8martin FILMREPORTER - Club - 8martin

Beiträge von 8martin

Filmkritik zu Die Augen des Engels - 28.02.2021 13:20

Michael Winterbottom hat den spektakulären Mord an der Studentin Amanda Knox (hier Elisabeth) aufgegriffen und den Fall lediglich brav wiedergegeben. Wir sind am Ende genauso schlau wie die Medien. Den Mörder kennt weder der Regisseur noch der Drehbuchautor und das Publikum schon gar nicht. Wir erfahren nur viel über das lockere Leben von Sensationsjournalismus. Hier pennt jeder mit jedem. Regisseur Thomas (Daniel Brühl) versucht einen Film zu machen, scheitert aber im Vorfeld. Dafür ist ihm Kollegin Simone (Kate Beckinsale) aber im Bett eine Hilfe. Freundin Melanie (Cara Delevingne) führt ihn ins Studentische Nachtleben ein: d.h. koksen, saufen, bumsen bis der Arzt kommt. Dazwischen eingestreut gibt es noch kurze, unpassende horrormäßige Albträume des Thomas und zwecks Anhebung des Niveaus einen Besuch an Dantes Grab inklusive Zitate.\r\nUnd damit noch etwas wahre Emotionen hinzukommen skyped Papa Thomas hin und wieder mit seiner kleinen Tochter, die bei seiner Ex in Amerika ist. Ob sich auf deren Augen der Titel bezieht, bleibt ein Rätsel. Nachdem wie man weiß die mutmaßliche Mörderin im zweiten Anlauf freigesprochen wurde, drückt uns Winterbottom noch ein Zitat aufs Auge: ‘Elisabeth ist erhoben zum Reich des Himmels, wo Engel in Frieden leben.‘ Oh Gott, was für ein Graus! Publikumsverarsche mit kulturellem Anstrich. Alternativtitel hätte auch sein können ‘Hohl, leer, ausgebrannt‘. K.V.\r\n


Filmkritik zu Früchte des Zorns - 08.02.2021 10:12

Hier zeigte John Ford, dass er nicht nur Western kann. Es ist sogar ein recht kapitalismuskritischer, über zwei Stunden dauernder Film geworden. Und das vom eher konservativen John Ford.\r\nSo enthält dieser Klassiker die heute immer noch gültigen Aussagen von Dumping Löhnen und Arbeitskampf und von Aufwieglern (Gewerkschaftler gab es noch nicht).\r\nIn den 30er Jahren herrschte die große Depression in Amerika. Großfamilie Joad wird von ihrem Land vertrieben und zieht mit Sack und Pack, Oma und Opa nach Westen teilweise auf der legendären Route 66 zum Obstpflücken. Sie reisen in einem optisch hervorragend umgesetzten LKW, der völlig überladen nur vom Rost zusammengehalten wird. Tausende von Arbeitssuchenden werden wie die Joads auf der Suche nach Arbeit wie die Rinder durchs Land getrieben, von angeheuerten Hilfspolizisten gegängelt, verprügelt und sogar ermordet. (Exprediger Jim, John Carradine).\r\nDie stimmungsvolle Schilderung der Verhältnisse in s/w beeindruckt immer noch. Das hat John Steinbeck in seiner Romanvorlage aber noch konsequenter und damit viel härter durchgezogen. Der Hungertod dräut dort drastischer. Da muss die schwangere Rosasharn (Dorris Bowdon) schon lebensspendende Muttermilch opfern.\r\nHier genügt ein abschließendes Gespräch zwischen Mutter Joad (Oscar für Jane Darwell) und Sohn (Henry Fonda). Ihm geht der Gedanke der Gewerkschaften nicht aus dem Kopf. Weil er gesucht wird, verlässt er die Familie, um gegen die Ungleichheit und Ungerechtigkeit des Raubtierkapitalismus anzukämpfen. Mehr war in Hollywood 1940 nicht drin. Dafür ein staatliches Migrantenlager mit allen Annehmlichkeiten der Zeit.\r\nMutter Joad hat das letzte Wort ‘Die Reichen die kommen und gehen, sie sterben. Aber wir sind nicht totzukriegen. Uns wird es immer geben‘ und dann fügt sie den Satz hinzu, der vor der Wiedervereinigung 1990 bei uns Geschichte gemacht hat ‘Wir sind das Volk!‘.\r\nEine literarische Filmadaption über das zeitlose Elend der Landbevölkerung und den gnadenlosen Kampf ums Überleben. Der Titel kann Gegenstand von Interpretationen sein. Wer oder was sind denn nun die Früchte des Zorns?\r\n


Filmkritik zu Drei Rivalen - 20.12.2020 19:54

Der Titel passt zum Plot. Beide bewegen sich auf ausgetretenen Pfaden. Ein Standard Western der 50 Jahre mit dem ganzen Charme dieser Zeit, aber auch der drögen Einsilbigkeit der Handlung. Eine der über hundert gefühlten Schmonzetten mit Rinderherden Trecks. Die Großaufnahmen der Tiermassen schlucken die Spannung bis auf ein kleines Stück des Weges, als gegen Ende Indianer die Herde in einer Schlucht bedrängen.\r\nDie Brüder Ben (Clark Gable) und Clint (Cameron Mitchell) hatten zuvor einen Mr Stark (Robert Ryan) überfallen, der große Mengen Geld transportiert, machen aber mit ihm gemeinsame Sache. Der besteht darauf, dass auch seine Freundin Nella (Jane Russell) mit auf den Treck kommt. Es folgen die üblichen Reibereien unter den männlichen Kampfhähnen. Den Stand der Beziehungen zu den drei Rivalen besingt Nella jeweils in der mitgeführten Badewanne. Was in den 50er Jahren ein Hit wurde, wirkt heute arg angestaubt. Nella und Mr. Stark scheinen sich zu verstehen, bis Ben das singende Luder übernimmt, obwohl ihre gemeinsamen Lebensentwürfe überhaupt nicht zu einander passen. Clark Gable ist ja an sich nicht so sehr im Wilden Westen zu Hause, doch für Nella reicht es wohl. Wenn man sie hier in Aktion sieht, versteht man, wo ihre Pluspunkte liegen. Das vorhersehbare Happy End nach der obligatorischen Stampede löst Gähn Attacken aus. Bruder Clint wird von Indianern gefoltert und zum Heiligen Sebastian umgebaut. Man sieht nur das Ergebnis und dann wendet sich die Kamera ebenso wie die Zuschauer ab.\r\nBen und Mr Stark haben noch ein paar Überraschungen für einander, die der ältere Ben mit Großzügigkeit überwindet. Bleibt nur noch die Frage ‘Wer ist der hochgewachsene Mann‘, von dem im Originaltitel die Rede ist? Ben, der Nella kriegt oder Mr Stark der das Geld bekommt? Egal. Nur eines ist klar: sie ist auf alle Fälle die fleischgewordene Sünde, die in den 50er Jahren der Männerwelt den Kopf verdreht hat.\r\n


Filmkritik zu Nobody ist der Größte - 18.12.2020 18:12

Es liegt nicht nur daran, dass Terence Hill ohne Bud Spencer halb so amüsant ist, sondern auch daran, dass Regisseur Damiano Damiani hier eigentlich Neuland betritt. Ihm hat doch der anspruchsvolle Mafia-Film Weltruhm gebracht. Hier wird einfach zu viel gequatscht, die Dialoge sind mäßig geistreich und die Handlung mäandert so zwischen Albernheiten und Revolverheldentum.\r\nDie fehlende Klopperei, die den Fans so viel Freude macht, weil sie auf hohem artistischem Niveau der Stuntmen geführt wird, muss Terence Hill durch Zaubertricks zu ersetzen versuchen. Das ist aber kein wirklicher Ersatz. Auch das Trio mit Nobody: Lucy (Miou-Miou) und Lokomotive Bill (Robert Charlebois) quält sich durch die Komik. Eine Verkleidung mit angeklebtem Bart bei Bill und ein Befreiungstritt in seine Eier von Lucy\r\nsind wirklich uralte Hüte. Klaus Kinsky hat einen für ihn uninspirierenden Part erwischt. Er ist weder zum Fürchten noch zum Lachen. Genau wie Raimund-der Seewolf-Harmstorf. Am Ende fragt man sich verwundert, welchen Film man da jetzt gesehen hat: Banknoten wurden gegen Papier hin und her getauscht und Geld an die Indianer verteilt. So gesehen ist Nobody ein ganz kleines Licht im Lampenladen. Und im Originaltitel taucht u.a. ein Huhn auf, im Film nicht. Insgesamt überhaupt ein kryptischer Schluss, der eine schales Gefühl hinterlässt. K.V.\r\n


Filmkritik zu Redemption - Stunde der Vergeltung - 04.12.2020 19:36

Sowohl mit dem Originaltitel als auch mit der deutschen Version kann man so seine Probleme haben, wenn man beide in sinnvollen Bezug zum Film setzt. Redemption bedeutet alles andere als Vergeltung und Hummingbird ist der Kolibri. Das könnte sich auf die Aufnahmen aus der Vogelperspektive mittels Drohnen beziehen.\r\nJoey (Jason Statham) ist ein in Afghanistan traumatisierter Soldat, der sich hier der Strafverfolgung durch Flucht entzieht. Auf der Suche nach dem Mörder seiner Freundin Isabel taucht er unter und demonstriert in regelmäßigen Abständen, das was er am besten kann: allein gegen acht bis zehn Schläger die Unterwelt aufzumischen. Er arbeitet für Mr Choy (Benedikt Won) als Geldeintreiber später als Tellerwäscher.\r\nEtwas Tiefgang bekommt der Plot aber erst, und das macht den Reiz des Films aus, als Joey auf seiner Suche in einer Suppenküche der Ordensschwester Cristina (Agata Buzek) begegnet, die ihm weiterhelfen kann. Sie war zum Klosterleben gezwungen worden und will nun aber nach Afrika zur Missionsarbeit. Joey spendet für die Tippelbrüder. Für Schwester Cristina gibt es ein feuerrotes Abendkleid. Vorübergehend vergiss sie mal ihre Absichten als Ordensschwester und bedankt sich artig. Man sieht es nicht, kann’s nur ahnen. Dass Joey den Frauenmisshandler (Christian Brassington) findet und erledigt, versteht sich von selbst. Bevor sie sich trennen, posieren beide als Pieta, womit die Bedeutung von ‘Erlösung‘ ins Spiel kommt. Cristina hat aus Joey vorübergehend einen guten Menschen gemacht. Das tut sie mit einem gewissen zurückhaltenden Charme und bildet so eine Antipode zum Schläger und Killer Joey. Alles in allem nicht schlecht. Mehr als nur die übliche Klopperei als Transporter.\r\n


Filmkritik zu Der Gefangene von Alcatraz - 26.11.2020 19:41

Der Film ist mehr als nur ein wahres Biopic des Mörders Robert Stroud, es ist ein Gefängnisklassiker der anderen Art, der bis auf den Schluss ohne Gewalt und ohne die sonst üblichen Ausbruchsversuche auskommt. Im Laufe seiner Leinwandkarriere hat Burt Lancaster jede erdenkliche Rolle gespielt egal ob Pirat oder Soldat, Indianer oder Zirkusartist. Er war im Western genauso zuhause wie als Grand Seigneur als Symbol einer untergehenden Epoche.\r\nJohn Frankenheimer hat einen sehr vielschichtigen Film gemacht. Hier verkörpert Lancaster den Mörder Stroud als intelligenten, äußerst sensiblen Menschen, der einen Fehler gemacht hat und im Laufe seines Lebens im Gefängnis ein anderer Mensch wird. Auf der vordersten Ebene läuft das Duell mit dem Gefängnisdirektor Shoemaker (Karl Malden) ab, einem verborten psychopatischen Idealisten. Da stehen Vorschriften gegen Menschlichkeit. Hier erkämpft sich Stroud eine Reihe von Privilegien. Auf einer weiteren Ebene spielt sich sein Umgang mit einem zugeflogenen Sperling ab: (Originaltitel Birdman). Stroud darf Käfige bauen, die Vögel brüten, er wird zu einem anerkannten Ornithologen. Auf einer dritten Ebene läuft sein Verhältnis zu seiner Mutter (Thelma Ritter) ab, die anfangs noch für seine Begnadigung kämpfte und sich aber schmollend zurückzieht, als er in Stella (Betty Field) eine herzensgute, aber auch geschäftstüchtige Frau findet. Ihr Abschied kann zu Tränen rühren. Vorschriften und Posten ändern sich bzw. werden neu besetzt, Strouds Privilegien werden eliminiert, er schreibt Bücher. Letztendlich landet er in Alcatraz. Hier rebellieren die Häftlinge. Seine Mutter will ihn lieber im Gefängnis sehen, denn als berühmten Vogelexperten, der verheiratet ist. Er wurde nie begnadigt.\r\nDer Strafvollzug steht hier ebenso auf dem Prüfstand, wie Gefühle in der Gefangenschaft. Die Vögel und Stroud teilen das gleiche Schicksal, beide wollen inzwischen kein anderes Leben mehr. Auch der freigelassene Spatz kommt wieder zurück. Was für ein grandioser Film. Die zwei ein halb Stunden vergehen wie im Flug.\r\n


Filmkritik zu Das Morgan Projekt - 21.11.2020 16:20

In einem Labor gibt es Probleme, nachdem man einen Androiden erschaffen hat. Das Wesen heißt Morgan (Anya Taylor-Joy) und ist weder männlich noch weiblich. Es ist ein Es. Im Gespräch mit Dr. Grieff (Jennifer Jason Leigh) ist Morgan ausgerastet und hat sie schwer verletzt. Die Fachfrau für Risiko-Management, Lee Weathers (Kate Mara) kann nicht verhindern, dass Morgan fast den gesamten Mitarbeiterstab eliminiert: u.a. Dr. Ziegler (Toby Jones) oder Dr. Shapiro (Paul Giamatti). Nur Amy (Rose Leslie) bleibt von ihr verschont. Der Schocker, dass hier die Titelfigur von einer zierlichen jungen Frau gespielt wird, verflacht nach zwei packenden Duellen mit Lee Weathers allerdings. Die Mädels holzen bis der Arzt kommt. Und Morgen mordet monstermäßig weiter. Lee Weathers macht ihr am Ende den Garaus, obwohl lanzendurchbohrt.\r\nIm Gespräch mit den Wissenschaftlern hatte Morgan Gefühle wie Liebe und Einsamkeit gestanden. Auch dass sie keine Mutter hat, macht ihr zu schaffen. So muss am emotionalen Status von Morgan (Projekt Nr. 9) allerdings noch gearbeitet werden, sagen die Experten.\r\nBrian Cox hat in seinem Cameo das letzte Wort: Rückkehr zu Projekt 4, aber die erfolgreiche Lee Weathers ist fast perfekt. (Was das auch immer heißen soll.)\r\nAnya Taylor-Joy überzeugt mit handfesten Martial Arts Stunts, wobei sie zwischen Kindfrau und Killermaschine variiert. Das emotionslose blanke Gesicht mit den schwarzen Augen bleibt ebenso in Erinnerung wie ihr blutverschmierter Mund.\r\nDer Film erweckt keine falschen Hoffnungen und erzählt gradlinig von A nach B und bietet brauchbare Unterhaltung.\r\n


Filmkritik zu The River King - 23.10.2020 18:54

Ein spannender Old School Thriller, der in einem Nobelinternat spielt. Zwei Cops finden die Leiche des Schülers Gus (Thomas Gibson). Abel (Ed Burns) einer von ihnen ermittelt besessen, der zweite, Joey (John Kapelos) torpediert die polizeilichen Recherchen und nimmt lieber Fakelaki. Das ist im Sinne der Schulleitung; u.a. auch von Musiklehrer Eric (Julian Rhind Tutt), dem unsympathischen Verlobten von Kollegin Betsy (Jennifer Ehle).\r\nAbel und Betsy versuchen den Fall zu klären und empfinden mehr als Sympathie für einander. Sie stoßen bald auf einen blutigen Initiationsritus unter den Jungs und erhalten dabei Unterstützung von Carlin (Rachelle Lefèvre), einer Schülerin des koedukativen Internats, der Freundin von Gus. \r\nEine weitere Ebene sind die Retros von Abels Kindheit. Der Tod seines größeren Bruders Frank, hat ihn schwer mitgenommen. Auch seinem Vater fällt es schwer den Tod seines Sohnes zu verarbeiten.\r\nRegisseur Nick Willing lässt es in letzter Konsequenz bis zum Schluss offen, ob es hier Mord, Selbstmord oder ein Unfall war. Das hält die Spannung bis zum Ende hoch, verbunden mit der Hoffnung auf ein Happy End. Die halbherzige Love-Story von Abel und Betsy bleibt als Option im Raum. Und um die Diskussion auch noch weiterhin anzufeuern, schwimmt am Ende Carlin allein im Fluss – ist also eins mit dem Fluss König (Titel!). Komplexe Spannung eingelagert in wunderschöne Winterbilder. Ersteres sorgt für Gesprächsstoff, letzteres bringt optischen Genuss.\r\n


Filmkritik zu Der Clan der Sizilianer - 29.08.2020 14:13

Großes Gangster-Kino mit den drei Superstars der 60er Jahre: Jean Gabin, Lino Ventura und Alain Delon. Die drei planen minutiös und detailversessen einen Juwelenraub. Altmeister am Regiepult ist Henri Verneuil, der schon beinahe dokumentarisch darlegt wie großartig der Coup geplant und durchgeführt wird. Wie im echten Ganovenleben wird nichts vorher verraten. Der Zuschauer sitzt in der ersten Reihe und verfolgt das Geschehen, das völlig glatt abläuft. Völlig glatt? Bis auf zwei, drei Kleinigkeiten, die den coolen Ganoven ein Bein stellen. Über eine Stunde kann man glauben, es wird der erste perfekt gelandete Bruch aller Zeiten; so z.B. der Ausbruch von Sartet (Delon) durch den Boden einer Grünen Minna. Dann wird man auf die Kleinigkeiten geschubst: Alain Delons Schwester Monique (Danielle Volle), die Inspektor Le Goff (Lino Ventura) als Köder einsetzt, der kleine Bub am Strand, der Alain auf einem Foto wiedererkennt oder der Austausch von Mr. Evans, einem Sicherheitsexperten. Alle Fäden laufen bei (Vittorio Manalese) Jean Gabin, dem Patriarchen des Clans, zusammen. Er erfährt vom Verhältnis zwischen Sartet und seiner Schwiegertochter Jeanne (Irina-DerlängsteTag-Demick). Sie hat die Familienehre befleckt. Bezeichnenderweise ist sie auch die einzige nicht Italienerin im Clan. Sartet fährt nach Paris zurück um seinen Anteil abzuholen. Alle warten auf ihn: der Clan, die Polizei, seine Schwester und die Zuschauer. Die optionale Geldübergabe findet dann zwischen Vittorio Manalese, Sartet und Jeanne statt, die die beiden Liebenden nicht überleben werden. So etwas regelt der Clan intern. Zu Hause wartet Le Goff auf Vittorio Manalese. Der hat ein Loch im Mantel, das ihn verrät. Le Goff führt ihn ab, wie einen alten Kumpel. Die Frage des kleinen Enkels, nach einem gemeinsamen Abendessen muss Vittorio allerdings leider verneinen.\r\nSouverän dirigiert die Regie die Akteure, die ohne Emotionen ihrem Geschäft nachkommen und produziert einen großartigen Klassiker.\r\n


Filmkritik zu Liebeshunger - 30.03.2020 11:42

Regisseur James Mangold ist weißgott kein Vielfilmer, aber unter seinen Werken gibt es seltene Perlen. In seinem Debüt stellt er eine Galerie von Losern vor, deren menschliche Tragödie nicht mehr zu toppen ist und es gibt auch keinen Silberstreifen am Horizont. Allein die verschiedenen Titel belegen die verschiedenen Blickwinkel, der gezeigten Probleme.\r\nDie Belegschaft von Dolly‘s Diner steht im Zentrum der Handlung. Shelley Winters ist die Übermutter, die den Laden und seine Gäste managet. Ihr Sohn Victor (Pruit Taylor Vince, der Mann mit dem einmaligen Pupillenflackern) leidet unter seinem Übergewicht (Titel!). Er ist ein stiller, linkischer und schüchterner Fettsack, dem man eine gewisse Liebenswürdigkeit nicht absprechen kann. So weint sich nicht nur Kellnerin Callie (Liv Tylor) bei ihm aus, sondern auch Kollegin Dolores (Debbie- Blondie-Harry). \r\nDie vielen kleinen Facetten am Rande der Handlung lassen leise Einblicke ins Innenleben der Akteure zu. Sagt die Kassiererin im Supermarkt, als sie ein Schlankheitsmittel für Victor abrechnet ‘Hab ich auch mal versucht und über 10 Kilo abgenommen.‘ Cut: danach steht er vor dem Spiegel und stellt fest, die Hose spannt im Bund. Oder wenn Callie ihre Zuneigung zu Victor signalisiert, sagt sie ‘Du hast da was am Kinn.‘ Beeindruckend sind auch Victors Visionen: Als Mutter Dolly stirbt, sieht er Callies Körper im Fluss und versucht Wiederbelebung – natürlich nur in seiner Fantasie. Es folgt ein Frust-Fressen. – wie früher. Als Callie kündigt, versucht es Kollegin Dolores als Ersatzmutter bei Victor. Eine neue unvollendete Tragödie kündigt sich an. Hoffnungslos, deprimierend ist dieses Leben. Da kann man dem dicken Victor nur ein Meer von Mitleid entgegenbringen. Er leidet wie sein kleiner Boston Terrier.\r\n


Filmkritik zu Die Hure - 28.03.2019 15:01

Ken Russell – nicht verwandt oder verheiratet mit der Hauptdarstellerin Theresa – hat eine Psychostudie aus dem Nuttenmilieu gemacht. Die war im wirklichen Leben mit Regiestar Nicolas Roeg verheiratet, bei dem ja bekanntlich ‘die Gondeln Trauer trugen‘ oder ‘Ein Mann vom Himmel fiel‘. Die Hure Liz spricht in die Kamera, erläutert ihre momentane Situation und legt quasi eine Lebensbeichte ab. Mit ironischer Distanz betrachtet sie ihren Job, hat fast Mitleid mit den hodengesteuerten Männern. Wir sehen nur abartige Beispiele, alles außer einem ‘Missionar‘. Gutgläubig und blauäugig wie sie ist, heiratet sie sogar, bekommt ein Kind, fühlt sich als ‘Fast Food‘. Sie braucht den Zuhälter Blake (Benjamin Mouton) zum eigenen Schutz. Der ist ein brutales, fieses Schwein und behandelt sie wie den letzten Dreck. Er fühlt sich als ‘Manager einer Mösenfabrik‘. Nur Rasta (Antonio Fargas) ein Straßenkünstler, hört ihr zu, versucht sie zu verstehen gibt ihr neuen Lebensmut und wird sie am Ende befreien. Wie die zwei Brennpunkte innerhalb einer Ellipse bilden zwei Schocker den Rahmen für diesen außergewöhnlichen Film: am Anfang sehen wir wie Liz zugerichtet wird, am Ende befreit sie Rasta vom fiesen Blake mittels einer Glasscherbe, nachdem er sie zuvor schon geschärft hatte. Der Film ist nichts für Voyeure und schon gar kein Porno. Er schafft eher Verständnis für die unmenschliche Situation der Straßennutten. Zeigt aber auch ihre Verletzlichkeit und Abhängigkeit und die Unmöglichkeit ins ‘normale Leben‘ zurückzukehren. Die großartige Theresa Russell spielt die Hauptrolle, als sei es für sie das Selbstverständlichste der Welt. Und das tut dem Film gut.


Filmkritik zu Der traumhafte Weg - 08.03.2019 13:33

Der Spiegel hat mal wieder so recht; wenn er zu Angela Schanelecs Film anmerkt: ‘Drauf einlassen oder es sein lassen‘. Um es vorwegzunehmen: für mich gilt letzteres. Wenn ich erst den Beipackzettel lesen muss, um so in etwa nachvollziehen zu können, was da an beweglichen Bildern abgelaufen ist, dann bedeutet das für mich: das Ende des Kinos. Dabei geht es nicht nur um die Handlung (die ist kryptisch genug!) sondern auch was diese oder jene Figur tut oder nicht tut oder beinahe getan hätte und warum das so ist. Nur so viel ist klar. Wir sehen zwei Paare: Theres (Miriam Jakob) und Kenneth (Thorbjörn Björnsson), sowie Ariane (Maren Eggert) und David (Phil Hayes). Sie sind sich begegnet, trennen sich und gehen eigene Wege. Dabei läuft man sich dann kreuzweise schon nochmals über den Weg. Der destruktive Schnitt und die löchrige Erzählweise werden durch die ewig langen Einstellungen zur Tortur. Die Ausdruckslosigkeit der Darsteller und ihre Sprachlosigkeit schläfern das gutwillige Interesse der Zuschauer allmählich ein. Da wird der ‘Wald zum Inbegriff des Waldes‘ und in der ‘formalen Intuition erinnern Bilder an Bilder‘. ‘Es ist als träumte der Film‘. Viel eher der Zuschauer im Tiefschlaf. Und so bewegt man sich ‘frei zwischen Möglichkeiten, die der Film bietet‘. Leider sind es Optionen mit albtraumartigen Qualen.


Filmkritik zu Misery - 17.04.2018 19:09

Eine Wahnsinnsverfilmung von Stephen Kings ‘She‘. Gemeint ist damit Annie (Oscar für Kathy Bates), die den verunglückten Bestsellerautor Paul Sheldon (James Caan) rettet, dann zu ihrem Gefangenen macht, foltert und sogar einen gemeinsamen Suizid plant. Der Titel kommt mehrfach vor: von Annies Hausschwein bis hin zu Pauls Romanen. Die Steigerung von Annie Wilkes ist wunderbar herausgearbeitet: von einem unbedeutenden Moppelchen und absoluten Fan über die Krankenpflegerin bis hin zum Folterknecht. Daneben werden Details über Annies früheres kriminelles Leben bekannt und erste Anzeichen von einer massiven Psychischen Störung. Ein Machtkampf zwischen den beiden liefert Spannung der subtileren Art. Paul gibt sich kooperativ, versucht Annie in Sicherheit zu wiegen. Erst als das nicht klappt, kämpfen beide mit offenem Visier, was in einer brutalen Schlägerei endet. Zuvor kommen Messer und Feuer, Spritzen und KO Tropfen zum Einsatz. Parallel zu diesem Handlungsstrang läuft die polizeiliche Ermittlung von Sheriff McCain (Richard Farnsworth), der mit seiner Frau (Frances Sternhagen), als Deputy für verhaltene Komik sorgt. Gelungen ist die Tatsache, dass man sich nicht die Rettungsdetails anschauen muss, nachdem klar ist, wer als Sieger in diesem ungleichen Kampf hervorgegangen ist. Stattdessen ein echter Stephen King Schluss: Paul sitzt mit Agentin Marcia (Laureen Bacall) in einem Restaurant. Als Paul meint, Annie in manchen Zeitgenossen immer noch wiederzuerkennen, kommt eine Bedienung (eingeblendet auch mal Kathy Bates), daher und outet sich als sein größter Fan…Wie so oft verabschiedet sich King mit einem Schmunzler. Dazu gehört auch, dass man Regisseur Rob Reiner als Hubschrauberpilot der Polizei sieht. Hochspannung mit Klassik (z.B. der Mondscheinsonate) unterlegt. Oberste Kategorie der Filmkunst.


Filmkritik zu Der Schrei der Seide - 06.10.2017 15:24

Der Marokkaner Yvon Marciano hat einen Film für Gefühlskino (Feely) gemacht. Er schwelgt geradezu in Farben und Stoffen, wobei er versucht einen sexuellen Bezug zwischen weiblicher Haptik und der Stoffoberfläche herauszukitzeln. Der Psychiater Gabriel de Villemer (Sergio Castellitto) findet in der Kleptomanin Marie († Marie Trintignant) ein interessantes Studienobjekt. Sie ist eine Seidenfetischistin. Um ihre Lust zu befriedigen, stielt sie Stoff und fällt dabei in Ohnmacht, während sie den Stoff zwischen ihren Schenkeln hindurchgleiten lässt. Aber auch der Professor merkt, dass er ähnlich tickt wie Marie – nur klaut er nicht. Er verarbeitet Maries Obsession in einen Buch “Die erotische Stoffsucht einer Frau“. Mit viel Gefühl und wahnsinniger Lust umschwirren sich die beiden Sonderlinge, die zwar Bildungsschranken trennen (erst in Knast lernt Marie Lesen), die aber die gleiche seltsame Lust verbindet. Marie braucht keine Männer. Die Seide ist Ersatz genug. Gabriel dient nur zum Vorglühen. Anders als bei Gabriels Studienobjekt ist es bei seiner Sekretärin Cécile (Anémone). Sie schwebt zwischen den Stoffen und dem Professor, bemuttert ihn, nimmt sein Diktat auf und hofft…. Am Ende ziehen beide Frauen an gegenteiligen Enden eines blauen Seidenstoffes…nachdem Gabriels Mutter das Sagen hat. Ihr Sohn war unfähig, die Situation zu ertragen… Optisch sehr schön herausgeputzt pendelt dieses psychologische Gefühlskonstrukt zwischen echtem Sex und seinem stofflichen Substrat. Eine eventuelle Erfüllung erfahren hier wohl nur die Frauen und überleben.


Filmkritik zu Die schönen Tage von Aranjuez 3D - 23.02.2017 13:02

Man sollte das Ende dieses Zitates nicht vergessen: ‘sind nun vorbei‘. In diesem Film sind die schönen Tage wirklich vorbei. Eine statische Kamera dokumentiert die völlige Abwesenheit einer Handlung. Neben einer imaginären Figur eines Dichters von nebenan aus dem Elfenbeinturm, der den Text, den man hört, in seine Schreibmaschine hämmert, sind noch der Wind und ein Mops die weiteren tatenlosen Statisten, dieses Sprechgebildes. Ein optisches und ein akustisches Bonbon hat Wenders dann noch den angestrengt folgenden Zuschauern hingeworfen: eine Jukebox und Nick Cave am Klavier. Beides passt zum Gesehenen wie der sprichwörtliche ‘Arsch auf den Eimer‘. Wim Wenders hat sich mit seiner manieristischen Selbstverliebtheit hier ins Knie geschossen. Der Text, den die beiden Figuren (Sophie Semin und Reda Kateb) im Wechselspiel zitieren und der von Handke als Dialog über die Liebe und das Leben angelegt ist, strapaziert das Interesse der Zuschauer auf das Heftigste. Nicht nur wegen der intellektuellen Abgehobenheit – sie diskutieren in geschwurbelten Satzkonstruktionen der Wolkenkuckucksheime - sondern wegen der häufigen Verneinung des im Vorsatz gerade Erwähnten – z.B. es ist das Erkennen, das ich habe, dass nichts erkannt wird oder eine gemachte Zusage, die nicht gemacht wird…etc. - beides sind typische stilistische Handke Merkmale und das nervt auf die Dauer. Weil ich auf der Leinwand nichts verpasse, denn da passiert ja nichts, habe ich für längere Zeit die Augen geschlossen…und nur zugehört. Da konnte ich die beiden überflüssigen Figuren vergessen und mir in meiner Fantasie das Gesprochene ausmalen. Das war besser als die großformatigen Gesichter der Akteure ohne jegliche Regung anstarren zu müssen. Das störte nur. Also, es ist kein Film, sondern ein bebilderter Dialog. Einen Titel gibt’s noch: ‘Der laaangweiligste Film aller Zeiten.‘ K.V.


Filmkritik zu Hühnchen in Essig - 13.10.2015 09:13

Der Titel hat mit dem Film so viel zu tun wie Apfel mit Apfelsine. Aber Chabrol, das alte Schlitzohr, macht sich halt einen Heidenspaß mit seiner dunklen Komödie, in der Inspektor Lavardin (Jean Poiret) in einem komplexen sozialen Netz ermittelt. Dabei ist seine Vorgehensweise ebenso ungewöhnlich wie die verschiedenartigen Beziehungen, in denen es auch Tote gibt. Sonst hat die Polizei bei Chabrol nicht gerade die Weisheit mit Löffeln gefressen. Hier schlägt Lavardin schon mal zu oder macht sogar Water Boarding, um Hintergründe zu erhellen. Neben ihm steht ein Mutter – Sohn Problem im Mittelpunkt. Sie (Stéphane Audran) im Rollstuhl und er Louis (Lucas Belvaux) verliert seine Unschuld an die rasierklingenscharfe Arbeitskollegin Henriette (Pauline Lafont). Daneben verschwinden Personen (Josephine Chaplin) und geldgierige Geschäftemacher wie Lavoisier (Michel Bouquet) versuchen mittels Korruption ans Ziel zu gelangen. Wenn man im Park des wohlhabenden Dr. Morasseau (Jean Topart), der mit Malliol Plastiken bestückt ist, im Sockel einer Statue die Leiche von Madame findet, zeigt das die Absicht des Meisters. Er bleibt distanziert, zeigt uns keine Bluttat und die Aufklärung wird nicht groß erklärt. Darunter leidet die Spannung etwas. Dafür bietet der Dauersoundtrack die Möglichkeit der akustischen Folter. Und wenn wir am Ende eine heile Welt sehen, in der alles wieder Friede, Freude, Eierkuchen (F.F.E.) ist, bleiben schon noch einige Fragen offen. Na ja, es ist halt angerichtet, das ‘Hühnchen‘. Inspektor Lavardin – so erfahren wir – hat eins zu Hause. Keine krachende Spannung, eher Schmunzelkrimi.


Filmkritik zu Haben und Nichthaben - 14.05.2015 10:51

Die Leute, die hinter diesem Klassiker stehen sind schon erste Sahne. Nicht nur die beiden Hauptdarsteller (Ehepaar Bogart/Bacall), sondern auch die Regielegende Howard Hawks und die Romanvorlage von Hemingway, sowie der Mitarbeiter am Drehbuch William Falkner. Der Film entstand kurz vor Ende des 2. Weltkrieges, der hier allerdings ebenso fern ist wie der genaue historische Hintergrund. Wir sind auf der französischen Insel Martinique. Hier agiert die Geheimpolizei der Vichy-Regierung. Und Bogey hilft natürlich den Nazi-Gegnern und bekommt die damalige Neuentdeckung Lauren Bacall. Dabei ist es eine herbe Love Story, in der es statt der üblichen genüsslichen Erfüllung nur einen Kuss gibt. Ihr erster Satz aus dem Nichts wurde zur Legende \'Anybody got a match?\' Ist aber für den Kettenraucher Bogart durchaus symptomatisch. Und Bogey schaut der Kleinen dann auch ganz tief in die Augen. Überhaupt sind die Parallelen zu \'Casablanca\' kaum zu übersehen. Dabei geht der optische Eindruck fast unter, den die schöne Frau des verwundeten Widerstandskämpfers Mme Hellene de Bursac (Dolores Moran) macht. Sie ist der eigentliche Vamp neben dem die Bacall wie eine trockene Wüstenrose wirkt. Der fast offene Schluss, der allerdings keine Befürchtungen aufkommen lässt, ist fast so kryptisch wie der Titel. Da darf spekulativ interpretiert werden: bezieht sich der Titel auf das Anglerglück eines Gastes auf Steves Boot, auf seinen gewährten und wieder einkassierten Krediten oder auf Steves ominösen Schulden? Sicher ist nur eins Walter Brennan spielt den sympathischsten Säufer der Filmgeschichte. Geht so. Nicht jeder Klassiker ist auch supergut.


Filmkritik zu Lady Henderson präsentiert - 07.01.2015 19:05

Wenig beachteter Film von Stephen Frears. Er hat eine lustige Komödie gemacht, die neben allerlei Komik und zwei großartigen Hauptdarstellern auch eine traurige Seite beleuchtet. Die Titelfigur (Judi Dench) ist eine steinreiche Witwe, die im Londoner West End das Windmill Theatre eröffnet. Den Mann vom Fach für die Leitung findet sie in Van Damm (Bob Hoskins). Moulin Rouge soll das Vorbild sein. Im prüden England zwischen den Weltkriegen geht der Weg nur über ‘Lebende Bilder‘. Wenn sich kein Nackedei bewegt, ist es wie im Museum. Das ist recht munter, wie sich die beiden nicht miteinander verheirateten fetzen, wie Hund und Katze. Die tragische Facette wird durch einen langanhaltenden stummen Augenblick beeindruckend unterstrichen: die Bombenangriffe auf London. Obwohl das Windmill im Keller liegt, muss eine Schöne (Kelly Reilly) mit ihrem Leben bezahlen. Hier wurde eine mögliche Variante erfunden, um die Emotionen zu bedienen. Lady Henderson. hatte sie mit einem Soldaten verkuppelt, die dazu noch schwanger war. Der Hinweis, dass Van Damm holländischer Jude ist, dient nur zur Abrundung des Bildes vom Theatermacher. Dramaturgisch hat es keinerlei Bedeutung. Ebenso wie seine Ehefrau. Dieses Drama wird mit einem versöhnlichen Schluss der beiden Protagonisten mit einem Tanz auf dem Dach abgeschlossen. Der Krieg ist hier eigentlich Nebensache. Das Theater dient als Mutmacher und Unterstützung fürs Durchhalten. ‘Die Show muss weitergehen, aber die Kleider müssen weg.‘ Nicht Frears bester, aber immerhin kein Fehlschlag dank der beiden Hauptdarsteller.


Filmkritik zu Willkommen bei den Korsen - 05.01.2015 09:45

Mit Jean Reno als Ange Leoni und Christian Clavier als Jack Palmer (dessen vier Töchter wir bereits kennen und lieben gelernt haben) stehen zwei großartige Darsteller an der Spitze des Ensembles. Der erste garantiert Komik mit knallharter Haudrauf-Dynamik, der zweite feinfühlige Ironie und französischen Charme. Und weil das Auge ja bekanntlich ‘mitisst‘ sorgt Exbond-Girl Caterina Murino für optische Anreize auch wenn die Lovestory nicht gerade zwingend ist. Das Ergebnis ist ein sehr unterhaltsamer Sommerfilm mit allerdings nur kaum vorhandenem korsischem Einschlag. Dagegen betont die Inszenierung die Rolle von Ange Leoni. Es gibt jede Menge Geheimdienste auf der Insel, die sich zum Affen machen und für Komik sorgen und Freiheitskämpfer, die ab und zu an die Front zur Befreiung Palästinas im Leben des Bryan heranreichen. Die Handlung selbst ist von geringer Bedeutung. Manch überraschende Wendung hält den Zuschauer bei Laune, und die Dialoge sind mitunter auch recht munter. (‘Darf man über die Korsen lachen?‘ – ‘Ja klar – aber lieber nicht!‘). Einfache Kost zum Entspannen ohne zu Verblöden. Einziger Anspruch ist die Unterhaltung. Und die wird ausreichend geliefert.


Filmkritik zu Endstation Sehnsucht (Premium Edition) - 16.12.2014 12:14

Bereits der deutsche Titel und der des Originals wetteifern um die beste Etikettierung dieses unglaublichen Films und treffen beide voll ins Schwarze. Elia Kazan schafft als Rahmen eine wirkliche Realität für die Straßenbahn mit dem seltsamen Namen. Ein Meilenstein der Literaturverfilmung (1951)! Das Drehbuch verwendet die Vorlage von Tennessee Williams fast wörtlich und der Regisseur verdichtet die Optik zu einer schwül beklemmenden Südstaatenatmosphäre. Dazu passt nur diese schwarz-weiß Fassung. Vivien Leigh (Blanche) und Marlon Brando (Stanley) in unerreichbarer Bestform in diesem intensiven Kammerspiel, in dem die Charaktere voller verletzlicher Sensibilität sind, aber auch mit hemmungsloser Gewalt agieren. Sie spielen zeitlos grandios – einfach in einer anderen Liga. Da wird einer zum Tiger mit scharfen Krallen und kurz darauf zum verheißungsvollen Liebestempel. Dann wieder zur uneinnehmbaren Festung, die darauf wartet sturmreif geschossen zu werden. Die Psychoduelle sind ein Seelenstrip für die Ewigkeit. Dabei steuert die Handlung in Richtung menschliche Katastrophe, in der Vivien Leigh langsam die Bodenhaftung verliert und im Nirwana landet. Dabei sollte aber nicht die zartfühlende zum Scheitern verurteilte Nebenromanze vergessen werden, die sie mit Karl Malden (Mitch) beginnt. Hier werden noch altmodische Ideale und brav-biedere Einfalt zusätzlich abgehandelt, was sogar zu vorrübergehender Komik führt. Aber es ist vor allem und immer wieder Vivien Leigh, die hochgradig neurotisch und äußerst narzisstisch überspannt dramatische Akzente setzt. Sie ist das Zentrum, um das die anderen Figuren kreisen. Ein echt tragisches Zentrum, in dessen Mitte auch noch vier Oscars stehen. Sicher ein Platz im Filmolymp! Das Remake in die Hutablage.


