Jean-François Martin/Ricore Text
Ken Loach auf der Cannes-Premiere von: The Wind That Shakes the Barley
Ken Loach's Beitrag zur irischen Geschichte
Feature: Ohne Pauken und Trompeten
Mit seinem Wettbewerbsbeitrag "The Wind That Shakes the Barley" erzählt der preisgekrönte Filmemacher Ken Loach von einer Gruppe irischer Freiheitskämpfer - und rührt zu Tränen.
erschienen am 19. 05. 2006
Verleih
Szene aus: The Wind That Shakes the Barley (Cillian Murphy)
Sickerndes Blut - ohne Pauken und Trompeten
Irland, 1920: Der junge aufstrebende Medizinstudent Damien (Cillian Murphy) steht kurz vor seiner Abreise nach London. Ein Studienplatz wartet auf ihn, eine gesicherte Arbeit, eine glückliche Zukunft. Im letzten Moment kommt alles anders: Die britische Regierung schickt als Reaktion auf die demokratisch beschlossene Unabhängigkeit Irlands Militärtruppen in den Norden, Damien und seine Freunde werden beim Ballspiel von wütenden Truppen bedrängt. Die Briten wollen von der Freiheit ihrer Kolonie nichts wissen, Versammlungen sind deswegen neuerdings auch verboten. Als sich einer der Jugendlichen weigert, seinen Namen in englischer Sprache auszusprechen, kommt es zur Katastrophe: er wird gefesselt und brutal getötet - und hinterlässt eine trauernde Gruppe rebellischer Herzen, in denen der Hass gegen die Obrigkeit stetig wächst.

Für Damien sind die Würfel gefallen: Schweren Herzens entschließt er sich gegen die sichere Zukunft - er geht in den Kampf für die eigenen Ideale. Die Freunde formieren sich in einer Widerstandstruppe, organisiert nach Guerilla-Taktik, und beginnen ihren blutigen wie hoffnungslosen Kampf für die Freiheit.
Tiger/Ricore Text
Ken Loach
Schwelbrand der Gewalt
Ein einsamer Hügel in Irlands weiter Landschaft. Zwei Freunde - einer von ihnen ist Damien, der vor der schwierigsten Aufgabe seines Lebens steht. "Ich habe fünf Jahre Anatomie studiert - jetzt schieße ich jemanden in den Kopf. Ich hoffe, das Irland, für das wir kämpfen, ist es auch wirklich wert." Solche Sätze bewegen stärker als der Nachhall der Schüsse, mit denen er seinen Jugendfreund niederstreckt.

Es ist Krieg - und für Denunzianten gibt es kein Pardon, auch nicht von den eigenen Freunden. Damien rennt davon, ringt mit den Tränen, stolpert - und lässt uns als verstörte Zuschauer zurück, die in dem episch erzählten Film die ganze Hässlichkeit des Krieges vor Augen geführt bekommen. Idealismus und Gewalt - zwei Pole, die bis heute Irlands Geschichte bestimmen und in der zwangsläufigen Katastrophe enden müssen. Nuanciert schildert Drehbuchautor Paul Laverty den Ursprung des schier ewigen Konflikts in Irland, das tragische Einstehen jugendlicher Rebellen für ihre Ideale, Erkenntnisse, die auf seinen intensiven Recherchergebnissen aus Krisengebieten resultieren.
Verleih
Szene The Wind That Shakes the Barley
Fachmann für tiefgründig politische Diskussionen
Ken Loach, der mit seinem spanischen Bürgerkriegsdrama "Land and Freedom" 1995 in Cannes ausgezeichnet wurde, beweist sich in Sachen Inszenierung einmal mehr als Fachmann für tiefgründig politische Diskussionen. Denn der Film thematisiert eine Ära des britischen Empire, die man auf der Insel gerne totschweigen würde. Zu brutal die Gräueltaten, die ganze Familien für Jahrzehnte traumatisierten und in Irland einen noch immer glühenden Schwelbrand an Gewalt erzeugten. Entsprechend die filmische Umsetzung: Nichts ist romantisiert, keine Pauken und Trompeten, nur langsam sickerndes Blut und ein leiser Wind, der durch Gerstenhalme einer unberührten Landschaft streicht. Eine leise erzählte Geschichte, die universelle Mechanismen des Krieges aufzeigt und mit in ihrer Mischung aus tragischen Ereignissen, grausamen Gewaltszenen und dem Sterben jugendlicher Ideale nachhaltig beeindruckt. Fazit: Verheerend ehrlich. Ein nachdenklicher, wichtiger Film.
erschienen am 19. Mai 2006
Zum Thema
Filmemacher Ken Loach präsentiert mit seinem Drama einen etwas anderen Antikriegsfilm. Zwei Brüder kämpfen Seite an Seite gegen die britische Besatzung in Irland. Der zweifelhafte Friedenvertrag führt zu einem blutigen Bürgerkrieg, in dessen Folge auch die einst verbündeten Brüder Damien (Cillian Murphy) und Teddy (Padraic Delaney) zu Todfeinden werden. "The Wind That Shales The Barley" war der Überraschungssieger der Filmfestspiele von Cannes 2006.
Ken Loach ist der Meister des sozialen Dramas. Der neorealistische Regiestil speist seine Inspiration aus den sozialistischen Überzeugungen des englischen Filmemachers. In seinen Werken wird die zeitgenössische gesellschaftapolitische Situation seines Landes wiedergespiegelt. Der bekennende Trotzkist sieht sich immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt.
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