Alamode Film
Ich und du und alle, die wir kennen

Ich und Du und Alle, die wir kennen

Originaltitel
Me and You and Everyone We Know
Regie
Miranda July
Darsteller
David Serfozo, Zachary Hackbarth, Michael Swinfard, Jesse Saenz, Devin Rockwell, Caitlin Reza
Kinostart:
Deutschland, am 23.02.2006 bei Alamode Filmdistribution
Kinostart:
Schweiz, am 23.02.2006 bei Frenetic Films
Genre
Komödie
Land
USA, Großbritannien
Jahr
2005
FSK
ab 6 Jahren
Länge
90 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
6,0 (Filmreporter)
7,5 (4 User)
Polarisierendes Regiedebüt von Miranda July
Richard Sweresy (John Hawkes) ist Schuhverkäufer und Vater zweier Söhne. Nachdem seine Frau ihn verlässt, muss er alleine mit den Kindern klarkommen. Doch Peter (Miles Thompson) und Robbie (Brandon Ratcliff) haben kaum einen Bezug zu ihrem Vater, sie und leben in ihrer eigenen, von Computern dominierten Welt. Sie unterhalten sich eher im Erotikchat mit Fremden, als mit dem eigenen Vater. Als sich Künstlerin Christine (Miranda July) in den frisch geschiedenen Mann verliebt, lässt er sie zunächst abblitzen, weil er nicht offen für eine neue Beziehung ist.

Doch sie lässt nicht locker. Geradezu aufdringlich und penetrant verfolgt sie den Mann ihrer Träume. Beruflich ist die Künstlerin auch nicht gerade auf Erfolgskurs. Immer wieder nervt sie eine Kuratorin mit ihren Videoinstallationen und erhält eine Abfuhr nach der anderen. In einer Nebenhandlung sind zwei Teenagermädchen auf der Suche nach dem ersten Sex und dem passenden "Versuchskaninchen". Zuerst soll es Richards Arbeitskollege sein, der den Mädchen ordinäre Zettelbotschaften an seinem Fenster hinterlässt. Doch die Wahl fällt schließlich auf Richards Sohn Peter (Miles Thompson), der als Kandidat herhalten muss. Gefühle spielen keine Rolle, es geht nur darum sexuelle Praktiken zu testen...
Das Debüt der Regisseurin Miranda July hat auf dem Sundance Filmfestival, in Cannes und anderen Festivals für Furore gesorgt. Die Komödie wird sicher nicht ein breite Publikum ansprechen, dafür polarisiert July zu sehr. Die Verbindung von Kindern mit extremen sexuellen Praktiken und Neigungen ist radikal und bricht Tabus "Me and You and Everyone We Know" klopft an Grenzen.

Die Regisseurin beschreibt die Auswirkung anonymisierter Kommunikation auf das Erwachsen werden. Und ihr Befund fällt nicht gerade optimistisch aus! Der vom Trennungsschmerz überwältigte Richard zündet seine Hand an, um die Exfrau umzustimmen, nicht auszuziehen. Der sechsjährige Sohn Robbie kommuniziert übers Internet Sexpraktiken, ohne wirklich zu wissen, wovon er und sein Gegenüber da eigentlich spricht. Christine wirkt auf den Zuschauer wie eine neben sich stehende Stalkerin. Im Kaufhaus hängt sie sich Socken an die Ohren, um Richard auf sich aufmerksam zu machen.

Die Szenen wirken streckenweise wie eine Collage visueller Kunstwerke. So etwa der Goldfisch, der auf dem Autodach mitfährt. Oder das Vogelgemälde, das schließlich in den Zweigen eines Baumes landet. Christines wund gescheuerte Fersen betrachtet Richard mit den Worten: "Glauben Sie, Sie haben diese Fußschmerzen verdient?" Schürfwunden als Metapher für die Leiden des Lebens. Der Zuschauer tut sich schwer, mit Christine mitzufühlen. Selbst wenn sie übers Lenkrad gebeugt "Fuck children, fuck peace" brüllt, berührt das nicht sonderlich.

Die sicherlich überraschendste Szene zeigt Richard mit seinen Kindern beim Spazieren gehen. Der Vater möchte mit seinen Kindern gemeinsam ein Lied singen und was wünschen sie sich? Kein Rapper-Song a la 50 Cent, kein Pop- oder Rocksong. Nein, sie singen dem sichtlich irritierten Vater ein Kirchenlied vor. Eine kleine Insel der Glückseligkeit zwischen Sex, Computer und Gefühlskälte.
Anja Boromandi/Filmreporter.de
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Ich und du und alle, die wir kennen
2024