Filmkritik zu Huhn mit Pflaumen - 05.12.2014 10:22

Ein wunderschönes Märchen über die Liebe. Der weltberühmte Geiger Nasser-Ali (Mathieu Amalric) will nicht mehr leben, als seine Frau Faringuisse (Maria de Medeiros) seine Geige zertrümmert hat. Es war eine jener Zwangsehen von denen man sagt ‘Erst kommt die Heirat, später die Liebe‘. Der Kommentar bemerkt dazu lakonisch: ‘Erst kam die Heirat, die Liebe kam nie‘. Sein Leben lang hat er eigentlich nur Irane (Golshifteh Farahani) geliebt. ‘Diese unerfüllte Liebe ist etwas kostbares‘, meint der Kommentar ‘sie hält ewig.‘ Regisseurin Satrapi ist es gelungen durch Animation den märchenhaften Charakter des Films zu betonen. Zwischendurch erleben wir Ironisches mit Traurigkeit unterlegt (Nasser-Alis Suizidversuche sind echte Watzlawicks). Die vielen Rückblenden kreisen um Nasser-Ali und erweitern in kurzweiliger Form sein Künstlerdasein. Manche Szenen erinnern an Fellini ohne ihn zu kopieren. Und selbst die Einstellungen fürs Gefühl mit vielen Farben leicht verfremdet bekommen nie einen schmalzigen Überzug durch den plötzlichen Szenenwechsel. Die Eheszenen sind zu ernst und die Entwicklung von Nasser-Alis Kindern zu deprimierend. Weil seine große Liebe ein Leben lang andauert, altern die vom Frust gebeugten Liebenden sichtlich. Das lässt sich eindrucksvoll an, weil man ja weiß nur ihre Liebe brennt weiterhin ungebrochen. Selbst als sich Nasser-Ali und Irane nach vielen Jahren begegnen, bewahrt sie Haltung und darf ihn nicht erkennen. Dieser Schiwago-Effekt drückt besonders stark auf die Emotionen. Das ist bitter süße Schokolade mit viel positiver Romantik. Märchenhaft schön!


Filmkritik zu Vom Fliegen und anderen Träumen - 26.11.2014 18:44

Eine Tragikomödie mit einem Hang zum Märchenhaften. Unbestritten großartig sind die beiden Hauptdarsteller: Richard (Kenneth Branagh) und Jane (Helena Bonham Carter). Er spielt sich selber, sie bietet eine darstellerische Extraklasse: im Rollstuhl mit ALS im Endstadium, spastisch verkrampft mit Sprachproblemen. Aber auch die beiden Nebenrollen sind beeindruckend besetzt. Anne (Gemma Jones) spielt die aufopferungsvolle Mutterrolle recht gefühlvoll und Richards Freundin Julie (Holly-Wakingthedead-Aird) die undankbare Rolle seiner verschmähten Freundin. Jane hat trotz ihrer Behinderung ganz normale Bedürfnisse einer jungen Frau und sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie erklärt Richard die Welt: ‘Sex ist wichtiger als das Geld. Geld ist nur Mittel zum Zweck und Sex ist der Zweck.‘ Die Parallelschaltung von dem Versuch ihre Unschuld durch einen Callboy zu verlieren mit seinem Banküberfall lässt sogar noch etwas Spannung aufkommen. Der Ausgang beider Unternehmen ist allerdings vorhersehbar Richards Tränen ebenso wenig wie das Denkmal, das er aus dem schrottreifen Flieger auf dem Hügel für Jane errichtet. Die Doppelbedeutung des Wortes ‘Fliegen‘ erfüllt sich am Ende. Und zwar in jeder der beiden Richtungen: erst das eine, dann das andere. Das kann man nur ertragen, wenn man von den beiden Hauptdarstellern begeistert ist. So nimmt man ihnen auch den schmonzettenhaften Schluss ab. Vielleicht die einzige Lösung. Richard und Jane finden sie. Jeder für sich allein und beide gemeinsam. Na ja!?


Filmkritik zu Töte mich - 18.11.2014 19:12

Solange es Filme wie diesen von Emily Atef gibt, sieht man, dass der europäische Film nicht verloren ist und wir uns gegen die Überflutung aus Hollywood erfolgreich wehren können. Hier hat sie eine Außenseiterballade gedreht. Und wie schon in ‘Molly’s Way‘ ist ihr Kennzeichen die äußerst behutsame Annäherung an ihre ‘Antihelden‘ mit der Offenlegung von Leid. Ein seltsamer Deal steht am Anfang: Adele (Maria Dragus) hilft ihm, Timo (Roeland Wiesnekker) soll sie dafür in den Tod schubsen. Er ist auf der Flucht und sie will nur von zu Hause weg und aus diesem freudlosen Leben scheiden. Eine Symbiose, die schief gehen, aber auch gelingen kann. Die harte Schale, die beide Charaktere umgibt, muss erst aufgeweicht werden. Es dauert bis die erste Träne rollt. Und dann wird es nach kurzer Überraschung (Ist Timo weg oder doch wieder da?!) nochmal spannend. Ein Einschub aus der Gangsterwelt, der aber das vorhersehbare Ende andeutet. Inzwischen ist aber jedem klar, dass Adele eigentlich nicht mehr so sehr den Suizid anpeilt. Das macht aber nichts, denn da ist kein Honigtopf, kein amouröses Spielchen mit einem Zuckereffekt. Timo bleibt kantig, wortkarg und unheimlich. Adele schaut und schweigt und lässt Hoffnung aufkeimen. In jeder Ruppigkeit der beiden kann eine Annäherung stecken. Es ist bald keine Frage mehr des Ob, sondern nur des Wann denn nun? Im Gegensatz zum vorher Gesehenen ist die letzte Einstellung bewusst weich und harmonisch. Also doch ein wenig Puderzucker. Aber nur kurz. Im Hinblick auf den Titel hieß es im ‘Kleinen Prinzen‘ noch ‘zähme mich!‘ Kann das Gleiche sein… Solche Filme brauchen wir einfach – mit allen Unzulänglichkeiten. Sie zeigen einfach etwas ganz anderes als das amerikanische Kino.


Filmkritik zu Die süße Haut - 28.10.2014 10:22

Ein Klassiker aus der Kategorie ‘Ehedramen der 60er Jahre‘. Alle diese Filme haben die gleiche Einteilung: a)Anmache, b)Ausführung und c)Finale. Dabei sind die einzelnen Abschnitte verschieden lang und haben unterschiedliche dramaturgische Bedeutung. Hier ist der a-Teil das Übliche. Teil b wird ausführlich behandelt und da liegt Truffauts Stärke. Er erzählt schnörkellos, wie der ‘Held‘ Pierre (Jean Desailly) sich selber die Mühlsteine reihenweise um den Hals legt und Grönemeyers Zeile ‘Männer lügen am Telefon‘ wahr macht. Er wirkt gehetzt und rennt unaufhörlich von Termin zu Termin. Seine Ehefrau Franca (Nelly Benedetti) kommt ihm leicht auf die Schliche: heftiger Streit, Ohrfeige, Flinte. Bis sie sich zu einer konsequenten Aktion durchringt, ist sie ständig zwischen abgewiesener Zuneigung, Eifersucht und verletztem Stolz hin und hergerissen. Da hat es Nicole (Francoise Dorléac) leichter. Sie muss nur schön sein und in einer Szene die Entfremdung zu Pierre gesprächsmäßig rüberbringen. Das gelingt ihr allerdings spielerisch leicht. Truffaut erweist sich hier als gelehriger Schüler von Hitchcock, was die Verzögerung der Aktionen angeht (wie im ‘Zerrissenen Vorhang‘) und was die optisch sexlose Liebe betrifft (in allen Hitchcock-Filmen). Hier genügt ein zerwühltes Bett. Man sieht nichts, man ahnt und weiß. Da genügt das Entrollen eines Nylonstrumpfes, indem der Strumpfhalter gelöst wird. Der die Handlung dauerhaft begleitende Soundtrack nervt. Gottseidank wird es zur Abwechslung auch mal ausgesetzt und dann wieder bewusst neu angesetzt. Die Eile überträgt sich auf die Zuschauer, die erst beim letzten Ton (einem Schuss!) durchschnaufen. Klasse 60er Jahre-Atmosphäre, als der moralische Druck und die Konventionen noch ein echtes Hindernis für den Seitensprung waren.


Filmkritik zu Schwarzer Ozean - 27.10.2014 17:25

Es gibt langweilige Filme und spannende, informative und inhaltsarme. Der hier ist von der letzten Kategorie. Dabei behandelt er ein äußerst wichtiges Thema. Doch an dem erzählt er geradewegs vorbei. Die französischen Atombombenversuche auf dem Mururoa Atoll. Über 30 Jahre lang wurden die Tests von über hundert A-Bomben hier durchgeführt und erst nach heftigem internationalem Protest gestoppt. Noch heute ist das traumhaft schöne Gebiet verseucht und ein Depot von atomarem Müll. Davon erfahren wir nichts. Man sieht in ewiglangen Einstellungen die Alltagsroutine auf einem Kriegsschiff. Die üblichen Reibereien bei der Besatzung. Ein Hund ist auch mit an Bord! Dann erfährt man von den damals üblichen Schutzmaßnahmen nach Zündung einer Atombombe: Brille aufziehen und hinknien. Nach wenigen Sekunden ist alles vorbei. Das war zynisch! Wenn uns das aber heutzutage (2010) kommentarlos verkauft wird - danach machen die Matrosen einen Angelausflug – ist das nicht nur naiv, sondern auch gefährlich. Die Filmlegende John Wayne wollte damals die Unbedenklichkeit der nuklearen Strahlung beweisen und drehte in einem Gebiet, kurz nachdem eine Bombe gezündet worden war. Er starb an Krebs. Es war wohl nicht sein hoher Zigarettenkonsum. Damals wusste man es nicht besser. Regisseurin Hänsel heute aber schon. Dann lässt sie auch noch völlig unverständlich einen der Matrosen (Adrien Jolivet) aus unerklärlichem Grund weinen. Ein Freund (Nikolas Robin), der Hundefreund, schaut ihm dabei ebenso verständnislos zu wie die Zuschauer. Eine unglaubliche Dreistigkeit so einen Film zu drehen und/oder ihn auch noch im Fernsehen zu zeigen. Die Darsteller wirken laienhaft, es ist auch keine Werbung für die Marine. Nur der Hund Giovanni ist gut. K.V.


Filmkritik zu Die Braut trug schwarz - 20.10.2014 18:51

Das ist ein Klassiker! Da passt alles: vom lyrischen Titel über den spannenden Inhalt bis hin zur Erzählweise. Dazu eine unglaubliche Jeanne Moreau, die als Racheengel einen männermordenden Feldzug führt. Ihr gelingt ihr Vorhaben mit Charme und Intelligenz. Eine Racheparabel: für das was man getan hat, muss man halt irgendwann mal bezahlen. Normalerweise trägt die Braut ja alles andere als schwarz. Hier trägt sie je nach Anlass beides. Die vier Morde plus eins sind abwechslungsreich: vom Balkon geschubst (Claude-D’Artagnans-Tochter-Rich), vergiftet (Michel-die-untreue-Frau-Bouquet), im Kämmerchen unter der Treppe erstickt (Michael-der-Schakal-Lonsdale), vom Pfeil der Diana getroffen (Charles-der-Mann-der-die-Frauen-liebte-Denner) und der letzte (Daniel-Herzkönig-Boulanger): im Gefängnis: ein Schrei und der Hochzeitsmarsch. Fin. Dazwischen enthüllt Truffaut scheibchenweise durch Retrospektiven was da früher einmal vorgefallen war. Leichtsinnigen, gelangweilten Zockbrüdern passiert ein Missgeschick, ein unglücklicher Zufall, ein Unfall. Und damit die Spannung nicht verloren geht, trifft Jeanne wiederholt auf Jean-Claude Brialy, die sie wiedererkennt. Beim Verhör durch die Polizei merkt man, dass es Truffaut nicht um einen Krimi im herkömmlichen Sinne geht. Es ist die Konsequenz aus einer Tat jeweils von beiden Seiten: vom Opfer (der Braut) Jeanne Moreau, die Rache fordert und von den ‘Bösen Buben‘, die zur Rechenschaft gezogen werden. Kann man immer wieder anschauen.


Filmkritik zu Rückkehr ans Meer - 16.10.2014 22:09

Kann man ein Filmchen machen, das nur eine nennenswerte Aussage in sich birgt? Man kann. Francois Ozon hat es versucht. Und die Aussage kommt auch noch erst ganz am Ende. Erstmal sehen wir ein heroinabhängiges Pärchen, das sich den goldenen Schuss setzt. Louis (Melvil Poupaud) stirbt, Mousse (Isabelle Carré) lebt weiter, ist aber schwanger. Beide sind in Wohlstand gebettet und so kann sich Mousse in ein Haus am Meer zurückziehen. Ein Zufluchtsort (Originaltitel!) bis zur Geburt des Babys. Weiterhin passiert dann nicht viel am Meer. Der schwule Stiefbruder Paul von Louis kommt zu Besuch. Mousse entbindet, geht mal eine rauchen und lässt Paul mit dem Säugling in der Klinik zurück. Ende. Na sowas!? Ist das unerhört? Soll das eine Überraschung sein? Junkie verlässt Baby, tut das, was eine Mutter normalerweise nie tun würde. Die Mutter ist verantwortungslos? Sie war noch nicht reif, wie sie zu sich selbst sagt, für ein Kind. Hatte es aber behalten, weil sie neugierig war, ob es die Augenfarbe von Louis hat. Wie konnte sich nur die tolle Isabelle Carré in diesen Film verlaufen. Und das brausende Meer ist auch unschuldig. Seine Symbolik für die ewige Wiederkehr oder die Vergänglichkeit der Dinge passt zur Thematik wie der Regenwurm zum Salzwasser. Den Film hat man zu Recht ins Nachtprogramm verschoben. K.V.


Filmkritik zu Die Prinzessin von Montpensier - 13.10.2014 19:30

Tavernier hat ein historisches Drama aus der Zeit der Hugenottenkriege geschaffen. Hier thematisiert er die damals übliche Heiratspolitik. Die Zwangsehe, die sich nur an materiellen Werten orientierte, soll ja auch heute noch vorkommen. Im Mittelpunkt steht Marie (Mélanie Thierry). Sie wird mit Philippe (Grégoire Leprince-Ringuet) verheiratet, den sie nicht liebt. Ihr Herz gehört seinem Cousin Henry (Gaspard Ulliel), den Amors Pfeil mit einem Schuss Eros getroffen hat. Philippes Freund Francois de Chabannes (Lambert Wilson) wird Maries Hauslehrer und verliebt sich in sie im Sinne der klassischen Agape. Er ist Pazifist. Tavernier zeigt blutiges Schlachtengetümmel und lange Gespräche über die Liebe und die Religion. (‘Ist es bereits eine Sünde an die Sünde zu denken?‘) und es gibt auch fortschrittliche Töne wie ‘Frauen werden gehandelt wie Pferde.‘. Ob das allerdings so in der historischen Vorlage von Madame de La Fayette Ende des 17. Jahrhunderts so stand, ist fraglich. Im Verlauf des Krieges erkaltet die Leidenschaft von Henry, der eigensinnige Ehemann ergeht sich in Eifersüchteleien und nur die reine tiefe Freundschaft (bzw. Liebe auf Distanz) von Francois bleibt bestehen, der dafür mit seinem Leben bezahlt. Da ist Tavernier ganz Anti-Mainstream: der bekannteste unter den Darstellern und einzige Gutmensch kommt um. Marie stillt ihre Leidenschaft mit einer einzigen Nacht und sagt dann der Welt Lebewohl. Eine wunderschöne Schlussszene beschließt das Drama (fast im Stile von ‘Barry Lyndon‘). Genug Action, aber auch gehaltvolle Dialoge und historische Einblicke machen diesen Film wertvoll.


Filmkritik zu Sieben verdammt lange Tage - 06.10.2014 21:34

Von den hundert gefühlten Beerdigungskomödien ist das eine der klügsten. Auf angeblichen Wunsch des verstorbenen Vaters hält die Familie Altmann die 7 tägige Totenwache (Schiv’a). Zu diesem Zweck versammeln sich alle im Elternhaus. Es werden sieben verdammt lange Tage oder wie es der Originaltitel dem Verstorbenen in den Mund legt ‘Und hier verlasse ich euch jetzt‘. Mutter Hillary (Jane Fonda) beherrscht die Szenerie ohne aufdringlich zu sein. Sie verblüfft als Alt-Hippy Braut ihre erwachsenen Kinder durch ihre freizügige und aufgeklärte Art.(Versteckt keineswegs ihre ‘boobs‘ hoops!). Von den Kindern macht Judd (Jason Bateman) gerade eine schlimme Phase durch. Er ist für Ausbrüche, Gefühle und Prügeleien zuständig. Kann aber auch mit Penny (Rose Byrne) auf ein neues Happy End hoffen. Die Frauen sind überhaupt die pfiffigeren in diesem Sammelsurium von Traurigen und Unglücklichen. Schwester Wendy (Tina Fey) bringt es auf den Punkt, wenn sie zu ihren Brüdern sagt ‘Ihr seid Idioten, aber ihr seid meine Idioten‘. Die geistreichen Dialoge brauchen keine Schenkelklopfer, obwohl sie so ganz ohne auch nicht auskommen. Es findet ein permanenter erfrischender Schlagabtausch statt, in dessen Verlauf alle Leichen aus dem Keller und von unter dem Teppich hervorgekramt werden. Es kann bisweilen melodramatisch werden. Und da sind auch Emotionen im Spiel. Aber nur soviel davon, dass sie sich mit den Supergags die Waage halten: z.B. Kiffen in der Synagoge löst die Sprinkleranlage aus. So hart die Auseinandersetzungen auch sind, der Familiensinn obsiegt immer. Er hinterlässt humorvolle, pfeffrige und traurige Spuren, allzu menschliche, verschrobene und warmherzige. Ein echtes Erlebnis.


Filmkritik zu Ein Sommer in der Provence - 02.10.2014 11:34

Ein Feel-Good Movie für die ganze Familie, das wie ein Urlaub wirkt. Und für jeden ist etwas dabei, was ihm oder ihr unter die Haut geht. Im Mittelpunkt steht Opa Paul (ganz groß Jean Reno) ein grimmiger Alter, dessen Herz aufgeweicht und eingefangen wird. Und zwar von seinen Enkeln: allen voran der kleine Théo (Lukas Pelissier). Er ist stumm, aber auf Opas Herz von einem Eisblock wirkt er wie purer Sonnenschein. Dann die Teeny Geschwister Léa (Chloé Jouannet) und Adrien (Hugo Dessioux). Sie bieten Unterhaltung in der Sparte Erste Liebe, Frust und Neugier. Und mit dem Auftauchen von Pauls alten Freunden aus der Hippie-Flower-Power Zeit der 60er Jahre werden bei der älteren Generation herzerwärmende Erinnerungen geweckt, die schon mal nostalgische Freudentränen erzeugen können, wenn die Oldies auf Woodstock machen. Da kann sich niemand dem Soundtrack entziehen. Oma Irène (Anna Galiena) vermittelt an allen Fronten und verhindert das Schlimmste. Das Ganze hat aber auch noch einen ernsten Hintergrund: der Konflikt zwischen Paul und Tochter Emilie (Raphaëlle Agogué). Er ist der eigentliche Auslöser für dieses Sommerabenteuer in der Provence und schwingt durch Andeutungen latent durch den ganzen Film mit. Am Ende wird er großartig gelöst. Opa Paul steht seiner Tochter Emilie am Bahnhof lange gegenüber. Man hört nicht, was sie sagen, aber Mimik und Gesten verraten ein deutliches Aufeinander zugehen. Eine geniale Lösung ohne Worte. Der Zuschauer kehrt beschwingt in den Alltag zurück – wie aus dem Urlaub. Toll!


Filmkritik zu Gewalt und Leidenschaft - 09.09.2014 18:25

Da hat Visconti ganz schön viel hineingepackt und das geht auf Kosten der Spannung. Ein Familienclan unter Mutter Bianca Brumonti (Silvana Mangano) arbeitet sich an einander ab und mietet sich bei einem alleinlebenden Professor (Burt Lancaster) ein. Hierbei sorgt vor allem ihr Lover Konrad (Helmut Berger, damals noch bildschön) für Irritationen, wohingegen Tochter Lietta (Claudia Marsani) den alten Herrn anhimmelt. Der Professor lässt ansatzweise durchblicken, dass ihm Konrad nicht ganz gleichgültig ist. Gespräche über Kunst bringen sie einander näher. Ein buntes Kaleidoskop menschlicher Kontakte wird entfaltet: Einsamkeit und das Gegenteil davon, homo- und heteroerotische Beziehungen werden angedeutet, das Alter und die Jugend, Bildung und Vorlieben. Dabei ist der Titel die Abstraktion der Ereignisse. Eine wechselseitige Beziehung von beiden Phänomenen kristallisiert sich um Konrad herum (gewaltige Leidenschaft (Selbstmord) oder leidenschaftliche Gewalt). Aber die Wirkung leidet unter den endlos langen Dialogen. Dazwischen gibt es zwei überraschende Cameos von Claudia Cardinale als Frau des Professors und Dominique Sanda als seine Mutter. Sogar ein Hauch von Faschismus weht durch die Familienidylle. Niveauvolle Dialoge halten das Interesse der Zuschauer wach. Etwa wenn der Professor die Situation so beschreibt: ‘Raben fliegen in Schwärmen, der Adler fliegt allein.‘ Das interessiert die Kids nicht. Tochter Lietta meint ‘Im Grab gibt es keinen Sex.‘ Obwohl der Professor die Brumontis ‘oberflächlich, dumm und hohl‘ findet, haben sie ihn aber auch ‘aus dem Schlaf geweckt‘. Das ist widersprüchlich und macht den tränenreichen Schluss am Bett des Professors (Sterbebett?) etwas kryptisch. Schwer verdauliche Kost, wenn auch auf hohem Niveau.


Filmkritik zu Ein Augenblick Liebe - 13.08.2014 11:53

Lisa Azuelos hat eine federleichte Liebesgeschichte geschaffen. Elsa (Sophie Marceau) und Pierre (Francois Cluzet) sind die unglücklich Glücklichen. Die Chemie zwischen den beiden ‘Helden‘ ist so gut, dass momentane Empfindungen durch Großaufnahmen in ihrer Mimik wie in einem offenen Buch lesen lassen. Auch die jeweilige häusliche Situation: verheiratet bzw. alleinerziehend wird kein Problem. Die Situation mit den Kindern ist durchaus realistisch und dient eher der Erheiterung. Das Entscheidende an dieser Romanze ist aber, dass alle Sexualität ausschließlich in der Fantasie der beiden Beteiligten stattfindet. Und das ist so raffiniert geschnitten, dass man es vorübergehend für die Realität hält. Will sagen die Liebenden leben ihre sexuellen Wünsche nicht realiter aus. Dem Zuschauer wird so nichts vorenthalten, was er heutzutage von einer Liebesgeschichte erwartet. Er muss aber immer wieder begreifen, dass das, was er sieht, so nicht wirklich passiert ist. Auf diese Weise wird eine Art Schwebezustand erreicht, in dem die Verliebten umherflattern, ohne die Bodenhaftung zu verlieren. Pierres Ehefrau Anne (gespielt von der Regisseurin selbst) bringt nur etwas Frust oder einen Hauch von Eheproblematik mit hinein. Das stört aber weiter nicht, da es immer nur ein kleiner Einschub ist. Der deutsche Titel passt für die Momente, wenn sich Elsa und Pierre begegnen, immer wieder. Nur der geniale Schluss passt dann nicht so recht: die letzte Zettelbotschaft lautet nämlich ‘Unsere Liebe für die Ewigkeit‘, nicht für den Augenblick. Drum heißt der Film auch im Original nur ‘Ein Treffen‘. Erfrischende Sommerunterhaltung.


Filmkritik zu Claires Knie - 05.08.2014 17:27

Ein ungewöhnlicher Titel. Meistens erregen ja andere weibliche Körperteile die Aufmerksamkeit der Männerwelt. Hier philosophieren Jerome (Jean-Claude Brialy) und seine alte Freundin Aurora (Aurora Cornu) über Liebe und Freundschaft und die Kids im Umfeld dieses ‘Sommercamps‘ bilden das Betätigungsfeld für praktische Übungen. Der viel ältere Jerome interessiert sich zunächst für Laura (Béatrice Romand), dann für ihre Schwester Claire (Laurence de Monaghan). Man kann es dekadent oder abartig nennen, wenn es für Jerome eine orgiastische Erfüllung ist, seine Hand auf Claires Knie zu legen. Der Narzisst ergötzt sich an seiner Sehnsucht ohne Erfüllung. Ihm geht es nicht um Sex. Was für ihn Verlangen ist, bedeutet für Claire Trost, nachdem Jerome ihr erzählt hat, dass ihr Freund eine andere geküsst hat. Er spielt mit ihr, ebenso wie mit Laura, die sich wegen der fehlenden väterlichen Zuneigung dem alten Jerome gegenüber ein wenig öffnet. Der Mann ist hier selbstverliebt und nicht besonders mutig. Der Film hat sich allerdings noch nie so ausführlich mit den Möglichkeiten und Variationen der Liebe rein theoretisch auseinander gesetzt, so kunstvoll gewebte Gedankenteppiche um das Thema Nummer eins gewebt. Das Jahrtausende alte Männlein-Weiblein-Spiel gerät zu einem artifiziellen Konstrukt, zu einem Tanz auf dem Vulkan, bei dem eine Explosion einkalkuliert wäre, zu der es aber nicht kommt. Heute stellt man so einem amourösen Gedankenspiel eher die Praktikabilität der Nägel mit Köpfen gegenüber und ist von der Endlosdebatte gelangweilt. Dennoch bleibt der Film für viele ein Klassiker wegen seiner Einzigartigkeit. Für mich gehört er in die Box ‘Sachen gibt’s‘!?


Filmkritik zu Wasser für die Elefanten - 29.07.2014 11:07

Ein treffenderer Titel wäre wohl gewesen ‘Prügel für Pattinson‘. Diese Zirkus-Schmonzette überzeugt in keinster Weise, obwohl es fast kein Klischee des Genres auslässt. Lediglich Zirkusdirektor Rosenbluth (Christoph Waltz) kann den Film vor dem totalen Absturz retten. Er ist zwar etwas geschwätzig, gibt aber den bestialischen Tierquäler sehr überzeugend, inklusive das von ihm inszenierte Liebesspiel der beiden Turteltauben Reese Witherspoon (Frau Direktor Rosenbluth) und Mädchenschwarm Robert Pattinson (Jacob), auch mal in Zeitlupe. Seine Figur scheint nur dazu angelegt zu sein, die Sympathiewerte für das Liebespaar in die Höhe zu katapultieren. Damit es auch ein Film für die ganze Familie ist, gibt es auch nur keusche Küsse und sanfte Aufeinanderroller. Andererseits gelingt es fast nie, eine Zirkusatmosphäre zu schaffen. Eher ein für die Depression typisches Boxcar-Bertha-Feeling mit dem Zirkus auf Schienen, der sich unentwegt selber feiert. Lediglich die Elefantenkuh Rosie arbeitet an der Zirkusfront. Nach kurzem Chaos erwartet man Rosenbluths Ende und das kommt pünktlich wie das Amen in der Kirche. Auch klar, dass es die gequälte Kreatur ist, die dann zurückschlägt. Das glückliche Happy End ist wunderschön und wird durch eine Retro gefühlsmäßig verfeinert. Dennoch bleibt der Film letztlich an der Oberfläche, trotz zweier kleiner Schocker bleibt er saft- und kraftlos. Und die Lautstärke der deutschen Synchro schwankt zwischen überlaut und mucksmäuschen, mal genuschelt, mal gebrüllt. Keine Werbung fürs Circensische.


Filmkritik zu The Raven - Prophet des Teufels - 16.07.2014 18:26

Da man nichts Genaues über das Ende von Edgar Allen Poe weiß, ist es legitim, wenn man eins erfindet. Und wenn das ein Gruselschocker ist, passt es ins Bild. Das hat Regisseur James McTeigue grandios umgesetzt. Neben vielen Beispielen aus Poes Werk beginnt er mit der bekanntesten Figur des Meisters: dem Raben, der immer ‘Nevermore‘ sagte. Es gibt Vergleiche mit zeitgenössischen Kollegen wie Longfellow und Verne. In düsteren Farben gezeichnet entsteht eine Mordserie und eine Liebesgeschichte. Beides durchaus legitim. Der Mörder nimmt sich Poes Kurzgeschichten als Vorlage und eine unglückliche Liebe zu Emily (Alice Eve) ohne Happy End bildet den Motor (Wo ist Emily?) der Handlung. Auch E.A.P. war nicht unbedingt ein Womanizer. Die polizeilichen Ermittlungen unter Detective Fields (Luke Evans) sind nachvollziehbar und dennoch spannend erzählt. John Cusack gibt den Poe beeindruckend echt. Er ähnelt ihm sogar. Der Schwiegervater in spe Brendan Gleeson dient mit seinem Reichtum nur als Kulisse, der den armen Schlucker anfangs nicht leiden kann. So ist es nur konsequent, wenn der Mörder am Ende für Zuschauer und die Filmwelt ein völlig Unbekannter ist. Aber er ist Poes größter Bewunderer: ein Schriftsetzer (Sam Hazeldine): ‘Ich bin ihr Meisterwerk.‘ Ein paar Wendungen drehen noch an der Spannungsspirale bis Poe Emily rettet und stirbt und dann entkommt der Serienmörder…doch nicht. Nettes optisch ansprechendes Schlussbild und ein Zurück zur ersten Einstellung. So macht Grusel Spaß, angelehnt an eine Figur der Literatur.


Filmkritik zu Der Löwe im Winter - 16.06.2014 13:57

Wir sind in der buntesten Glanzzeit der mittelalterlichen Monarchie in England. Der äußerst lyrische Titel trifft den Kern des Films. Ein alter, mächtiger König Heinrich II. (Peter O’Toole) hat drei Söhne. Nachfolgeproblematik. Bündnisse werden geschlossen, Verrat ist im Spiel, auch Rivalität. Ein Machtpoker, in dem auch die inhaftierte Königin Eleonore (Katherine Hepburn) mitmischt. Damit es noch abwechslungsreicher zugeht, ist der französisch König Phillip II. (Timothy Dalton) anwesend. Und um es etwas zu würzen, hat der alternde König Heinrich noch die junge Geliebte Alais (Jane Merrow ). Bei dieser Konstellation gibt es immer wieder überraschende Wendungen. Dank eines hervorragenden Drehbuchs von James Goldman agieren die Akteure auf verbal geschliffenem Niveau, schwanken abwechselnd zwischen bitterbösem Sarkasmus und ergreifender Emotionalität und verfolgen dabei teuflisch gute Pläne. Beispiel: Bruder John (wird von Richard bedroht): ‘Ein Messer! Er hat ein Messer!‘‘ Eleanor: ‘Natürlich hat er ein Messer. Er hat immer ein Messer. Wir alle haben Messer. Es ist 1183 und wir sind Barbaren.‘ Und auch echte Gefühle werden gezeigt. Hier sind Peter O’Toole und Katherine Hepburn in ihrer immerwährenden Liebe unübertrefflich, zumal wenn sie ansatzlos in geifernden Hass übergehen und zwischen Elternschaft und Machtgier hin und her pendeln. Das Geniale an dieser Inszenierung ist, dass hinter der Verlogenheit die Menschlichkeit durchschimmert, hinter dem Eigennutz die Verletzlichkeit. So bleibt auch die Spannung erhalten, da es immer mehrere Optionen gibt. Elterngespräche über Erziehungsfragen wirken modern, die Schwulenproblematik passt hier nicht so recht ins Bild. Das Zusammentreffen aller sieben Personen ist der dramaturgisch gelungene finale Höhepunkt dieses großartigen Films von 1968.


Filmkritik zu Rocco und seine Brüder - 14.06.2014 18:00

Dieser Klassiker ist nur mit Abstrichen zu empfehlen. Die Thematik ist sicherlich zeitlos: Familienzusammenhalt, Bruderliebe, die Ehre der eigenen Familie steht über allem. Das Ganze ist in ein sozialkritisches Familiendrama gehüllt mit einem erstklassischen Promi-Ensemble. Nur die Machart nervt mitunter, wenn z.B. in den hochdramatischen Szenen allzu laut und lang anhaltend geschrienen wird oder wenn alle Personen gleichzeitig und nicht gerade auf Zimmerlautstärke mit einander reden – eher auf einander einschreien. Das dient nicht dem Verständnis, wirkt eher Komödiantisch. Manche Szenen sind mit übertriebenen Theatralik eher zum schmunzeln. Witwe Rosaria (Katina Paxinou) zieht mit ihren 5 erwachsenen Söhnen aus Süditalien nach Mailand. Simone (Renato Salvatori) wird Boxer, aber auch Mörder, das ‘Schwarze Schaf‘. Der titelgebende Rocco (Alain Delon), hier ganz sanft und voller brüderlicher Liebe versucht ausgleichend zu vermitteln. Das könnte gelingen wäre da nicht Nadia (Annie Girardot), die Hure mit Herz, die erst von Simone angetan, dann auf Rocco abfährt, der tränenreich auf sie verzichtet. Doch sie wird das Opfer brüderlicher Eifersucht Allein Vincenzo, der Älteste (Spiros Focas) schafft es mit Ginetta (Claudia Cardinale) eine eigene Familie zu gründen. Nur eine kleine Nebenrolle für die Cardinale, die sie aber durchaus mit Charakter ausstattet. Hier wird der Gegensatz zwischen den Norditalienern und denen aus dem Süden, den ‘Negern‘, wie sie sie nennen, deutlich. Der Familie geht es äußerlich immer besser, aber der Zusammenhalt bricht weg. Schuld ist die Großstadt. Es bleibt die Sehnsucht nach der alten Heimat, dem ‘Land der Oliven‘. Teils angestaubt aus den 60er Jahren. Pathetische Dramatik von Gestern.


Filmkritik zu Brendan und das Geheimnis von Kells - 11.06.2014 09:44

Wunderschön gezeichneter und von toller Regie-Choreographie gleitet führt uns dieser Animationsfilm in die Welt der irischen Mythen und Legenden. So kommen das Auge von Columban von Iona sowie der Gott der Unterwelt Cromm Cruach vor. Im Mittelpunkt steht der junge Brendan, der das Buch der Abtei Kells vollenden soll. Sein Onkel, der Abt Cellach mit der Stimme von Brendan Gleeson, will aber lieber eine Mauer als Schutz gegen die bösen Nordmänner bauen. So stehen hier Bildung und Wissen gegen handfeste kriegerische Optionen. Von den Nebenfiguren überzeugt vor allem die Waldfee Aisling. Ihre Verwandlungen und Sturzflüge sind sehr fantasievoll gestaltet. Die bösen Nordmänner erinnern zwar optisch und akustisch etwas an die Orgs erfüllen aber genau wie die bösen schwarzen Wölfe ihre Funktion des Furchterregens. Wenn ein Kreidestrich als Mauer / Schutz in Szene gesetzt wird, ist das beste Animation. Ungewöhnliche Details sind farblich stilsicher auf einander abgestimmt und ergeben ein abgerundetes Bild. Der Film erinnert an eine frühirische Handschrift und befreit sie damit vom Schatten des Vergessens. Inhaltlich ist er für alle Altersgruppen. Mal lustig, mal ernst, einfach nett.


Filmkritik zu Eine dunkle Begierde - 29.04.2014 19:03

Regisseur Cronenberg strapaziert die Zuschauer mit langen Fachsimpeleien. Aber was kann man schon beim Thema Freud - C.G. Jung erwarten. Wenn sich zwei Koryphäen dem Thema der Psychoanalyse von verschiedenen Seiten nähern, geht es um ‘Übertragung‘, ‘Unterdrückung der Lust‘ oder um die Behandlung von sexuellen Zwangsneurosen. Dieser Gedankenaustausch findet hier nun mal in Dialogen statt. Damit es nicht gar zu theoretisch wird, ist noch Jungs Privatleben mit Ehefrau Emma (Sarah Gadon) und der Geliebten, Fräulein Spielrein (Keira Knightley) eingebaut, die hier ihre reifste schauspielerische Leistung abliefert. Die Darstellung ihrer Zwangsneurose geht bis an die Schmerzgrenze. So einen verzerrten Gesichtsausdruck kennt man von ihr sonst nicht. Als Kontrast dazu ist Emma ständig schwanger und ungewöhnlich liberal. Neben Traumdeutungen geht es in den Gesprächen mit Siegmund Freud (Viggo Mortensen) auch um den Zusammenhang von Sexualtrieb und Todestrieb. Der Heilungsprozess von Fräulein Spielrein zur ebenbürtigen Kollegin von C.G. Jung ist nicht leicht nachvollziehbar. Es wird der Eindruck erweckt, als ob der Psychoanalytiker den Rat des Kollegen Groß (Vincent Cassel) beherzigt hätte ‘Gehe nie an einer Oase vorbei, ohne zu trinken.‘ Alle Neurosen seien sexuellen Ursprungs bzw. deren Unterdrückung. Kein Wunder also, dass Fräulein Spielrein von C.G. Jung (Michael Fassbender ) geheilt wird, weil er die Matratzen-Praxis anwendet. Später promoviert sie sogar darüber und bleibt zeit Lebens seine einzige große Liebe. Die Psychoanalyse bleibt hier ein oberflächliches Konstrukt bezüglich ‘einer dunklen Begierde‘. Der Originaltitel spricht von einer ‘gefährlichen Methode‘. Davon spürt man wenig. Hier fährt der Zug eher in Richtung ‘Lourdes‘.


Filmkritik zu Herr der Fliegen - 18.04.2014 14:12

Die erste (1963), immer noch ganz tolle, werkgetreue Verfilmung des Romans von William Golding. Recht unspektakulär lässt Peter Brook, der eigentlich in der klassischen Theaterwelt zu Hause ist, diese Parabel von Macht und Massenhysterie, sowie die Mechanismen der Verführbarkeit im Überlebenskampf sich entwickeln. Es ist ein kleines Universum mit Versammlungen und Regeln auf einer einsamen Insel, in dem die gestrandeten Internatsschüler vorübergehend leben. Als sei sie im Innern der Menschen verankert, entsteht eine Gesellschaftsform, die in manchen Dingen der unseren nicht unähnlich ist. Optional sind darin enthalten solche Phänomene wie Diktatur, Hahnenkämpfe der Anführer, ein Prügelknabe, der als Außenseiter alle Schuld auf sich nehmen muss. Vernunftgesteuerte Rationalisten, die nicht besonders beliebt sind, Populisten denen das vordergründige Glück nur so zufällt wie z.B. bei der Nahrungsbeschaffung und eine dem Erfolgreichen nachlaufende Mehrheit. Besonders eindrucksvoll wird die systemerhaltende Notwendigkeit eines Götzen (Titel!) geschildert. Wer den Popanz durchschaut, muss sterben. Dabei bleibt die Frage offen: Mord oder Zufall? Ohne zu Werten wird erzählt und jeder kann sich seinen eigenen Reim auf die Ereignisse machen. Auch das Ende steht unkommentiert im Raum: eine Tatsache einfach, ohne Wenn und Aber. Die Kamera ist es, die erzählt in s/w ein immer noch aktuelles und immer noch wichtiges gesellschaftliches Lehrstück.


Filmkritik zu Liebe lieber indisch - 17.02.2014 13:46

Da hat sich Regisseurin Gurinder Chadha wohl selbst einen Wunsch erfüllt. Die inhaltliche Anleihe an die Welt der Jane Austen ist weit hergeholt. Nur der unübersetzbare Titel des Originals ist ein kleiner Geistesblitz. Ein Buchstabenwechsel P zu B reicht. Die Bollywood-Inszenierung ist gewöhnungsbedürftig für Auge und Ohr, wenn Spielfilmszenen mit Tanzeinlagen und Gesang sich abwechseln. Das kunterbunte Rumgehüpfe geht uns westlichen Europäern ganz schön auf den Senkel. Die harten Schnitte, mit denen die überlaute Musik oft einsetzt, sind ein solcher Akustohammer, dass dem Zuschauer, nachdem er sich vom Schockeffekt erholt hat, quasi Hören und Sehen vergeht. Der Witz der Dialoge und die Komik der Situationen vermögen nicht die Langeweile zu vertreiben. Mancher Mann (z.B. Naveen Andrews total überdreht) ist eine affige Witzfigur und der steinreiche Schönling Martin Henderson ist der einzige, der in Frage kommt. Und der bekommt Chadhas oberste Trumpfkarte: Aishwarya Rai, die schönste Frau der Welt. Zur Ehrenrettung der Regie sei noch erwähnt, dass es eine Traumszene gibt, (nicht den Sonnenuntergang am Meer mit zwei Silhouetten) die technisch überzeugt und inhaltlich informativ ist. Ansonsten geht der Film über weite Strecken ganz nah an die Scherzgrenze. Da reicht die Schönheit als Palliativ nicht aus. Für was Miss Austen nicht alles herhalten muss!?


