
Eine große Klosteranlage im griechischen Thessalien trennt die Nonnen von Mönche voneinander. Eines Tages treffen sich Urania (Tamila Koulieva-Karantinaki) und Theodorus (Theo Alexander) dennoch. Im Geheimen treffen sie sich immer wieder und stellen bald das Zölibat in Frage. Spiros Stathoulopoulos' Drama "Metéora" macht sich auf die Suche nach dem Sinn der kirchlich angeordneten sexuellen Enthaltsamkeit.
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