Universum Film
Chihiros Reise ins Zauberland
Zauberer des Anime-Films
Feature: Miyazaki im Wunderland
Fünf Jahre nach dem gezeichneten Opus "Prinzessin Mononoke" entstand erneut eine wegweisende Comic-Produktion unter der Federführung von Hayao Miyazaki. "Chihiros Reise ins Zauberland" ist ein tiefgründiges und mysteriöses Fantasy-Abenteuer, in dessen Mittelpunkt ein 10jähriges Mädchen steht. Die surreale Version von "Alice im Wunderland" verdrängte in Japan bereits "Titanic" als erfolgreichsten Film aller Zeiten.
erschienen am 17. 06. 2003
Szene aus: Chihiros Reise ins Zauberland
Es war einmal ein kleines Mädchen, das mit seinen Eltern in eine neue Stadt ziehen sollte. Am Umzugstag nimmt der Vater eine falsche Abzweigung, die Fahrt endet inmitten eines Waldes vor einem hohen Torbogen. Es ist der Eingang zu einem langen Tunnel, dessen Ende man ganz klein in der Ferne blinken sieht. Neugierig gehen die Eltern hinein, Chihiro muss wohl oder übel mitkommen. Auf der anderen Seite breitet sich ein wunderschönes, weites Land aus und angelockt von leckeren Essensdüften landet die Familie schließlich in einem verlassenen Amüsierviertel. Während die Eltern sich in der einzigen geöffneten Garküche die Bäuche voll schlagen, erkundet ihre Tochter die Umgebung.
Szene aus: Chihiros Reise ins Zauberland
Chihiro begegnet keine Menschenseele und so erschrickt sie nicht schlecht, als plötzlich ein Junge vor ihr steht. Haku brüllt sie an, sie solle auf der Stelle verschwinden, denn gleich würde es dunkel werden. Doch es ist bereits zu spät. Rasend schnell bricht die Nacht herein und die trostlose Stadt erweckt zum Leben. Doch es sind keine Menschen, die die Straßen und Häuser bevölkern, sondern Schattengestalten und Phantasiewesen, die einem Albtraum entsprungen sein könnten. Als Chihiro endlich wieder die Garküche erreicht, haben sich ihr Vater und die Mutter in gigantische, fette Schweine verwandelt. Voll gefressen an den Köstlichkeiten, die sich wie im Schlaraffenland immer wieder vor ihnen auftürmen. Spätestens jetzt merkt der Zuschauer, dass es sich nicht in einen harmlosen Kindercomic befindet.
Szene aus: Chihiros Reise ins Zauberland
Hayao Miyazaki, Regisseur und Autor von "Chihiros Reise ins Zauberland" verwöhnt seine Zuschauer nach allen Regeln seiner Genre-Kunst. Detailbesessen und geradezu liebevoll kreiert er die bizarrsten Charaktere. Ob winzige Spinnenartige Wuschelmonster oder ausladende Kreaturen, die wie Rettiche oder Riesenkröten aussehen. Die unglaublichsten Figuren bewegen sich schleichend, stampfend, hüpfend oder fliegend durch den Film, der größtenteils in einem Badehaus spielt. Nachdem Chihiro völlig alleine in der Geisterwelt zurecht kommen muss, wird aus dem aufmüpfigen Stadtkind eine willensstarke kleine Heldin.
Szene aus: Chihiros Reise ins Zauberland
Mit Hakus Hilfe betritt sie unbemerkt das Badehaus und fordert einen Job. Denn nur wer arbeitet, schafft es, in der Zauberwelt zu überleben. Hier hat Yu-baaba das Sagen, eine verschrumpelte alte Hexe, deren zorniges Herz sich nur für Geld und ihr hässliches weißgesichtiges Riesenbaby erwärmt. Jeden Morgen wirft sie sich einen Umhang über und fliegt davon. Dann ist Ruhe im Badehaus und alle Untergebenen schlafen. Sobald sie abends zurück kommt ziehen dunkle Wolken herauf, es wird Nacht und der Trubel beginnt von Neuem.
Szene aus: Chihiros Reise ins Zauberland
Regisseur Miyazaki packt in jedes Bild eine Komplexität und Vollständigkeit, die seinesgleichen sucht. Das Füllhorn des Ideenreichtums wird über jeder Einstellung ausgeschüttet und entführt das Publikum in fremde Welten, die man bis dato nur aus Science-Fiction-Filmen kennt. An manchen Stellen des Films wird man von den vielen Eindrücken regelrecht überwältigt. Doch Chihiro führt den Zuschauer sicher durch die Zauberwelt. Durch ihre Augen sieht man die Schönheit der Umgebung und spürt die Verzweiflung ebenso wie ihren Kampfgeist. Auf der Reise lernt sie ihren Instinkten zu folgen und sich von ihrem Herzen leiten zu lassen. Volkstümelnde Weisheiten, die vor einem abenteuerlichen universellen Hintergrund thematisiert werden.
Szene aus: Chihiros Reise ins Zauberland
Dafür, dass "Chihiros Reise ins Zauberland" nicht im tiefen Brunnen der Gefühsduselei in Vergessenheit geraten wird, gibt es mehrere Gründe. Miyazaki mixt handgezeichnete Animation mit reichlich CGI-Software und eine an die Gebrüder Grimm erinnernde Märchenerzählung. Der für viele oft harte und befremdlich wirkende Look japanischer Animationsfilme wurde weicher und gefälliger gezeichnet. Gleichzeitig ist das Fantasy-Abenteuer ebenso bildgewaltig wie malerisch inszenierte und mit einem einfühlsamen, unaufdringlichen Score unterlegt. Alles in allem eine erstklassiges Kinoerlebnis, dass dem Regisseur und der Produktion einen Oscar einbrachte und sicher auch an den Kinokassen erfolgreich sein wird. Da dies ein Anime-Film ist, dem selbst Comic-Hasser bereits applaudierten, sollte dem nichts im Wege stehen.
erschienen am 17. Juni 2003
Zum Thema
Hayao Miyazaki ist in seiner japanischen Heimat längst Legende. "Chihiros Reise ins Zauberland" hat mit dem doch recht gewalttätigen "Prinzessin Mononoke" wenig zu tun. Die phantasievolle erzählte und gezeichnete Reise der kleinen Chihiro in die Welt der Götter konnte in Japan 230 Millionen Dollar einspielen und ist der bis dato erfolgreichste japanische Kinofilm!
Hayao Miyazaki gilt als der'japanische Walt Disney. Nach einem Studium der Wirtschafts- und Politikwissenschaften arbeitet er ab 1963 als Animationszeichner. Neben Kinoproduktionen realisiert Miyazaki vor allem Animationsserien für das Fernsehen. Mitte der 1980er Jahre macht er sich mit dem Studio Chihiros Reise ins Zauberland" (2001) erhält er 2002 den Goldenen Bären der Berlinale. Im Jahr darauf wird der Film mit dem Oscar ausgezeichnet.
Weitere Kritiken
Zum Weinen lustig
"Lost City - Das Geheimnis der verlorenen Stadt"
2024