Filmkritik zu 45 Minuten bis Ramallah - 05.02.2014 12:52

Diese Komödie ist schrill, schräg und abgefahren. Dabei geht es neben dem üblichen Gegensatz Israelis – Palästinenser auch um die Toleranzgrenze der religiösen Fundamentalisten. Denn wenn zwei Brüder (Navid Akhavan und Karim Saleh) die Leiche ihres Vaters von Jerusalem nach Ramallah bringen müssen, wird das eine recht turbulente Odyssee der besonderen Art: es kommt zu Schusswechseln, eine schöne Frau (Julie Engelbrecht) taucht auf, küsst und klaut, Freiheitskämpfer jeglicher Art und Autodiebe bieten Optionen an. Manchmal ist die Komik etwas überdreht und geht in Richtung Klamauk. Meistens jedoch gelingt es durch den Gegensatz zwischen Wort (Off-Kommentar) und Bild gute Jokes und Gags zu präsentieren, denn das eine beschreibt die Situation, wie sie sein sollte, das andere wie sie wirklich ist. Daneben gibt es natürlich auch noch eine Liebesgeschichte und ein nicht ganz ernst zu nehmendes Erschießungskommando. Denn da sind schon zu viele Lachsalven abgefeuert worden. Es ist wie immer das lobenswerte Anliegen des Regisseurs Ali Samadi Ahadi, dessen melodisch swingender Name wie ein Lied aus dem Nahen Osten klingt, durch Karikierung und Übertreibung die trennenden Gräben zuzuschütten. Dabei ist das Bindemittel die Komik.


Filmkritik zu Die Windsbraut - 26.01.2014 11:57

Die Alma Mahler-Werfel muss ja wohl eine ganz heiße Braut gewesen sein. Damals nannte man das ‘femme fatale‘. Ihre Opfer waren ausnahmslos Promis. Neben den namensgebenden Männern hat sie sich auch noch Oskar Kokoschka (Vincent Perez), der das Titelbild malte, die Architekturlegende Walter Gropius (Simon Verhoeven) reingezogen, sowie mit Gustav Klimt (August Schmölzer) ‘geliebäugelt‘. Doch ihre stärksten Auftritte hat sie im Film nicht auf der Matratze sondern als Trauernde oder als verhinderte Künstlerin mit einem Touch Emanzipation. Dazu hat sie Regisseur Bruce Beresford prunkvoll ausgestattet und in eine herrliche Landschaft platziert. Die Unterschiedlichkeit der Charaktere, die bei Alma landen konnten, ist gut herausgearbeitet. Klimt der lebhaft freche Schelm, dem die Liaison zu eng wurde oder Kokoschka, der besitzergreifende, stürmische Geliebte, dem solche Sätze in den Mund gelegt werden wie ‘die Zeit ist die Währung der Liebe‘. Mit ihm wird es auch optische etwas anspruchsvoller. Dann der brave biedere Gropius, den man heute eher in die Abteilung ‘Schlaftablette‘ einordnen würde. Und schließlich Franz Werfel, der Alma via Piano erobert, sogleich schwängert und damit eine melodramatische Note einbringt. Den größten Handlungsspielraum bekommt Gustav Mahler (Jonathan Pryce). Er ist für Alma Anfang und Basis, künstlerisches Idol und Konkurrent. Sarah Wynter füllt die Titelrolle als androgyner Typ mit geheimem Feuer voll und ganz aus. Interessant.


Filmkritik zu Der Beweis - Liebe zwischen Genie und Wahnsinn - 23.12.2013 18:17

Drei Superdarsteller allein machen noch keinen Spitzenfilm. Vater (Anthony Hopkins) bleibt farblos und Hausfreund (Jake Gyllenhaal) kann nur staunend das Mathegenie Catherine (Gwyneth Paltrow) bewundern und vorübergehend befriedigen. Die mathematischen Fachsimpeleien sind nicht nachzuvollziehen, bleiben auch weitgehend im Hintergrund. Bis zum Notizbuch des Vaters kann man die angedeutete Problematik nachvollziehen, denn das ist konkret und wird mehrmals hin und hergereicht. Doch der Titel benennt einen Beweis und den gibt es nicht. Allein ein guter Gag ist die Schnittfolge, durch die der Vater zwischen Diesseits und Jenseits hin und herpendelt. Doch das verflacht in der Wirkung nach einiger Zeit. Auch die eingeflogene Schwester Claire (Hope Davis) als Kontrastmittel zu Catherine gedacht, bleibt erstaunlich eindruckslos. Nur bei der Paltrow wird das dargestellte Genie sichtbar, das zwischen selbstvergessenem Blaustrumpf mit verloren gegangenem Realitätsbezug und einem übereinsteinmässigen Superhirn hin und her schwankt. Bis zuletzt fragt man sich, ob nun Vater oder Tochter dieses Jahrhundertwerk verfasst haben. Selbst auf der Matratze gibt es keine Klarheit, obwohl Catherine zur Zufriedenheit der Happyend-Fetischisten sich für die Liebe und den Hausfreund entscheidet. Statt eines Beweises gibt es einen Appell an das Vertrauen. Überzeugend ist das nicht. So macht es am Ende einfach nur ‘Puff!‘ Es war Liebe zwischen Stillstand und Langeweile.


Filmkritik zu Hope Springs - Die Liebe deines Lebens - 16.12.2013 11:48

Das ist Mark Hermans schwächster Film. Mit dem ‘Pyjama‘ den ‘Pauken und Trompeten‘ und ‘L.V. (Elvie) der Kleinen Stimme‘ hat er das hinlänglich bewiesen. Vielleicht musste der Brite ja etwas Geld verdienen. Er macht dabei aber Europa zu einer Außenstelle Hollywoods. Das Ergebnis ist eine uninspirierte Liebesschmonzette mit vorhersehbarem Ende, kaum Komik und verschwindend geringem Witz. Die neckischen Herz-Schmerzspielchen sind so nebulös, weil auf ihnen zu viel Staub liegt oder die Bartwickelmaschine zu laut brummt. Das zentrale Pärchen Colin und Mandy (Colin Firth und Heather Graham) zicken fade umeinander rum nach dem Motto ‘ Verklemmter Brite bumst geile Amise‘. Beide haben keinen Plan. Lediglich Mary Steenburgen und ihr Faktotum Fisher versuchen etwas in Richtung Comedy. Straucheln bei ihren Auftritten aber immer wieder und landen mit ihrem Allerwertesten im Einheitsbrei des Lächerlichen. Das ist alles zu platt. A pro Po: der Bürgermeister Oliver Platt macht seinem Namen hier alle Ehre. Er ist ein Vertreter der albernen Witzchen. Selbst die sonst so umtriebige Minnie Driver kann keinen rechten Schwung ins Unternehmen bringen. Alles zu brav, zu hausbacken schlicht. Der Brunnen der Hoffnung wird hier zum Morast der Langeweile. Diese ‘Liebe deines Lebens‘ ist nicht zu vergleichen mit dem gelungenen ‘ersten Mal‘.


Filmkritik zu Himmel über der Wüste - 09.12.2013 10:59

Um es gleich vorweg zu nehmen: den Roman habe ich gemocht, den Film nicht. Bei der Druckvorlage hat die Fantasie freien Spielraum und erhält nur von Zeit zu Zeit Denkanstöße. Im Film verzaubern einen die wunderschönen Wüstenlandschaften bei Tag und bei Nacht, aber die Akteure bleiben farblos eindimensional ebenso wie die ganze Handlung. Das Ehepaar im Film ist unerfreulich unentschlossen, irgendwie hin und hergerissen, abweisend fremd. Im Roman begreift man das Verhältnis als klar distanziert und emotionslos. Ehefrau Debra Winger reist mit Mann (John Malkivich) und Freund (Campbell Scott) durch Nordafrika. Ein Selbstfindungstrip also, für alle Beteiligten. Was sie findet und ob überhaupt etwas sei dahingestellt. Sie schaut immer nur so gedankenverloren drein. Selbst nach dem Tod ihres Mannes und der Transformation zur Beduinenfrau, weiß man nicht so recht, was sie eigentlich will. Ehe kaputt, Ehemann tot, die große, endlose Wüste eine einzige Leere. Wenigstens nimmt ein Beduine den Dampf aus ihrem Kessel. Aber nur für kurze Zeit. Also auch keine Lösung. Als Rahmenhandlung tritt ein alter Mann in Erscheinung und rundet das Geschehen durch seine philosophischen Betrachtungen ab. Es ist der echte Romanautor! Einziger Lichtblick ist das mitreisende Mutter-Sohn Pärchen: Jill Bennett und Timothy Spall setzen mit ihrer unfreiwilligen Komik eine Kontrapunkt zur dahindämmernden Handlung. Bleibt ein schaler Geschmack beim Blick zum Himmel, der laut Originaltitel ja schützen soll.


Filmkritik zu Zazie in der Metro - 28.11.2013 13:25

An sich ist es ein ganz normales Wochenende in Paris für die kleine Zazie (Catherine Demongeot), aber was Lois Malle daraus macht, übersteigt die Grenzen der Fantasie. Die Göre ist rotzfrech und ziemlich altklug. Aber vor allem ist es die Vielseitigkeit der Einfälle, die einen überwältigt: wir sehen eine Hommage an den Stummfilm, Hetzjagden à la Tom und Jerry, gezeichnete Comic-Einlagen, viele Slapsticks, Dialoge werden durch Bilder verdeutlicht (‘Stau‘) oder der Eifelturm ist von Wellen umschäumt. Bekannte Stars wie Sascha Distel haben Cameos. Die Handlung sprengt einfach jeden erdenklichen Rahmen durch überraschend witzige Einfälle, manchmal sogar jenseits der Schwerkraft. Das Unerwartbare wird zum Gestaltungsprinzip erhoben. Teilweise werden ganz einfache Methoden angewendet wie die ‘Stille Post‘ oder ein Taschentuch als Handpuppe und gezaubert wird auch. Es wird ein Trip in die Welt der Fantasie (‘Paris ist eine Illusion und die Geschichte ist der Traum von einem Traum‘). Neben dem unvergleichlichen Onkel Gabriel (Philippe Noiret), der hier als ‘Damenimitator‘ agiert, glänzen noch Vittorio Caprioli, der seinem Namen alle Ehre macht gleich in mehreren Rollen, sowie Carla Marlier als Debütantin mit dem engelhaften Lächeln neben Yvonne Clech als durchgeknallte alte Dame. Dieser Spaß für jedes Alter endet in Tortenschlacht mit Sauerkraut und einer Massenkeilerei im Chaos. Und als ihre Mama Zazie am Ende fragt ‘Was hast du gemacht?‘ antwortet die ‚Ich bin älter geworden.‘ Rasant respektlos, überwältigend lustig, schwindelerregend überdreht.


Filmkritik zu Ironclad - Bis zum letzten Krieger - 23.11.2013 13:37

Wer Ritterfilme mag, sieht gerne Schwertkämpfe und Pfeil und Bogen im Einsatz. Davon gibt es hier genug zu sehen. Der historische Hintergrund mit der Magna Charta ist ebenso zu vernachlässigen wie die Liebesgeschichte zwischen dem Templer Thomas Marshal (James Purefoy) und Lady Isabel (Kate Mara), die gottseidank rechtzeitig zum Happy End noch Witwe wird. Diese Ausgangssituation liefert aber genügend Material für Dialoge mit Niveau (Skrupel des Templers gegenüber den Verführungskünsten von Lady Isabel) und einen herrlich fiesen König Johann ohne Land (Paul Giamatti), der auf dem Gottesgnadentum beharrt. Besonders angenehm sind die kleinen Heerhaufen, die die Erstürmung der Burg übersichtlich gestalten. Gelungen ist auch der Tempowechsel. Zwischen den Kampfszenen gibt es immer wieder ruhigere Passagen oder Markt- bzw. Wirtshausszenen. Der pyrotechnische Einsturz der Burg ist ein optischer Höhepunkt, die Art und Weise, wie er zustande kam, ist ungewöhnlich. Der Endkampf scheint aussichtslos und hoffnungslos, bis in letzter Minute eine französische Armee für dieses mittelalterliche Spektakel, das recht prominent besetzt ist, ein versöhnliches Ende bringt und das in ‘Klein-Hollywood‘ auf der Insel nämlich in Wales entstanden ist. Gute Unterhaltung für Fans.


Filmkritik zu Die Mothman Prophezeiungen - 18.09.2013 09:50

Beruhend auf Tatsachen und unterstützt von Zeugenaussagen spielt dieser mysteriöse Horrorfilm auf eine nachvollziehbare Art und Weise mit irgendwie bekannten Gedankenvorgängen aus der Parapsychologie. Als Erklärung fallen Sätze wie ‘Die Motte ist die Personifizierung der Seele‘ oder ‘wir finden entsprechende Darstellungen schon in der Höhlenmalerei‘. Hier ist es Professor Leek (Alan Bates) der teilweise enträtselt aber auch zugleich weitere Rätsel aufgibt. Nur sensible Menschen erkennen diese überhaupt. Es geschehen ständig unerklärbare Dinge und wenn es darauf ankommt unterstützt ein Soundtrack bestehend aus Rauschen, Brummen und Pfeiftönen die Ereignisse. Dabei nähert sich die Handlung wohl dosiert und überraschend behutsam dem Psi-Phänomen durch zutreffende Vorhersagen von einem anscheinend alles wissenden Wesen. Wiederholte Andeutungen oder Bilder aus der Vergangenheit halten die Spannung in mehrfacher Hinsicht hoch. Das Finale ist ein Höhepunkt wie in einem echten Katastrophenfilm. Ganz nebenbei hat sich noch eine Lovestory zwischen John (Richard Gere) und der Dorfpolizistin Connie (Laura Linney) entwickelt, die angenehm in die Länge gezogen wird. Egal, ob man den Mottenmann in eine Schublade mit den OFOs steckt oder nicht, es geht hier ja nicht ums Glauben sondern um gut gemachte, spannende Unterhaltung, bei der man nicht wie so oft für dumm verkauft wird. Außerdem hat dieser Horror auch angenehme Facetten und ein sanftes, wohltuendes Ende.


Filmkritik zu R.I.F. Ich werde Dich finden! - 03.09.2013 19:27

Franck Mancuso, der Experte für Polizeiarbeit behandelt hier einen brisanten Fall aus dem Alltag der Ermittlungsarbeiten: das spurlose Verschwinden von Menschen. Hier ist es Valérie, die Frau des Polizisten Monnereau (Yvan Attal). Der prägt den Film mit seiner vielschichtigen Persönlichkeit: mal ruppig, mal aufbrausend emotional, aber immer todernst. So bringt er Schwung und sogar etwas Spannung in die solide Polizeiarbeit. Die Suche nach der Frau gestaltet sich wie die berühmte nach der Nadel. Und auch hier werden drei Möglichkeiten angeboten: Valérie hat ihn verlassen oder sie wurde gekidnappt oder aber Monnereau hat sie selbst beseitigt. Verschiedene Signale kommen aus ihrem Umfeld und wir bekommen auch mit, wie dem kleinen Théo seine Mutter fehlt. Dieser ganz persönliche Aspekt ist neu, tut der Handlung aber gut. Im entscheidenden Moment ist Mancuso immer recht wortkarg: Schrei – Schuss – Dunkel. Und dann hat er noch eine vierte Lösung im Köcher, will sagen, dass manchmal ein Verbrechen ein weiteres initiiert und der Zufall Regie führt. Ein grundehrlicher Film, der dank Yvan Attal nicht schlecht ist.


Filmkritik zu Die Schachspielerin - 25.06.2013 09:38

Als das Zimmermädchen Hélène (Sandrine Bonnaire) vom Schachspiel fasziniert ist, weiß man nicht, ob es an der Schönheit des spielenden Pärchens liegt, an der Eleganz des Ambientes oder an der Ruhe, die vom Spiel ausgeht. Es ist auf alle Fälle ein eklatanter Kontrast zu ihrem Privatleben. Sie findet einen väterlichen Freund und Lehrmeister in Dr. Kröger (Kevin Klein), hat einen eifersüchtigen Ehemann Ange (Francis Renaud) und eine pubertierende Tochter. Alles, was man aus der daraus sich möglicherweise ergebenden Dramatik erwarten könnte, findet nicht statt: Mann und Tochter unterstützen sie letztlich und Dr. Kröger ist todkrank, stirbt aber nicht. Hélène macht ihren Weg. Eine leise Emanzipationsgeschichte mit viel Schach. Kleinere Hindernisse wie häusliche Gewalt auf dem Küchentisch werden aus dem Weg geräumt oder stumm ertragen. Der kranke Gönner wagt einen zarten Kuss. Tanz und Toleranz sind die Dinge, die den Weg ebnen. Ein fieser Macho wird am Brett besiegt. Eine feministische Lösung (‘Die Dame ist die stärkste Figur im Spiel.‘) voller Harmoniebedürfnis erwartet den Zuschauer am Ende. Versüßt wird das Ganze durch einige nette optische Gags: sie formt aus Brotkrümeln Schachfiguren beim Essen, er isst sie ahnungslos auf. Das Foyer hat ein Muster wie ein Schachbrett, das sich verändert und ihr Kleiderwechsel verdeutlicht den Zeitraffer. Hélène wagt und gewinnt weil ‘Wenn man ein Risiko eingeht, kann man verlieren. Wenn man keins eingeht, hat man schon verloren.‘ Leise, unaufgeregt, etwas zaghaft.


Filmkritik zu 8 Frauen - 19.03.2013 17:56

Wir sehen ein Ensemble, das sich aus mehreren Filmlegenden zusammensetzt. Jede von ihnen kreiert ihr eigenes Universum mit der Aura einer Diva. Da wird die Handlung fast zur Nebensache. Im Vorspann werden alle Namen mit einer Blume etikettiert und renommierte deutsche Darstellerinnen leihen ihnen ihre Stimme. Nachdem bei der Aufklärung eines Tötungsdeliktes fast alle Mädels verdächtig waren (inklusive Omas Geständnis, Danielle Darieux), läuft der Plot noch über einen möglicherweise inszenierten Mord (Ludivine Sagnier) bis hin zu einer dritten endgültigen Lösung. Die Mördersuche ist gewürzt mit persönlichen Gehässigkeiten und gegenseitigen Beschuldigungen. Es geht turbulent zu bis hin zu Handgreiflichkeiten im griechisch-römischen Stil. Das hässliche Entlein Augustine (Isabelle Huppert) wandelt sich zur Diva, zwei der Mädels (Deneuve, Ardant) haben den gleichen Liebhaber, wobei es vorher hetero- und homoerotisch zugegangen sein muss. Das ist alles so gut gemacht, dass nicht einmal die Gesangseinlagen der Damen stören. Im Gegenteil einige davon sind gute französische Chanson Tradition. Die Schlussszene hebt die Damenriege wie am Ende einer Theateraufführung in den Olymp. Drei ragen aus dem Ensemble nochmals etwas heraus: Mutter Gaby (Catherine Deneuve) gibt die Souveräne, die Überlegene, aber auch Tragische. Sie ist schön und reich. Ihr Gegenpart Augustine (Isabelle Huppert) hier mal anders: zickig und bissig ist arm und hässlich. Dienstmädchen Louise (Emmanuelle Béart) ist diabolisch, mysteriös, frech und sexy. Großartig, ein Hochgenuss! P.S. Wer hat Romy Schneider entdeckt?


Filmkritik zu Mindhunters - 10.03.2013 18:00

Der übliche Mainstream-Trash aus Hollywood. Hier als Werbefilm für Armee oder CIA getarnt. Eine Handvoll Profiler-Anwärter sind auf einer einsamen Insel, wo sie sich für den Job qualifizieren sollen. Im Hintergrund zieht der große Unbekannte die Mordsfäden nach dem Muster der ’10 kleinen Negerlein‘. Da die Handlung offen ist und nur dem Gesetz des Thrills folgt, gibt es jede Minute schockierende Überraschungen. Da geht es splattermäßig zu und selbst die Mumie grüßt aus dem Gruft. Die ganze Situation wird vom gegenseitigen Misstrauen getragen, was man daran erkennt, dass alle ständig mit gezogener Waffe einander bedrohen. Zwischendurch gibt es dann noch Berichte über die eigenen Schicksale mit schwerer Kindheit. Damit man die Spannung nicht vergisst, deuten immer wieder Uhren auf ein Zeitlimit hin. Das hat dann auch der deutsche Untertitel aufgenommen. Bis zum nächsten Toten beweisen die Überlebenden, was für helle Kerlchen/Mädchen sie doch sind. Drei bleiben übrig. Der nette Lucas (Jonny Lee Miller) entpuppt sich als Bösewicht, wird aber von Sara (Kathryn Morris) beim Unterwasser-Showdown besiegt. Erschossene wie Gabe (LL Cool J.) werden dann doch nicht so schwer verletzt, dass sie wieder auftauchen können. Dass der Verleih ‘Herzstillstand‘ wegen ‘unglaublicher Spannung‘ vorhersagt, ist wohl eine glatte Übertreibung. Bestenfalls bei Sensibelchen leichtes Herzklopfen.


Filmkritik zu Frühstück für Helden - 27.01.2013 16:41

Kultregisseur Alan Rudolph hat versucht eine Romanvorlage von Kultautor Kurt Vonnegut in Szene zu setzen. Die Exzentrizität der beiden hat sich wohl hier wie der ansteigende Verlauf einer geometrischen Kurve nach oben bewegt. Man kann den hervorragenden Darstellern zuschauen, ohne ihr Verhalten zu begreifen. Und das ist seeehr anstrengend! Das ist dann wohl die höchste Form der Groteske oder schon jenseits der Grenze von Sinnhaftigkeit. Weder lustig, noch traurig, weder ernsthaft noch schaurig. Für diese Figuren kann man nur Mitleid empfinden. Sie sind verzweifelt, einsam und durchgeknallt. Dabei wird der eine Dwayne Hoover (Schmalzlocke Bruce Willis) von den Fans angehimmelt, was aber keineswegs seine suizidalen Absichten vertreibt. Der andere, Harry Le Sabre (selten abartig Nick Nolte), schämt sich seiner transsexuellen Neigungen und der dritte im Bunde, Kilgore Trout, (als verschrobener Kauz Albert Finney), trottet als erfolgloser Schriftsteller durch eine versiffte Umwelt. Eigentlich kennt man alles, was man hier sieht, vielleicht nicht in so geballter Form und so überzeichnet durchgeknallt. Der Titel bezieht sich auf einen Martini. Das hilft ebenso wenig weiter, wie Dwaynes letzter Satz ‘Bis man tot ist, heißt es leben!‘ oder ‘Wenn man den Zug verpasst hat, isser weg!‘ Da warte ich doch lieber auf Godot. Dank der guten Darsteller ist es kein Schwachsinn, aber schwerverdauliche Kost mit sinnfreien Elementen.


Filmkritik zu Kinder des Olymp - 07.11.2012 11:56

Selten hat ein Regisseur das Shakespeare-Wort von der Welt als Bühne so geschickt in eine Handlung eingebunden, die z.T. auf real existierenden Charakteren beruht. Der Titel verweist auf die billigen Plätze unterm Dach des Theaters, wo das sogenannte ‘Gewöhnliche Volk‘ sitzt. Diese ‘kleinen Leute‘ stehen auch im Mittelpunkt des Films. Viele typische Figuren wie der vor Selbstbewusstsein strotzende Schauspieler (Pierre Brasseur), der Gauner und Mörder (Marcel Herrand), der ‘blinde‘ Bettler (Gaston Modot) oder der Pantomime Baptiste (Jean-Louis Barrault) tummeln sich im und um das Funambule. Sie alle umkreisen die schöne Garance (Arletty), den flatterhaften Schmetterling. Die menschlichen Dramen beinhalten Liebe, Eifersucht und Mord. Auf der Bühne wird die Realität des wahren Lebens vorweggenommen. Die Auftritte von Jean-Louis Barrault sind die Highlights des Films, seine unvergessliche Pantomime als Pierrot für die Ewigkeit. Die traurig-schöne Liebesgeschichte zwischen ihm und Garance mit dem schiwago-mässigen Ende (Baptiste ‘ertrinkt‘ in der tanzenden Volksmasse!) bekommt aber auch noch einen Nebenaspekt, in der Person von Baptistes Ehefrau Natalie (Maria Casares). Sie symbolisiert die selbstlose Liebe, Garance hingegen verkörpert den vorübergehenden Liebesrausch. Dramatischer Höhepunkt ist die parallel verlaufende Liebesnacht der beiden mit einem Mord wegen ihnen. Beides sieht man nicht. Genial, zeitlos, einfach klassisch.


Filmkritik zu Trust - Blindes Vertrauen - 12.10.2012 11:06

Dieser Film eignet sich als Ausgangspunkt für eine Diskussionsrunde zum Thema Missbrauch. Er lässt Lücken, vermeidet so Vollständigkeit, aber stellt viele Aspekte der Betroffenen vor. Zeitgemäß ist das Internet der Anknüpfungspunkt für solche Beziehungen. Insofern ist der Film nicht einer in der endlos langen Reihe von Missbrauchsfällen. Und er unterscheidet sich von denen. So empfindet sich Tochter Annie (Liana Liberato) nicht als Opfer und bringt damit Wasser auf die Mühlen derer, die immer wieder behaupten ‘ Was regt ihr euch denn auf. Es hat ihr doch gefallen. Sie war etwas unbedarft, neugierig und bereit.‘ Manche zitieren das alte Sprichwort ‘Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.‘ Annie redet sogar von einer Seelenverwandtschaft mit dem Täter. Ihre spätere Sinneswandlung ist nachvollziehbar, der Streit der Eltern, die eigentlich beide gut geerdet und sympathisch aufgeklärt rüberkommen, bietet Diskussionsbedarf. Ebenso wie der Ausraster des Vaters beim Volleyballturnier von Annie. Die Tat in kurzen Rückblenden vor seinem geistigen Auge soll Emotionen aufheizen und seine Obsession verdeutlichen. Dass geht bis zum Lynchmord in Gedanken. Alles verständlich, auch Annies Suizidversuch. Und da es keine Lösung gibt, der Täter auch nicht gefunden wird, kann Vater (Clive Owen) am Ende nur tränenreich feststellen ‘Annie hat das Urvertrauen verloren.‘ Das stimmt, ist aber Teil des Prozesses des Erwachsenwerdens. Gut, dass wir mal drüber geredet haben…


Filmkritik zu Thank You for Smoking - 11.09.2012 18:34

Beim Titel wird so getan, als ob es ein Werbefilm für die Tabakindustrie sei. Ganz im Gegenteil. Doch das Geniale ist, dass es auch kein moralinsaurer, stocktrockener Anti-Raucherfilm ist. Hier steht ein Lobbyist Nick Naylor (Aaron Eckhart) im Mittelpunkt. Das Drehbuch lässt ihn äußerst eloquent erscheinen und Aaron Eckhart kommt sehr sympathisch rüber. Er ist ein echter Charmer, dem man nicht widerstehen kann. So wie z-B. die Journalistin Heather Holloway ( schon etwas reifer, aber nicht schlecht Kathie Holmes). Es werden alle erdenklichen Argumente für und gegen das Rauchen intelligent witzig ausgetauscht. Und durch die Figur des Joey Naylor, dem Sohn des Lobbyisten, bekommt das Ganze auch noch einen sehr persönlichen Touch. Und dadurch kommt man dann zum Punkt. Alle kennen die Argumente gegen das Rauchen. Das hält die Leute aber nicht davon ab, zum Glimmstängel zu greifen. So läuft es auf ein Plädoyer für den freien Willen eines freien Menschen hinaus. Und das ist auch gut so. Natürlich kommt ein pfiffiger Typ wie Naylor überall unter. Er könnte auch den Eskimos Eis verkaufen. Mit dem geistreichen Darüberstehen verfehlt der Film seine Wirkung nicht. Und man wird außerdem noch gut unterhalten. Klasse!


Filmkritik zu Tengri - Das Blau des Himmels - 19.08.2012 11:48

Die Geschichte einer Liebe in Kirgisien, die nicht sein darf. Amira (Albina Imacheva) ist bereits verheiratet und Timür (Elim Kalmouratov) ist ein aus der Fremde heimgekehrter Fischer, der seinen Platz innerhalb der Dorfgemeinschaft nicht finden kann. Mit viel Gesang und Tanz, Folklore und Wodka sehen wir ländliche Rituale und bekommen Einblicke in Bezug auf die Stellung der Frau. Gewalt in der Ehe ist nichts Ungewöhnliches. Es bleibt den Liebenden nur die Flucht, verfolgt vom Ehemann. Wer von der Gemeinschaft und dem Verwandtschaftsclan abgelehnt wird, kann nur in der Ferne vielleicht in einer Großstadt anonym überleben. Es geht durch eine Landschaft, die durch ihre raue Fremdartigkeit beeindruckt. Amira wird immer dominanter, hilft als Pferdeflüsterin aus der Klemme und ist dabei feurig wie die Steppe in der Sommerhitze. Wohin es letzten Endes geht bleibt offen. Sie versinken im Blau des Himmels. Die globale Welt erwartet die beiden, denn auch in Kirgisien hat man schon vom Internet gehört.


Filmkritik zu Und immer lockt das Weib - 18.07.2012 14:33

Wenn man den Originaltitel vervollständigen will, muss man ergänzen ‘…und damit kam Streit und Zweitracht in die Welt‘. Und das verdeutlicht der Film. Hier steht die Bardot zwischen drei Männern: sie heiratet den naiven Michel (Trintignant), liebt aber dessen Bruder Antoine (Christian Marquand) und wird vom reichen, ‘schläfengrauen‘ Curd Jürgens erwartungsvoll begehrt. Die Gesellschaft wirft ihr vor ‘faul, frech und unmoralisch‘ zu sein. BB mimt eine junge Frau, ‘die tut, was sie will und wann sie es will‘. In dieser Konsequenz stimmt das so aber nicht. Als Antoine sie am einsamen Strand vernaschen will, sagt sie erst ‘Nein‘ und tut es dann doch. (Wir sehen es aber nicht!) Überhaupt gibt sich BB hier ziemlich zugeknöpft. In den prüden 50er Jahren reichte bereits ihr hüftenschwingender, aufreizender Gang, ein laszives Räkeln in der Brandung oder ein wilder Veitstanz. Und sie zieht sich auch vor dem Ehemann aus, ohne etwas zu zeigen. Die Bardot soll eine Frau sein, die nur Unglück bringt und dabei ständig unglücklich ist. Den Schluss hat Ehemann und Regisseur Vadim wohl für sich selbst geschrieben: ein paar Ohrfeigen bringen sie wieder zur Vernunft und sie trabt brav mit Michel nach Hause. Als Lösung für den Kopf etwas zweifelhaft, für den Bauch dagegen wohltuend. Es ist nicht BBs bester Film!


Filmkritik zu Das Fest des Ziegenbocks - 23.06.2012 17:32

Ein Vater-Tochter Drama vor politischem Hintergrund. Ein Vater bietet einem Diktator (Tomas Milian), den seltsamerweise alle ‘Chief‘ nennen, seine Tochter Uranita (Stephanie Leonidas) an, um zu überleben. In Rückblenden wird das Drama erzählt, das 30 Jahre zurückliegt. Das Zusammentreffen der beiden nach so langer Zeit zeigt welche Spuren das Ereignis hinterlassen hat. Die Tochter (Isabelle Rossellini) ist immer noch traumatisiert und unverheiratet geblieben, ihr Vater (Paul Freeman) kann nicht sprechen und sitzt gelähmt im Rollstuhl. Der grausame Umgang mit Dissidenten wird ebenso gezeigt, wie die Möglichkeit eines schnellen Aufstiegs für besonders erfüllungsbereite Schergen. Dem ‘Chief‘ geht es außer um junge Mädchen noch um Ordnung und Frieden. ‘Und bezahlt wird mit Blut! ‘, sagt er. Die Untat selber wird zwar ausführlich, aber eher abstoßend ins Bild gesetzt. Man spürt die Angst von Uranita, sowie den Ekel vor dem geilen alten ‘Bock‘. Heute kann sich der Vater nicht mehr entschuldigen und Urania kann ihm nicht verzeihen. Man kann den Übeltäter nur umbringen. Auch die Ausreden und Entschuldigungen der Verwandten werden vorgebracht. Hier werden die Emotionen angesprochen nicht so sehr die Spannung. Die menschliche Tragik eines unverzeihlichen Verbrechens egal aus welchen Motiven heraus es begangen wurde.


Filmkritik zu Das Osterman-Weekend - 27.04.2012 13:47

Dieser Thriller der Extraklasse vom Altmeister Sam Peckinpah ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Sein klassischer Aufbau ist für die Spannung wie Öl für ein Feuer. Nach der Vorstellung aller 4 Beteiligten in ihrem sozialen Umfeld kommt es zum jährlichen Treffen der Freunde (siehe Titel!) und ihrer Frauen. Menschliche Schwächen werden sichtbar, versteckte Drohungen ausgesprochen, es kommt zu ersten Handgreiflichkeiten. Was als lockere Gartenparty begann, geht jetzt spannungsmäßig besser ab als Schmitts besagte Katze. Der zweite bemerkenswerte Grund sind die völlig unerwarteten überraschenden Wendungen, die von total verschiedenen Bereichen herrühren. Zunächst meint man ein berühmt berüchtigter Fernsehmoderator (Rutger Hauer) will Max Danforth (Burt Lancaster) dem CIA Boss in die Suppe spucken, indem er ihm Machtmissbrauch und Vorteilsnahme nachweist. Dann geht die Entwicklung in Richtung Auseinandersetzung KGB und CIA, also ein typisches Thema des Kalten Krieges mit Spionageabwehr und der Maxime ‘Die Wahrheit ist eine nicht aufgedeckte Lüge‘ und schließlich entlarvt der CIA Mitarbeiter Fassett (John Hurt) Danforth vor laufenden Kameras aus persönlicher Rache als Mörder an seiner Frau. Er zahlt dafür einen hohen Preis. Und was wäre ein echter Peckinpah ohne wilde Verfolgungsjagden und spektakuläre Crashs. Ein Pool brennt! Der anfangs gezeigte Mord wird erst am Ende aufgeklärt. Kein bisschen angestaubt, nur etwas dunkel, vom leisen Knistern über turmhohe Flammen zum entwaffnend dualistischen Inferno.


Filmkritik zu Junta - 26.04.2012 19:33

Der Film spielt zur Zeit der Militärdiktatur in Argentinien und beruht auf wahren Begebenheiten. Willkürliche Verhaftungen und qualvolle Folter, um Geständnisse zu erpressen sind Normalität. Hier trifft das Opfer Maria (Antonella Costa), wohlhabend, gebildet und im Widerstand auf den Folterknecht Felix (Carlos Echeverria), der bei ihrer Mutter (Dominique Sanda) als Untermieter gewohnt hat. Man kennt sich. Sie versucht alles, um frei zu kommen, er geht scheinbar darauf ein. Ein gescheiterter Fluchtversuch mit anschließend fingierter Hinrichtung verschärft die Situation. Sie bietet sich ihm an, er arrangiert einen gemeinsamen Freigang. Ein Fehler! Die Atmosphäre in den dunklen Gefängniszellen wird durch die wackelige Handkamera beängstigend. Die knappen Dialoge schaffen ein Gefühl der orientierungslosen Hilflosigkeit, denn keiner weiß, wie es weiter geht bzw. was sich die Folterknechte als Nächstes einfallen lassen. Die Angst oder zumindest eine allgemeine Verunsicherung wird übertragbar. Vieles ist irgendwie holzschnittartig gehalten und erhöht auf diese Weise die Wucht der Impressionen. Es gibt viel Grausames zu sehen, so kann auf manches Detail verzichtet werden, manches Schicksal wird nur angedeutet. Der Film erinnert daran, dass es auch heute immer noch Folter gibt, politische Gefangene und die Willkür der Mächtigen. Und der Ort des Grauens ist gleich nebenan, getarnt als ‘Werkstatt Olimpo‘.


Filmkritik zu Das Meer in mir - 26.04.2012 13:30

Das nachhaltig beeindruckende an diesem Film über den Freitod des vom Hals abwärts Gelähmten Ramon (Javier Bardem) ist neben den großartigen Schauspielern das Drehbuch. Nach dem poetischen Titel liefert es Sätze wie „Man lernt lachend zu weinen.“ oder „Ich bin mit dem Tod verheiratet.“ Als Resümee wird festgestellt, dass wir zwar ‘das Recht haben zu leben, aber nicht die Pflicht‘. Das soziale Umfeld von Ramon, das aus Verwandten und 3 Freundinnen besteht, trägt mit dazu bei, dass wir in den Kreisel um den Lebensmüden hinein gezogen werden. Besonders Rosa (Lola Duenas), die schlichte Arbeiterin, die nur aus Gefühl zu bestehen scheint und vorbehaltlos liebt und Julia (Belén Rueda) die selbst zum Suizid neigende, totkranke Anwältin liefern eine eindrucksvolle schauspielerische Leistung ab. Die Tränen dieser Frauen sind ansteckend. Optisches Highlight ist Ramons geträumter Flug zum Meer, intellektuell überzeugt die kurze Diskussion mit einem Priester, der ebenso dran ist wie Ramon, der aber als Vertreter der Kirche argumentativ recht alt aussieht. Dabei werden Rede und Antwort von einem jungen Gehilfen via Treppenhaus transportiert. Das erheitert ebenso wie die vielen kleinen verbalen Späße, die die Bettlegerichkeit von Ramon vergessen machen sollen. Es ist keine Propaganda für den Verein „Sterben in Würde“, denn er Film betont eigentlich die sonnigen Seiten des Lebens von Behinderten und unterstreicht das Lebenswerte daran. Es gibt keine Lösung. Fest steht, für die Hinterbliebenen ist es schlimmer als für die Betroffenen selbst. Wir lernen lachend zu weinen!


Filmkritik zu The Astronaut Farmer - 21.04.2012 17:44

Der überbordende Optimismus der Amerikaner feiert hier fröhliche Urstätt. Wir Europäer sind viel zu nüchtern, um uns so eine hanebüchene Story auszudenken, dass es einem Privatmann gelingt, von seinem Acker aus eine selbstgebastelte, bemannte Rakete in den Orbit zu schießen. Billy Bob Thornton spielt diesen Charles Farmer, und hier schaut er sogar oftmals freundlich drein, unterstützt von den beiden Bruces: Willis und Dern. Der eine ist als Verneigung vor dem früheren Weltenretter gedacht, der zweite ist fürs Gefühl zuständig – und stirbt zur Unzeit. Den weiblichen Part hat Virginia Madsen übernommen, die als Figur etwas unbefriedigend angelegt ist. Sie ist einerseits mit viel Hingabe Ehefrau und Mutter, also ganz Emotion, verliert andererseits aber nicht die Realität und die Unmöglichkeit des Unternehmens aus den Augen. Lichtmäßig kommt die Story als überzuckertes Märchen daher (goldbraune Farben dominieren) mit vielen Sonnenuntergängen garniert. Zeitweise geht es sogar in Richtung Gesellschaftssatire mit Medienhype und Werbeträgern, wobei wie immer die Erwartungen ins Kraut schießen. Am Ende ist Daddy der Größte und alles ist wieder FFE. Selbst die finanziellen Engpässe werden eingeebnet und es ergibt sich für Familie Farmer ein Weg in eine güldene Zukunft. Etwas schal.


