News: Hollywood Insider
Pixar
Hier werden Blockbuster wie "Findet Nemo", "Die Monster AG" und "Das große Krabbeln" enhtwickelt
Steve Jobs lukrativer Zweitjob
Wal im Haifischbecken
Die einen können es, die anderen nicht (mehr): In den Pixar Animation Studios von Apple-Boss Steve Jobs entstehen seit neun Jahren die erfolgreichsten (und wohl auch besten) Trickfilme der Welt. Die Konkurrenz von DreamWorks SKG und Disney ist verunsichert - Krisenstimmung macht sich breit.
18. Nov 2003: "In diesem Kinosommer blieben viele große Filme hinter den Erwartungen zurück", stellt Regisseur Lee Unkrich (36) trocken fest. "Eigentlich dachten wir, von 'Hulk' und 'Matrix Reloaded' platt gewalzt zu werden - doch genau das Gegenteil war der Fall. Wir brachen sämtliche Rekorde." Unkrich und sein Kollege Andrew Stanton haben allen Grund zur Freude: Die beiden sind die Regisseure hinter "Findet Nemo", dem mit Abstand erfolgreichsten und wohl auch besten Film des Jahres. Der Streifen ist ein Kinderfilm, handelt von kleinen Fischen und entstand in den Computern einer Trickfilmschmiede, die eher zur New Economy als zum traditionellen Hollywood gehört: der Firma Pixar Animation, angesiedelt in Emeryville unweit von San Francisco.

Pixar ist das Hobby von Apple-Boss und Milliardär Steve Jobs. Obwohl er hauptberuflich die Computerfirma leitet, schaut der48-Jährige auch etwa einmal pro Woche bei den Pixar-Studios vorbei, wo er 55 Prozent der Firmenanteile hält. Kreativchef John Lasseter (46), der das Unternehmen gründete, hat dort weit gehend freie Hand. Lasseter gilt als Erfinder der computergenerierten Kinounterhaltung. Erst waren es nur Kurzfilme, wie 1986 der 90-Sekünder "Luxo Jr." über das Gefühlsleben einer kleinen Schreibtischlampe. 1995 produzierte Lasseter dann mit "Toy Story" ersten abendfüllenden Kinofilm, der vollständig aus dem Computer kam. Seitdem reiht Pixar Hit an Hit, beschäftigt heute gut 700 Mitarbeiter und kommt auf einen Börsenwert von beinahe vier Milliarden Dollar.

Die Konkurrenz rauft sich derweil die Haare. Verglichen mit den letzten Pixar-Hits ("Toy Story 2", "Das große Krabbeln", "Die Monster AG") sehen viele teure Trickfilmproduktionen etwa aus dem Hause Disney ziemlich bieder aus - und floppten an der Kinokasse. Dabei galten Disneys Magier am Zeichenbrett lange Zeit als unangreifbar. Klassiker wie "Bambi" und "Das Dschungelbuch" zählen zum kulturellen Allgemeingut, und mit dem Trickfilm-Musical "Der König der Löwen" produzierte Disney unter Jeffrey Katzenberg vor zehn Jahren den erfolgreichsten Zeichentrickfilm aller Zeiten. Auf eben diesem Thron sitzt nun allerdings "Findet Nemo", und auch sonst steht das einst unschlagbare Traditionshaus nun mit dem Rücken zur Wand. Katzenberg hat Disney längst im Streit verlassen und zusammen mit Steven Spielberg und Plattenmogul David Geffen das Konkurrenzstudio DreamWorks SKG gegründet, wo er eine Mischung aus Hits ("Shrek") und Flops ("Sinbad - Der Herr der sieben Meere") produziert. Und "Bärenbrüder", Disneys neuestes und wohl vorletztes mit der Hand gezeichnetes Trickfilmepos, wurde von den Kritikern zerpflückt und bleibt - wie zuvor bereits "Atlantis" und "Der Schatzplanet" - kommerziell weit hinter den Erwartungen zurück.

