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Ricore
Mosterschmiede Industrial Light & Magic
Frankensteins Traumfabrik
Frankensteins Schöpfung ist Realität geworden - zumindest in der Traumfabrik, wo Trickfilmtechniker zurzeit ein grünes Ungetüm lebendig werden lassen, das auf der Leinwand richtige Gefühle zeigen soll. Im beschaulichen San Rafael nördlich von San Francisco stehen verdächtig viele unauffällige Bürogebäude. Zum Beispiel die fast unsichtbare Kerner Company, die ihre wenigen Besucher mit einer schäbigen Klapptür aus Glas empfängt, auf der ein lieblos angebrachter Schriftzug keck behauptet, dass hier ein "optisches Forschungslabor" zuhause sei.
19. Mai 2003: Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Denn direkt hinter der billigen Eingangstür wacht Bösewicht Darth Vader lebensgroß in schwarzer Kunststoffrüstung über den Empfangsbereich des Unternehmens, das in Wirklichkeit Industrial Light & Magic heißt. Von George Lucas 1975 für "Star Wars" gegründet, ist ILM heute die weltweit größte und mit bisher 14 Oscars auch erfolgreichste Manufaktur für optische Spezialeffekte, die so genannten Visual Effects.

Tarnung ist alles "Alles Tarnung, wir halten uns gerne bedeckt", sagt Stephen Keneally, der Pressechef des digitalen Lucas-Universums. Zu dem gehört neben Industrial Light & Magic auch das etwas weiter nördlich auf der Lucas-Ranch untergebrachte Tonstudio Skywalker Sound, das seit seiner Gründung 1987 ebenfalls 14 Oscars eingefahren hat. "Aber die 'Star Wars'-Fans", seufzt Keneally, "wissen leider trotzdem, wo wir sind. Mittendrin steht wieder einer am Empfang und sagt, er hätte einen Termin mit einem unserer Mitarbeiter." Oder - Gipfel der Frechheit - mit George Lucas höchstpersönlich.

1400 Angestellte - Visual-Effects-Experten, Produzenten, Art Directoren, Modellbauer, Computerspezialisten, Zeichner und Animatoren, Bühnentechniker, Cutter und Kameraleute - arbeiten bei ILM in Bungalows und kleine Studios an den Aushängeschildern Hollywoods. Geheimhaltung ist dabei erste Pflicht. Denn um immer neue Kassenrekorde zu erobern, muss immer wieder nie zuvor Gesehenes auf die Leinwand kommen. Die Weltraumschlachten der "Star Wars"-Saga, die Dinos aus dem "Jurassic Park" und der verformbare Killerroboter in "Terminator 2" - sie alle wurden hier geboren. ILM hat insgesamt an mehr als 160 Kinofilmen mitgewirkt, von "Indiana Jones" bis "Harry Potter". Der Maßstab, das räumen selbst neidische Konkurrenten ein, wird seit gut 25 Jahren hier gesetzt.



Grünhäutiger Retortenmensch sucht Emotionen Und dieser Maßstab heißt zurzeit nicht "Matrix Reloaded" sondern "Hulk": Für Hollywoods neueste Comic-Verfilmung ließ Regisseur Ang Lee ("Tiger & Dragon") bei ILM den grünhäutigen Muskelprotz, von Lou Ferrigno einst in einer ulkigen TV-Serie gespielt, am Computer neu erschaffen. Der digitale Hulk wirkt lebensecht - ist jedoch knapp fünf Meter groß, sprintet gut 100 Meilen schnell, wirbelt Panzer durch die Luft und hüpft bis zu drei Meilen weit.

Am 20. Mai muss ILM die letzte Szene abgegeben haben. Dann müssen die insgesamt 400 Effekteinstellungen des Films im Kasten sein, denn schon im Juni soll der Film in Nordamerika ins Kino kommen. Vier Wochen vor dem offiziellen Abgabetermin waren noch etwa 100 Einstellungen unfertig. Es gibt viel zu tun: Bis zu 50 Mal wird jede Einstellung von einem riesigen Computernetzwerk neu berechnet, bis alle mit dem Endergebnis leben können. Für ILM kein Grund zur Panik, verfügt man doch im Gegensatz zur Konkurrenz über besondere Ressourcen: Mit "Hulk" sind etwa 200 Firmenangestellte voll beschäftigt, und das seit über einem Jahr.

Gerald Gutschmidt ist einer von ihnen. Der Deutsche arbeitet seit neun Jahren bei ILM. Seit August 2001 animiert er als Computer Graphics Supervisor verschiedene "Hulk"-Effektsequenzen und teilt sich dabei sein Büro mit Hilmar Koch, einem deutschen Software-Ingenieur. "Hier verlassen Sie den amerikanischen Sektor", begrüßt uns Gutschmidt, den das Studium als Industriedesigner in Ohio derart langweilte, dass er sich nebenbei für die Computergrafik interessierte. Nach dem Studium heuerte er in Berlin bei Mental Images an, wo er unter anderem Trailer für die ARD entwarf. Im Windschatten seines Chefs zog es Gutschmidt schließlich wieder in die USA. Dort konnte er bei ILM, wo an fünf bis sechs Kinoprojekten gleichzeitig gearbeitet wird, aus einer Fülle von Aufgaben wählen. So landete Gutschmidt bei "Casper", "Dragonheart", "Twister", "Mars Attacks!", "Men in Black", "Small SoldiersSmall Soldiers", "Jack Frost", "Der Sturm" sowie dem ersten Teil der "Harry Potter"-Trilogie.

"Star Wars" - nein danke!
Um "Star Wars" machte er dagegen immer einen großen Bogen. "Eigentlich sollte mein Chef das ja nicht wissen", verrät Gutschmidt in Anspielung auf George Lucas, den er "vielleicht zweimal im Jahr auf Firmenversammlungen" treffe. Denn: "Die neuen 'Star Wars'-Episoden sind ein bisschen wie 'Die Muppets Show'. Zu diesen Figuren finde ich irgendwie keinen Zugang - vielleicht hätte Lucas es bei den drei ersten Filmen belassen sollen." Gutschmidts Leidenschaft gilt eher einem Streifen wie "Magnolia", für den ILM ebenfalls die Effekte machte.

"Hulk"-Regisseur Ang Lee trifft Gutschmidt dafür jeden Tag. Lee residiert zurzeit in einer Dienstwohnung unweit der "Kerner Company", um die Fertigstellung der Effekte höchstpersönlich zu beaufsichtigen. Der vollständig im Computer generierte "Hulk" ist für Ang Lee trotzdem ein Schauspieler - ein menschliches Wesen, das auf der Leinwand richtige Gefühle zeigen soll. Um Gutschmidt und Kollegen seine Vorstellungen zu illustrieren, spielt der Filmemacher ihnen die gewünschte Mimik notfalls selber vor. "Hier geht's nicht nur um Explosionen, sondern vor allem auch um Emotionen", freut sich Gutschmidt, der auf Ang Lee offenbar große Stücke hält und den künstlerischen Anspruch des Oscar-Preisträgers lobt. Lees Ansatz fern des puren Mainstreams ist jedoch ein zweischneidiges Schwert: "Die gehen mit dem Film ein ziemlich großes Risiko ein", stellt Gutschmidt fest. Ein finanzielles Risiko vor allem, denn ILMs Dienstleistungen sind zwar hervorragend, aber nicht billig: "Hulk" soll über 120 Millionen Dollar gekostet haben.
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