Filmkritik zu Oberst Redl - 29.03.2012 16:59

Es ist nicht Istvan Szabos bester Film, was vielleicht mitunter auch an der Thematik liegen könnte. Aber zunächst beeindrucken den Zuschauer die grandiosen Bilder, die mit einem gewissen düsteren, morbiden Flair die Atmosphäre in der Endphase der k.u.k. Monarchie verdeutlichen. Abgesehen von den typischen Merkmalen jener Zeit wie dem Antisemitismus, dem Duell, den Privilegien einer Adelsgesellschaft, Standesdünkel, der mit der gewohnten Arroganz daherkommt, aber auch laszivem Sex und ausgiebigen Saufgelagen, steht ein Karrierist im Mittelpunkt. Klaus Maria Brandauer ist wie immer superb. Sein Ende ist eine schauspielerische Glanzleistung der Extraklasse. Er kann enttäuschten Ehrgeiz, tiefsitzenden Frust, Ausweglosigkeit und Hilflosigkeit ausdrücken, als für ihn eine Welt zusammenbricht. Ironischerweise erleidet seine Gallionsfigur Kronprinz Franz Ferdinand (Armin Müller-Stahl) ein ähnliches Ende, der Redl nach missglückte Aktion wie eine heiße Kartoffel behandelt. Im Gegensatz zu heute war damals Homosexualität ein anrüchiges Verbrechen. Redl wird uns bisexuell geschildert. Das verschlimmert seine Lager erheblich. Er, der ‘fast nie geschlafen, kaum gegessen und immer gearbeitet hat‘ fällt sich selbst zum Opfer. Szabo schafft es, dass man glaubt den finalen Schuss zu hören, noch bevor er fällt. Aber bis dahin strapaziert er unser Durchhaltevermögen durch lange Dialoge mit Fachsimpelei für Insider.


Filmkritik zu Verrückte Rettung - 02.03.2012 18:52

Man könnte meinen, es ist eine verstörende Groteske über das postkommunistische Russland mit Ausflügen ins Surreale. Teilweise sinnfrei oder auch schwer verständlich ist dann Regisseur Chlebnikow wieder mit Slapsticks unterwegs. Zwei skurrile alte Käuze (Ewgenij Syty und Sergej Dreiden), ein arbeitsuchender Bauer und ein Ingenieur, der aus dem Nichts als guter Samariter auftaucht, stehen hier stellvertretend für eine orientierungslose Gesellschaft, in der das Faustrecht gilt. Es gibt keinerlei Respekt, keine Aufstiegschancen, nicht einmal bei der Miliz, in dieser tristen Welt, die sich als eine von heruntergekommenen Plattenbauten präsentiert. Selbst die Liebe zwischen Vater und Tochter ist hohl und voller Aggressionen. Manche Aktionen sind unverständlich. Man traut bisweilen seinen Augen nicht. Unwohlsein macht sich breit. Die Figuren wirken oft selber etwas hilflos, nachdem der seltene Charme ihrer Absurdität verdampft ist. Harte Kost, anstrengend und abstoßend zugleich. Das pfeffert durch und zieht einen schwer unter Tage.


Filmkritik zu OSS 117 - Der Spion, der sich liebte - 19.02.2012 17:37

Seit ’The Artist’ sind die beiden Hauptdarsteller Jean Dujardin und Bérénice Bejo in aller Munde. Und das mit Recht. Hier zeigten sie bereits vor Jahren (2006) ihr komödiantisches Talent. Aus welcher Ecke diese Parodie kommt, macht der Titel klar. Und sie bezieht ihre Komik aus der Kenntnis der James Bond Filme. Und das ist bewusst gemacht: Sound, Ambiente, überhaupt der ganze Plot kommen einem bekannt vor, ebenso wie der trockene Humor und der Umgang des Helden mit den Frauen. Mal ganz abgesehen davon, dass Dujardin Sean Connery auffallend ähnlich sieht. Dabei schrammt die Handlung haarscharf und ganz eng an 007 vorbei, ohne zu kopieren. Manchmal macht der Gegensatz zum großen Vorbild die Gaudi aus, OSS 117 ist typisch französisch, ziemlich ungebildet, aber sehr musikalisch und er kann fließend hieroglyphisch. Überraschend mutig sind Witze über den Islam (’Der Muezzin, der Opa auf’m Turm, stört mit seinem Ruf meinen Schlaf’.) und die Situationskomik, die sich aus der sonderbaren Geflügelfarm herleiten lässt. (Hühnerhandel statt Drogenhandel!). Sogar etwas schlüpfrige Passagen kommen vor und ein Kampf der Frauen wird zur Striptease-Nummer. Die Nazi-Bösewichter sind eigentlich überflüssig. Manchmal kommt noch ein Hauch Edgar Wallace und Inspektor Clouzot hinzu bis sich am Ende alles explosionsartig in einem Feuerwerk verabschiedet. Ein Heidenspaß, gekonnt gemacht.


Filmkritik zu Boy A - 30.01.2012 17:46

Der Film schildert die Unmöglichkeit nach einer Jugendsünde und verbüßter Strafe neu anzufangen, weil die Boulevardpresse daraus Kapital schlagen kann. Relativ ruhig aber einfühlsam wird die ganze Wahrheit im Laufe des Films aufgefaltet. Die schwere Kindheit in Schule und Elternhaus und das, worüber nicht gesprochen werden darf. Bewährungshelfer Terry (Peter Mullan) und Jack sein Zögling (Andrew Garfield) schaffen beste Voraussetzungen, dass das Projekt erfolgreich werden könnte. Die Handlung läuft auf zwei Ebenen: in Jacks Kindheit und im Jetzt. Die seines Betreuers Terry zeigt sein berufliches Wirken mit Jack und sein Privatleben mit seinem gleichaltrigen Sohn, der auf Jack eifersüchtig ist und der Presse fatale Hinweise gibt. Jack, der früher Eric hieß, ist verbal etwas hilflos, emotional verschüttet und sexuell verklemmt. Die blonde Michelle (Katie Lyons) hilft ihm ein Mann zu werden. Aber selbst die große Liebe kann das Auseinanderdriften der beiden nicht verhindern, da die Presse Jacks Vergangenheit in die Schlagzeilen bringt (“Das Übel wird erwachsen!“). Er wird von den Paparazzi gejagt, verliert Job und Freundin. Am Ende steht er auf einem Turm in Blackpool. Man kennt die letzte Konsequenz, braucht sie aber nicht zu sehen. Die Schuldigen sind entlarvt, aber nicht bestraft. Profitgier und Sensationsgelüste haben einen mörderischen Job gemacht.


Filmkritik zu Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected - 30.01.2012 09:49

Der Film verlangt einiges vom Zuschauer. Zunächst muss das geschilderte Grauen eines Konzentrationslagers verkraftet werden. Dann noch der verschachtelten Handlung folgen, die sich aus surrealen, grotesken und skurrilen Sequenzen zusammensetzt. Lücken müssen überbrückt werden. Ort der Handlung ist heute eine Irrenanstalt in der Wüste. Die Insassen (’wandelnde Grabsteine’) sind alles KZ-Überlebende, die wegen ihrer Psychosen hier behandelt werden. Und die sind heftig! Vor allem die von Adam Stein (erschreckend gut Jeff Goldblum): ein Hund zu sein. Wieso das so ist, wird nach und nach entwickelt. Grauenhaft entwürdigend! Es war in den 30er Jahren in Berlin ein Allround-Talent: Hellseher, Clown, Zauberer, Geiger u.v.m. Unter anderem ist entscheidend, dass er einen Deal mit dem KZ-Kommandanten Klein (Willem Dafoe) eingeht, um seine Familie zu retten. So der deutsche Titel des Films. Von Klein erbt er ein konfisziertes Vermögen. Daraus wird ihm am Ende vom Schwiegersohn (Moritz Bleibtreu) in Haifa ein Vorwurf gemacht. Er muss sich beschimpfen lassen ’Geh doch nach Europa, du altes Stück Seife!’ Sein Leben lang leidet Adam unter seinen Erlebnissen. Er blutet regelrecht an den inneren Qualen der Erinnerung, sein Herz setzt zeitweise aus. Aber er weiß auch, dass Lachen und Humor lebenserhaltend sind. Er schafft es, einigermaßen gesund zu werden, und ohne sich oder Klein zu erschießen, kehrt er in die ’Normalität zurück, die keine Freude aber auch keinen Kummer kennt.’


Filmkritik zu Waltz with Bashir - 26.01.2012 16:39

Es gibt ganz wenige Animationsfilme mit einer politischen Botschaft. Dieser geht noch einen Schritt weiter und klagt an. Israel wird angeklagt wegen eines Völkermordes an den Palästinensern. Die Bilder sind so verblüffend gut gezeichnet, dass man manchmal glaubt die reale Wirklichkeit zu sehen. (Man sieht sogar den Atem der Figuren bei einem Winterspaziergang). Es gibt schnelle Kameraschwenks und Zooms. Die Animation kann übertreiben und damit das Wesentliche sichtbar machen. Das reicht von Männerfantasien (Pornos oder eine nackte Schönheit, auf der man im Wasser davontreibt) bis hin zu grauenhaften Bildern von Leichenbergen und Tierkadavern. Da kann dann auch schon mal ein Gewehr zur Gitarre werden. Einstellungen und Schnitte sind wie bei echten Filmen. Inhaltlich sucht ein traumatisierter Soldat seine verloren gegangenen Erinnerungen aus dem Libanonkrieg. Der Titel ist ein Euphemismus für einen sich im Kugelhagel bewegenden Soldaten. Das sieht fast wie ein Tanz aus. Dann macht der Film einen überraschenden gedanklichen Schlenker: das zerbombte, von Leichen übersäte Lager wird mit Auschwitz verglichen. Beides als Völkermord bezeichnet. Hier wie dort gibt/gab es Zuschauer, die die Gräueltaten wortlos beobachteten. Und auch die verantwortlichen Politiker und Militärs der Israelis Begin und Sharon erscheinen im Bild. Eine erschütternde Schlussfolgerung, die dann noch durch echte Dokumentaraufnahmen untermauert wird. Schaurig schön aber beeindruckend wichtig!


Filmkritik zu Das große Fressen - 25.01.2012 16:09

Anfang der 70er Jahre war der Film ein Skandal und heute ist diese Groteske über den Konsum als Todesursache immer noch für viele ziemlich gewagt. Der animalische Drang zum Essen des Tierwesens Mensch wird auf einer Ebene mit der sexuellen Gier gezeigt, der totale Genuss von Sex und Speisen als ultimatives Prinzip. Dabei folgt der Film formal einem strengen Aufbau. Im ersten Teil werden die vier Freunde vorgestellt: Michel, Marcello, Philippe und Ugo. Nie wieder standen diese Leinwandlegenden zusammen vor der Kamera. Hier stehen sie für den Balletomanen und Kunstliebhaber, den Autofreak und Frauenhelden, das Muttersöhnchen und natürlich den Koch. Im zweiten Teil werden die Nahrungsmittel und ihre Herkunft kurz eingeführt. Teil drei, der anfangs noch lustig und frivol daherkommt, enthält das Kernstück der Aussage mit allen Steigerungen und Entartungen. Man mästet sich! Wir hören das Entweichen der Gase aus dem Mund und aus der gegenüberliegenden Körperöffnung. Man treibt es querbeet, jeder mit jedem. Die Mutter der Kompanie ist die Rubensfrau Andrea Ferreol. Eine für alle. Im vierten Teil sehen wir das Ende der Helden. Und es gibt jede Menge geistreicher Jokes und philosophische Überlegungen über den Vanitas-Gedanken. Und dann reicht Ferreri noch einen Epilog nach. Philippe, der einzig Ehrbare, ist noch übrig und darf an Andreas Busen entschlafen. Die zweite Lieferung von Frischfleisch wird im Garten deponiert. Vielleicht für die Hunde!? Großartig fotografierte Idee, von grandiosen Akteuren dargestellt, mit tödlicher Konsequenz.


Filmkritik zu Rächer der Unterwelt - 24.01.2012 12:29

Anders als das spätere Remake mit Präsident Reagan ist der Streifen von Robert Siodmak ein typisches Beispiel mit allen Kennzeichen des Film Noir. Man muss die strengen s/w Bilder (inklusive der scharfen Blechmusik) mögen um der Handlung gespannt zu folgen, denn die steht ganz eindeutig im Mittelpunkt. Da es sich immer im Gangstermilieu abspielt, wird natürlich geschossen. Und es geht auch immer nur um Mord oder Raub oder beides. Mehrere Parteien jagen sich die Beute ab. Dabei ist Rache oder Verrat ein häufiges Motiv. Geraubt werden Kunstgegenstände, Juwelen oder wie hier Geld aus einem Überfall. Lange Dialoge werden durch eingespielte Szenen belebt und dienen als wichtige Nachrichten, wie die Botenberichte im antiken Theater. Ob es wie hier um einen Ex-Boxer (Burt Lancasters erste Rolle!) geht oder um einen Rennfahrer, eine Größe aus dem Showgeschäft oder einen Antiquitätenhändler ist eigentlich egal. Spannend wird es, wenn gutaussehende Mädels ins Spiel kommen (hier Ava Gardner als Gangsterbraut Kitty) und auch noch versuchen, ihr eigenen Süppchen zu kochen. Meistens misslingt das allerdings. Die Ereignisse werden hier retro erzählt. der Anfang ist das Ende. Leider verschwinden die titelgebenden, saucoolen Killer im Laufe der Handlung und ein Versicherungsvertreter nimmt die Verfolgung auf. Ein Muss für Fans, denn Film Noir ist anders als alles vorher und nachher. Als Einstiegsdroge geeignet.


Filmkritik zu Vielleicht, vielleicht auch nicht - 22.01.2012 15:52

Der deutsche Titel ist genauso gut, wie der des Originals. Er verweist bereits auf den Inhalt der luftig-leichten Liebeskomödie um Vater Ryan Reynolds, der seiner zwölfjährigen Tochter eine Geschichte in Form eines Liebesrätsels erzählt, um die Frage zu beantworten ’Wer ist deine Mutter?’ Da stehen drei zur Auswahl. Die Zuschauer und die altkluge Tochter Maya (Abigail Breslin) raten mit. Sie berät ihren Vater in besagten Liebesfragen kompetent. Achtung Komik! Es gibt durchaus mitunter recht flotte Szenen und ab und zu blitzt auch ein Scherz auf, aber dazwischen gibt es viel So-la-la und manche Längen. Zeitgeschichtlich gelingt die Einordnung in die Clinton-Lewinsky Affäre - auch hier wurde gerätselt ’Hat er oder hat er nicht?’ Die in Frage kommenden Mädels tauchen immer wieder mal unter und dann wieder auf, bis sich eine Lösung anbietet. Das ist nett vorbereitet, dass am Ende die Literatur (’Jane Eyre’) als Liebesbeweis von Isla Fisher akzeptiert wird. So kann man auch dem romantischen Happy End zustimmen. Kevin Klein hat eine kleine aber eindrucksvolle Rolle und die Zuschauer könnten sich am Ende fragen, woran es wohl lag, dass fast alle dieser hübschen, netten, intelligenten Frauen (Elizabeth Banks oder Rachel Weisz) nicht bei dem gut aussehenden, netten intelligenten Vater geblieben sind?


Filmkritik zu Louise Hires A Contract Killer - 19.01.2012 16:25

Den Vergleich mit Kaurismäki gibt es nur wegen des Titels. Sonst verbindet beide Filme so gut wie nichts. Im Gegenteil die französische Fassung von Kervern/Deléphine ist viel amüsanter und vor allem lebhafter. Allein die etwas stoisch/melancholische Grundstimmung der Hauptperson Louise ist vergleichbar. Und selbst die wird am Ende durch wie verrückt tanzende ’Killer’ aufgehoben. Die ganze Handlung wird ohnehin von einer umwerfend guten Yolande Moreau getragen. Ihre tapsig-linkische Art ist unvergesslich, ebenso wie der Trenchcoat, den sie immer trägt. Bereits die Anfangsszene ist eine wunderbare Einstimmung: Bestattung in einem Krematorium, mit Pannen. Der Beamte fragt ’Hat jemand Feuer?’ Es geht ganz normal weiter (Arbeitskampf, Entlassungen), es werden kurz surreale Momente eingeblendet, bevor die Handlung dann endgültig abhebt. Es wird ein Road Movie auf der Suche nach dem bösen Konzernchef mit jeder Menge superlustiger Gags, die mit dem Killer im Kreißsaal als Gebärenden gipfeln. Die Qualität diese Films ist nicht nur der sozialkritische Hintergrund oder die wahre Begebenheit, auf der er beruhen soll, sondern vor allem sein gelungener Aufbau, der jeden mitnimmt, der offen ist, sowie die unnachahmliche Yolande Moreau. Und am Ende gibt es noch einen Sechszeiler, ähnlich dem legendären der 70er Jahre ’Warum ist die Banane krumm?’ Und nach dem Abspann folgt noch ein zusätzlicher Gag. Einfach Wahnsinn!


Filmkritik zu Der seltsame Fall des Benjamin Button - 02.01.2012 17:17

Es ist ein wunderschönes Märchen von der großen, ewigen Liebe, die unabhängig vom Alter besteht, selbst wenn die Lebenszeiten der Verliebten in entgegengesetzte Richtungen laufen. Das schildert uns David Fincher in stimmungsvollen Bildern, die meist in Gelb- und Brauntönen gehalten sind und beweist damit einmal mehr, was er kann. Fast drei Stunden (schon etwas lang) sehen wir eine Story, die auf der Klaviatur der Emotionen wahre Symphonien abspielt und mit einem ungewöhnlichen Charme daherkommt. Durch die Rahmenhandlung bekommt das Ganze zwei Ebenen und eine zusätzliche Unterhaltungsgrundlage. Die Maskenbildner hatten hier Konjunktur und leisteten nicht nur bei Brad Pitt ganze Arbeit, sondern auch bei Cate Blanchett. Aber auch ohne die Mithilfe der Visagisten überzeugen Tilda Swinton, die durch ihren Auftritt den märchenhaften Charakter unterstreicht, sowie Julia Ormond, die die erlösende Aufklärung bringt. Die Komik der Situation unterstreichen Sätze wie ’Wir enden alle schließlich in Windeln’. Der Wandel der Zeiten wird durch markante Musikbeispiele von den Platters oder den Beatles betont. Und das Ende der Liebesgeschichte ist so schön, dass es den Romantikern fast das Herz zerreißt. Durch die Gegenbewegung der Alterungsprozesse wird allerdings eine gewisse Zeitlosigkeit herausgearbeitet. Und durch den eingearbeiteten Exkurs über den Zufall kommt noch eine philosophische Komponente hinzu. Ein Beispiel dafür, dass Gefühle nicht im Herz-Schmerz-Niveau ertrinken müssen, sondern wenn gut gemacht eine Bereicherung darstellen.


Filmkritik zu Im Winter ein Jahr - 29.12.2011 17:36

Karoline Link hat drei Gedankengänge mit einander verbunden. Breiten Raum nimmt die Selbstfindungsphase der pubertierenden Göre Lilly (großartig Karoline Herfurth) ein. Dann gibt es da noch den Maler Max (überzeugend souverän Josef Bierbichler), der sie und ihren toten Bruder auf einem Gemälde verewigen soll, das ihre Mutter (Corinna Harfouch) in Auftrag gibt. Diese lebt in einer zerrütteten Ehe mit Hanns Zischler. Die Figuren der Eltern hat Link etwas stiefmütterlich behandelt. Die weinende Mutter im Laub kommt etwas überraschend, ebenso wie Lillys Abschlussmonolog mit dem Bruder in den verschneiten Himmel, nachdem sie zuvor im leeren Tanzstudio für sich und uns ihr Können unter Beweis gestellt hat. Auf allen drei Ebenen agieren Figuren, die nicht zu den Gewinnern gehören: Lilly wird nach allen Niederlagen immer wieder aufstehen, Max produziert ein Bild, das der Auftraggeberin nicht gefällt, deren Ehe gerade scheitert. Über allem schwebt der Tod des Bruders Alexander. Hanns Zischler spielt wie so oft eine freundliche aber teflonbeschichtete Figur. Die vage Spannung kommt von der permanenten Ahnungslosigkeit des Zuschauers, der dem Geschehen wegen der guten Schauspieler aber mit Interesse folgt. Kein Langweiler, aber auch kein Knüller!


Filmkritik zu Cleaner - Sein Geschäft ist der Tod - 17.12.2011 13:55

Sam Jackson ist der Cleaner, der normalerweise Wohnungen reinigt, nachdem die Bewohner verstorben sind. Hier war aber ein Mord geschehen. Der ehemalige Polizist gerät bei seinen Nachforschungen in ein gefährliches Dreieck von Betroffenen: da ist zunächst sein alter Kumpel Ed Harris, dem er vertraut. Dann Eva Mendes, die etwas zwielichtige Witwe des Toten. Sie ist hier mal hochgeschlossen und ernst, aber wieder ein Luder. Und dann ist da noch der ermittelnde Polizeibeamte Luis Guzman. Das ist - abgesehen von der Ausgangssituation - nichts Ungewöhnliches. Doch die menschliche Komponente (das Verhältnis zwischen Sam und seiner Tochter und die alte Männerfreundschaft zu Ed) geben dem Film eine zusätzliche tiefere Dimension. Außerdem sind die beiden männlichen Hauptdarsteller toll. So kommt eine passable Spannung auf, ohne dass ins Reißerische verfallen wird. Im Gegenteil: wir sehen wunderschöne Nahaufnahmen von an sich unappetitlichen, oft blutdurchtränkten Dingen. Im Vordergrund läuft eigentlich eine mehrschichtige, menschliche Tragödie ab. Die kurze Überraschung am Ende durch Ed Harris ist nicht wirklich eine. Zwar Mainstream, aber von der besseren Sorte. Message:’ Man kann das Blut abwischen, die Wahrheit aber bleibt.’


Filmkritik zu Mr. Nobody - 28.11.2011 18:24

Es ist ein anspruchsvoller, intelligenter Science Fiction Film, der zwischen den drei Leben der Hauptfigur Nemo (Jared Leto) oftmals recht unvermittelt hin und herspringt. Es dauert etwas, bis man sich zurecht findet und verwundert verfolgt, wie Nemo ertrinkt, erschossen wird - und weiterlebt. Seine große Liebe ist Diane Kruger, einer seiner Frauen die depressive Sarah Polley. Dann erfährt man, dass Nemo aus einer Zeit stammt, in der man noch starb, genussvoll aß und trank und munter drauflosvögelte. Regisseur van Dormael will nicht nur eine Geschichte erzählen, bei der viele Szenen wiederholt werden und zwar mit anderem Ausgang. Er spielt mit möglichen Zufällen, die eine andere Entwicklung aufzeigen. Das wird konsequent durchgezogen, bis Nemos eigene Existenz in Frage gestellt wird. Der 107 Jahre Alte spricht mit der Stimme eines Kindes, die Zeit läuft rückwärts und der letzte Sterbliche stirbt und wird sogleich wiedergeboren. Das Gleichgewicht von Gravitation und Expansion des Universums wird bis zu seinem Verfall weiter gedacht. Ein Schnelldurchlauf führt in die Steinzeit und der Alte begegnet sich selbst: Altersdifferenz 70 Jahre. Da sind optische und gedankliche Anleihen an Kubricks Space Odyssey, die nicht weiter stören. Man kann sich von den interessanten Bildern treiben lassen, die mit musikalischen Oldies von Percy Sledge oder Nena zeitgemäß unterlegt sind, um am Ende verunsichert festzustellen: dass früher doch alles besser war. Ein optisches und gedankliches Experiment, das man sich durchaus gönnen kann.


Filmkritik zu Gomorrha - Reise in das Reich der Camorra - 22.11.2011 18:58

Die Vorlage von Roberto Saviano belegt, dass er sehr genau recherchiert haben muss. So kommt es, dass der Film von Matteo Garrone eine Fülle von Informationen verarbeitet, über die nur ein echter Insider verfügt. Trotz der Distanz zum Geschehen - bisweilen kommt der Film fast dokumentarisch daher - ist es spannende Unterhaltung. Mehrere Handlungsstränge verlaufen neben einander her und bieten unterschiedliche Aspekte der ’Ehrenwerten Gesellschaft’. Der Aktionsradius reicht von der Nachbarschaftshilfe bis zum ganz großen Geschäft mit der Müllentsorgung. Es werden Geschäfte im Nadelstreifen mit Behörden gemacht und ein blutiger Bandenkrieg geführt. Erschreckend ist nicht die Tatsache, dass jeder, der dazu gehört, ständig mit einem Bein im Grab steht, sondern es ist die tödliche Freundlichkeit, die an den Tag gelegt wird. Es wird ohne innere Anteilnahme oder mit einem Lächeln im Gesicht gemordet. Unvorhersehbar und in gnadenloser Konsequenz. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich die Zeiten geändert haben, brutaler und unberechenbarer und vor allem viel komplexer geworden sind. Vorbei sind sie noch lange nicht. Es wird auf Theatralik weitgehend verzichtet. Lediglich ein Schocker am Anfang und einer am Ende machen da eine Ausnahme. Informativ und spannend. Ein etwas anderer Mafia-Film.


Filmkritik zu Fitzcarraldo - 21.11.2011 18:34

Von den vielen Herzog-Filmen ist dies hier wohl der am ehesten Publikumskompatible, und zwar für ein breites Publikum. Zumindest ist es ein farbenprächtiges und bildgewaltiges Epos mit einem unglaublich präsenten Klaus Kinski und einer nicht minder beeindruckenden Claudia Cardinale, die allerdings nur in einer kleineren Rolle glänzen kann. Kinski spielt den Fitzcarraldo nicht, er ist Fitzcarraldo. Ideal gecastet verkörpert er den pragmatischen Träumer. Der bekanntlich ja Berge versetzen kann bzw. ein Schiff über Land. Neben dem unglaublichen Act steht das Verhältnis zu den Eingeborenen im Mittelpunkt. Hier geht Herzog sehr sensibel vor. Die Sprachbarrieren überwinden die Indios durch wortlose, permanente Gegenwart und der Zuschauer erahnt mit Kinski ihre Absichten. Die Ungeheuerlichkeit des Unternehmens vergleicht Kinski mit dem Umstand wie ’wenn eine Kuh übers Kirchendach springt’. Dies ist ingenieurtechnisch durchaus nachvollziehbar weil optisch überzeugend. Chorgesänge verleihen dem Projekt eine gewisse Feierlichkeit. Die Spannung entsteht durch den Gegensatz von Kultur und Natur (Caruso im Dschungel!) - an und für sich unvereinbare Gegensätze. Man versteht sich nicht, aber man kooperiert irgendwie. Europäer und Indios sind letztendlich gleichberechtigt. Als Idee zeitlos monumental, als Film fast ein Wunder.


Filmkritik zu Der diskrete Charme der Bourgeoisie - 14.11.2011 17:59

Der Titel ist ein poetischer Euphemismus. Eigentlich führt uns der Altmeister Bunuel die gehobene Klasse der Gesellschaft vor mit all ihren Macken, ihren konventionellen Zwängen und oftmals auch sinnfreie Aktionen. Sie sind auch triebgesteuert, aber oberflächlich. Small Talk beherrscht die Zwischenräume. Das zeitlose an dieser Groteske ist die Fülle an unglaublichen Wendungen, die nichts von ihrem Biss und ihrem Witz verloren haben. Bunuel spielt mit den Erwartungshaltungen der Zuschauer nur um sie ein ums andere Mal zu enttäuschen, zu überraschen oder gar zu schockieren. Dabei würden manche Gags heute in den Abteilungen Comedy, Mystery oder Horror erscheinen. Da arbeitet z. B. ein Bischof als Gärtner, er nimmt einem Sterbenden die Beichte ab und erschießt ihn anschließend. Eine Frau wird vom eigenen Ehemann im Schlafzimmer eines Anderen entdeckt, nur weil der ihr seinen ’Eumel’ zeigen will, Offiziere kiffen und Diplomaten sind Drogenkuriere u.v.a.m. Wenn es zu blutrünstig wird, entpuppt sich die Szene allerdings als Traum. Wenn man dann an der makaber-skurrilen Schraube immer weiterdreht, muss es mit einem Massaker aller Beteiligten enden. Doch am Ende spazieren die Leinwandgrößen der 70er Jahre (Rey, Seyrig, Cassel, Audran u.a.) über eine Landstrasse zur nächsten Einladung. Einfach toll dieser aberwitzig, surreale Witz.


Filmkritik zu Sweet November - 09.11.2011 17:11

Pat O’Connor ist ein Spezialist für Herz-Schmerz Filme, also Emotionskino pur ist wiederum angesagt. Hier hat er einen wahren Volltreffer gelandet. Er hat ein Menu angerichtet, das alle notwendigen Zutaten enthält: zwei Personen, die nach ihrer Herkunft nicht unterschiedlicher sein können, treffen sich, verlieben sich und trennen sich vorübergehend. So weit so gut, ab er jetzt geht’s erst richtig los: sie ist todkrank und der Sensenmann greift nach ihr… Eine überzeugende Charlize Theron bringt mit ihren Tränen Steine zum weinen. Sie zieht alle Register ihres schauspielerischen Könnens und spielt dabei Keanu Reeves glatt an die Wand. Sie ist hinreißend sexy und überaus attraktiv. Hinzu kommen noch ganz knuffige, kleine Hunde, schwule, treusorgende Nachbarn und eine vaterloser Junge. Wem das noch nicht zu Herzen geht, der wird mit Musik von Enya betört. Ein herrlicher Schmachtfetzen, aber nur für Fans. Und ganz nebenbei wird auch noch vorgeführt, dass Liebe Berge versetzen kann, will sagen: hier wird aus einem karrieregeilen Edelmacho ein echter Gutmensch. Schmeckt wie Honig mit Puderzucker bestreut, süßer geht’s nimmer. Und dann der Schluss: man kann sich fast am eigenen tränenreichen Seufzer verschlucken.


Filmkritik zu Roter Satin - 03.10.2011 14:51

Mitunter kann der das Kino auch wegweisend sein. Der tunesische Film ist es auf alle Fälle. Man sieht, wie eine Alleinerziehende über den Bauchtanz zu einer selbstbewussten Frau wird. Sehr sensibel und durchaus überzeugend geht Regisseurin Raja Amari (Jahrgang 1971) dabei vor. Sie durchleuchtet die weibliche Psyche und macht das Auftauchen an die Oberfläche der Selbstständigkeit durch detailgenaue Beobachtungen sichtbar. neue Schuhe, eine neue Frisur. Außerdem kann sie auf die großartige Schauspielerin Hiam Abbass zurückgreifen. Die hier ihr ganzes Talent zum Tragen bringt. Anfangs schleicht sie unsicher und etwas nach vorne geneigt durch die Strassen. Ihre Wohnung ist kalt und steril, fast farblos. Dagegen ist der Suq, wo sie einkaufen geht und die Bar ’Roter Satin’ ein Farbenmeer. Nur ihre Tochter lässt es kräftig krachen. Ein Mann zwischen beiden Frauen könnte ein Drama auslösen. Doch Amari findet eine für alle zufriedenstellende Lösung, die auf der Ahnungslosigkeit der Tochter beruht und die die Frauen Nordafrikas aufruft, ihr Hausmütterchendasein zu verlassen, selbst wenn es z. B. mit dem Mittel des Bauchtanzes ist.


Filmkritik zu Wie ein einziger Tag - 02.10.2011 12:04

Bereits die erste Einstellung ist optisch etwas pathetisch und liefert eine passende Einstimmung auf das Kommende. Dabei ist der Originaltitel recht nüchtern, der deutsche dagegen schon etwas lyrischer. Es gibt Emotionskino pur. Die Story ist klar vorhersehbar, aber in wunderschöne Bilder gefasst. Die beiden Leinwandikonen (James Garner /Gena Rowlands) adeln diese Schmonzette zwar, ihre Auftritte passen wie Hand und Handschuh, können aber die unbebremste Tränenflut nicht verhindern. Im Gegenteil, der Zuschauer muss in der stark überzuckerten, nostalgischen Retrospektive seinen Gefühlen einfach freien Lauf lassen, kann mitschmachten und in einem romantischen Ozean versinken. Fast zu schön um wahr zu sein. Der einzige Realitätsanker sind die Schübe, die bei Alzheimer unkontrolliert auftreten können. Aber auch das wird weidlich schön ausgeschlachtet. Vielleicht ist der Erfolg darin zu sehen, dass die unerfüllte, aufgeschobene, eigentlich nicht statthafte große Liebe doch die schönste ist. Hat mancher vielleicht schon erlebt und durchlitten. Und das träumerische Schwelgen in verschütteten Gefühlen verursacht diesen wohligen Schmerz. Tränen sollen ja auch eine heilsame Wirkung haben.


Filmkritik zu Das Recht auf Rache - Im Fadenkreuz des Clans - 27.09.2011 12:34

Inhaltlich bietet der Polizeikrimi insgesamt Stoff für drei Thriller: zunächst wird ein Verbrechen aufgeklärt, dazu kommt ein Krieg zwischen verfeindeten Mafia-Clans und schließlich geht es dann noch in Richtung eines korrupten Justizapparates. Bereits die parallel laufenden Anfangssequenzen erregen Aufmerksamkeit: ein Wolf wird in den Bergen erlegt und ein ’Gangster’ auf einem Parkplatz. Und dieses duale Prinzip wird weiterverfolgt in Form von zwei Liebesbeziehungen. Da trifft es die emotionale Sympathie der Zuschauer besonders hart, wenn die beiden Frauen erschossen werden. Die grenzübergreifende Polizeiarbeit öffnet den Blick und passt den Krimi der Jetzt-Zeit an. Wirft aber auch noch ein Streiflicht auf albanisches Brauchtum. Hier begehen noch Ehrenmänner Ehrenmorde. Einer der deutsche Titel ist etwas unverständlich, denn gesühnt wird jede Menge und das Ende bleibt doch offen. Das Original betont hingegen worum es eigentlich geht: ein Dossier K. ist verschwunden. Spannende Unterhaltung weit über der Norm.


Filmkritik zu C'est la vie - So sind wir, so ist das Leben - 14.09.2011 17:48

Der Titel des Originals verlegt die Bedeutung auf die Redewendung, dass jeder Tag „der erste Tag vom Rest des Lebens“ ist. Ansonsten ist der Film einer in der langen Reihe von guten Familienkomödien aus Frankreich. Das besondere ist nicht das beinahe Auseinanderbrechen einer Fünfköpfigen Familie mit abschließender Wiedervereinigung, sondern, dass ein längerer Zeitraum beschrieben wird. Und da ergeben sich in dem Dreigenerationenfilm jede Menge altersbedingte Konflikte. Es gibt das übliche familiäre Hickhack mit komödiantischen aber auch emotionalen Szenen. Ein bisschen pubertärer Weltschmerz und Midlife Crisis, aber auch einen Unfall und sogar der Tod tritt ein. Selbst ein Hauch von Drama kommt vorübergehend auf. Aber von allem immer nur ein wenig. Das hält die Stimmung hoch. Und für Harmoniesüchtige gibt es ein finales Loblied auf die Familie. Die Eltern (Jacques Gamblin und Zabou Breitmann) sind inmitten der menschlichen Turbulenzen eigentlich ein Garant für Stabilität. Mutters amateurhafter Ausbruchsversuch verweist auf die Realitätsnähe. Neben ihnen beeindruckt vor allem Déborah-Seitenumblätterin-Francois. Nette Sommerunterhaltung ohne Kitsch, die ohne Trennung, Scheidung oder Patchwork auskommt und doch überzeugt.


Filmkritik zu Keine Sorge, mir geht's gut - 02.09.2011 11:46

Sehr einfühlsam gemacht und mit überzeugenden Schauspielern besetzt. Und so habe ich auch die ersten 80 Minuten mit Interesse verfolgt. Zwei Dinge haben mich jedoch dabei immer wieder beschäftigt: erstens ’Was will der Regisseur uns sagen?’ Sehen wir hier das übliche Eltern-Kinder-Problem? oder ist es die immerwährende Nähe zwischen Zwillingen? oder vielleicht ein Seitenhieb auf die Behandlungsmethoden der modernen Psychiatrie? Und zweitens wurde es immer klarer, dass der verschwundene Zwillingsbruder nicht wieder auftauchen wird. Damit ging das bisschen angesammelte Spannung immer mehr flöten. Zumal die erklärenden Erkenntnisse etwas konstruiert Zufälliges an sich haben. Die letzten zehn Minuten bringen dann zwar eine Lösung, die man fast schon nicht mehr braucht, denn die Tochter hatte sich ja inzwischen beruhigt, weil wieder frisch verliebt (ein Tröster schwirrte die ganze Zeit schon um sie herum) und die Eltern wollen ohnehin die ganze Geschichte unter dem Teppich halten. Und auch als am Ende jeder der vier Beteiligten Bescheid weiß, sprechen sie nicht miteinander darüber. Dann kann es nur am Drehbuch liegen. Ansonsten halten wir es wie es der Titel empfiehlt.


Filmkritik zu Princesas - 04.08.2011 13:06

Wenn man sie nach ihrem Beruf fragt, antwortet Caye „Ich bin Hure.“ Und wenn ihr etwas fehlt, ist es, dass sie nie von der Arbeit abgeholt wird. Ein Frauenfilm, der nicht nur das Milieu sensibel beleuchtet, sondern auch den familiären Hintergrund der beiden Protagonistinnen Caye (Candela Pena) und Zulema (Micaela Nevarez) ausführlich darstellt. Obwohl sie offen über ihren Beruf sprechen, verheimlichen sie es vor ihren Familien. Und obwohl beide eine völlig verschiedene Ausgangsposition haben, entwickeln sie eine schwesterliche Solidarität für einander. Und jetzt erlangt der Titel in den Gesprächen der beiden seine ganze Bedeutung: „Huren sind Prinzessinnen, die so sensibel sind, dass sie spüren wie die Erde sich dreht. So wird ihnen dauernd schwindlig. Sie bringen andere zum Fliegen.“ Eine weitere Aussage passt noch genauer auf die beiden: „Prinzessinnen werden krank und können sterben vor lauter Traurigkeit, wenn sie fern von ihrem Königreich sind:“ Damit das nicht passiert fliegt Zulema nach Hause und Caye outet sich ihrer Familie gegenüber. Nicht aber ohne ihrem Dasein zuvor noch eine philosophische Basis zu geben „Jemand existiert nur, weil man an ihn denkt.“ Sowohl die Realität der Strasse als auch die Poesie der Worte treffen Auge und Ohr der Zuschauer in bemerkenswerter Weise.


Filmkritik zu Toto der Held - 26.07.2011 19:06

Vertauschte Babys, verlorene Kindheit, versäumtes Glück. In der Machart erinnert der Film im Grunde an Comics. Hier werden alle im Wege stehenden Hürden leicht überwunden und es gibt schrille Einblendungen neben makabren Szenen. Doch das traurige Gesicht von Michel Bouquet und die stillen Rückblenden im Gefängnis geben psychologische Tiefe. Darin spiegelt sich der ganze Frust über sein unglückliches Leben. Die unerwarteten Schnitte machen die Erzählweise interessant. Ein verdecktes Gesicht, eine Gestalt von hinten und immer wieder zurück zu Michel Bouquet. Die Kernaussage wird in Ringform gestaltet, sodass man erst am Ende die Leiche erkennen kann. Aber bereits vorher ahnt man das Unmögliche des Unterfangens. Man kann die geraubte Jugend nicht zurückholen. Nur der Kinderwunsch ist verständlich: einmal ein Held zu sein. Am Ende ist der Rachefeldzug etwas unübersichtlich und die häufigen Verwechslungen verwirren etwas. Wichtig wird die Erkenntnis, dass das beneidenswerte Leben des anderen gar nicht so erstrebenswert ist. Schließlich gibt es eine erstaunliche Lösung, die von der ursprünglichen Absicht des ’Helden Toto’ etwas abweicht. Ein gefühlvoller Mix aus Kinderträumen, verpassten Gelegenheiten und späten Einsichten. Schön, schrill und irgendwie anders.


Filmkritik zu Old Joy - 21.07.2011 12:24

Es ist die Entdeckung der inhaltlichen Leere, bzw. das Fehlen von anschauenswerter Handlung. Über eine Stunde lang wandern zwei Jugendfreude durch den Wald, nehmen ein Bad und gehen wieder heim. Sie führen bedeutungslose Gespräche, teils persönliche aus der gemeinsamen Jugendzeit, teils über Gott und die Welt, Chaos und Ordnung. Man traut seinen Augen und Ohren nicht und bleibt nur dabei, weil man überzeugt ist, dass noch etwas passieren wird. Tut es aber nicht. Sie wandern immer weiter. Man sieht endlose Kamerafahrten durch Baumgipfel und hört im Autoradio politische Diskussionen über Präsident Johnson. Selbst gegen das eiserne Theatergesetz von G. B. Shaw wird verstoßen: wenn man eine Pistole sieht, muss sie auch zum Einsatz kommen. Manche Kritiker haben hier die angebliche Melancholie mit Langeweile verwechselt. Nach der unterschiedlichen Lebenseinstellung der beiden Typen muss man lange und tief graben, um fündig zu werden. Und der Titel ’Alte Freude’ scheint ironisch gemeint zu sein. Die Freude ist nicht auszumachen, ebenso wenig wie der angebliche Verlust linker Ideale. Das ist keine Werbung für das Independentkino. Und unter Kino verstehe ich etwas ganz anderes! K.V.