Das Desaster blieb nicht ohne Konsequenzen: In der Burbanker Zentrale kamen schon die ersten Zeichentische unter den Hammer, und 700 Disney-Zeichner wurden in den letzten beiden Jahren vor die Tür gesetzt. Den übrigen wurde das Gehalt um bis zu 50 Prozent gekürzt. Als Sündenbock muss die weit gehend mit der Hand gezeichnete 2-D-Technik herhalten. "2-D ist tot", verkünden Katzenberg und Disney-Chef Michael Eisner unisono. "Unsinn!", halten Stanton und Unkrich dagegen: "'Sinbad' ist nicht gefloppt, weil der Film in 2-D gezeichnet wurde. Er war einfach ein schlechter Film. DreamWorks versucht sich damit bloß herauszureden."

Über Disney finden Pixars Kreative freilich keine bösen Worte, schließlich sitzt man in einem Boot. Tatsächlich stünde Disney ohne Pixar derzeit noch viel schlechter da, denn die beiden Firmen haben einen Deal: Pixar liefert die Computerfilme, Disney übernimmt Vertrieb und Marketing, Kosten und Gewinne werden brüderlich geteilt. Doch die knapp zehn Jahre alte Partnerschaft steht auf der Kippe. Schon Pixars erster Kinofilm "Toy Story" übertraf alle Erwartungen, heute ist das Unternehmen so erfolgreich und finanziell unabhängig, dass man dort auf den angeschlagenen großen Partner gut und gern verzichten könnte. Bis zum Jahr 2005 muss Pixar an Disney noch zwei Filme liefern, dann ist Schluss. Hinter den Kulissen wird deshalb seit langem neu verhandelt - bisher noch ohne greifbares Ergebnis. "Wir haben kein Interesse, die Zusammenarbeit mit Disney zu beenden", gibt sich Stanton konziliant. "Das einzige, was wir wollen, ist eine gerechte Gewinnaufteilung." Doch genau darüber wird hinter den Kulissen noch gestritten. Schlimmstenfalls müsste Pixar auf Disney verzichten und sich mit der Konkurrenz zusammentun. Fox, Warner und Columbia haben sich schon angeboten.

Disney versucht für diesen Notfall vorzusorgen, indem das Studio eigene computeranimierte Filme produziert: "Rapunzel Unbraided", frei nach den Gebrüdern Grimm, soll 2007 in die Kinos kommen. Der Streifen folgt der alten Disney-Strategie, bekannte Volksmärchen und Stoffe zu verarbeiten - bzw. zu verkitschen. Bei Pixar setzt man stattdessen auf Originalität: Pixar-Filme basieren stets auf selbst erfundenen Geschichten und Figuren. Die ziehen nicht nur Kinder an, sondern auch die Erwachsenen. Und machen offenbar süchtig: Die Videos und DVDs von "Findet Nemo" haben in Amerika allein in der ersten Verkaufswoche etwa 300 Millionen Dollar umgesetzt. Das führt zwangsläufig zu einem gestärkten Selbstbewusstsein. Stanton: "Als unsere Zusammenarbeit begann, verbuchte Disney große Erfolge mit Der König der Löwen', wir dagegen hatten noch nichts vorzuweisen. Jetzt hat sich das Blatt gewendet."

Pixar fühlt sich unangreifbar, und unter paradiesischen Bedingungen arbeiten die 700 Kreativen von Emeryville bereits an ihrem nächsten Hit, über dessen Story man bei Disney nur gezwungen lächeln kann: "The Incredibles" handelt von alternden Superhelden, deren Fähigkeiten mit den Jahren eingerostet sind. Und während bei Disneys Zeichnern der Rotstift regiert, umfasst Pixars parkartig angelegte Firmenzentrale nicht nur Computerfarmen, sondern auch ein Schwimmbad mit Saunen, ein Amphitheater, Fitnessräume und eigene Sportanlagen. John Lasseter regiert dabei mit Kollegialität und Milde. "Er ist kein typischer Big Boss", sagt Unkrich, "sondern offen für alle Vorschläge. Er bringt seinem Team enormes Vertrauen entgegen." DreamWorks-Mitarbeitern bleibt da nur der blanke Neid - behaupten sie von ihrem Herrscher Jeffrey Katzenberg doch meist das glatte Gegenteil.
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2024