Filmkritik zu The Air I Breathe - Die Macht des Schicksals - 18.07.2011 12:49

Eine recht lose Verknüpfung von vier Kapiteln :Glück, Vergnügen, Kummer und Liebe, die inhaltlich nicht gerade vor Originalität strotzen. Aber die glaubwürdigen Schauspieler (allen voran Andy Garcia als ’Fingers’) übertünchen den schwachen Inhalt. Die Intensität der einzelnen Teile nimmt allerdings zusehends ab. Nach den ersten beiden konnte man noch eine Diskrepanz zwischen Titel und Inhalt ausmachen. Es war eher das Gegenteil von Glück und Vergnügen. Teil 3 betrifft alle betroffenen Personen: sie haben und verursachen Kummer. Im letzten Kapitel wird’s etwas philosophisch, die einzelnen prominenten Darsteller (Julie Delpy z.B.) werden aber auch undeutlicher und die Überschrift wirkt etwas gewollt. Das ist nicht der Gipfelpunkt für alles bisher gesehene, sondern eine Aneinanderreihung von Soap-Elementen, die allerdings gut verkauft werden, unterlegt mit Sinnsprüchen wie „Narben sind die Landkarte der Seele.“ Hier spielt der Gangsterboss Fingers ’Schicksal’ und das brauchen alle Beteiligten nicht so sehr, wie die ’Luft zum Atmen’. Gut gemacht, mit Highlights zwischen den Niederungen - chinesisches Sprichwort her oder hin…


Filmkritik zu Vicky Cristina Barcelona - 05.07.2011 14:04

Der langweiligste Woody Allen, den ich kenne. Alle möglichen Spielarten der Liebe werden hier nur ausdiskutiert bis zum Abwinken. Ein Lesestück also, wenn es nicht - und das ist noch das Beste daran - die leichte spanische Gitarrenmusik gäbe. Xavier Bardem nimmt man durchaus den Womanizer ab und seine problematische Ex (Penelope Cruz) ist die Einzige, die ein paar Szenen hat, wo ihr Temperament zum Einsatz kommt. Doch das ist aber auch schon alles. Hall und Johansson verkörpern die personalisierte Langeweile, sind unsicher, mit sich und der Welt im Unklaren und ihr Tun ist nicht nachvollziehbar. Was für ein Drehbuch?! Ohne Charme, ohne Witz und letztlich auch ohne Ziel plätschern Figuren und Dialoge so dahin. Allens Drehbuch ist einfach nur geschwätzig. Die Grundaussage ist gleich Null bzw. alles kalter Kaffee. Dabei ist diese Problematik sowohl literarisch als auch filmisch schon hundert Mal beschrieben worden - und auch noch wesentlich besser. Was hat den Altmeister da nur geritten? Na gut, Promiskuität kann ja vielleicht heute angesagt sein. Wenn man mit sich sonst nichts anzufangen weiß, genügend Zeit und Geld hat, kann das ein wohltuender Zeitvertreib sein. In eine filmische Form gegossen, muss es aber schon amüsant, geistreich und voller Überraschungen sein. Und es darf dann nicht auch noch ausgehen wie das Hornberger Schiessen. Ärgerlich! K-V.


Filmkritik zu Hot Fuzz - Zwei abgewichste Profis - 31.05.2011 15:13

Ein außergewöhnlicher Filmspass. Die beiden Protagonisten sind nicht ’Dick und Doof’ eher ’Gewissenhaft und Simple’. Mit witzigen Dialogen jagen sie den Verbrechern hinterher mit allen einschlägigen Zutaten: Sonnenbrille, qualmende Reifen, fliegende Autos und die Handlung ist so aufgebaut, dass auch noch Spannung aufkommt. Dabei spielt die ’akustische Kamera’ eine nicht unwichtige Rolle: schneller Schnitt, Standbilder im schnellen Wechsel werden unterlegt mit akustischen Signalen. Das schafft zusätzliches Tempo, aber auch eine humorvolle Unterstreichung des Geschehens. Ungewöhnlich bei einer Polizeikomödie dieser Art, ist dass alles Sinn macht, Schrecksymbole werden wiederholt eingesetzt und punkten umso mehr. Selbst der finale Riesensplatter wird nicht zum Horror sondern zum Riesenspaß, weil der Zuschauer vorher entsprechend konditioniert worden ist. Der Film trifft einen Tonfall, der einen von Anfang an fesselt, immer wieder durch klasse Gags unterstützt. Brit-Comedy der etwas anderen, aber ebenso guten Art. Und die Promis (Dalton, Broadbent) verkaufen sich nicht schlecht. Das ist witzige Unterhaltung die Stil hat, und zwar einen, den sie selbst kreiert hat.


Filmkritik zu Die Band von nebenan - 27.05.2011 19:17

Die Handlung des Films passt zur Landschaft, in der er spielt: flach, eintönig, trist und langweilig. Selbst wenn man die Brisanz der Situation im Hinterkopf hat, kann man den stilisierten Bildern nichts abgewinnen: eine ägyptische Polizeikapelle von acht Mann soll einen Gastauftritt in Israel haben und muss gezwungenermaßen einen Stop im Nirgendwo machen. Es passiert aber nichts. Man ahnt vielleicht, was eventuell passieren könnte. Die lebenslustige, einheimische Dina (Ronit Elkabetz) bietet sich zweifellos an, aber es ist vielleicht für die Völkerverständigung noch zu früh. Wir genießen die stillen, langen Pausen, hören wie die Zeit vorbeitröpfelt und unseren Erwartungen ergeht es ebenso wie Dina: sie werden enttäuscht abgewiesen. Manche mit seherischen Fähigkeiten ausgestattete Kritiker meinten eine zarte Annäherung zwischen den verfeindeten Kulturen zu erkennen, ebenso wie sie auch den lakonischen Humor entdeckten. Mir ist trotz zweifachen Anschauens keins von beiden aufgefallen. K.V. Als Philipp II. von Makedonien mit seinem Heer herannahte, sandte er der Legende nach folgende Drohung an die lakonische Hauptstadt Sparta :„Wenn ich euch besiegt habe, werden eure Häuser brennen, eure Städte in Flammen stehen und eure Frauen zu Witwen werden“. Darauf antworteten die Spartaner:„Wenn.“


Filmkritik zu Wenn die Kraniche ziehen - 21.05.2011 13:34

Es ist eine traurig-schöne Liebesgeschichte aus dem 2. Weltkrieg und somit auch ein Anti-Kriegsfilm. Wir sehen den unvereinbaren Gegensatz zwischen großer Liebe und großem Krieg. Mit fast kindlicher Leichtigkeit inszenierte Kalatosow den Beginn dieses Dramas, das er in überschäumendem Jubel über den Sieg gegen Hitler-Deutschland ausklingen lässt. Das Ende sieht zwar ein wenig nach sozialistischer Filmkunst aus, aber was vorher kameratechnisch und von der Bildgestaltung her zu sehen war, beeindruckt immer noch und wurde in den 50er Jahren in Cannes zurecht ausgezeichnet. Dieser poetische Realismus schildert auch ein zeitloses Phänomen: es ist das Erwachsenwerden in einer kriegerischen Umgebung. Die Story wird untermauert von Symbolen aus der Tierwelt (ihr Kosename, ein Kinderlied, der Titel). Beeindruckend werden optische und akustische Parallelen hergestellt: ein Klavierkonzert neben Sirenengeheul und Bombenangriffen. Ein Klassiker des Films, den man gesehen haben muss! Fachleute können sich immer noch etwas abschauen und normale Zuschauer können sich einfach ergreifen lassen.


Filmkritik zu Small World - 19.05.2011 15:32

Eine gelungene Literaturverfilmung. Ein Gesellschaftsporträt aus der Welt des Geldadels. Hier geht es um Verdrängen und Vergessen, um eine geraubt Jugend und um den berühmten Teppich, unter den alles Unangenehme gekehrt wird oder wenigstens solange unter Verschluss gehalten wird, wie irgend möglich. Dabei geht man innerhalb des Senn-Clans nicht zimperlich miteinander um. Aber das ist nur der Hintergrund. Im Vordergrund steht Konrad, der großartige Gèrard Depardieu, der trotz seiner Körperfülle einer sensiblen Figur Format verleiht. Und er hat Alzheimer! Selten wurde dieses Thema so humorvoll und mit so unendlich viel Herz dargestellt. Es gibt Momente, da werden die Augen feucht. Ihm zur Seite, die nicht minder hervorragende Simone, Alexandra Maria Lara. So eindeutig klar vorgeben wie Depardieus Weg ins Vergessen ist, so ambivalent sind ihre Möglichkeiten, ihre Erkenntnisse in konsequentes Handeln umzusetzen. Depardieu entwickelt sich mit seinen Langzeiterinnerungen rückwärts in seine Kindheit, Simone hingegen gestaltet ihre Zukunft. Und hier kommt genialerweise noch eine dritte Komponente hinzu, an der Konrad und Simone beteiligt sind: die Aufdeckung eines tödlichen Familiengeheimnisses, das viele Jahrzehnte zurückliegt. So kommt auch noch Spannung auf, die mitunter von wunderschönen, lyrischen Bildern retardiert wird. Einfach ein Muss!


Filmkritik zu Red Dust - 14.05.2011 20:48

Der Film zeigt in dramatischer Form das Ausmaß der Grausamkeiten während der Apartheid. Im Rahmen der Aufarbeitung versucht die ’Wahrheits- und Versöhnungskommission’ vor Ort Licht ins Dunkel dieses Kapitels der südafrikanischen Geschichte zu bringen. Es wird ein komplexes Geflecht von Beziehungen und Abhängigkeiten durchleuchtet. Und vom Standpunkt der 90er Jahre stellt sich die Frage nach Vergebung oder Vergeltung. Wir sehen auch, welche Möglichkeiten sich ergeben für damals schuldig Gewordene. Nach einem Geständnis bietet sich ihnen die Gelegenheit durch Amnestie einer Strafverfolgung zu entgehen. Dabei kann es schon vorkommen, dass es zu einem Deal zwischen den Parteien kommt, um die wirklichen Bösewichte zur Verantwortung zu ziehen. Anfangs etwas zäh und unübersichtlich, nimmt die Handlung dann aber an Fahrt und Dramatik auf. Ein Schritt auf dem weiten Weg, am Kap eine gemeinsame Nation aus Schwarzen und Weißen entstehen zu lassen. Aber die Wunden sitzen tief, Täter und Opfer kennen sich und können sich immer noch begegnen. Ein Zitat von Bischof Tutu, dem Gewissen des Landes, gibt die Richtung vor. Gut gemachte, packende Schilderung einer Zeit, die noch gar nicht so weit zurück liegt.


Filmkritik zu Death Proof - Todsicher - 01.05.2011 14:12

Man muss Tarantino mögen, um auf diesen Trash abzufahren. Zugegeben, der Soundtrack schafft Atmosphäre und lässt einen echt mitrocken. Aber das Wichtigste sind ja wohl die beiden spektakulären Carcrashs. Die sind optisch sehr gut umgesetzt und schockieren echt. Schnitt und Kamera vom Feinsten. Zur Einstimmung gab’s dann noch vorher einen blutigen Innenraum in dem Auto Namens ’Todsicher’ mit einer Blondine. Aber dazwischen viel gähnende Leere. Niveauloses Gequatsche von Thekenschlampen. Da geht es natürlich nur um das Eine und außerdem noch darum, wer die Coolste ist. Wenn man es positiv sieht, läuft aber alles auf diese beiden Crashs hinaus. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass hier mal die Mädels die knallharten sind und dem Macho Kurt Russell mehr als nur kräftig einheizen. Typisch Tarantino: viel Gewalt mit Blut und Schmackes. Nichts zum Lachen, auch nichts zum Weinen. Hat man sich vom ersten Schocker erholt, kommt nach einer halben Stunde der zweite, ultimative. Sonderbar, dass Tarantino hier für ausgleichende Gerechtigkeit plädiert. Aber schon nach der amerikanischen Ethik von Auge um Auge…


Filmkritik zu The Bubble - 4 Liebende, 2 Welten, 1 Grenze - 29.04.2011 18:12

Es geht um das Problem der Israelis und ihrer palästinensischen Nachbarn. Hier ist es eine homosexuelle Beziehung aus beiden Volkgruppen. Die politische Situation wird besonders am Checkpoint deutlich. Diese peinlichen, schikanösen Kontrollen gehen wirklich unter die Haut. Daneben erleben wir eine muntere WG, in der die Homos überwiegen. Der Sex ist da, der Witz ist allerdings weg. Die Handlung zieht sich hin ohne großen Unterhaltungswert. Und auch so etwas wie Spannung will nicht so recht aufkommen. Bis zum dramatischen Schluss plätschert die Handlung nur so vor sich hin. Alltag in Tel Aviv. Es passiert nichts aufregendes, wenn man vom latenten Gegensatz der Israelis und Palästinenser mal absieht. Und der wird immer wieder von oberflächlichen Albernheiten überdeckt, bevor er eine gewisse Bedeutung erlangen kann. Na gut, wir erfahren, dass es in Israel junge Leute gibt, die ein lockeres Leben zwischen Sex und Beruf führen wollen. Da haben es homosexuelle Paare besonders schwer. Und am Ende steht die Rache als neuer Anfang. Vergeltung für erlittenes Unheil. Kein friedliches Zusammenleben beider Volksgruppen im Nahen Osten. Leider! Tragisch ist das schon, aber komisch???


Filmkritik zu A.I. - Künstliche Intelligenz - 28.04.2011 12:41

Spielberg ist inzwischen virtuell gereift, die Handlung hat mehr Tiefgang, die Bilder sind noch eindrucksvoller. Man bekommt außerdem noch eine visionäre Vorstellung von der Erde in 2000 Jahren, nach Eiszeit und globaler Erwärmung. Das zentrale Thema aber ist der Umgang des Menschen mit künstlicher Intelligenz, sprich Robotern, die wie Menschen aussehen. Und was ist mit ihren Gefühlen, so sie denn welche haben? Das ist kein filmisches Neuland. Hier sehen wir den Gegensatz sowie Vor- und Nachteile von echten Kindern und Robotern (Mechas). Das Science Fiction Märchen kann man in drei Teile zerlegen, die in zunehmendem Maße in eine Fabelwelt vordringen. Zunächst kommt der kleine David (ein Mecha) in eine Familie. Es gibt ganz alltägliche emotionale Turbulenzen. Dann geht es für ihn mit Gigolo Joe in einem Roadmovie mit viel Action weiter. Hier überzeugt vor allem Jude Law. Und schließlich nach Jahrtausendsprüngen gelangen wir in eine Fantasiewelt, wo die Träume schlafen, in der alles und nichts möglich ist. Das Ende dehnt sich ziemlich, das Tempo wird bewusst heruntergefahren, man ertrinkt in einem Schwall von Zuckerguss, obwohl es keine schöne neue Welt ist. Die Wesen sind kalt, abstrakt und uniform, obwohl freundlich. Halt Kopfgeburten eben. Da fehlt es an menschlicher Wärme und Zuneigung, die, wie wir wissen, für uns lebensnotwendig sind, wie Luft und Wasser. Diese Welt hat keine Zukunft!


Filmkritik zu Das Massaker von Katyn - 15.04.2011 17:31

Der polnische Regisseur Andrzej Wajda hat bei einer der letzten historischen Unklarheiten des 2. Weltkrieges eine abschließende Richtigstellung vorgenommen. Auch anhand von Dokumentaraufnahmen und Dialogen wird belegt, wie je nach politischer Lage der herrschenden Besatzer die Schuld für dieses Massaker mal Nazideutschland mal der Sowjetunion zugeschoben wurde. Dabei ist es nicht immer leicht, geäußerte Meinungen und Sachverhalte in den wechselnden Szenen richtig einzuordnen. Für sein Drehbuch hat er einen Roman hergenommen, der die ganze menschliche Tragik durch betroffene Personen besonders unterstreicht und in eine Spielfilmhandlung verwandelt. Es wird auf den Umstand verwiesen, dass es manche besser wussten, aber aus Opportunismus schwiegen und letztlich an diesem Wissen zerbrachen. Das Massaker selbst wird kommentarlos und ohne musikalische Untermalung dargestellt. Was in diesem Film nicht deutlich wird, ist die Frage, wieso es zu diesem Massenmord kam? Warum ordnete Stalin das an? Aber auch ohne eine solche Hinterfragung, kann man diese in vornehmlich dunklen Farben gehaltene Tragödie gut nachvollziehen.


Filmkritik zu Jack in Love - 25.03.2011 10:55

Es ist kaum nachzuvollziehen, dass aus dem Originaltitel ’Jack Goes Boating’ der deutsche Titel ’Jack in Love ’wird. Aber das ist nicht der einzige Kritikpunkt. Die Geschichte hat viele unnötige Längen, sogar Wiederholungen: erst wird eine Situation verbal dargestellt, dann kommt die Handlung quasi als Papagei-Effekt hinterher. Schier endlos erscheinende Einstellungen wie man sie sonst nur aus Fernost kennt, trampeln auf der Spannung rum. Die ist ohnehin schon nicht allzu groß, denn man kennt das Ende. Der Haupteinwand trifft aber die vielen abgebrochenen Szenen, aus denen man viel mehr hätte machen können. Als Chauffeur einer Luxuslimousine z.B. Da war mehr Unterhaltung drin. In einer Szene wird die dritte anwesende Person völlig vergessen. Da waren’s nur noch zwei! Im Zentrum steht dann eine handfeste mit viel Schreierei verbundene Aussprache. Die ist weder amüsant noch überzeugend. Die schüchtern verklemmte Haltung dieses Jack soll wohl komisch sein, weil er nicht gerade attraktiv ist. Das überzeugt nicht. Eine Lovestory, die nicht so recht in die Puschen kommen will, mit wenig Witz, kaum Lachern und einem aufgesetzten Drama. Ein guter Schauspieler muss nicht automatisch auch ein guter Regisseur sein. Also, P.S.H. bleib lieber vor der Kamera.


Filmkritik zu Eagle Eye - Außer Kontrolle - 21.03.2011 13:11

Auch wenn man lange Zeit nicht so genau weiß, wer die Bösen sind und warum, kann man doch der Handlung mit Interesse folgen. Manches kommt einem dabei bekannt vor. Macht nichts! Die langen Verfolgungsjagden - per Auto oder per pedes - ermüden allerdings schon etwas auf die Dauer. Selbst die schnellen kurzen Schnitte bringen oft nur verwackelte, dunkle, unscharfe Bilder hervor, die ein genaues Hinschauen erforderlich machen. Ist wohl Absicht. Und nachdem genug gerannt, geflüchtet und explodiert ist, läuft alles auf den nie müde werdenden amerikanischen Nationalismus hinaus. Hier vertreten durch Präsident, Nationalhymne und Ordensverleihung für die Helden. Wie gut, dass uns der finale Kuss oder die analoge Bettszene wenigstens erspart blieben. Die Atmosphäre der totalen Überwachung im Cyber Age mit all ihren Möglichkeiten kommt allerdings schon bedrückend rüber. Egal ob es ein echter Terrorangriff oder eine Übung ist. Am Ende ist alles wieder FFE.


Filmkritik zu Tokio! - 10.02.2011 20:17

Drei Regisseure liefern drei völlig unterschiedliche kleine Filme ab. Allen gemeinsam ist das Ambiente der japanischen Hauptstadt und die äußerst skurrilen Geschichten. Die erste beginnt recht locker und findet eine Kim Ki Duk-mässige Lösung mit einer kafkaesken Verwandlung. Film Nummer zwei testet die ästhetischen Grenzen der Zuschauer. Die Hauptfigur heißt Merde, sieht auch so aus und verhält sich so. In dieser grotesken Mediensatire gibt es eine sonderbare Hinrichtung. Der letzte Teil ist der netteste der drei, obwohl ein ernster Sinn durchs Gebälk lugt. Erdbeben ist ja ein wichtiges japanisches Thema. Hier allerdings mit einer positiven Option. Ordnungsfanatiker haben ihre wahre Freude daran. Alle drei sind schrill, fern ab der Wirklichkeit angesiedelt und nicht uninteressant.


Filmkritik zu Die Klasse - 01.02.2011 16:28

Es ist eine Dokumentation des Schulalltags, detailgenau und realistisch. Man fragt sich allerdings, für welche Zielgruppe ist der Film gedacht. Demonstrationsobjekt bei einer Lehrerfortbildung oder im Rahmen der Referendarausbildung? Jeder hat einschlägige Erfahrungen mit dieser Institution und kann mitreden, sich ein Urteil bilden, ob es bei ihm auch so oder so ähnlich war. Vor allem die äußerst problematische Lage der Lehrkräfte wird ungeschönt und keineswegs übertrieben dargestellt. Das reicht vom Burn-Out bis zur Grenze der Lächerlichkeit aufgrund von zu viel Verständnis. Die dramatische Zuspitzung erfährt der Film im letzten Drittel erst durch die Tatsache, dass die Schüler fast alle aus bildungsfernen mit Migrationshintergrund belasteten Familien stammen. Bei einem Verhaltensauffälligen würde ein Verweis von der Schule die zwangsläufige Rückkehr nach Afrika bedeuten. Diese Problematik wird lang und breit im Kollegium diskutiert und dann entschieden. Ohne Kommentar. Aus der Argumentation ergibt sich ein Mittelweg der Vernunft für ein typisches Phänomen unserer Zeit, nicht nur in Frankreich, aber hier vielleicht besonders brisant. Der Schüleraggression mit Störfaktor wird teils mit Verständnis teils aber auch mit Beachtung der sozialen Spielregeln begegnet. Insider werden weitgehend zustimmen, andere haben schon längst weggezappt.


Filmkritik zu Seit Otar fort ist... - 20.01.2011 17:38

Ein beachtenswertes Debüt von Julie Bertucelli. Der historisch-geographische Hintergrund ist Georgien zur Zeit des Auseinanderbrechens der Sowjetunion Damals erschien den Bewohnern im Osten der Westen als das Paradies auf Erden. In diesen Bewusstseinsbereich ist ein Dreimädelhaus (drei Generationen) eingebettet. Besonders die alte Großmutter Eka (toll Esther Gorintin) steht im Mittelpunkt. Ihr gegenüber stricken Mutter und deren Tochter an einer Dauerlüge, um Eka wegen schlechter Nachrichten nicht das Herz zu brechen. Der Titelheld, um den es dabei geht, ist nur in Fotos präsent. Sehr einfühlsam kommt dieser Frauenfilm daher. Schildert die Lebensverhältnisse jener Zeit zum Teil humorvoll oder auch ernsthaft. Ebenso werden die Beziehungen der drei Frauen zu einander beleuchtet. Hierbei kommt dann schon eine etwas nachdenklichere Stimmung auf. Der Blickwinkel bleibt aber stets ein typisch weiblicher. Das macht den Charme des Films aus. Die überraschende Wende am Schluss denkt das Thema nur sinnvoll weiter. Eine viel zu wenig beachtete Perle im Mainstream-Muschel-Meer. Emotional anrührend ohne sentimental zu werden. Einfach Klasse!


Filmkritik zu Frozen River - 14.01.2011 11:31

Bereits die erste Einstellung veranschaulicht den Kern des Dramas: Rays Gesicht, (Melissa Leo): eine Träne rollt…Ein leises aber ergreifendes Sozialdrama vom Überlebenskampf einer Alleinerziehenden, die gezwungen ist, Flüchtlinge über die Grenze zu schmuggeln. Ray gerät aber während der Zusammenarbeit mit einer Indianerin immer tiefer in die Bredouille. Auch ihr halbwüchsiger Sohn versucht krumme Geschäfte zu machen. Das Erstaunliche an diesem Film sind aber die Lösungen: die Behörden reagieren mit viel Einfühlungsvermögen und verständnisvoller Weitsicht und verhindern eine Eskalation. Ohne zu beschönigen zeigt der Film, wie Vertreter des Gesetzes und des Rates der Mohawks ihren Ermessensspielraum nutzen, um für alle Beteiligten eine akzeptable den gesetzlichen Vorschriften genüge tuende Lösung zu finden. Und so bleibt Rays Familie erhalten und bekommt sogar noch indianischen Zuwachs. Klingt alles nach FFE ist es aber nicht, weil die menschlichen Schicksale so authentisch geschildert werden, dass sie unter die Haut gehen. Die Dialoge und die tiefverschneite Umgebung schaffen eine frostige, dichte Atmosphäre, die von Melissa Leo maßgeblich geprägt wird. Zu recht preisgekrönt!


Filmkritik zu Whale Rider - 05.01.2011 18:06

Obwohl hochgelobt und preisgekrönt, finde ich, es ist ein folkloristisches Rührstück aus der Südsee. Wenn zur Rechtfertigung die Dokumentation der Sitten und Gebräuche der Maori herhalten sollte, wäre das in Ordnung. Falls ein emanzipatorischer Gedanke dahintersteckt, weil ein Mädchen Häuptlingin wird, kann man das ebenfalls akzeptieren. Gegen Ende verschwimmt dann aber alles in der Suppe der Emotionen und dehnt sich mit Sphärenmusik in Richtung unendliche Langeweile aus. Das muss wohl bei Mythen so sein. Eine Anmerkung sei aber erlaubt: Wenn die Maori ihre Häuptlinge durch den Ritt auf dem Wal bestimmten, ist es kein Wunder, dass sie selten welche hatten. Das überlebt normalerweise keiner. Und wenn doch, trifft sich das eventuell mit unserem christlichen Glauben an den Messias. Der ist auch wieder auferstanden. Mit dieser Südseeproblematik beschäftigen sich Europäer höchstens im Urlaub, für die Maori mag das von vitalem Interesse sein.


Filmkritik zu American Gangster - 30.12.2010 13:46

Wenn zwei Superstars (Russell Crowe und Denzel Washington) als Gegenspieler fungieren, kann nicht einer nur der Gute und der andere nur der Böse sein. Genau das schien aber Ridley Scott zu interessieren. Es gibt hunderte von Polizeikrimis, die von korrupten Bullen handeln und/oder von dreimal schlauen Ganoven. Hier ist die Story so angelegt, dass der grundehrliche Polizist privat Schiffbruch erleidet, aber im Beruf erfolgreich ist und arm bleibt. Bei seinem Gegner führen beide Erfolgskurven steil nach oben bis er abstürzt. Und dann kommt der nicht überraschende Deal zwischen den beiden. Man hat Denzel Washington zu oft als Guten gesehen und ist somit etwas konsterniert über seine blutigen Aktionen. Dieses Image wird er wahrscheinlich nicht mehr los, trotz seiner schauspielerischen Qualitäten. Dafür nimmt man ihm den titelgebenden Gangster ab, der Ordnung und Anstand liebt, sowie seinen Familienclan und der sein mafiöses Unternehmen wie ein Manager leitet. Interessant, weil aus den richtigen Leben. Brennt nicht gerade vor Spannung. Kann man, muss man aber nicht sehen.


Filmkritik zu Der Klang des Herzens - 27.12.2010 13:59

Regisseurin Kirsten Sheridan hat sich wieder einmal als begabte Tochter des großen Jim bewiesen. Ihr ist eine moderne Romanze gelungen, die einen emotional packt ohne einen in den Schmalztopf fallen zu lassen. Außer den hervorragenden drei Hauptdarstellern (besonders beeindruckend in der Titelrolle der kleine Freddie Highmore als Evan Taylor) überzeugt die Story, die so in Richtung eines modernen Märchens geht. Wunderschöne Bilder transportieren Gefühle wie Sehnsucht oder Einsamkeit. Aber das Allergrößte an diesem Film ist, dass es gelungen ist, Töne sichtbar zu machen. Das beginnt gleich in den Anfangssequenzen und setzt sich bei Evans Streifzug durch New York verstärkt fort. Genial umgesetzt wie zwei an sich völlig unterschiedliche Wahrnehmungsmöglichkeiten - Auge und Ohr - aufeinandertreffen. Der deutsche Titel weckt zu Unrecht Befürchtungen an Pilcher und Co. und den Originaltitel versteht nur, wer den Film im Original gesehen hat. Ein Muss nicht nur für kalte Wintertage, weil er das Herz mit seinem Klang erwärmt. Und wenn einem dieser Film nicht unter die Haut geht, stammt man aus der Abteilung ’Herzlos’. Der ganze Soundtrack ist auch nicht schlecht, denn es geht ja schließlich um Musik, viel Musik aus ganz unterschiedlichen Lagern.


Filmkritik zu Soeur Sourire - Die singende Nonne - 19.12.2010 18:47

Dieser Film um den Welthit ’Dominique -nique -nique’ ist im Gegensatz zu anderen Versionen keine Schmonzette, obwohl das Thema dazu verleiten könnte. Der Hype, der in den 60er Jahren um den Song gemacht wurde, ist sehr gut nachempfunden und die Atmosphäre wirkt authentisch. Der Song ist ein echter Ohrwurm, den man auch nach dem Film immer noch weiterpfeifen kann. Der natürliche Charme und das unbekümmerte, lockere Auftreten der singenden Nonne verzaubern hier im Film genau wie damals. Und sicherlich ist auch die destruktive Rolle der Kirche in diesem Zusammenhang richtig wiedergegeben. Aber auch Elternhaus und Freunde spielen eine Rolle. Das Ende der Marie Deckers (beachtlich Cécile de France in der Titelrolle) wird nur andeutungsweise erwähnt und das ist auch gut so. Sie war eine Suchende, die sich selbst nie wirklich gefunden hat und deren Musik letztendlich auf der Strecke bleiben musste. So kann man ihr Ende nur erahnen ohne jedwede Melodramatik. Das macht den Film zu einem ernsthaften Dokument der Musikgeschichte. Es ist kein Musikfilm, sondern ein sehenswertes Musikdrama.


Filmkritik zu Die Familie Stone - Verloben verboten! - 07.12.2010 23:36

Einer der wenigen, guten Familie-trifft-sich-zu-Weihnachten Filme. Ein Superensemble macht gut aufgelegt mit viel Spaß an der Freud ordentlich Wirbel. Das geschieht in einer Art und Weise wie es eigentlich eher die Italiener oder auch manchmal die Franzosen hinkriegen. Der Film ist echt mit leichter Hand flott inszeniert und die Weihnachtsstimmung und der emotionale Tiefgang kommen auch nicht zu kurz. Natürlich werden alle üblichen Register des Genres gezogen. Und weil Weihnachten das Fest der Liebe ist, spielt sie die Hauptrolle. Das geht mit Bäumchen-wechsel-dich Aspekten, die wohltuend dosiert daherkommen. Selbst die Krankheit der Mutter (Diane Keaton) macht nur betroffen ohne die Stimmung zu versauen und Sarah Jessica Parker zeigt, dass sie eine gute wandlungsfähige Schauspielerin ist. Es gibt nichts übertrieben Spektakuläres, vielmehr nachvollziehbare Situationskomik mit Ausrastern und versöhnlichem Gelächter. Ein guter Weihnachtsfilm eben! Er schafft gute Stimmung und weckt bisweilen auch Erinnerungen. Ist gefühlvoll und anrührend. Man freut sich, wenn am Ende jeder Topf sein Deckelchen findet.


Filmkritik zu Match Point - 04.12.2010 18:08

Hier versucht sich Woody Allen an einem Krimi, obwohl er in diesem Genre eigentlich nicht zu Hause ist. Aber er löst seine Aufgabe mit Bravour. Er nimmt den entscheidenden Aspekt vom Tennis: der Ball springt an der Netzkante hoch und…Um diese Idee rankt er einen genialen Krimi. Anfänglich führt er uns in die Welt der Reichen. Nur die gute Ensembleleistung (besonders die von Jonathan Rhys-Meyers und Scarlett Johannson) und die pompöse Ausstattung wecken unser Interesse und halten uns am Bildschirm. Doch dann verdichtet er die Handlung zu einem Spitzenkrimi um den perfekten Mord. Der Täter entkommt, weil ein weggeworfener Ring wie zuvor der Tennisball am Ufergeländer emporspringt und in die falschen/richtigen Hände gerät. Der Zufall spielt hier eine entscheidende Rolle, ohne den der perfekte Mord nicht möglich wäre. Die Spannung bleibt bis zum Schluss hoch, immer wieder verzögert sich die Aufklärung des Falles. Vielleicht Allens genialster und auch spannendster Film, gewürzt mit einer guten Priese Sex.


Filmkritik zu Die Verachtung - 02.12.2010 14:37

Das ist Arthouse at its best. Es geht um das Ende einer Ehe: der intellektuelle Schreiberling Paul (Michel Piccoli) und seine Frau Camille (Brigitte Bardot), eine Stenotypistin. Anfangs versichern sie sich noch ihre Liebe. Am Ende empfindet sie nur noch die titelgebende ’Verachtung’ für ihn. Das wird nicht näher erläutert, eher nur durch Gefühlsausbrüche angedeutet. Die Dialoge bleiben oftmals vage und enthalten überraschende Wendungen, die im Gegensatz zu den sich wiederholenden Bildern stehen. Wie der Abzählvers mit den Blättern der Margarite sagt die Bardot mal sie liebt ihn, dann wieder nicht. Die Beziehung hängt in der Schwebe. Aber auch die Filmindustrie spielt hier eine Rolle und wird ironisch beleuchtet. Ein Odysseus-Film soll verdeutlichen, dass er seine Penelope gar nicht geliebt hat. Sonst wäre er früher zu ihr zurückgekehrt. Auch ein Anti-Liebesfilm! Verbunden mit einer Kritik des Kapitalismus, in dem alles käuflich ist, will Paul das Drehbuch nicht schreiben. Seine Frau folgt jedoch dem Lockruf des Geldes. Und dann der Knaller am Schluss. Wir sehen in großen Buchstaben Camilles Abschiedsbrief, hören was geschieht und sind beeindruckt.


Filmkritik zu Küss mich bitte! - 01.12.2010 11:28

Eine charmante Idee, die aber nicht genug Stoff für einen Spielfilm bietet. Die neue junge Garde des französischen Films (Ledoyen, Gayet, Mouret) bietet hier eine lockere Komödie. Ihren Charme bezieht sie aus der Umständlichkeit und der verklemmten Intellektualität und der verkopften Emotionalität der Akteure. Wo man sonst in allen anderen Filmen nach einem gemeinsamen Essen (vielleicht auch davor) gleich in die Kiste steigt, wird hier jeder Schritt der Annäherung langatmig diskutiert. Selbst die Erzählung innerhalb der Erzählung bringt nicht viel mehr Schwung, weil man sich auf beiden Ebenen im gleichen Sujet bewegt. Da wird dann schon das Wegschnappen eines Handys oder ein Ballwechsel auf dem Tennisplatz zum Ereignis. Aber all der anfangs noch bezaubernde Charme verflacht etwas, je länger diskutiert wird. Na ja, ist halt mal was anderes, vielleicht etwas für übersättigte Sextiger/Innen.


Filmkritik zu Lornas Schweigen - 30.11.2010 15:46

Es dauert etwas, bis man die Situation dieser Lorna begriffen hat. Das scheint wohl beabsichtigt, denn die Details werden in den Dialogen erst nach und nach eingebracht. Lorna hat einen Mann für die Liebe, einen fürs Geschäft und einen für die Erlangung der belgischen Staatsbürgerschaft. Alle drei können nur agieren, weil ihnen Lornas Schweigen die Möglichkeit dazu bietet. Sie bleibt äußerst wortkarg und verfolgt unbeirrt ihren Weg. Wie eine Spinne sitzt sie im Zentrum ihres Aktionsnetzes und behandelt ihre drei ’Männer’ wie Marionetten. Verfolgt dabei das Gesetz von Actio und Reactio. Das gelingt, bis es Komplikationen gibt. Sie erkennt, dass es zwei von ihren Männern nur ums Geld geht, der Dritte, den sie liebenswürdig ausnutzt, bleibt auf der Strecke. Das unerwartete Ende überrascht und bietet Anlass für weiterführende Diskussionen. Es bleibt gewollt offen, denn der weitere Verlauf der Geschichte ist eine andere Geschichte. Nachdenkenswert, kantig und unangenehm, aber durchaus real.


Filmkritik zu Bordertown - 30.11.2010 12:39

Das Drama, auf dem der Film basiert ist ernst und real. Ort der Handlung ist die mexikanisch-amerikanische Grenzregion. Doch wenn wir dann die gut gestylte Jennifer Lopez permanent durchs Bild hasten sehen, ungeachtet der slumartigen Umgebung, kann man nur verdutzt die Stirn runzeln. Als Schauspielerin ist sie hier glatt fehlbesetzt. Sie versinkt mit ihrer Minimalmimik (Gesichtslähmung) in der Hektik der Aktionen und hält lediglich ihr hübsches Gesicht im Blickwinkel der Kamera Auch das Zusammentreffen mit Antonio Banderas wirkt aufgesetzt und unrealistisch. Jeder weiß von vorne herein, dass sie zusammenarbeiten werden. Die Spannung verabschiedet sich dann vollends, wenn auf die Tränendrüse gedrückt wird. Aber das verpufft ohne Wirkung. Da wäre ein echtes Sozialdrama dringewesen. Doch hier gibt’s Action um der Action willen. Das ist an sich durchaus akzeptabel, aber nicht wenn es um Vergewaltigung und Mord um Diskriminierung und Korruption geht. Das was wir hier sehen ist überflüssig wie ein Kropf, es sei denn, man will lediglich Banderas oder/und Lopez bewundern.


Filmkritik zu Antarctica - Gefangen im Eis - 26.11.2010 19:55

Wunderschöne Landschaftsaufnahmen bilden den Rahmen für einen von der menschlichen Thematik her gesehen eher dürftigen Film. Ohne Love Story geht es natürlich halt überhaupt nicht, sonst hätte man die gut hundert Minuten kaum füllen können. Aber selbst die ist an den Haaren herbeigezogen und wirkt etwas aufgesetzt, wie die ganze Rettungsaktion der acht Schlittenhunde, um die es hier wohl hauptsächlich gehen soll. (vgl. den seltsamen Originaltitel ’Die acht da unten’).Das einzig Erstaunliche sind die cleveren Huskies. Wie die sich auf sich allein gestellt durch das ewige Eis durchschlagen übertrifft Lassie und Fury. Es muss Monate gedauert haben bis die Aufnahmen im Kasten waren. Hunde, die sich die Beute einvernehmlich teilen bzw. sich gegenseitig zu Füssen legen sind schlichtweg unglaublich. Fast hätte ich erwartet, dass sie sich über Sprechblasen verständigen. Aber es ist alles schön anzuschauen, eher wohl etwas für Hundeliebhaber und Südpolfreaks. Die übersehen dann wahrscheinlich auch den virtuellen Seeleopard, der so komisch ins Bild springt und als Schocker eingesetzt wird.


Filmkritik zu Wolke Neun - 26.11.2010 12:35

Es war schon mutig von Andreas Dresen diesen Film zu machen. In einer Zeit, in der die Anti-Aging Welle boomt und der Jugendwahn in allen Medien fröhliche Urstätt feiert, zeigt er alte, schlaffe, faltige Körper beim Sex. Er tut das äußerst behutsam und mit sehr viel Einfühlungsvermögen. Bewundernswert ist der Mut der beiden Hauptdarsteller (Ursula Werner und Horst Rehberg), die ganz ungeniert vor der Kamera nackt agieren. Und in den Dialogen wird die Problematik ausreichend dargestellt. Nur der Schluss überfordert die Dramatik. Wenn man die Unwahrscheinlichkeit des ganzen Konstrukts mal außen vor lässt, passt das Ende nicht. Hier wird mit der moralischen Keule der Frau eigentlich zu Unrecht die Schuld aufgebürdet. Eine typisch deutsche Erklärung, die im Sumpf von spießigem Anstandsdenken versinkt und den Zuschauer mit einem faden Gefühl zurücklässt. Wenn schon Konstrukt, dann aber bitte nicht mit so einem finalen Realitätshammer. Davon einmal abgesehen, ist der Film aber trotzdem zu empfehlen.


Filmkritik zu O'Horten - 23.11.2010 15:17

Was mit einer sonderbaren Verabschiedung eines Lokführers in den Ruhestand beginnt, entwickelt sich im Verlauf immer mehr zu einer Farce mit Zufälligkeiten. Als Tragikomödie kann man den Film nicht durchgehen lassen, denn er ist überhaupt nicht tragisch und schon gar nicht komisch. Der irgendwo ganz tief unten vergrabene, leise Humor lässt sich nur selten erahnen, deutlich an die Oberfläche kommt er so gut wie nie. Der Rentner taumelt irgendwie ziellos von einer seltsamen Situation in die andere. Ungewöhnliche Auftritte erfordern kurze Hingucker, bleiben sonst aber ohne nennenswerte Eindrücke. Sogar als ein Tod eintritt, ist die Entwicklung bereits von schal zu fade gegangen in Erwartung eines baldigen Endes oder von der Hoffnung vor dem Bildschirm gehalten, dass doch noch etwas Sehenswertes passiert. Sinnsuche!? Erfolglos. Unterhaltungswert geht gegen Null. Einen Preis kann man dem Film allerdings verleihen: Bent Hamer - ein ausgewiesener Spezialist auf dem Gebiet - hat hier den Humor gut versteckt. Wetten dass sie ihn nicht finden werden!?


Filmkritik zu Jennas Kuchen - Für Liebe gibt es kein Rezept - 21.11.2010 13:21

Der Film passt in die Reihe der guten ’Kochfilme’. Alle überzeugen wie dieser hier stets mit umwerfenden Aufnahmen von Gerichten und Backwaren und deren farbenprächtiger Zubereitung. Hier werden fantasievolle Kuchen gemacht, die jeweils situationsbedingte Namen tragen wie die ’Ich-hasse-meinen-Mann Pie’. Die Protagonistin Keri Russell (die schon in ’August Rush’ überzeugt hatte) steht zwischen ihrem hirnlosen Brutalo-Ehemann und einem etwas schusseligen Frauenarzt. Eigentlich arbeitet sie als Kellnerin (Originaltitel!). Der deutsche Titel kommt irgendwie etwas hausbackener daher. Dabei gibt es groteske Szenen, manchmal auch ein wenig Melodramatik und dann durchweht das Ganze noch so ein Hauch von Emanzipationsmärchen. Alles recht unterhaltsam. So kann man auch den Schluss mit einem Schmunzeln honorieren.


Filmkritik zu Into the Wild - 15.11.2010 17:49

Dass der Film auf einer wahren Geschichte beruht, und nicht dem fantasievollen Hirn eines Drehbuchautors entsprungen ist, ist noch lange keine Qualitätsgarantie. Wenn sie dann noch in wunderschönen Bildern von Landschaften und Tieren mit goldenen Gegenlichtaufnahmen erzählt wird, kann man ins Stutzen geraten. Und nachdem das unausweichliche Ende vorgezeichnet ist, da man die Intention des Aussteigers konsequent zu Ende schildert, geht auch die Spannung flöten und das Ganze schrammt am Rande von Edelkitsch vorbei. Unterwegs sind wir mal zu Gast in einer Hippiesiedlung mit FKK Gehalt und der Held philosophiert mit einem alten Mann, warum er aussteigen will, nicht ohne die altbekannten amerikanischen Tugenden zu preisen. Die Sozialkritik am American Way of Life trifft die Eltern und ist platt und unverblümt. Das Beste ist noch der Soundtrack unter anderem mit musikalischen Topvertretern der achtziger Jahre wie Canned Heat. Penn ist eigentlich eher bekannt für erstes Kino. Hier quält er den Zuschauer am Ende wie in einer nicht enden wollenden Seifenoper: der Held ist tot und singt noch eine ewig lange Soloarie. Mannn!


Filmkritik zu Edward II - 29.10.2010 12:19

Das Drama um den schwulen englischen König nach Vorlage von Marlowe hat Derek Jarman in eine zeitlose Tragödie um Liebe und Macht, Zuneigung und Sexualität und Treue und Verrat verarbeitet. In einer kahlen, monumentalen Ausstattung arbeitet er mit starken Verfremdungseffekten aus der Jetzt-Zeit: es wird geraucht und man ist modisch gekleidet. Es gibt kleine Spielroboter und Erschießungskommandos, Schwulendemos und echte Fotos. Der angenehme Höhepunkt dieser V-Effekte ist der Song von Annie Lennox und das Überraschendste der Weihnachtsbaum von Rocher. Daneben gibt es groteske Ballettszenen, in denen man ein Streichquartett sieht, aber eine Hammondorgel hört. Die abgewiesene Ehefrau (wunderschön Tilda Swinton) schmiedet eine Dreieropposition. Mit dem Heerführer teilt sie Thron und Bett - vorübergehend und den Bruder des Königs beseitigt sie mit einem Vampirbiss. Den wahren Tod dieses Königs deutet Jarman nur im Traum an. Es ist dies die härteste Bestrafung für einen Homosexuellen und sie hinterlässt äußerlich keine Spuren. Von Marlowe bleiben eigentlich nur noch einige Dialoge. Zeitlos genial, Arthouse total.


Filmkritik zu The Golden Bowl - 24.10.2010 17:37

Diese Vierecksgeschichte ist wie die literarische Vorlage von Henry James ziemlich dialoglastig. Dafür wird man dann aber mit ästhetisch anspruchsvollen Bildern, einer pompösen Ausstattung und edlen Kostümen versöhnt. Dafür bürgt Regisseur James Ivory. Die Unmöglichkeit der Beziehungen zwischen diesen vier Personen ist zwar ein zeitloses Phänomen, im viktorianischen England um 1900 scheint es aber viel wichtiger alles unter den Teppich zu kehren und dort unter Verschluss zu halten. Symbolträchtig dient die titelgebende goldene Schale einem hintersinnigen Zweck. Sie ist äußerlich kostbar und makellos, für Kenner enthält sie aber einen Sprung und ist fast wertlos. Darüber hinaus ist sie das Corpus Delicti, das zur Aufklärung der geheimgehaltenen Liebesbeziehung dienen kann. Ganz nebenbei werden mehrere Gegensätze sichtbar: wie etwa der zwischen Neureichem Ami und verarmtem italienischen Adel oder Fortschritt statt Kunst, Straßenbahnbau oder Museum. In diesem Zusammenhang erleben wir wie die Neue Welt die Alte kulturell ausplündert. Der Schluss erscheint vielen unbefriedigend. Er ist für James aber auch nicht so wichtig. Hier ist eher der Weg das Ziel.


Filmkritik zu Der Sternwanderer - 23.10.2010 16:30

Ein recht amüsantes Fantasy-Abenteuer mit viel Prominenz oder aber auch ein Märchen für Groß und Klein. Mit vielen virtuellen Gags, die einfach dazugehören, ist alles ganz schön anzuschauen. Sogar für die Komik ist Platz. Dafür ist Robert de Niro als tanzende Tunte zuständig und Michelle Pfeiffer als alternde Hexe mit Jugendwahn. An ihr haben die Maskenbildner wahre Wunderwerke vollbracht und sie bis zur Unkenntlichkeit verhässlicht. Der stellenweise breiige und trommelnde Soundtrack soll wohl zur Steigerung der Spannung dienen. Nervt aber im Laufe der Zeit. Vom Titel her gesehen wird der des Originals optisch umgesetzt: Sternenstaub.


Filmkritik zu Grüne Tomaten - 18.10.2010 20:25

Ein Südstaatendrama aus den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts um vier Frauen. Alle machen eine erstaunliche Entwicklung durch. Die beiden jungen Ruth und Idgie (Mary-Louise Parker und Mary Stuart Masterson) kennen und mögen sich seit ihrer Kindheit. Idgie ist sehr selbstbewusst und lässt den Männern der Umgebung keine Chance. Sie hilft ihrer eher ängstlichen Freundin gegen deren Ehemann, die dadurch zu einer eigenständigen Persönlichkeit wird. Geschickt wird deren Geschichte von der alten Dame( Jessica Tandy) im Krankenhaus einer Besucherin (Kathy Bates) erzählt. Die Verbindung der beiden Handlungsstränge gelingt genial und die Art und Weise der Erzählung bewirkt Spannung, denn es liegt ein Mord in der Luft. Emotional durchaus anrührend und mit Witz und Charme dargeboten werden zeitlose Themen wie Rassismus und Emanzipation vor allem durch die tolle schauspielerische Leistung der vier Ladys rübergebracht. Obwohl er 1991 entstand, ist der Film immer noch aktuell und ein optisches und gefühlvolles Highlight. An der Aufklärung des Mordes hätte Roald Dahl seine Freude gehabt.


Filmkritik zu La Zona - 13.10.2010 17:12

Der Film beschreibt in dramatischer Art und Weise ein inzwischen immer weiter verbreitetes Phänomen: die Reichen siedeln in gut bewachten Arealen, geschützt vom eigenen Wachdienst. Die Verfolgung von jugendlichen Einbrechern, die hier einen Beutezug durchführen, findet auf drei Ebenen statt: die offizielle (Polizei), die eigene Bürgerwehr (Wachdienst) und eine Gruppe abenteuerlustiger Teenager. Die ersten beiden werfen sich gegenseitig Korruption vor - womit sie offenbar recht haben und sind meistens damit beschäftigt so viel wie möglich unter den besagten Teppich zu kehren. Die Sicherheit kann nur auf Kosten der Freiheit garantiert werden. Die Mehrheit der Anwohner setzt mit pseudo-demokratischen Mitteln eine Menschenjagd durch. Es herrscht Misstrauen und Angst und es entsteht ein rechtsfreier Raum mit Lynchjustiz, Lieblosigkeit und individueller Katastrophen. Nur Wenige erkennen das Unrecht und die Bedrohung der Freiheit und sind zu einer inneren Wandlung fähig. An der Sache selbst ändert das nichts. Schockierend realistisch und deshalb sehenswert.


Filmkritik zu Im Tal von Elah - 14.09.2010 12:16

Vielfach überschätzter Film über die seelischen Folgen des Irak-Krieges. Man ist redlich bemüht, die abgestumpfte Gefühlswelt der Gis nach ihren Einsätzen zu schildern. Die entscheidenden Verhörszenen haben aber leider etwas Dokumentarisches an sich. Und da man weiß, dass Tommy Lee Jones ja immer seinen Fall aufklärt, kommt auch keine Spannung auf. Susan Sarandon bleibt reduziert als marginale Heulsuse und Charlize Theron ist glatt fehlbesetzt. Sie hetzt mit raumgreifenden Schritten durchs Revier und bleibt blass - nicht nur im Gesicht. Man nimmt ihr einfach diese nervigen Recherchen nicht ab. Wenn dann etwas übertrieben und unerwartet kurz auf die emotionale Karte gesetzt wird, beeindruckt das wiederum wenig. Zwei Szenen sind nicht schlecht gelungen und heben sich wohltuend vom Rest ab: die titelgebende Geschichte, die T.L.J. freundlich aber in seiner ruppigen Art dem kleinen Jungen als Betthupferl erzählt und der abschließende Gag mit der US Nationalflagge. Da hat Paul Haggis schon Besseres abgeliefert.


Filmkritik zu Running Scared - 09.09.2010 15:07

Vom Inhalt her gibt es Stoff für mehrere Filme. Dabei geht es hauptsächlich nur um die Wiederbeschaffung einer Pistole. Das geschieht aber mit so vielen fantasievollen Wendungen, dass man manchmal selbst nicht mehr weiß, wer denn das Ding im Moment eigentlich hat. Und am Ende war’s dann eine Umdrehung zuviel. Doch dann schwappt die Blutwelle voll über bis alle Gangster tot sind. Alle bis auf einen und das glaubt man nicht. Damit bekommt der knochenharte Gangsterthriller ein Popcorn-Ende, das zu dem vorher Gesehenen überhaupt nicht passt. Schade! Na gut, man kann es mit einem Augenzwinkern wegstecken, weil davon mal abgesehen der Film nicht schlecht ist. Denn auch optisch hat man sich einiges einfallen lassen. Und die Atmo des Gangstermilieus kommt gut rüber mit der üblichen Hierarchie und den Erfüllungsgehilfen, die blitzschnell von Freunden zu Feinden werden können. Gefahr steht dicht neben geheuchelter Freundlichkeit, coole Lässigkeit neben wilder Action.


Filmkritik zu Psycho II - 07.09.2010 19:55

Der Film ist sogar noch besser als der erste Teil von Altmeister Hitchcock und das in mehrfacher Hinsicht. Er bezieht seine Spannung aus der Kenntnis von Psycho I, den man sich am besten kurz vorher anschauen sollte. Manche Einstellung wirkt dann vertraut, manches Stilmittel noch verfeinert. Das Ambiente und zwei wichtige Figuren garantieren Konstanz. Darüber hinaus bringt eine fast eigenständige, komplexe Weiterentwicklung zusätzlichen Suspense. Es ist somit nicht nur eine Fortsetzung in Sinne von so-oder-so-könnte-es-weiter-gegangen sein, wie z.B. bei ’Vom Winde verweht’, sondern eine neuerliche Überprüfung des Zustands von Norman Bates nach Jahren der psychologischen Betreuung. Wir sehen eine kritische Auseinandersetzung mit der Heilbarkeit von psychischen Erkrankungen. Die Antwort, die der Film gibt, geht wohl eher in Richtung ‚nein’. Ein aktuelles Thema, wenn man an die Diskussion über die Sicherheitsverwahrung denkt. Davon abgesehen überzeugt Anthony Perkins in der Rolle seines Lebens. Er kann in Bruchteilen von Sekunden sein freundlich-jungenhaftes Lächeln in einen Gesichtsausdruck mit großen, dunklen, ernsten Augen verwandeln.


Filmkritik zu Das Leben des David Gale - 06.09.2010 11:13

Wenn ein überführter Mörder hingerichtet wird, ist das kaum ein Stoff für einen Film, wenn er unschuldig ist, schon. Zwischen diesen beiden Möglichkeiten schwankt Alan Parkers Film und spielt mit den Erwartungen der Zuschauer. Parker findet hier noch eine dritte Lösung. Ein echter Überraschungsknaller! Den ganzen Film hindurch staunten und litten wir mit Kate Winslet und waren von der Unschuld Kevin Spaceys überzeugt. Teilweise sieht man ja sogar den Mord. Kate ist zu überzeugend, sodass wir mit ihr mitbangen und uns wie sie gegen den Lauf der Dinge stemmen. Alle Argumente für und vor allem gegen die Todesstrafe werden in den Dialogen abgearbeitet. Und am Ende ist es gar nicht mehr die Frage, ob Spacey unschuldig ist oder nicht, sondern es bleibt ein flammender Appell, die Todesstrafe abzuschaffen, denn einmal vollzogen ist sie irreversibel. Der Lebenswandel des David Gale bietet nur eine Voraussetzung für seinen Tod.


Filmkritik zu Das geheime Fenster - 02.09.2010 00:28

Die zwei selbstständigen Seiten einer schizophrenen Persönlichkeit sind gut nachvollziehbar filmisch umgesetzt. Obwohl die Darstellung über weite Strecken hinweg mainstream-mäßig unterwegs ist, gibt es immer wieder Hinweise auf das was in Johnnys Kopf abläuft. Er spricht zunächst mit sich selbst, es folgen zwanghafte Gesichtszuckungen und erst gegen Ende sieht man die Figuren, die sich eigentlich nur in seinem Kopf befinden. Sogar das Haus spaltet sich dann auch noch in zwei Hälften. Die großen leeren Augen erlauben den Blick in sein Innerstes - vielleicht durch ein geheimes Fenster. Aber auch hier ist Doppelbödigkeit vorhanden, denn es gibt es irgendwo im Haus und auch der Titel der geklauten Erzählung lautet so. Gut, dass uns der Film die mörderischen Aktivitäten optisch vorenthält. Der Zuschauer weiß aber aus der Geschichte, was da abgelaufen sein muss. Und Johnny spricht am Ende mit einer anderen, tieferen Stimme, die seiner zweiten Hälfte. Ein psychologisches Phänomen wird allgemein verständlich sichtbar gemacht - wenn man es denn erkennt…


Filmkritik zu Zum Ausziehen verführt - 31.08.2010 13:18

Natürlich drängt sich der inhaltsmäßige Vergleich mit ’Tanguy’ auf, obwohl das schon für die Macher des französischen Streifens eine Beleidigung wäre. Der deutsche Titel kokettiert etwas mit einem zweideutigen Hinweis auf einen Striptease. Das ist der erste Trugschluss. Der des Originals geht hingegen eher so in die Richtung ’Misslungener Start (ins Leben). Ganz allgemein kann man sagen, dass die gesamte Handlung ziemlich weit hergeholt ist, die Dialoge eindimensional unkomisch sind, und die Hauptdarsteller recht schlicht daherkommen. Wenigstens einige Nebenfiguren versuchen ab und zu auf Komik zu machen. Die Szenen mit den beißenden Tieren sind obwohl vielleicht gewollt an Dämlichkeit fast nicht mehr zu übertreffen. So etwas kennt man nur aus der Werbung und da können sie auch noch sprechen. Darüber hinaus ist der größte Teil Reklame für die Freizeitindustrie: segeln, klettern, Gotcha etc. Dabei gerät das ursprüngliche Thema zeitweise völlig aus dem Blickfeld. Und dann noch das gewaltsam herbeigeführte Ende - ob’s Happy ist, muss man wohl bezweifeln.


Filmkritik zu Vier Brüder - 30.08.2010 11:37

Man kann den Rachefeldzug mit viel Empathie verfolgen, weil es ja um eine gerechte Sache geht. Die beiden gedanklichen Rückblenden, in denen die ermordete Mutter (mit viel Wärme Fionnula Flanagan) auftritt, sind auch recht nett. Im Verlauf der Handlung gewinnt dann die Gewalt die Oberhand. Aber weil es ein ziemlich komplexes Gebilde ist, was da aufgedröselt wird, bleibt es spannend. Und die Jungs haben jede Menge coole Sprüche drauf, was den Unterhaltungswert hoch hält. Die vier Typen sind durchaus überzeugend handfest. Lediglich der Schluss ist nicht nur unglaubhaft, sondern auch noch sehr zuckersüß. Mammi ist gerächt und alles ist wieder F.F.E. Was man als Lösung in einem Western noch tolerieren würde, ist hier doch etwas fragwürdig. Es ist halt die amerikanische Antwort: Selbstjustiz, die uns Europäern eher etwas fremd vorkommt. Aber lassen wir mal die moralische Sinnfrage außen vor und opfern sie auf dem Altar der Unterhaltung.


Filmkritik zu 8 Blickwinkel - 30.08.2010 01:40

Die Erzählweise aus den verschiedenen Blickwinkeln ist nicht uninteressant. Bringt aber im Laufe der Handlung zu wenig Aufklärung. Und nach den ersten 60 Minuten nutzen sich die actionreichen Massenszenen mit der Wackelkamera genauso ab, wie die Autos die bei den Verfolgungsjagden zu Bruch gehen. Leider macht das über 90% des Films aus. Die etwas krude Hintergrundstory mit den Terroristen bleibt oberflächlich und unklar und gibt dem Streifen den Rest. Auch der unbedarfte, menschlich nette Forrest Whitaker mit seiner Digicam und die Mutter mit dem Kind laufen emotional ins Leere. Am Ende wundert man sich, dass der so gut vorbereitete Coup dann doch in die Hose geht. Irgendwie bleiben alle Akteure auf der Strecke, das heißt sie verschwinden aus allen acht Blickwinkeln ebenso wie die Medien und ihre Berichterstatter. Dabei wäre doch ein Attentat auf den amerikanischen Präsidenten schon eine gute Story. Aber hier gibt’s Action um der Action willen. Sinnfrei, spannungsarm und überflüssig.


Filmkritik zu Frühling, Sommer, Herbst, Winter und... Frühling - 19.08.2010 18:45

Wenn man sich auf die fernöstliche Langsamkeit einstellen kann, erlebt man einen der schönsten visuellen Erkundungstrips. Ein stiller Bilderrausch! Man hat schon öfters die vier Jahreszeiten mit den Lebensabschnitten des menschlichen Lebens verglichen. Hier erfahren wir aber noch zusätzlich, was Wiederkehr ist und erhalten Einblicke in buddhistische Erziehung, mitsamt den Symbolen wie Feuer, Wasser und der Schlange (Versuchung oder Widergeburt.) Frühling: Kindheit, Ausbildung. Sommer: das jucken des Geschlechts bringt erste sexuelle Erfahrungen. Herbst: es ist Erntezeit für die Folgen des eignen Handelns. Ein Neuanfang wird versucht. Winter: die Zeit des Todes, aber auch der körperlichen Ertüchtigung. Und Frühling: der Kreislauf beginnt aufs Neue. Und wenn dann noch der Meister anfängt mit Boot und Haus zu zaubern, tobt die Fangemeinde. Es ist Kim Ki Duks schönster und stimmungsvollster Film.


Filmkritik zu Bube, Dame, König, Gras - 17.08.2010 18:49

Der Originaltitel ist ähnlich genial wie der deutsche, obwohl es keine Übersetzung ist. Beide betonen jeweils einen wichtigen Teil, worum es geht: einerseits den Stoff, andererseits die zwei antiken Gewehre. Die Handlung verläuft in den üblichen Bahnen des Kleinganovenmilieus: eine Gang versucht die andere über den Tisch zu ziehen und am Ende sind fast alle tot. Dabei wird natürlich viel Gewalt und Munition eingesetzt. Was den Film so außergewöhnlich macht, ist die Komik, die sowohl Slapsticks als auch manche echt komischer Figuren enthält, unterstützt von geistreichen Dialogen, echte Brit-Comedy eben. Betont wird die Action durch sekundengenau unterlegte äußerst vielseitige Musik, die von wilden Gitarrenriffs über Karibik-Sound bis zum tempobestimmenden Sirtaki reicht. Die Synchronstimme von Martin Semmelrogge als Kommentar spiegelt sowohl die Ironie wie auch die harte Drecksarbeit. Eine nicht ganz ernst gemeinte, aber gut gemachte, bluttriefende Krimi-Komödie, die beide Komponenten gleichermaßen voll zur Wirkung kommen lässt.


Filmkritik zu Privatleben - 09.08.2010 13:25

Der Titel ist wohl ironisch gemeint, denn für die beiden zentralen Figuren (Bardot, Mastroianni) gibt es so etwas nicht. Gleichzeitig ist es eine Abrechnung mit den Paparazzi, die durch ihr zudringliches Auftreten die Stars in den Verfolgungswahn oder in den Selbstmord treiben können. Hier macht sie Louis Malle direkt für das tödliche Ende verantwortlich. Über lange Strecken langweilt sich die Bardot, der Zuschauer allerdings ebenfalls. Neunzig Prozent des Films sieht man Nahaufnahmen von ihr, meistens ihr Gesicht. Dieser dauerhafte Genuss verflacht im Laufe des Films, trotz wechselnder Frisuren und Pullis. Sie spielt sich selbst: das männerverschlingende Superweib, das eigentlich nur die einzige wahre Liebe sucht. Wer bis zum Ende durchhält, wird mit dem schönsten und längsten Absturz der Filmgeschichte belohnt.


Filmkritik zu Absurdistan - 05.08.2010 19:05

Ein recht amüsanter Spaß vom Kampf ums Wasser, der sich zum Geschlechterkampf entwickelt. Im Mittelpunkt steht das Liebespaar Temelko und Aya, deren Hochzeitswunsch der Motor des Ganzen ist. Leider wird mit den üblichen Clichées gearbeitet. Die Männer sind etwas einfältig, faul aber geil, wohingegen die Frauen zielstrebig vorgehen und mittels ihres Geschlechtes herrschen. Sie agieren, während die Männer nur jeweils reagieren können. Da ist dann kein Platz für die Liebe, sondern nur für Liebeskummer, derbe Späße und Schabernack. Den Schauspielern sieht man oft an, dass es Laien sind und freut sich aber mit ihnen dann doch über das vorhersehbare Happy End in seiner ganzen Eindimensionalität. Hier kommt dann noch eine gewisse Symbolik zum Tragen, wenn Aya ihrem Liebsten das ’Fliegen’ beibringen muss. Harmlos, aber ganz nett.


Filmkritik zu Duell - Enemy at the Gates - 05.08.2010 12:01

Da ist Licht und Schatten. Die Bilder sind beeindruckend und die Pyrotechniker leisten ganze Arbeit. Man sieht viel Prominenz, auch ungewöhnlich viele deutsche Schauspieler. Und alle geben ihr Bestes. Mehr gibt das Drehbuch nun mal nicht her trotz zusätzlich eingestreuter jüdischer Familientupfer. Die unterlegten Choralgesänge und die Blechmusik stören etwas. Ob das Duell wirklich stattgefunden hat, ist irrelevant. Eine andere Frage ist, ob man das Massensterben von vielen Hunderttausenden auf ein Duell von zwei Männern (Ed Harris und Jude Law) reduzieren soll. Und der Ort der Handlung ist nun mal Stalingrad - auch wenn er nicht im Titel auftaucht. An sich könnte das Duell auch irgendwo anders stattfinden: in Irland, Spanien oder Kuba, aber auch da müsste jeweils das Ambiente stimmen. Aber die Krone des Zugeständnisses an den Mainstream ist das Happy End. So eine Wiederauferstehung hat es zuletzt vor 2000 Jahren gegeben. An die muss man aber glauben, hier wird’s Edelkitsch.


Filmkritik zu Mein Leben ohne mich - 03.08.2010 19:32

Ein kleiner, ernster Film, in dem es ohne viel Schnickschnack gelingt das Lebensende einer jungen Frau und Mutter von zwei kleinen Kindern zu schildern, die tödlich an Krebs erkrankt ist; und das ohne in Gefühlsduselei abzugleiten. Der Film thematisiert nicht ohne Emotionen eigentlich nur die Vorbereitungen auf das Leben ihrer Umgebung, wenn sie mal nicht mehr da ist. Und sie arbeitet eine Liste ab, was sie noch alles vor ihrem Ableben unbedingt tun muss, inklusive eine Frau für ihren Mann zu finden. Sarah Polley spielt wie immer überzeugend. Ihre kalten Tränen laden nicht zum Mitheulen ein, machen aber doch betroffen. Sie behält ihre Krankheit für sich und muss sich stattdessen von allen anderen zutexten lassen, weil jeder doch so seine Sorgen loswerden will, außer Sarah. Sie kommt zu der Erkenntnis „Du trauerst dem Leben, das du nicht führen wirst, gar nicht nach, weil du dann schon tot bist. Und Tote fühlen nichts, nicht mal Trauer.“


Filmkritik zu Tödliche Entscheidung - 30.07.2010 18:14

Solche echten menschlichen Dramen kann wohl nur ein Altmeister wie Sidney Lumet noch gestalten und mit der Art und Weise, wie er sie erzählt, überzeugen. Es entsteht ein komplexes Geflecht von fatalen Beziehungen innerhalb einer Familie. Auch die Variante des Überfalls auf einen Juwelier ist neu. Mit den beiden Söhnen (Philip Seymour-Hoffman und Ethan Hawke) geht es gnadenlos abwärts, Tiefschlag folgt auf Tiefschlag und die Schlinge zieht sich immer enger zu. Selten sieht man so eine schauspielerische Höchstleistung, besonders was ihr Verhältnis zu ihrem Vater angeht. Szenen erinnern an Arthur Millers ’Handlungsreisenden’. Aber auch untereinander brodeln jede Menge Probleme, die sie aber auch aneinander binden. Das ganze Ausmaß des menschlichen Dramas spiegelt sich im Gesicht des großartigen Albert Finney wieder, der als Racheengel das Unglaubliche ausführt. Ein Thriller, der den Tiefgang einer griechischen Tragödie hat.


Filmkritik zu Feuerherz - Die Reise der jungen Awet - 29.07.2010 11:44

Ein weichgespülter, die Realität verharmlosender Film über den Weg zu den Kindersoldaten am Horn von Afrika. Leider werden die auf der Hand liegenden Möglichkeiten nicht genutzt. Man sieht nur eine Welt in der vordergründige Gewalt, Dreck und Chaos herrschen. Die oberflächliche Betrachtungsweise ist umso schlimmer, weil man an der Wirklichkeit der Situation in dieser Region zu zweifeln beginnt. Selbst der menschliche Faktor die Beziehung Vater - Tochter wird nur auf kleiner Flamme gekocht und verpufft weitgehend wirkungslos. Und auch das titelgebende Marienbildchen taucht mal auf und dann gleich wieder ab. Schade! Da wäre mehr drin gewesen, um diesem ernsten Thema wirklich gerecht zu werden.


Filmkritik zu Westlich St. Louis - 27.07.2010 16:32

Eine selten gezeigte Rarität unter den John-Ford-Filmen. Inhaltlich gehört er in die schier endlose Reihe von „Wagen westwärts“. Es gibt keine großen Helden - John Wayne hat wie auch alle großen Filmstars Urlaub - nur die vielen aufrechten, tatkräftigen Männer und Frauen der Prärie. Ford stellt Mormonen und Gaukler neben friedlichen Indianern in den Mittelpunkt des Trails. Also eine Minderheit, die sich selbst als Outcasts fühlen. Und damit es auch noch etwas Spannung gibt, kommt noch ein Vater mit seinen missratenen Söhnen dazu. Ford nimmt sich ausgiebig Zeit, zahlreiche Figuren mit viel Empathie und Detailgenauigkeit zu schildern. Dabei sorgen solche Appelle wie z.B. ’Mormonen fluchen nicht’ für Situationskomik. Es passiert nicht viel, nur was halt so auf einem Zug nach Westen üblich ist. Hier kommen sich zwar auch Männlein und Weiblein etwas näher, aber ohne den finalen Happy End-Kuss. Dafür gibt’s viel Musik und typischen Gesang.


Filmkritik zu Untreu - 27.07.2010 12:01

Ein Remake vergleicht man immer mit der Vorlage, auch wenn über dreißig Jahre dazwischen liegen. Lyne (Untreu) hält in weiten Bereichen den Vergleich mit Chabrol (Die untreue Frau) aus. Manche Szenen sind allerdings einfach exakt nachgedreht worden. Bei Lyne wurde die Handlung ins Amerika von heute verlegt, mit allem was dazu gehört. Und es wird in den Dialogen etwas mehr Wert auf das Innenleben der Akteure gelegt; bei Chabrol sind es stumme Blicke, die das widerspiegeln. Nur in einem Punkt ist die Neufassung unglaubwürdig: einen liebevollen, aufmerksamen, gut aussehenden Ehemann (Richard Gere!) betrügt man nicht! Zumal er keinen Grund dafür liefert. Anders bei Chabrol wo Michel Bouquet einen viel älteren, steifen, verknöcherten Alten gibt. Und dann das Ende: bei Lyne ist alles wieder F.F.E - auch wenn man mal kurz ein Martinshorn hört. Die Familie bleibt in Takt. Bei Chabrol sehen wir einen totalen, sich von den Personen distanzierenden Kameraschwenk, der die Kluft zwischen der untreuen Frau mit ihrem Sohn auf der einen und dem bösen Ehemann auf der anderen Seite verdeutlicht. Beide Gruppierungen verharren stumm und erlauben Zeit, einen weiterführenden Verlauf zu denken.


Filmkritik zu Die letzte Legion - 26.07.2010 11:06

Man sollte hier natürlich die historische Brille absetzen, was mir von Haus aus eigentlich sehr schwer fällt. Aber dann kann man sich ungebremst an dem Wiedererkennungswert erfreuen: ja da ist doch ein wenig ’Merlin’ und ’Excalibur’ drin, außerdem Anspielungen auf ’Indiana Jones’ und ’Charlie Chan’ etc. Ab und zu fallen historisch verbürgte Namen und machen andeutungsweise Zeitbezüge deutlich. Die Aufnahmen sind gut gemacht, Schlachtengetümmel gibt es jede Menge und dann genießen wir noch die optischen Reize von Aischwarya, der überaus schönen Kriegerin, die die Männer reihenweise umnietet und nur im Kampf glänzt (sic!) und nicht im Bett. Man hat sich hier wohl einiges vom Erfolg der Shrek-Filme abgeschaut. Da gab’s auch inhaltliche Anleihen bei allen möglichen Märchen und Sagen- und das Publikums liebt das. Außerdem hat Ben Kingsley Recht, wenn er am Ende sagt: die Leute brauchen Legenden.


Filmkritik zu 28 Weeks Later - 25.07.2010 10:35

Blutiger Horror-Trash, prominent besetzt. Es ist ja wohl der Sinn des Films, die Zuschauer zu schocken. Und das tut er auch. Trotzdem bleibt eine langweilige, weil eintönige Handlung übrig. Selbst an die Schocker gewöhnt man sich im Laufe des Films. Manche ahnt man im Voraus. Und wenn man dann die blutunterlaufene Fratze von Robert Carlyle oder die von Catherine McCormack endlich erblickt, verpufft die Wirkung in der Lächerlichkeit. Die Familie, die im Mittelpunkt steht, soll wohl die Emotionen ansprechen, aber da es bei Beteuerungen der Akteure bleibt, kommt das nicht sehr überzeugend rüber. Das Schlimmste ist aber, dass der Film keinen eigentlichen Anfang hat; er beginnt einfach. Und auch kein Ende; da läuft nur der Abspann. Man weiß alles ist gesagt, wischt sich das Blut aus den Augen und sucht einen besseren Film zu finden. Manche Dinge sollte man einfach nicht fortsetzen!


Filmkritik zu Sterben für Anfänger - 23.07.2010 17:35

Hier passt das Sprichwort „Spaß muss sein, und wenn’s auf der Beerdigung ist“. In dieser recht turbulenten Komödie, deren Herkunft sonst eher in Italien vermutet wird, passieren unglaubliche Dinge. Die Handlung gerät aber niemals zum Klamauk dank der guten Schauspieler und dem gelungenen Schnitt. Von den teils prominenten Akteuren sei nur Alan Tudyk hervorheben, der die Beerdigungsfeierlichkeiten ungewollt auf einem LSD-Trip miterlebt. Und da es ja eigentlich um ein ernstes Thema geht, findet man immer wieder auch beinahe ernste Szenen und Dialoge. Ansonsten ist aber viel Platz für viel Skurriles zum Thema Beerdigung; bisweilen etwas unappetitlich, inmitten der üblichen Familienstreitigkeiten und mit unerwarteten spaßigen Wendungen. Davon abgesehen gibt es keinen Höhepunkt. Stattdessen wird gleich bei der ersten Szene ein humorvoller Ton gefunden, der auf diesem Niveau bis zum Ende durchgehalten wird und somit recht gute Unterhaltung bietet. Ein Remake ist völlig überflüssig! Ebenso gut wie der deutsch Titel ist der unübersetzbare Untertitel: „Last Rites and Wrongs“. Den muss man sich einfach laut übe die Zunge gehen lassen.


Filmkritik zu So ist Paris - 19.07.2010 18:55

Die besten Episodenfilme sind die, bei denen man die Verknüpfung der einzelnen Handlungsstränge gar nicht bemerkt. Das ist Cedric Klapisch hier recht gut gelungen. Zumal er ein Pärchen (Bruder und Schwester: Juliette Binoche und Romain Duris) in den Mittelpunkt stellt, um den herum die anderen Figuren ihre Erfahrung mit den kleinen Alltagsproblemen machen. Es geht dabei um nichts Weltbewegendes. Es geht um die Liebe mit ihren Erwartungen und Enttäuschungen, um den Job, um Krankheit und Tod. Mal ist es lustig, mal ernst oder sogar traurig und immer ganz dicht an den Menschen - hier den Bewohnern von Paris. Aber es ist nie uninteressant. Das liegt zum einen an dem Einfallsreichtum des Drehbuchs, zum anderen an den guten, prominenten Schauspielern. Außerdem spürt man den pochenden Puls der Seinemetropole, die niemals schläft genau wie manche Figuren des Films. Gute Unterhaltung.


Filmkritik zu So viele Jahre liebe ich dich - 12.07.2010 13:57

Ein wenig amüsanter Film, der einen schon deprimieren kann. Das Ambiente ist zunächst der übliche Familienalltag von heute, mit all seiner Hektik und Komik. Da platzt Juliette hinein. Kristin Scott Thomas ist furchterregend ernst. Man ahnt von ihrem Verhalten her ihre tragische Vergangenheit: schuldig oder unschuldig? Ganz allmählich kommen in Gesprächen Details ihrer Tat an Licht. Natürlich hat sie ihren kleinen, sterbenskranken Sohn geliebt und dennoch… Die eigentliche Problematik wird nur narrativ dargestellt. Im Anschluss kann man darüber ja diskutieren. Bleibt die Frage: Warum hat sie so lange geschwiegen? Wollte sie sich bewusst bestrafen? Die Antwort, die der Film letztlich gibt, lautet: auch Sterbehilfe ist Mord. Oder geht es um Schuld und Sühne? Ein Film für eine überschaubare Zielgruppe z.B. auf Filmfestivals.


Filmkritik zu Der Duft von Lavendel - 11.07.2010 17:12

Ein zauberhafter Film, zum Niederknien schön. Eingebettet in die malerische Landschaft von Cornwall gibt es nicht viel Handlung, dafür aber viel Gefühl und Witz. Von dem hochkarätig besetzten Ensemble möchte ich nur Judy Dench hervorheben, die in umwerfend ergreifender Weise die alte Dame gibt, die sich im hohen Alter in den jungen Polen verliebt. Sie spielt das mit so viel Schamhaftigkeit und inneren Tumulten, wie der aufgewühlte Atlantik. Man sieht wie sie mit allem, was eigentlich gegen eine solche unerfüllbare Liebe spricht, kämpft und doch Haltung bewahrt. Es sind fein dosierte, echte, tiefe menschliche Emotionen, die sie auf die Leinwand bringt. Dabei ist es nie kitschig. Charles Dance, der bis dato nur vor der Kamera stand, ist ein Jahrhundertwerk gelungen. Der lyrische Titel weist auf den bevorzugten Duft vornehmer, älterer Damen hin, die eigentlich jenseits der feurigen Liebe leben. Und dann noch die virtuose Musik von Joshua Bell, die einem beim Abschlusskonzert zum Taschentuch greifen lässt.


Filmkritik zu Dan - Mitten im Leben! - 09.07.2010 23:45

Einer der zahllosen Filme über ein Familientreffen. Dabei wird kein amerikanisches Cliché ausgelassen. Alles landesübliche was man sich nur vorstellen kann wird bemüht: es gibt u.a. Pancake, Pantomime, American Football, Bowling u. v. a. Allein erziehende Väter, pubertierende Töchter, verständnisvolle Großeltern. Das peinlich vorhersehbare Happy End, auf das der Streifen wohl aufgebaut ist, bahnt sich über aufgesetzte Komik und flache Dialoge an. Für die Emotionen muss Juliette Binoche tränenreich herhalten. Hat diese tolle Schauspielerin nichts Besseres zu tun als hier geschwurbelte Gefühlsduselei zu betreiben? Bei den etwas in die Länge gezogenen Gesangseinlagen oder der rhythmischen Frühgymnastik kann man dem Drang nicht widerstehen die Vorlauftaste zu drücken. Dass Regisseur Peter Hedges es besser kann, hat er bewiesen. Hier handelt es sich wohl um einen lauwarmen Nachzieher, aber der hier hat Flasche mehr als leer.


Filmkritik zu Stilles Chaos - 01.07.2010 10:04

In einer spannungsarmen, uninteressanten Vater-Tochter Beziehung kann der Alte nicht um seine Frau trauern, weil er im Park ständig von durchgeknallten Typen zugetextet wird, die in loser Reihenfolge auftauchen. Es gibt logische Knacks, die in diesem sonderbaren Konstrukt eine Fülle von Fragezeichen hinterlassen. Und damit man nicht einschläft, steckt man plötzlich optisch in einer heißen Sexnummer, die in das Ambiente passt, wie das U-Boot in die Wüste. Die vielgepriesene Behutsamkeit des Vorgehens liegt aber an der Unentschlossenheit der Macher. Und selbst die renommierte Riege von Stars hilft hier auch nicht weiter. Witz und Charme sind von so winzigem Gehalt, dass man sie kaum bemerkt. Das einzige was stimmt, ist der Titel, falls man unter Chaos einen kruden Mix von unausgegorenen Gedankensplittern versteht, der völlig unstrukturiert weder einen Anfang noch einen Höhepunkt oder ein Ende hat und dazwischen leere Hülsen. Was soll’s also?


Filmkritik zu Romeo is Bleeding - 19.06.2010 14:08

Ein bluttriefender Cop-Mafia-Thriller mit vielen schmerzhaften Gewaltszenen. Und unser Romeo (beindruckend Gary Oldman) blutet da in der Tat. Er steht mitten im spannungsgeladenen Feld von drei Frauen, die vom Typ her die still liebende Ehefrau, das stets verfügbare Dummchen und die Supergangster-Lady (sexy und diabolisch genial Lena Olin) verkörpern. Bei den vielen überraschenden Wendungen überbieten sich die Brutalitäten so heftig, dass manchmal schon Fragezeichen bezüglich der Handlung auftauchen. Aber die Spannung bleibt ungebrochen hoch. Zur Qualitätsaufwertung gibt es dann aber auch noch eine ruhige Rahmenhandlung, die wie der begleitende Kommentar ein Kontrastprogramm zu den Bildern darstellt. Hier ist sogar Platz für lyrische Passagen. Bisweilen spielt der Kommentar aus dem Off gekonnt kommunikationsmäßig mit dem Zuschauer. Der jazzige Soundtrack weckt Assoziationen an den Film noir.


Filmkritik zu Die Schwester der Königin - 30.05.2010 14:45

Ein etwas kruder Kostümschinken mit prominenter, weiblicher Besetzung (Portman, Johansson). Im Mittelpunkt steht das Bemühen des hochnotgeilen Königs Heinrichs VIII. einen männlichen Thronfolger mit den Boleyn Sisters zu zeugen. Die Dialoge sind nicht unbedingt zeitgemäß für das frühe 16. Jahrhundert. Sie enthalten emanzipatorische Argumente aus den 60er Jahren unserer Zeit. Lediglich für das Verhalten von Männlein und Weiblein im Bett wird das passende Verb ’beiwohnen’ verwendet. Die schwarzhaarige! böse Schwester Anne überrascht mit Weitblick in der europäischen Diplomatie und lenkt den König behänd und zielbewusst. Für diese historische Figur gibt es bessere filmische Vorlagen. Der hier (Eric Bana) wirkt eindimensional und bleibt etwas vage. Kein echter Absolutist! Wer den kritischen Abstand nicht schafft, kann von dem emotionalen Geschwurbel zwischen diversen Geburten und Verrat, zwischen Intrigen und höfischen Anfeindungen beeindruckt werden.


Filmkritik zu The Wind That Shakes the Barley - 21.05.2010 12:17

Ken Loach ist ein erschütternder Film über den englisch-irischen Konflikt gelungen. Drei Dinge sind bemerkenswert: man erfährt etwas über die Uneinigkeit der Iren untereinander. Hier gab es Realos und Fundis, die sich letztlich, nachdem sich die politische Lage verändert hat, gegenseitig bekämpften, wobei die Trennlinie mitten durch Familien verlaufen konnte. Der Konflikt ist also ein echter Bruderkrieg. Diese Individualisierung der Auseinandersetzung geht an die Nieren, weil sie bis zur letzten Konsequenz verfolgt wird. Außerdem trifft der lyrische Titel, der auf eine alte Ballade zurückgreift, das Wesen der irischen Seele. Die Liebe zur irischen Heimat schafft Rebellen und ist immer eng verbunden mit der zu einem irischen Mädchen. Beide enden tragisch. Und dann ist da noch die mehrfache Bedeutung der Gerste für die Untergrundkämpfer: als Wegzehrung und als letzte Ruhestätte. Aber auch als symbolische ewige Wiedergeburt des irischen Widerstandes.


Filmkritik zu Die Hüterin der Gewürze - 20.05.2010 16:49

Alles ist an diesem Märchenfilm schön: die Aufnahmen in herrlichen Farben, die Love Story mit brennendem Happy End und natürlich die wunderschöne Hauptdarstellerin Aischwarya Rai. Sie ist permanent im Bild und beeindruckt, wenn sie mit ihren großen, dunklen Kulleraugen den edlen Biker (Dylan McDermott) anschmachtet. Mit der Zeit hat man sich an die Schöne aber so sehr gewöhnt - und ihr schauspielerisches Talent ist ziemlich eindimensional - dass sich Langeweile breit macht. Auch die krampfhaft eingeschobenen zusätzlichen Personen sind keine echte Bereicherung. Da wäre mehr drin gewesen, vor allem wenn man den Anfang bedenkt oder die nette Idee der Dialoge der Schönen mit den Gewürzen. Wer also seine Augen weiden lassen will, kommt voll auf seine Kosten. Nicht vergessen vorher das Hirn auszuschalten.


Filmkritik zu Verführung einer Fremden - 18.05.2010 11:27

Der deutsch Titel ist weit hergeholt und wenn man das Ende bedenkt auch noch falsch. Der Originaltitel (Perfect Stranger) sagt im Gegensatz zum deutschen nichts über das Geschlecht des Fremden aus. Dreiviertel des Films bieten Cybersex, der sich auf die attraktive Hale Berry konzentriert, genau genommen auf ihr Gesicht in Großaufnahme und ihren Ausschnitt. Bruce Willis dagegen schaut diese ganze Zeit zynisch-streng und agiert furchterregend arrogant. Eigentlich spielen aber die Computer die Hauptrolle. Sie bestimmen die Handlung. Als dann am Ende die vielen sogenannten ’überraschenden Wendungen’ kommen, stumpf der Zuschauer langsam aber sicher ab in Erwartung einer weiteren unglaubwürdigen, möglichen Aufklärung. In der Phase traut man jedem die Morde zu, selbst dem harmlosen Zeitungsverleger, dessen Bild am Ende auftaucht. Und die Verführung an sich ist so prickelnd wie ein Glas Wasser und vorhersehbar wie der Sendetermin der Tagesschau.


Filmkritik zu 4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage - 13.05.2010 11:10

Der 1. Teil ist der Ausgangspunkt der Handlung: zwei Freundinnen haben eine Abtreibung in einem Hotelzimmer arrangiert. Die eine, die Leidtragende, die andere, Otilia, die Aktivere. Hier ziehen uns die unheimlich langen, wortlosen Szenen mit hinein in das Geschehen und setzten erste Denkanstösse. Im 2. Teil läuft das Kontrastprogramm: eine Familienfeier. Alles quatscht sinnfrei durcheinander, singt und säuft. Mittendrin die schweigende Otilia. Der Zuschauer wird gezwungen zu erkennen, was ihr durch den Kopf geht, während die Worte an ihr vorbeirauschen - alles, nur nicht wie man Kartoffelpuré macht. Dann im 3. Teil kommt die Auseinandersetzung mit ihrem Freund. Hier werden wenn auch nur hypothetisch die unterschiedlichsten Ansichten hinsichtlich einer möglichen Abtreibung bei ihnen deutlich und damit wächst die Distanz zwischen ihnen. Es entsteht eine Atmosphäre der klaustrophobischen Angst, besonders bei der Entsorgung des Fötus: es ist Nacht, man fühlt sich beobachtet, die Kamera ganz dicht dran, wackelt hinterher. Und wenn man dann noch die die Situation unter Chaucescu mit seiner Securitate im Hinterkopf hat, wächst sich das zu einem menschlichen Albtraum aus.


Filmkritik zu Once - 12.05.2010 11:42

’Once’ ist eine nette CD, für den, der auf akustischem, romantischem Gitarrensound steht. Die Songs werden in voller Länge hintereinander abgespielt. Nicht schlecht, aber in der Anlage ähnlich. Aber es sollte doch ein Film sein!? Wie in vielen Musikfilmen ist auch hier die Handlung äußerst dürftig. Sie: verheiratete Mutter und Immigrantin, er wohnt und arbeitet mit 40 noch bei Vatern. Und außer wenn sich die beiden Hauptfiguren musikalisch äußern, versprühen sie den Charme eines offenen Eisschrankes. Es liegt keineswegs am fehlenden Happy End. Die Figuren sind einfach unscharf, weil zu oberflächlich gezeichnet. Sie sind nur auf Musik fixiert und die kommt so flatterhaft unkompliziert daher, dass man den Eindruck bekommt, am Anfang steht bereits der perfekte Song. Man braucht sich nicht zu plagen, alles fliegt einem nur so zu. So einfach ist das. Wie gesagt, wer den Sound mag, soll sich die CD kaufen. Als Film ist ’Once’ eine Katastrophe. Und als verfilmtes Musical auch nicht ganz echt. Auf gar keinen Fall ist es ein Drama!


Filmkritik zu Battle In Heaven - 28.04.2010 13:53

Eine Schlacht im Himmel ist es nicht, eher eine auf der Matratze. Oder soll die Matratze der Himmel sein? Das worum es eigentlich geht: eine Kindesentführung sieht man nicht. Lange Kameraeinstellungen, äußerst knappe Dialoge, bewusst ausdruckslos agierende recht korpulente Schauspieler und verwirrende Schnitte könnten zum wegzappen verleiten. Doch dann sieht man völlig unerwartet immer wieder viel nackte Haut und Sex, Frontalansichten der Genitalien beiderlei Geschlechts in Ruhestellung und nach GV. Die karge Handlung lässt viel Spielraum für Interpretationen: ist das Problem der Moloch Großstadt, der Menschen zu solchen Taten treibt? Ist der Sex bzw. die Promiskuität die einzige Erfüllung im Leben? Sind tiefe Religiosität und Kriminalität keine unvereinbaren Gegensätze? Eine Antwort gibt der Film nicht. Er beginnt und endet ohne Kommentar mit einem ausgedehnten Blowjob.


Filmkritik zu The Door in the Floor - 17.04.2010 15:55

Ohne den Titel des Originals „Die Tür im Fußboden“ versteht man die letzte Einstellung nicht. Damit wird der Symbolik aber mehr als ausreichend Tribut gezollt. Der Film stellt nur einen Teil des Romans von John Irving „Witwe für ein Jahr“ dar und muss folglich stark vereinfachen. Es zieht sich aber alles ganz schön in die Länge und man fragt sich nach dem Kern: Unglücklich Verheiratete (Kim Basinger) verführt College Boy - also eine Dreiecksgeschichte oder wie verarbeiten die beiden Eltern jeweils ein traumatisches Ereignis? Es sieht so aus als würde beides mit einander zusammenhängen. Zumindest kann man bei genauerem Hinsehen und mit viel Fantasie die unterschiedliche Trauerarbeit in einer kaputten Ehe ausmachen. Jeff Bridges - „eingebildet wie ein undichtes Kondom“(John Irving) gibt als Ehemann den egozentrischen Künstler. Auch die unfreiwillige Komik in der zweiten Hälfte, kann das Gähnen nicht verhindern. Der Versuch der tiefenpsychologischen Durchleuchtung ist nicht ganz geglückt.


Filmkritik zu Der Date Profi - 11.04.2010 12:54

Der Originaltitel ist etwas aussagekräftiger: ’Eine Schule für Schurken’, denn das Ziel der Ausbildung ist es, ein rücksichtsloser, egoistischer Macho zu werden, dem in Zukunft alles gelingt, weil er sich alles einfach nimmt. Dass es dazu etwas fragwürdiger Methoden bedarf, ist klar und manche Episoden sind auch etwas an den Haaren herbeigezogen. Man ahnt den Fake schon bald (erinnert sich an ähnliche Spielchen aus anderen Filmen), auch das Ende der Love Story. Trotzdem ist es mittelprächtige Unterhaltung, die im Abspann noch zur Höchstform aufläuft und schmunzelnd den ironischen Zeigefinger hebt.


Filmkritik zu Angel - Ein Leben wie im Traum - 06.04.2010 17:16

Es ist schon ein heftiger Kostümschinken. Dabei sollte es doch um den Aufstieg und Niedergang einer Trivialschriftstellerin (Romola Garai) gehen, die aus bescheidenen Verhältnissen kommt und sich in einen nicht anerkannten Maler quasi als Antipode verliebt, der sie später betrügt. Viele Themen werden angesprochen: die Weltkriegsproblematik: Held oder Pazifist. Macht der Wohlstand satt und träge? Kann man Glück kaufen oder es wenigstens festhalten? Ein außereheliches Kind taucht auf. Krankheit und Selbstmord lassen sich nicht verhindern, ebenso wenig wie Einsamkeit. Alles bleibt letztlich doch an der Oberfläche der monomentalen Ausstattung hängen und hinterlässt einen herben Geschmack. Man pilchert von Event zu Event. Immerhin war ja ganz schön was los in diesem tristen Leben in einem Dornröschen-Schloss, das ’Paradies’ heißt. Vielleicht leben ja Schriftsteller so abgehoben von der Realität, leiden am schuldlos selbstverschuldeten Unglück.


Filmkritik zu Die Teuflischen - 06.04.2010 11:04

Der Zuschauer sieht den Mord von der Vorbereitung bis zur Ausführung und die Spannung bleibt. Erst besteht sie weiterhin wegen der beiden unterschiedlichen Frauen (toll die Signoret und die Clouzot). Mal zögert die eine, mal droht die andere das Ganze abzubrechen. Eine krank und schwächlich, die andere robust und willensstark. Mit dem Auftauchen des alten, äußerst liebenswerten Kommissars entsteht ein neues Spannungsgeflecht, bei dem man der Aufklärung entgegenzittert, weil man ahnt und immer mehr Gewissheit bekommt. Und dann am Ende die überraschende Wende, nachdem unsere Nerven aufreibend strapaziert worden waren mit quietschende Türen und raffiniertem Licht- und Schattenspiel. Diese Wende diente mehreren anderen Krimis als Vorlage: innerhalb eines Trios entsteht ein Mord und die beiden Übriggebliebenen werden aus Gegenspielern zu Verbündeten, die ein abgekartetes Spiel geplant hatten.


Filmkritik zu Rückkehr der Störche - 02.04.2010 13:07

Die Doppelbedeutung des Titels wirkt ein wenig aufgesetzt. Da genügen ein, zwei Sätze der Oma nicht, um ihre eigene Rückkehr mit der der Störche zu vergleichen. Und auch die Wahl dieses mit viel Aberglauben umgebenen Tieres macht zwar neugierig, wird aber rasch enttäuscht. Außerdem gelingt es nicht, irgendeinen Tiefgang zu erreichen. Man kann das Bemühen des Regisseurs zwar spüren; aber es bleibt beim Versuch. Die Handlung streicht so an der Oberfläche entlang, die Figuren bleiben blass und was so als Pseudo-Roadmovie daherkommt kann letztendlich nicht überzeugen. Man hat da eine ganze Menge hineingestopft, was unausgegoren dargeboten wird: Flüchtlinge, Selbstfindung, Liebe, mal ein Leben lang mal im Wechsel, selbst die Mafia wird bemüht. Aber das Schlimmste ist das verquaste Happy End, das weder Zuschauer noch Akteure zufrieden stellt. Mit dem Ende hätte man sich die ganze Action ohnehin sparen können.


Filmkritik zu Blood Diamond - 30.03.2010 12:09

Edward Zwick hat ein ganz passables Drama über Blutdiamanten und Kindersoldaten abgeliefert. Es kracht oft und lange in diesem Streifen und Leo rennt unbeschadet durch Explosionen und Feuergefechte, ohne vorerst! ernsthaft verletzt zu werden. Man sieht das Chaos in Afrika, spürt die permanente Unsicherheit und erfährt etwas über die vielen Parteien, die hier viel Geld verdienen. Die Botschaft des Films versucht die Realität wieder zu spiegeln : es wird immer so weiter gehen; daran lässt sich leider nichts ändern; die Kleinen bleiben auf der Strecke und die Großen machen sich nicht die Finger schmutzig, die sahnen nur kräftig ab. Und manche Kleine wie Leonardo di Caprio erliegen dann doch dem Trugschluss, sie seien die Größten. Ein insgesamt lohnender Blick auf Afrika, wenn auch durch die Hollywood-Brille etwas geschönt. Bis auf die überflüssige, herbe Love Story geht alles dann eigentlich doch viel zu glatt.


Filmkritik zu Vier Minuten - 26.03.2010 13:14

Es ist einer der besten deutschen Spielfilme der letzten Jahre. Mit zwei überragenden Hauptdarstellerinnen (Monica Bleibtreu, Hannah Herzsprung), die sich als Antipoden ergänzen und an einander reiben. Beide agieren auf Augenhöhe und beide leiden unter ihrer Vergangenheit. Mit ungeheuerer Vitalität und Lebenskraft tritt die eine auf, die mit ihrer brachialen Gewalt auch vor Selbstverstümmelung nicht Halt macht. Die andere kommt mit dem preußischen Ideal von Zucht und Ordnung daher. Ihre raue Schale offenbart schon bald den weichen Kern. Dabei geht es aber doch eigentlich um Musik! Das Geniale ist aber nicht nur der schlichte Titel, der nur dem etwas sagt, der den Film gesehen hat, sondern die zweite Ebene, die bis in die NS Vergangenheit zurückreicht. Und drittens gibt es so ganz nebenbei eine kritische Schilderung der Zustände in Strafvollzug. . Und dann das furiose Finale! So eine Musik hat man so bisher noch nie gehört. Und - das ist bei diesem ernsten Thema wirklich erstaunlich - es gibt komische Szenen zum Lachen Chris Kraus hat seiner Klavierlehrerin mehr als nur ein Denkmal gesetzt. Geschliffene Dialoge treffen oft ins Schwarze, wie z. B. bei der Begegnung vor dem entscheidenden Konzertauftritt: Vater: „Ich wünsche dir viel Glück Jenny.“ Jenny: „Ich wünsche, dass du bald stirbst.“ Die Ausdruckskraft überwältigt und die emotionale Tiefe schafft Ergriffenheit bis an den Rand der Taschentuchbox.


Filmkritik zu Das perfekte Verbrechen - 16.03.2010 13:01

Das Gesicht von Anthony Hopkins beherrscht die Szene von Anfang an. Er kann so einmalig freundlich und zugleich gefährlich dreinblicken. Außerdem ist das Interessante an diesem Film noch die Story: der Zuschauer kennt Mörder und Opfer. Man fragt sich nur, wie man es juristisch wasserdicht beweisen kann. Und dann halten noch unvorhersehbare Wendungen die Spannung hoch. Aber auch einige aus der Logik herausbrechende Nebenhandlungen schaffen Verwirrung. Und auch die Figur der äußerst attraktiven Rosamund Pike ist lediglich nur schmückendes Beiwerk. Letztlich ist es eine Auseinandersetzung zwischen einem jungen, ehrgeizigen Aufsteiger der Jurisprudenz (Ryan Gosling) und einem alten, genialen, wohlsituierten, hintergangenen Ehemann. Der Originaltitel ’Bruch’ bezieht sich wohl auf die Ehe der ungleichen Partner. Wir bleiben aber weiterhin auf der Suche nach dem perfekten Mord.


Filmkritik zu Der Mann ohne Vergangenheit - 12.03.2010 20:46

Nach dem Gedächtnisverlust wird die Suche nach seinem früheren Leben teils komisch, teils sonderbar geschildert. Zufälle wechseln sich ab mit überraschenden Wendungen. Skurrile Typen kreuzen seinen Weg. Und immer agieren die Figuren in stoischer, emotionsloser Unnatürlichkeit, steif wie Wesen von einem anderen Stern. Da gibt es kein Lächeln, keinen Freudenschrei. Man trifft sich, gibt sich die Hand, redet kurz mit einander und geht wieder seiner Wege. Der Zuschauer kann sich voll und ganz auf Handlung und Dialoge konzentrieren, er wird durch nichts abgelenkt. Diese Darstellungsweise macht wohl der Kultstatus von Kaurismäki aus. Wenn man sich darauf einlässt, kommt ein Gewöhnungsprozess in Gang, der dann auch den latenten, subtilen, herben Charme des finnischen Films zu Tage fördert, der sogar ein Happy End zulässt. Das nur angedeutet wird und durch einen durchs Bild rollenden Güterzug aus unserem Blickfeld entschwindet.


Filmkritik zu Idiocracy - 07.03.2010 18:52

Ein Blick in die Zukunft zeigt wie der Titel verheißt die ’Herrschaft der Idioten’. Mit leichter Hand inszeniert, kommt dieser Science Fiction Streifen locker flockig daher. Nicht nur wegen der Sprache der Zielgruppe („Voll geil eh!“)sollte, deren Interesse geweckt werden und könnte als Warnung verstanden werden. Wenn die McDonaldisation weiter voran schreitet, das Lesen völlig vernachlässig wird und man anstatt zu lernen nur noch vor der Glotze sitzt, dann könnte es soweit kommen. Das Lachen bleibt uns dann doch im Hals stecken, wenn wir eine Welt sehen, in der nur noch völlig verblödete Zeitgenossen leben. Total manipuliert von prollähnlichen Kraftmeiern. Grundlegendes, einfachstes Wissen ist abhanden gekommen, wie zum Beispiel, dass Pflanzen Wasser brauchen. Leider ist manches von den Details gar nicht so fern, sondern bereits heute wahrzunehmen. Es ist nicht nur eine Auforderung die Geburtenrate in die Höhe zu treiben, sondern auch das Wissen zu steigern.


Filmkritik zu Der stille Amerikaner - 06.03.2010 19:07

Handwerklich äußerst solide gemacht gelingt es Phillip Noyce ganz langsam aus zwei verschiedenen Richtungen Spannung aufzubauen. Der parallele Handlungsverlauf einer Liebesgeschichte und der verdeckten, stillen, amerikanischen Einmischung am Ende des französischen Indochina-Krieges ergänzen und bedingen sich in den Beziehungen gegenseitig. Der Dreier funktioniert aber nicht. Der eine Mann kann nicht so wie er will und der andere ist, wie man gleich zu Anfang erfährt, tot. Michael Caine hätte jeden Grund, den Nebenbuhler umzubringen, aber sein Verhalten, eine Mischung aus Sarkasmus und geheuchelter Freundlichkeit, weckt Interesse. So geheimnisvoll wie er, schaut sonst keiner. Es ist ein etwas anderer Vietnam-Film. Hier steht die Liebe im Mittelpunkt. Der politische Hintergrund bleibt etwas verschwommen und somit unverständlich. Scheint wohl unwichtig zu sein.


Filmkritik zu Nacktschnecken - 03.03.2010 13:06

Wer einen Porno erwartet, wird von dieser Farce enttäuscht und die sollte dann aber wenigstens unterhaltsam bis amüsant sein. Doch für eine Farce ist der Film nicht skurril genug. Lediglich das Ende - als die Luft so langsam raus war - geht in diese Richtung. Mit den zwei Trotteln, die sich an einem Pornofilm versuchen, hätte man auch eine echte Blödelcomedy machen können. Doch dazu fehlt’s an echter Komik. Bei jeder Besprechung sah man ein Foto von der gut gestückten Mara mit dem durchsichtigen Top. Im Film selbst sieht man davon recht wenig. Ein optischer Aufheller also wie der Titel? Der Versuch, das Niveau zu heben mit Kunstsätzen wie „Wir sollten uns mit Alkohol geparden.“ Wirkt etwas aufgesetzt, ebenso wie das kurze Auftauchen des besagten Tieres. Immerhin gab es Unterstützung durch kurze Gastauftritte von zwei Promis, die aber letztlich auch wenig reißen. Detlef Buck bemüht sich wenigstens. Vielleicht ist es nur etwas für ausgesprochene Fans der Austro-Komik (inklusive Dialekt!).


Filmkritik zu Die Jahreszeit des Glücks - 02.03.2010 11:36

Leben in der Platte Eine herbe Sozialstudie über das Präkariat. Gut gecastete Schauspieler transportieren äußerst glaubwürdig solche Entscheidungen wie Wegziehen in die schöne neue Welt oder lieber in der alten etwas schmuddeligen bleiben. Einem Luftikus in eine unsichere Zukunft folgen oder bei einem schüchternen aber liebenswerten Aussteiger die gemeinsame Zukunft gestalten. Phänomene wie nachbarschaftliche Solidarität werden bis in ihre fast nicht mehr nachvollziehbaren Grenzbereiche gezeigt und kreieren dennoch das bekannte ’Wir-sind-doch-eine-Familie’ Gefühl. Im Titel scheint das Wort ’Glück’ wohl ironisch gemeint zu sein, denn es geht hier eher um die Abwesenheit desselben. Bestenfalls sind die Figuren auf der Suche nach dem Glück. Eine zweit Lesart wäre: das Glück ist nur eine vorübergehende Erscheinung wie die vier Jahreszeiten. Und der bewusst offen gehaltene Schluss lässt Raum für Spekulationen und die könnten sogar eventuell hoffnungsvoll sein. Zu Recht preisgekrönt.


Filmkritik zu Kirschblüten - Hanami - 26.02.2010 17:22

Ein sehr emotionaler Film über die grosse Liebe und die vielen verpassten Gelegenheiten, das während der gemeinsamen Zeit auch rüberzubringen. Stellenweise kann man schon zum Taschentuch greifen, was wir vor allem Elmar Wepper zu verdanken haben, den wir hier wohl in seiner besten Rolle erleben. Aber die Tränendrüsen stellen ihre Funktion sofort ein, wenn seine Kinder ins Bild kommen. Ihr Verhalten gegenüber dem Vater - der bestimmt kein Bilderbuch-Pappi war - ist treffsicher beobachtet und trifft mehr als man denkt den Nagel genau da, wo’s weh tut. „Ich kenn’ ihn nicht“, sagt er über seinen Sohn „und er kennt mich auch nicht.“ Die Funkstille zwischen den Generationen ist ohrenbetäubend. Hilflosigkeit und auch Wehmut machen sich breit. Und es wird spürbar, dass eigentlich alle Beteiligten darunter leiden. Da scheint die Flucht in eine metaphysische Transzendenz vielleicht eine Lösungsmöglichkeit für den Trauernden zu sein.


Filmkritik zu Wächter der Nacht - 20.02.2010 14:00

Es ist ein intelligenter, technisch recht aufwendig gemachter Fantasy-Streifen mit Anleihen aus der Vampirszene. Es wird mit dem ganzen virtuellen und digitalisierten Schnickschnack des Genres gearbeitet und mit schnellen Schnitten Tempo gemacht. Man sieht dem Film das Herkunftsland Russland wirklich nicht an. Er kann mit jeder Hollywood-Produktion mithalten - bisweilen übertrifft er noch manches Erzeugnis aus der Traumfabrik. Hier ist noch Platz für ein Märchen, das mit dem Daumenkino erzählt wird, auch für gut in die Handlung eingepasste Killerspiele und hin und wieder lassen Einblicke in den sowjetischen Alltag sogar komische Szenen zu. Und für diejenigen, denen der ewige Kampf zwischen Gut und Böse doch zu flott daherkam, wird am Ende alles nochmals protokollmäßig zusammenfassend wiederholt.


Filmkritik zu Robert Altman's Last Radio Show - 17.02.2010 17:28

In seinem letzten Film hat Robert Altman einer Institution der 30er Jahre im angelsächsischen Raum ein Denkmal gesetzt: einer Musik Show, von Werbung gesponsert, die live im Radio übertragen wurde. Es tut das mit sehr viel Witz und Atmosphäre und einem Ensemble voller Hollywood Stars. Sein genialer Einfall dabei ist, Virginia Madsen als Todesengel durch den Film laufen zu lassen, quasi als Untote Tote. Erst wundert man sich darüber, dann versteht man es und schließlich gefällt einem die Figur. Wer Country und Western Songs mag, kommt hier musikalisch voll auf seine Kosten und hat Gelegenheit Meryl Streep mal singen zu hören. Obwohl das Ende eigentlich kein Grund zur Freude ist, kommt keine Wehmut auf. Irgendwie wird es schon weiter gehen…


Filmkritik zu Tage und Wolken - 15.02.2010 16:37

Was für ein lyrischer Titel für ein ernstes Thema unserer Zeit. Die Arbeitslosigkeit führt eine gut situierte Familie an den unteren Teil der sozialen Leiter. Trotz massiver akustischer und physischer Auseinandersetzung bleibt der Grundtenor doch irgendwie positiv. Man nimmt dem Ehepaar die scherwiegende Problematik der Abwärtsmobilität nicht so recht ab - vielleicht weil stets viel zu schnell Hoffnung auf bessere Zeiten in Sicht ist. Möglicherweise will Soldini betonen, dass Frauen bei der Jobsuche flexibler sind als Männer und von daher eher einsetzbar, möglicherweise will er die Betroffenen ermuntern nicht aufzugeben. Auf alle Fälle zeigt er nicht die pickelharte Realität, wenn man von oben ganz plötzlich in Hartz IV landet. Er zieht eine Puderzucker-Lösung vor, in der man sich händchenhaltend den Neuanfang verspricht. Für die, die es wirklich betrifft ist es weder lustig noch interessant und für die anderen ebenso.


Filmkritik zu Im Reich der Sinne - 12.02.2010 13:45

Was in den 70er Jahren als Porno galt, der verboten wurde, schockiert uns vielleicht heute immer noch wegen der gewagten Kameraeinstellungen im Genitalbereich. Doch jetzt fokussieren wir unsere Aufmerksamkeit mehr auf das intellektuelle Konstrukt von Nagisa Oshima. Er beschreibt die Entwicklung einer sexuellen Obsession. Die Schreie der Lust werden immer mehr von den Schreien der Schmerzen überdeckt. Gewalttätigkeit kommt hinzu. Logischerweise kann dann die letzte und höchste Lust erst bei gleichzeitig eintretendem Tod empfunden werden. Die Frage, die man sich dabei allerdings stellen kann, ist die: Überwiegt nicht der natürliche Überlebenswille des Menschen gegenüber dem Wunsch nach ultimativem Lustgewinn. Oshima gibt eine fürchterlich blutrünstige Antwort, obwohl er sie kurz davor noch durch einen Verfremdungseffekt abmildert. Egal, was man von dem gewagten Kunstwerk hält, unbestritten sind seine optischen Qualitäten.


Filmkritik zu The Glass House - 11.02.2010 19:05

Was sich in der doppelten Bedeutung des Titels bereits ankündigt, wird dann konsequent durch einen zweigleisigen Handlungsverlauf weitergeführt. Ort des dramatischen Krimis ist das meistens aus Glas bestehende Haus der Familie Glass. Und es gibt neben dem üblichen Terror der bösen, geldgierigen Pflegeeltern, die auch noch Drogen nehmen und Saufen, noch einen weiteren Handlungsstrang mit mafiaähnlichen Kredithaien. Das alles zusammen ergibt einen superspannenden Krimi, in dem die Hauptdarsteller restlos überzeugen. Das emotionslose Gesicht von Leelee - Jeanne d’Arc - Sobieski beherrscht die Szene. Vor allem der langsame Aufbau der Spannung, in dem hinter einer anfangs freundlichen Maske immer mehr das Böse durchschimmert und das suspensemässig hinausgezögerte Ende der Story hinterlassen einen bleibenden Eindruck, der auch noch von der durchgängig gestylten Optik untermauert wird.


Filmkritik zu Alphaville - 09.02.2010 16:33

Es ist schon genial, mit welch raffinierten, visionären Facetten Godard eine Welt beschreibt, die vom Computer Alpha 60 beherrscht wird. Die Bewohner unterscheiden sich von der Außenwelt durch ihren Wortschatz. Statt „Hallo!“ oder „Tschüss!“ sagen sie „Es geht mir gut. Bitte, Danke.“ Bezeichnenderweise fehlen ihrem Vokabular Worte wie ’Liebe, Gewissen oder Gefühl’. Es ist verboten das Wort ’warum?’ zu benutzen und ihre Gesten passen nicht zu ihren Worten: man nickt, wenn man ’Nein’ sagt und zur Bejahung schüttelt man den Kopf. Natürlich bekommt am Ende der Held die Schöne (Anna Karina), aber erst nachdem sie das erlösende ’Ich liebe dich’ gehaucht hat. Manches ist heute nach über 40 Jahren etwas gewöhnungsbedürftig. Und echte Negativbilder, wie hier, sieht man im Film nicht allzu oft. Auch wenn Lemmy Caution mal rumballert und sich prügelt - aber nur kurz - so wird doch mehr Wert auf die Darstellung des Lebens in einer futuristischen, totalitären Welt gelegt.


Filmkritik zu Der Sohn - 05.02.2010 16:23

Es passiert fast nichts in diesem Film, was äußerlich sichtbar ist, denn das eigentliche Drama spielt sich im Innern der Hauptfigur (Olivier Gourmet) ab. Lange Einstellungen, weitgehend ohne Worte dafür vielsagende, tastende Blicke und die Kamera sitzt dabei Olivier meistens fast im Nacken. Das Ganze spielt in einer nasskalten, unfreundlichen Umgebung. Es ist ein Versuch die innere Auseinandersetzung zwischen Vergeltung und Verzeihen sichtbar zu machen. Erst ganz allmählich wird in den wenigen, wortkargen Dialogen das zurückliegende Ereignis offenbart: der Vater, ein Ausbilder für Schreiner, trifft auf einen Azubi, der seinen Sohn ermordet hat. Als alles gesagt ist, kommt der Vater in eine Position, die der seines mordenden Lehrlings damals bei dem Verbrechen ähnelt. Und die Dardenne-Brüder finden eine Antwort auf die Frage nach Rache ja oder nein.


Filmkritik zu Zodiac - Die Spur des Killers - 02.02.2010 11:24

Noch ein Zodiac-Film und dann ist er auch noch zweieinhalb Stunden lang! Diesmal ist David Fincher unterwegs die Luft ausgegangen. Das Drehbuch hat auch einige Macken: man fragt sich, wer ermittelt hier wirklich: Polizisten oder Journalisten? Und dann springt auch noch Robert Downey jr. ganz ab und wir stehen im Regen. Wir werden mit Schnipseldetails der Ermittlung überhäuft bis zum Abwinken. Gegen Ende kommt dann noch so ein ’Schweigen-der-Lämmer’-Feeling im Keller eines Verdächtigen auf, was die Spannung wieder etwas anheizt und dann erfahren wir im Nachspann Ernüchterndes. Wir haben uns vergebens bemüht zu folgen. Und interessiert es dann wirklich noch, was den einzelnen Ermittlern danach privat passiert ist? Dienst frustriert quittiert, zu Tode gesoffen, Ehe gescheitert etc. Ist zwar tragisch, bringt aber letztlich wenig. Wie der deutsche Untertitel besagt: es ist nur ’Die Spur des Killers’ und die führt ins Nichts.


Filmkritik zu Ein Geheimnis - 28.01.2010 19:36

Es ist eine weitere, wahre Geschichte vom Überleben der Franzosen im von den Deutschen besetzten Land. Wieder geht es um Repressalien gegen die Juden und um die Frage: sich anpassen, fliehen oder negieren. Doch die Art und Weise, wie Claude Miller diese Geschichte erzählt, ist schon bemerkenswert. Er schildert die ungewöhnliche Liebesgeschichte zweier jüdischer Sportskanonen aus der Perspektive ihres neugierigen Sohnes. Hierbei spielt die Frage, ob ein Jude auch einer sein will, eine nicht ganz unbedeutende Rolle. Geschickt werden in verschiedenen Farben die Zeitebenen gewechselt und das Geheimnis, obwohl schon lange vorher zu erahnen, erst ganz am Ende gelüftet. Aber diese Hinführung zur Aufklärung ist einfach gut gemacht. Leider mündet die erstaunliche Story in einen Dokumentarfilm, was völlig überflüssig ist. Die Authentizität belegt ein Hinweis im Vorspann hinreichend. Somit entzaubert sich der Film im Dienste der historischen Wahrheit am Ende selber.


Filmkritik zu Liam - 26.01.2010 21:50

Obwohl Stephen Frears die Geschichte hauptsächlich aus der Sicht des kleinen Liam erzählt, der vom Religionsunterricht terrorisiert wird und das Elend seiner Familie nur hilflos mit ansehen kann, ist der Weg seines Vaters aus der Arbeitslosigkeit zur faschistischen Partei Englands wohl das eigentliche Anliegen des Films. Für uns interessant wie vor dem zweiten Weltkrieg auch auf der Insel Antisemitismus und hier lokal bedingt der Hass auf die Iren eine Rolle spielen. Mit viel Sympathie für alle seine Figuren und atmosphärisch genau getroffen schafft er ein beeindruckendes Bild der Arbeiterklasse jener Zeit. Da die hier herrschende Armut von der Kirche als Autorität noch ausgenutzt wird, erscheint der Faschismus als Lösung aller Probleme. Frears führt die verschiedenen Handlungsstränge so zu einem spannenden Finale, dass sich die Frage von Schuld und Sühne aufzudrängen scheint. Und nach dem Feuer schweigen alle Personen, nur Liam versucht zu trösten.


Filmkritik zu Ein Mann sieht rosa - 26.01.2010 18:32

Ein herrlicher Filmspass, voll guter Gags, überzeugender Schauspieler und einer amüsanten Handlung, in der besonders Gérard Depardieu als Schwulenversteher, der eigentlich ein Macho ist, die meisten Lacher bekommt. Im Mittelpunkt steht eigentlich Daniel Auteuil, der lieber einen auf schwul macht, als arbeitslos zu werden. Mit leichter Hand inszeniert kommt keine Langeweile auf, weil die Ereignisse sich an der Realität orientieren: so könnte es sein, wenn man die Psychologie der Werksleitung konsequent ins Kalkül zieht. Hier muss man sich vor Diskriminierung oder sexueller Belästigung hüten, vor Mobbing oder lediglich Späßen der Kollegen. Und wenn man das erst einmal durchschaut, kann man auch Nutzen daraus ziehen. Man verfolgt bis zum letzten Gag das nette Ende dieser gut gemachten Mordsgaudi, bei der man lacht, ohne sich auf die Schenkel zu klopfen.


Filmkritik zu Mein bester Freund - 25.01.2010 12:42

Patrice Leconte kann aus einer Idee einen ganzen Film machen. Die präsentiert er dann wie hier recht stimmungsvoll mit Witz und Charme und einem überzeugenden Hauptdarsteller Daniel Auteuil. Kurzweiliger französischer Alltag mit Liebe zum Detail mit vielen kleinen Einblicken. Man meint, man ist dabei ein Teil der Handlung. Deswegen überrascht auch nichts, weil man ja das Leben kennt und Unvorhergesehenes mit einkalkuliert. Es macht Spaß zuzusehen, wie vorübergehende Rückschläge weggesteckt werden und es der zentralen Figur immer wieder gelingt, den Kopf über Wasser zu halten. Nicht ganz frei von Emotionen ohne darin zu ertrinken. Dabei beeindruckt besonders Daniel Auteuils ausdrucksstarkes Mienenspiel. Es redet quasi mit den Augen und man folgt seinem Blick bis man gefangen mitten im Geschehen steckt. Gut gemachte Unterhaltung, der die Suche nach einem echten Freund zu Grunde liegt.


Filmkritik zu Der menschliche Makel - 21.01.2010 19:53

Es ist nicht selbstverständlich, aus einem tollen Roman auch einen ausgezeichneten Film zu machen. Hier ist es allerdings dem Meister der Atmo und der beeindruckenden Bilder weißgott gelungen. Die beiden Hauptdarsteller Anthony Hopkins und Nicole Kidman sind umwerfend gut, vor allem weil beide weit weg von ihren sonstigen Rollen zu finden sind. Kidman als Proll-Putze fast zu zerbrechlich und Hopkins - hier mal sogar beim Sex - überzeugen dennoch durch ihr intensives Zusammenspiel. Es wird werkgetreu und voller Spannung erzählt in dieser wunderschönen Winterlandschaft. Daran hat auch der tolle Ed Harris seinen Anteil. So subtil und einfühlsam wurde das Rassenproblem selten erzählt. Es bleibt lange von der Love Story verdeckt und wird wie im richtigen Leben auch langezeit totgeschwiegen. Der Schocker am Ende kommt urplötzlich und erschreckend, obwohl ganz unspektakulär. Ein sehenswerter Film.


Filmkritik zu Eine Italienische Hochzeit - 10.01.2010 00:15

Eine wunderschöne Romanze. Wir erleben der Anfang dieser zweigleisigen Liebesgeschichte mit und ahnen das Happy End. Somit kann man sich voll den Emotionen hingeben und die Story genießen: mit dem nicht so hübschen, schüchternen jungen Mann mitleiden (schauspielerisch hervorragend Giovanni Ribisi) und die Oberflächlichkeit des gutaussehenden Bruders erfahren, herrliche Bilder, jede Menge nette Italiener, die nach Australien ausgewandert sind und die schöne Rosetta (Amelia Warner) bewundern. Aber es gibt auch gute Einblendungen als Träume oder als Lesevergnügen verpackt. Ein Film für Tage, an denen es einem nicht so gut geht.


Filmkritik zu 25 Stunden - 09.01.2010 15:18

Der Titel bezieht sich auf die Zeit zwischen der Verurteilung und dem Antritt der Haftstrafe. Ein wie immer überzeugend souveräner Edward Norton (Monty) verabschiedet sich von seinem bisherigen Leben und bringt noch einiges zuvor in Ordnung. Typisch für Spike Lee sind die präzise gezeichneten Charaktere, wie der Kommissar - hier mal einer mit Ironie - oder Montys irischer Kumpel, der sich Vorwürfe macht, seiner Freundesrolle nicht gerecht geworden zu sein. Er hätte das Abgleiten in den kriminellen Sumpf eigentlich verhindern müssen. Beides und das eigenwillige Ende machen den Unterschied zum Mainstream aus: Lee spielt mit dem Gedanken, ob man sich nicht der Haftstrafe durch Flucht entziehen sollte. Eine Idee, die gar nicht mal so abwegig wäre. Das bietet beim Abspann Gelegenheit zur Diskussion, nachdem man sich zuvor aber darüber verständigt hat, ob Monty nun hat oder nicht… P.S. Das Original heißt 'die 25. Stunde'. Das wäre dann wohl die letzte bevor man in den Knast einfährt oder eine zusätzliche nach einem Tag, in der man sich verdrückt.


Filmkritik zu Nach der Hochzeit - 06.01.2010 13:45

Nach der Hochzeit der Kinder, die sich als Schuss in den Ofen entpuppt, wird eine Lawine losgetreten, die alles, was bisher unter den Teppich gekehrt worden ist, aufdeckt. Alle Leichen im Keller der Beziehungen werden als Licht gezerrt. Am Anfang steht eine missglückte Beziehung mit Folgen. Was dann folgt, ist eine sehr komplexe Schilderung der menschlichen Verantwortlichkeiten dafür. Die Dialoge und Reaktionen der Figuren sind absolut überzeugend und bewegen sich in einem Netz aus unerfüllter oder wieder möglicher Liebe, finanzieller Wiedergutmachung, verletztem Stolz und charakterlicher Weiterentwicklung zum Besseren hin. Beeindruckend erzählt, kommt keine Depression auf, denn in jeder Krise steckt auch eine Chance, die von den Betroffenen ergriffen wird…


Filmkritik zu Lady Chatterley (Director's Cut) - 01.01.2010 12:55

Die beste weil werkgetreueste Lawrence-Verfilmung, die es bisher gibt - zu Recht mehrfach césarprämiert. Mit großer optischer und sinnlicher Intensität und viel Einfühlungsvermögen werden die drei Grundintentionen der literarischen Vorlage sehr gut in Szene gesetzt: die sexuelle Befreiung der Frau in den zwanziger Jahren, dann die Überwindung der gesellschaftlichen Standesunterschiede und die generelle Stellung von Mann und Frau zueinander. Regisseurin Pascale Ferran gibt ihrer französischen Fassung den Titel Lady Chatterley und der Mann aus den Wäldern. Das ist der Grundkonflikt. Man sollte aber auch die lawrencesche Betonung des gesunden Lebens in der Natur nicht übersehen. Dazu gehört halt auch eine natürliche Sexualität. Die Atmo spiegelt die des Romans sehr genau wieder, das Ambiente passt und die Sexszenen werden - im Gegensatz zu mach anderem Machwerk - mit wunderbarer Leichtigkeit dargestellt. Das liegt zum Teil auch an den beiden weitgehend unbekannten Protagonisten Marina Hands und Jean-Louis Coulloc’h. Der Zuschauer wird nie zum Voyeur, eher genussreich ins Geschehen mit hineingezogen und nach dem abschließenden, längeren Dialog zum Weiterdenken angeregt.


Filmkritik zu Merry Christmas - 25.12.2009 20:25

Egal ob die Verbrüderung am Heiligen Abend an der Front im 1. Weltkrieg so oder so ähnlich stattgefunden hat oder nicht. Mit oder ohne Fußballländerspiel. Man kann es auch als Fabel verstehen. Musik wirkt friedensstiftend und die eingebaute Liebesgeschichte lässt das Thermometer bei hartem Frost in die Höhe schnellen. Doch manchmal sind die Dialoge etwas hölzern, weil hier die üblichen Antikriegsthesen abgearbeitet werden. Dann bleiben die Gespräche an der Oberfläche und betreffen all zu Offensichtliches. Auffallend die machterhaltende Rolle der Kirche im Krieg. Der Film spielt mit den Emotionen der Zuschauer, greift Bauch und Herz an und kurz bevor er im Kitsch ertrinkt, kriegt er noch die Kurve der Ernüchterung die besagt ’ach so schön kann es doch nicht gewesen sein’. Trotzalledem ein echter Weihnachts- und Antikriegsfilm, in dem deutlich wird, dass nur der kleine Mann den Kopf hinhalten muss und der hat eigentlich nichts gegen den angeblichen Feind im Felde.


Filmkritik zu Closing the Ring - Geheimnis der Vergangenheit - 23.12.2009 23:31

Richard Attenborough erzählt eine Geschichte, die vom zweiten Weltkrieg bis in die Jetzt-Zeit reicht und in der auch noch die IRA ihre blutige Rolle spielt. Eine Liebesgeschichte steht im Mittelpunk, die recht anrührend ist - nicht nur wegen Shirley MacLaine und Christopher Plummer. Die Art, wie sie erzählt wird, erzeugt sogar ein gewisses Maß an Zuschauerinteresse, bis wir letztendlich über die wahren Umstände der lebenslang verhinderten Trauer aufgeklärt werden. Die doppelte Symbolik des Originaltitels des wiedergefundenen Rings eines gefallenen Soldaten und die Assoziation, dass sich der Kreis (Ring) dann am Ende schließt, machen die Qualität des Films aus. Eines der menschlichen Dramen, deren Autoren Krieg und Zerstörung heißen.


Filmkritik zu Geliebte Jane - 20.12.2009 19:58

Vom üblen Mainstream der uns sonst aus den USA so herüberschwappt hebt sich diese Verfilmung schon wohltuend ab, aber es gelingt nicht an die große Klasse von ’Sinn und Sinnlichkeit’ oder ’Stolz und Vorurteil’ u.a. heranzukommen. Man schwimmt aber auf dieser Erfolgswelle. Irgendwie kommt einem die Story schon bekannt vor. Der Ton der deutschen Fassung, der von unverständlichem Nuscheln der Sprecher bis zum akustischen Anschlag auf das Trommelfell von der musikalischen Untermalung reicht, macht die Akzeptanz nicht leicht. Es entsteht keine Atmosphäre. Anne Hathaway in der Titelrolle versucht ihr Möglichstes. Zur Erregung von Interesse hätte man auch irgendeinen Namen einer bekannten Frau aus der Zeit einsetzen können; mit der Biographie von Jane Austen hat der Film wenig zu tun. Daran sollte man ihn nicht festmachen. Es ist ein harmloser, spannungsarmer Kostümschinken, den man sich aber schon mal antun kann, wenn man nichts Besseres zur Hand hat.


Filmkritik zu Die syrische Braut - 17.12.2009 23:37

Hier wird das Drama der Bewohner der Golan Höhen an einem Beispiel einer Hochzeit zwischen Vertretern beider Seiten ad absurdum geführt. Nachdem man die komplexen Familienverhältnisse und die Grenzsituation der Betroffenen verstanden hat, beginnt man nicht nur das ganze Ausmaß der Tragödie zu begreifen, sondern auch ihre menschenverachtende, administrative Sturheit, mit der jeder auf sein Recht pocht. Aber es gelingt dem Regisseur auch ironische Elemente einzubauen, die die Handlungsweise der Lächerlichkeit preisgeben. Ebenso finden sich subtile menschliche Beziehungen am Rande, die den Blick etwas weiten und zur Unterhaltung beitragen. Und dann gibt’s noch überraschenderweise eine ganz einfache Lösung, damit die Hochzeit doch stattfinden kann.


Filmkritik zu Ein perfekter Platz - 16.12.2009 14:46

Das Leben ist wie ein Zuschauerraum im Theater, in dem jeder versucht, den besten Platz zu bekommen. So formuliert ein Darsteller die Philosophie, die hier dahinter stecken könnte. Im Grunde ist es ein lockerer, flockiger Ausschnitt aus dem Alltag von Paris. Alle Figuren - oft Prominente - haben so ihre kleinen Problemchen und sind doch am Ende glücklich. Man kann sich das alles anschauen, so ganz ohne Anspruch auf Sinn. Ein netter Film, dem es auf die Dauer so ergeht wie dem Liebhaber von Streuselkuchen: jeden Tag das Leib- und Magengericht ist letztendlich dann doch fade und ermüdend. Der Anblick von Cécile de France hält einen am Bildschirm. Und die Rahmenhandlung mit der lieben Omi ist auch ganz nett.


Filmkritik zu Goyas Geister - 14.12.2009 20:39

Vom Titel her steht die geschundene und gequälte menschliche Kreatur im Mittelpunkt des Films. Deswegen sehen wir gleich in der Anfangszene viele Zeichnungen von Goya, die das veranschaulichen und werden außerdem in die Problematik der Inquisition mir ihrer hochnotpeinlichen Befragung, üblicherweise auch Folter genannt, eingeführt. Forman entwickelt einen prallen Bilderbogen der Gewalt, mit Anleihen an der Geschichte Europas um 1800. Teils um fiktive Figuren, teils um historische Größen herum entwickelt er seine dramatischen Bilder. Daneben bilden noch zwei Hauptfiguren das zentrale Trio: vor allem Natalie Portman- bis zur Unkenntlichkeit verhässlicht - beeindruckt in einer Doppelrolle, die die unendliche Fortsetzung des Elends darstellt, sowie Javier Bardem als zynischer Opportunist, der vom Priester zum Vergewaltiger mutiert und erst am Ende wegen seiner Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wird. Nie langweilig, ohne erhobenen Zeigefinger hinterfragt der Film Fanatismus und das Recht auf Glück im Wandel historischer Ereignisse. Historische Vorkenntnisse sind hilfreich


Filmkritik zu Solaris - 12.12.2009 23:26

Natürlich kriegt man den Vergleich zum Original von Tarkowkij nicht aus dem Kopf. Zwischen beiden Fassungen liegen genau dreißig Jahre. Das Remake setzt natürlich auf den ganzen technischen Schnickschnack und die Hauptdarsteller Clooney/McElhone. Aber das abstrakte Thema bleibt das gleiche. Die Erstfassung überzeugt in ihrer kruden Schlichtheit und technischen Rückständigkeit trotzdem, denn sie verdeutlicht das menschliche Problem etwas anschaulicher. Man muss sich nur die Mühe machen, die schier endlose Ausdehnung der Einstellungen mitzugehen. Wenn man dann noch den intellektuellen Anspruch nachvollziehen kann - quasi losgelöst von Zeit und Raum -erlebt man eine echte Space Odyssey.


Filmkritik zu Caché - 09.12.2009 18:10

Wie so oft zeigt uns Haneke ein intellektuelles Konstrukt, das Schockeffekte enthält. Es geht ihm dabei gar nicht so sehr um die Aufklärung der Hintergründe und Motive des oder der Täter, denn die letzte Szene sieht man nur aus der Ferne und kann die handelnden Figuren nur schlecht erkennen. Haneke führt uns lediglich eine etablierte Familie vor, bei der alles im grünen Bereich liegt und die plötzlich durch beobachtende Videoaufzeichnungen auf eine harte Probe gestellt wird. Misstrauen und Verdächtigungen kommen auf. Selbst die Kommunikation der Eltern (Juliette Binoche und Daniel Auteuil) gerät ins Stocken. Viele dunkle, kaum ausgeleuchtete Szenen verdeutlichen den Gemütszustand der beiden und schaffen eine bedrückende Atmosphäre, die eigentlich nur im dunklen Kinosaal richtig entstehen kann. Daher wird dem Publikum vom Regisseur nahegelegt, während der Vorführung den Saal nicht zu verlassen. Ist also eigentlich nichts fürs Fernsehen.


Filmkritik zu Operation: Kingdom - 08.12.2009 10:42

Die ersten 90 Prozent unterscheiden sich kaum von den üblichen muslimischen Terroristenverfolgungen aus den USA. Am Anfang und am Ende unterhält uns eine heftige Explosion, die dann noch durch eine wilde Ballerei mit vielen Toten getoppt wird. Erste Probleme zwischen den Special Agents aus den USA und den Saudis vor Ort lassen aufhorchen. Aber dann kommt ein langsamer von lyrischen, sedativen Gitarrenriffs untermalter Epilog, der nachdenklich stimmt, die Akteure noch mal in Zeitlupe vorbeimarschieren lässt - und man merkt, dass ihnen das Geschehen nochmals durch den Kopf geht. Anhand von wenigen Sätzen wird der Sinn/Unsinn der asymmetrischen Kriegführung verdeutlicht und auf deren Endlosigkeit verwiesen. Und da dies im Gegensatz zum bisher Gesehenen steht, wirkt es nach. Hier heiligt mal der Zweck die Mittel.


Filmkritik zu Hide & Seek - Du kannst dich nicht verstecken - 01.12.2009 15:12

Regisseur John Polson bemüht sich, Spannung aufzubauen. Und das gelingt ihm auch in gewisser Weise. Weil sich die Story und die Kamera aber auf Robert De Niro konzentrieren gerät dessen enthüllende Wandlung vom Paulus zum Saulus etwas unglaubwürdig. Wer sollte denn die ganzen grässlichen Morde sonst schon verübt haben? Doch nicht die kleine Emily!? Die schaut immer nur mit großen, rot-umränderten Augen in die Gegend. Daher verblüfft die Auflösung auch nicht besonders. Da wären viele kleine versteckte Hinweise hilfreich gewesen, die es aber nicht gibt. Es wird ein Popanz aufgebaut, bei dem die recht überzeugenden Schauspieler ihr bestes geben und so den Zuschauer am Bildschirm halten. Und der Gag mit dem unsichtbaren Charly ist auch nicht neu.


Filmkritik zu Das große Manöver - 23.11.2009 19:31

Heute nur schwer nachvollziehbar, welche gesellschaftlichen Zwänge die Erfüllung der Liebe verhindert hat. Auch das Werben um die Angebetete erscheint buchstäblich von einer Welt zu sein, die vor über hundert Jahren untergegangen ist. Man kann mit Interesse die Aktionen der beiden Hauptfiguren (Gérard Philipe und Michèle Morgan) verfolgen und den quicklebendigen Draufgänger neben der sinnlich dreinblickenden, immer mit Hang zum Leiden reagierenden Madame. Die Story hat nicht die soziale Schärfe der Verfilmung der Roth-Romane, auch wenn es ein Duell gibt und eine Nebenhandlung mit der putzigen Brigitte Bardot. Nur zwei- dreimal blitzt das Können des Regisseurs auf, der den Film wie so oft mit einem Nicht-Happyend ausklingen lässt. Etwas plüschige, angestaubte Gesellschaftsschmonzette.


Filmkritik zu Die Insel - 22.11.2009 12:39

Inhaltlich ist der Film so in der Nähe von ’1984’ und ’Schöne Neue Welt’ anzusiedeln. Trotz spektakulärer Actionszenen mit viel Feuerwerk zieht sich die Handlung etwas in die Länge: der erste Teil ist hi-tec-Schnickschnack, der zweite wird vom Richard-Cimble-Effekt dominiert. Die beiden Hauptdarsteller (Scarlett Johansson, Ewan McGregor)- eigentlich meine Favoriten der Leinwand - geben zwar wie immer ihr bestes. Man verzeiht ihnen auch die Unverletzlichkeit von Walt Disney-Figuren z. B. bei Abstürzen von Hochhäusern. Auch das zuckersüße Happy End ist vorhersehbar. Der Film ist halt etwas für Actionfreaks mit besonderer Vorliebe für Science Fiction.


Filmkritik zu Lilja 4-Ever - 19.11.2009 20:05

Ein trauriger Film, der in seiner dokumentarischen Schärfe echt an die Nieren geht. Es ist nicht nur die albtraumartige Trostlosigkeit der heruntergekommenen Plattenbauten, sondern die Perspektivlosigkeit der Jugend, die hier leben muss. Ein Versuch diesem Elend zu entkommen, scheitert kläglich, nachdem sich Lilja mit Prostitution, Schnüffeln und Schnaps eher schlecht als recht durchgeschlagen hat. Der Suizid erscheint als wahre Erlösung. Auch der Versuch das vorprogrammierte Ende etwas lyrisch-poetisch abzufedern (die Flügelchen sind zum Schmunzeln) verhindert nicht den nachhaltigen Eindruck dieses tragisch-dramatischen Jugendfilms. Und es ist nicht leicht, das menschliche Elend in diesem Ausmaß zu konfrontieren.


Filmkritik zu Vergiss mein nicht! - 16.11.2009 19:53

Es ist ein Versuch, die Erinnerung in unserem Gedächtnis zunächst einmal sichtbar zu machen. Hier wirbeln unvollständige Bildfolgen und erlebte Situationen wild durcheinander. Mit Zeitsprüngen vor und zurück wird im Verlauf der Handlung die eigentliche Jetzt-Zeit verwischt und auch die guten Schauspieler (besonders Kate Winslet und Jim Carrey (ganz im Ernst) können nicht immer beim Einnorden behilflich sein. Die Grundidee ist recht interessant: Erinnerungen wie Daten auf einer Festplatte zu löschen. Mittels einer zweiten nur angedeuteten Beziehung wird den beiden Liebenden ein Neuanfang ermöglicht. Werden gelöschte Erinnerungen reaktiviert oder soll und kann man letztendlich doch nicht vergessen? Der Originaltitel ’Ewiger Sonnenschein in einem makellosen Gehirn’ ist ebenso poetisch wie das deutsche Pendant.


Filmkritik zu Charade - 15.11.2009 13:07

Bereits die erste Szene ist richtungsweisend für den ganzen Film: aus der drohenden Pistole kommt ein Wasserstrahl. Es ist eine echte Krimi-Komödie, bei der beide Teile zu ihrem Recht kommen. Lustige Szenen (z.B. duschen im Anzug) lockern die Mordserie unter Gangstern auf. Es gelingt die Spannung bis zum verbalen Aufklärungs-Showdown hoch zu halten. Vor allem bei der ironischen Liebesgeschichte kommen die geistreich-witzigen Dialoge besonders zum Tragen. Der Zuschauer wird in diesem prominent besetzten Film sehr glaubwürdig, weil über weite Strecken, auf die falsche Spur gehetzt. Es ist wie der Titel verheißt ein Ratespiel, das mit vielen überraschenden Wendungen aufwartet und das nach über vierzig Jahren keineswegs verstaubt ist.


Filmkritik zu Der Husar auf dem Dach - 07.11.2009 15:27

Alles was einen guten Film ausmacht, ist hier vorhanden: Basierend auf einer Romanvorlage spielt der Film im revolutionären Frankreich des 19. Jahrhunderts und bietet so niveauvolle Unterhaltung; fast eine Art Roadmovie zur Zeit der Pest. Technisch ist er gekonnt in Szene gesetzt mit eindrucksvollen Bildern vor imposanter Alpenlandschaft (auch mit Schockern). Jede Menge Action wechselt mit ruhigen, gefühlvollen Einstellungen; immer passend unterlegt mit klassischer Musik. Ein Love Story ist in das Geschehen auch noch eingebettet, die einen bemerkenswerten irgendwie offenen Schluss hat. Die beiden Hauptdarsteller( Binoche und Martinez) sind äußerst überzeugend, sowie die vielen in kurzen Szenen auftretenden französischen Weltstars, die man hinter ihrer Maske kaum erkennt. Vor allem die Heilmaßnahmen an der erkrankten Gräfin vor dem brennenden Kamin sind ein echter Hingucker. Und der ungewöhnliche Titel macht neugierig.


Filmkritik zu Sinn und Sinnlichkeit - 06.11.2009 11:21

Es sind nicht nur die großartigen Schauspieler oder die herrlichen, detailgenauen Kostüme und wunderschönen Bilder, auch nicht das tolle Drehbuch von Emma Thompson, die diesen oscarprämierten Film zum Erlebnis machen, sonders es ist das Verdienst von Ang Lee, als einer der Ersten einem breiten Publikum diesen Klassiker der Weltliteratur nahe gebracht zu haben. Wie jeder weiß, der das dialoglastige Original von Jane Austen gelesen hat. Geschickt unterteilt er zum Beispiel ein langes Gespräch in zwei verschieden Aktionen: ein Spaziergang, dann weiter zu Pferde. Es entstehen kleine peinliche Pausen in der Unterhaltung und auch für versteckte Anzüglichkeiten ist Platz. Selbst die Action kommt im Rahmen des Möglichen nicht zu kurz. Und dabei geht es doch um das Thema Nummer eins: die Liebe, die Irrungen und Wirrungen der Herzen. Ein Feel-Good-Movie der besonderen Art.


Filmkritik zu Obaba - 05.11.2009 13:38

Die Episoden sind locken aneinandergereiht und erfordern manchmal die Konzentration des Zuschauers, dem Zusammenhänge oft erst viel später klar werden. Doch das ist nicht die Essenz. Ein in Ansätzen poetisch angehauchtes Konstrukt zeichnet allgemein zwischenmenschliche Konfrontationen von seltsam schrulligen Käuzen eines kleinen Dorfes, von der modernen Technik und von globalen Zusammenhängen. Dabei geht es auch in die Vergangenheit zurück, aus der manche Konsequenzen bis heute reichen. Und eine lebensphilosophische Aussage gibt es obendrein: man sollte da leben, wo man sich wohl fühlt. Man kann unterwegs den Faden verlieren, findet ihn aber immer wieder und freut sich an den gewonnenen Erkenntnissen.


Filmkritik zu Intimate Enemies - 01.11.2009 12:19

Was den Amerikanern ihr Vietnam-Trauma ist den Franzosen der Algerienkrieg. Der ist lange in Frankreich tabuisiert worden. Jetzt trifft uns der Film von Florent Emilio Siri mit voller Härte. Er zeigt die ungeheueren Grausamkeiten des Krieges mit brutaler Härte zwischen einer Söldnertruppe und einheimischen Guerilla-Einheiten. Dabei verwischen sich die Freund-Feind-Grenzen durch frühere kriegerische Unternehmen und offenbaren tiefe menschliche Tragik. In der zentralen Figur von Leutnant Terrien (Benoit Magimel) wird deutlich, wie die permanenten Grausamkeiten die Persönlichkeiten des Soldaten verändern. Ein sehr guter Anti-Kriegsfilm, der ein Tabu bricht und der für Romantik und Heldentum keinen Platz lässt, sondern ganz nah an der kämpfenden Truppe die Ängste der Beteiligten schildert und die Ungeheuerlichkeiten, zu denen Menschen fähig sind.


Filmkritik zu Novemberkind - 27.10.2009 12:28

Eine irgendwie ergreifende Geschichte um die deutsch-deutsche Befindlichkeit im Rahmen der Wende. Es geht um Zurücklassen, Trennung und Neuanfang in einer Mutter-Tochter Beziehung. Nicht alles gelingt den Akteuren. Manche Beteiligte bleiben für den Rest ihres Lebens traumatisiert. Hier werden die tragischen menschlichen Folgen der Republikflucht dargestellt. Dabei geht es um Schuld und Identität. Eine Tochter sucht ihre Mutter, aber eigentlich sich selbst. Die Spannung kommt von den verschiedenen potentiellen Vätern, der verschachtelten Erzählweise und den farbig unterschiedlich kolorierten Rückblenden. So kann man den Film auch noch ein weiteres Mal anschauen, nicht nur wegen der wieder einmal überragenden Anna Maria Mühe.


Filmkritik zu Der Einsatz - 17.10.2009 10:59

Trotz der beiden Superstars Al Pacino und Collin Farrell ist unterm Strich nur ein schlichter Propagandafilm für die CIA herausgekommen. Man sieht die übertrieben harte Ausbildung, die nur die Besten schaffen: also Amerikas Elite. Man kapiert schnell, was das oberste Gebot bedeutet ’Traue niemandem.’ Wenn man das verinnerlicht, kann einen nichts mehr überraschen. Der Ältere der beiden philosophiert über den Wert eines Agenten und seine Arbeit, während der Jüngere in voller Hektik hinter Spionen herhechelt. Und damit das Ganze erträglicher ist, gibt es noch eine Lovestory, in der sich die beiden sowohl heftig lieben als auch argwöhnisch beäugen und misstrauen. Das Ende ist vorhersehbar und bis es soweit ist, bleibt das bisschen Spannung auf der Strecke.


Filmkritik zu Blow-Up - 16.10.2009 13:29

Ein Klassiker wegen seiner Genialität und ein Denkmal für eine vergangene Epoche. Durch Vergrößerungen (Blow up) entdeckt der Modefotograf (David Hemmings) eine Leiche im Gebüsch. Die ganz junge Vanessa Redgrave legte hier den Grundstein für ihre Weltkarriere. So freizügig wird sie sich nie wieder vor der Kamera zeigen, ebenso wie Jane Birkin. Außerdem erlebt man das farbenprächtige Swinging London der sechziger Jahre mit Beatkeller und angesagter Rockband. Es ist dieses grenzenlos lebbare Gefühl von Freizügigkeit, Spontaneität und Hedonismus. Aber im Grunde geht es Antonioni hier um die Darstellung von Schein und Wirklichkeit. Sieht man nur, was man will oder nur das wirklich Offensichtliche?! Die Antwort gibt das legendäre Tennis Match am Ende, das mit seiner Auflösung immer noch Raum für Diskussionen bietet.


Filmkritik zu Billy Elliot - I Will Dance - 06.10.2009 15:05

Wenn ein Junge zum Ballet will, ist das nicht gerade das, was einem als Erstes in den Sinn kommt. Und wenn sich diese Ereignisse auch noch in der englischen Arbeiterklasse - als es die noch gab - vollziehen, schon gar nicht. Dem Regisseur Stephen Daldry ist das Unglaubliche gelungen. Er erzählt diese ungewöhnliche Geschichte mit viel Situationskomik aber auch mit ernstem Anspruch und zwar immer packend und eindrucksvoll. Und damit alles noch interessanter wird, läuft es vor dem Hintergrund von Zechenstilllegungen. Man kann im Verlauf der Diskussionen mache eignen Vorurteile abarbeiten. Und sich am Ende von der Vater - Sohn Beziehung emotional packen lassen. Besonders der epische Schluss fokussiert noch einmal die ganze Komplexität dieser Geschichte. In der Titelrolle überzeugt Jamie Bell besonders, aber auch Vater Gary Lewis und die harte-schale-weicher-kern Tanztrainerin Julie Walters sind toll. Nicht nur für Ballettfans.


Filmkritik zu Kalender Girls - 05.10.2009 11:26

Die besten Geschichten schreibt immer noch das Leben. Und wenn sie dann noch so gelungen umgesetzte sind, wie in dieser Komödie von Nigel Cole, dann erfreut das die Filmfreunde jeden Alters. Mit viel Lokalkolorit aus dem beschaulichen Yorkshire und unter verschiedenen Perspektiven, wie der der Ehemänner und der pubertierenden Söhne wird hier von mutigen Hausfrauen für eine gute Sache so genial gestrippt, dass man nichts sieht. So kunstvoll sind die tollen Fotos, die am Ende herausgekommen sind. Und den Kalender kann man auch noch wirklich kaufen. (Ich habe einen!) Der örtliche Gartenverein sowie die übergeordnete Dachorganisation Women’s Institute (WI) wird ebenso durch den Kakao gezogen wie der Presserummel, der in den USA veranstaltet wird. Die Mädels allen voran Hellen Mirren und Julie Walters sind wirklich gut drauf und überzeugen in jeder Phase des Projekts. Ein echtes Feel-Good-Movie, das einen mit seinem Charme verzaubert.


Filmkritik zu Belle Epoque - 03.10.2009 17:05

Der Sommer 1931 ist wirklich eine schöne Zeit als Spanien zwischen Republik und Franco-Faschismus hin und her schwankte. Genauso wie der junge Fernando, der ins Haus des Freidenkers Manolo kommt, der mit vier unverheirateten Töchtern, von denen eine hübscher ist als die andere, dort den Sommer verbringt. Fernando probiert sie alle aus, bis er endlich bei der damals noch jungen Penny Cruz in festen Händen landet. Ein lockerer Sommerspaß mit viel Humor und Tempo gemacht. Ein Teil der Komik ist wohl immer noch in der Tatsache zu sehen, dass der junge Mann hier nicht der erobernde Held ist. Fernando läuft oft mit hilfloser Mimik umher, wirkt bisweilen bedrückt und lässt sich von den selbstbewussten Mädeln dann aber doch gern vereinnahmen. Spritzig und recht erfrischend gemacht bleibt die Darstellung des Themas Nummer 1 gekonnt etwas im Dunkel. Und auch die Nebenhandlung mit Manolo und seiner durchgeknallten, getrennt lebenden Ehefrau ist ein Riesenspaß.


Filmkritik zu The Machinist - Der Maschinist - 03.10.2009 12:01

Das ist ein NDS-Movie: no deep sense! Der Handlungsverlauf folgt nicht der Logik, ist also eher bei Mystic anzusiedeln. Und es gibt auch am Ende keine klärende Lösung. Die Handlung stolpert von einer Situation in die nächste und oszilliert zwischen Belanglosigkeiten und Zufälligkeiten. Dabei kann sogar so etwas wie Dramatik entstehen. Und es gibt auch überraschende Wendungen, die etwas Spannung aufkommen lassen. Alles ist gekonnt vornehmlich in schwarz-grün gehalten: eine kalte Arbeitswelt, in der Trevor (Christian Bale) vor sich hin vegetiert. Dazu bilden die Hure Steve (Jennifer Jason Leigh) und eine Serviererin (Aitana Sanchez-Gijon) eine menschlich warme Gegenwelt. Als Trevor wegen seiner halluzinatorischen Wahnvorstellungen diese Beziehungen zertrampelt, bleibt ihm nur noch eines - was wir aber nicht mit ansehen brauchen.


Filmkritik zu Haus der Lerchen - 01.10.2009 18:46

Die Tavianis haben immer schon großartiges, konventionelles Kino gemacht. Hier sind sie außerdem noch mutig, dass sie ein heiß umstrittenes Tabuthema aufgreifen: den Massenmord an den Armeniern durch türkische Nationalisten. Eine Reihe prominenter Schauspieler kommen zum Einsatz (Paz Vega, André Dessoullier u.v.a.) und bringen die Geschichte, die in eindrucksvollen oft bewusst dunkel gehaltenen Bildern erzählt wird, glaubwürdig über die Rampe. Der menschliche Faktor wird wiederholt ins Spiel gebracht, indem sich jeweils ein Vertreter der einen Volksgruppe in eine Vertreterin der anderen verliebt. Das erhöht die Emotionalität und beeindruckt ohne ins Kitschige abzusinken. Außerdem wird vermieden in eine s/w Schilderung zu verfallen. Ganz im Gegenteil sehen wir nur vereinzelte nationalistische Fanatiker. Vielmehr beeindruckt ein türkischer Soldat (Moritz Bleibtreu), der voller Skrupel über seine Taten ist und sich selbst anklagt. Damit werden auch die Gräueltaten von der engen nationalistischen Ebene auf eine allgemein gültige, menschliche gehoben. Manche Szenen wecken Erinnerungen an die Anfänge des Naziterrors, dem man auch mit ungläubigem Abwiegeln begegnet war. Und die Tavianis haben ein Gespür dafür, wie man grausame Bilder durch zarte, poetische Kompositionen abfedert.


Filmkritik zu The Gift - Die dunkle Gabe - 29.09.2009 10:52

Regisseur Sam Raimi schafft es schon mit viel Blitz, Donner und strömendem Regen eine Horroratmosphäre zu kreieren. Gruselige Rückblenden und Traumsequenzen schocken zusätzlich. Neben einem üblichen Mord steckt dann doch noch mehr dahinter. Woodoo Zauber wird angedeutet. Cate Blanchett ist überzeugend. Das zweite Gesicht hat sie, Wahrsagen aus den Karten kann sie. Auch der seine Ehefrau verprügelnde Keanu Reeves gibt als Brutalo sein Bestes. Und Katie Holmes als scharfes Luder verdreht den Männern den Kopf. Am Ende kommen sogar mehrere Täter in Frage, was die Spannung schon steigert. Aber die Auflösung ist dann doch etwas an den Haaren herbeigezogen und der puderzucker-süße Schluss vom Familienidyll am Grab des Vaters ist des Guten entschieden zu viel. Horror und Mystery mit Zuckerguss.


Filmkritik zu Geheime Staatsaffären - 26.09.2009 10:52

Das ist bei weitem der bisher beste Film aus der 3Sat Reihe’ Madame la commissaire’ mit einer überaus präsenten Isabelle Huppert. Sie ist schlagfertig, würzt die Verhöre mit leiser Ironie und scheint die größte Korruptionsaffäre in Frankreich aufklären zu können. Aber weil der Regisseur Claude Chabrol heißt, kann das nicht so ohne weiteres ablaufen. Diametral entgegen den erfolgreichen Ermittlungen läuft ihre Ehe in die Krise. Und zum guten Schluss lässt der Altmeister keinen Zweifel daran, dass wenn eine Seilschaft hopp genommen wird, der ganze Sumpf noch längst nicht trocken gelegt ist. Auch wenn das Ganze etwas dialoglastig ist, so werden doch die Zusammenhänge auch dem Nicht-Insider klar. Und das gilt nicht nur in Frankreich. Bei uns gab es auch ’Schwarze Kassen’ und ’Bimbes’. Originaltitel lautet übrigens ’Trunken vor Macht’. Das kann man auf die ermittelnde Staatanwältin beziehen oder auf die Manager.


Filmkritik zu Eine fatale Entscheidung ... Die Kommissarin aus Paris - 25.09.2009 15:38

Es ging hier dem Regisseur wohl nicht um einen echten Krimi, sondern um die Darstellung des gewöhnlichen Alltags der Kripo. Daher ist es auch nicht spannend. Man sieht die teilweise monotone Arbeitsweise der Polizei, die sich aber von jetzt auf gleich in eine gefährliche Situation verwandeln kann. Es erfordert nicht nur ständig physische und mentale Präsenz, sondern auch Selbstbeherrschung und oft ein besonnenes Vorgehen. Auch der persönliche Hintergrund der beiden Hauptfiguren wird nur gestreift. Der ’kleine Leutnant’ wie ihn die Kommissarin nennt, ist verheiratet mit einer Lehrerin aus Le Havre (Wochenend-Ehe) und auch die Besuche der Kommissarin (Nathalie Baye) bei den Anonymen Alkoholikern werden nur kurz eingeblendet. Man merkt deutlich den Unterschied zu Hollywood. Kein Glamour, nichts Spektakuläres passiert, halt wie im normalen Leben.


Filmkritik zu ...und dennoch leben sie - 24.09.2009 13:21

Es ist wohl Sophia Lorens größte schauspielerische Leistung, mit der sie zu Recht einen Oscar und etliche andere Preise gewonnen hat. Diese erstklassige Literaturverfilmung dramatisiert das tiefste Leid, dass einer Frau widerfahren kann. Und das wird hier bis ins Unerträgliche gesteigert: nicht nur der 13 jährigen Tochter wird Gewalt angetan, sondern die Mutter muss es auch noch mit ansehen. Die tragische Ironie dabei ist, dass der Ort der Handlung eine zerstörte Kirche (sic!) ist und die Übeltäter die Soldateska der Befreier Italiens vom Faschismus Mussolinis. Wir sehen die übelste Fratze des Krieges. Sophia spielt herzzerreißend und ergreifend, einfach unvergesslich. Aber noch schlimmer ist die Reaktion ihrer Tochter am Abend danach. Hier muss eine Mutter weisgott verzweifeln. Das Thema ist in der Spaßgesellschaft wohl nicht besonders angesagt. Zu erst, zu tief, unglaublich bewegend und emotional aufrührend. Und eine Rarität gibt’s noch: Belmondo als junger, schüchterner, idealistischer Intellektueller. So wie man ihn nicht kennt.


Filmkritik zu Xiaos Weg - 21.09.2009 14:03

Die Story überrascht eigentlich nicht: es geht um dem Aufstieg eines musikalischen Wunderkindes (Geige) im neo-kapitalistischen China und wie immer aus ärmlichen Verhältnissen. Doch wie Chen Kaige das mit einigen Längen erzählt, ist recht nett anzuschauen, schrammt aber haarscharf an einer Herz-Schmerz Polka vorbei. Einige lustige Alltagsszenen lockern etwas auf, andere wirken hingegen etwas aufgesetzt. Wenn zum Beispiel eine exzentrische Nachbarin zur Ersatzmutter mutiert oder Xiaos gleichaltrige Konkurrentin wider Erwarten ihre Großherzigkeit entdeckt. Selbst der Überraschungsschlenker am Ende kommt zu langatmig daher. Das Thema kommerzieller Erfolg oder gute Musik wird allerdings ebenso gestreift wie das Phänomen von Vitamin – B oder das echte Gefühl in der Musik. Und das alles wird uns an gut ausgesuchten Klassikern der Geigenvirtuosität demonstriert. Also ist dann wohl Xiaos Weg der richtige: mit Verstand und Herz zum Erfolg!?


Filmkritik zu Das Gespenst der Freiheit - 15.09.2009 20:19

Was 1974 als reine Provokation gemeint war, geht heute teilweise in die Abteilung Comedy. Unser Sehverhalten hat sich in den letzten 35 Jahren dermaßen gewandelt, dass manches als guter Gag durchgeht. Lediglich die blasphemischen Szenen kann man noch als solche aufrechterhalten. In teils überraschenden Episoden, die bisweilen als absurdes Theaterstück durchgehen und in denen eine Person aus der vorigen Szene den Handlungsfaden an die nächste weiterreicht, stellt Regisseur Bunuel seine Vorstellung von Freiheit dar, der sexuellen, der religiösen und der politischen Freiheit. Er operiert dabei mit der Umkehrung der Werte und spielt mit der Erwartung der Zuschauer. Die Freiheit wird von Zufällen und gesellschaftlichen Konventionen begrenzt, kann aber auch in Chaos und Lächerlichkeit enden. Außerdem gibt’s ein Wiedersehen mit vielen Prominenten, aus einer Zeit, da sie noch viel jugendlicher aussahen.


Filmkritik zu Enigma - Das Geheimnis - 08.09.2009 18:37

Der Meister des Suspense, Michael Apted hat seinem Namen wieder einmal alle Ehre gemacht. Ein intelligenter Spionage-Thriller, der ohne viel spektakuläre Action auskommt und dennoch spannend ist. Die schauspielerische Leistung von Kate Winslet – mit toller Brille - ist zu Recht preiswürdig. Auch Partner Dougray Scott ist überzeugend. An seinem Gesichtsausdruck kann man mühelos ablesen, ob wir in der Jetzt-Zeit sind, dann ist er etwas antriebsgehemmt und leidend mit roten Augenrändern oder ob wir eine Retro sehen, dann strahlt er und schaut lebhaft in die Welt. Detailversessen werden authentische Requisiten eingesetzt und in ein glaubwürdiges Ambiente gestellt. Erwähnendwert ist noch, dass es um das Massaker von Katyn an polnischen Offizieren geht, dass die Sowjetunion vor Gorbatschow stets totgeschwiegen hat. Brisant, intelligent und spannend.


Filmkritik zu Hautnah - 06.09.2009 14:28

Es ist ein Vierpersonenstück, das eigentlich auf eine Bühne gehört. Die Beteiligten (Julia Roberts, Jude Law, Natalie Portman und Clive Owen) überzeugen total. Eine tolle Ensembleleistung. Sie spielen einen Arzt, eine Fotografin, eine Stripperin und einen Schriftsteller. Über 90 Minuten reden sie nur über Liebe und Sex, tun es aber nicht (wenigstens nicht vor der Kamera). Es geht um, Treue, Fremdgehen oder Dableiben, um die Vergänglichkeit der Liebe, um die Austauschbarkeit der betroffenen Personen, um Verletzen und Verzeihen. Dabei ist die Sprache das geeignete Kampfmittel. In knallharten, geschliffenen Dialogen gehen die liebenden Kontrahenten auf einander los. Ein Mix aus ’Zimmerschlacht’ und ’Who’s afraid of Virginia Woolf’. Es kann ein Genuss für denjenigen sein, der vielleicht von der Thematik selbst betroffen ist oder war und der heftige Debatten zwischen Liebenden mag.


Filmkritik zu The Good German - 29.08.2009 14:22

Die Story ist kompliziert und so wird sie uns auch dargeboten. Man braucht Vorkenntnisse über Deutschland 1945, speziell für das geteilte Berlin. So kommt das Ganze recht zäh rüber und man hechelt trotzdem den Ereignissen irgendwie hinterher, um sie richtig einzuordnen. Der Titel scheint provokativ gemeint zu sein. Da fragt sich mancher Kalte Krieger: ’den guten Deutschen? Gab’s den überhaupt?’ Andererseits erscheint George Clooney möglicherweise als Alternative – und der ist gar kein Deutscher. Die befreite Cate Blanchett als ehemalige Nazi-Informantin kommt ebenfalls nicht in Frage. Und der total fehlbesetzte, weil an sich immer nette Tobey Maguire als Bösewicht und Kriegsgewinnler scheidet ebenfalls aus. Die s/w Fassung und die historischen Aufnahmen von der Potsdamer Konferenz sollen Atmosphäre schaffen und können aber auch nichts zur Spannung beitragen. Und beim casablanca-mäßigen Schluss muss man echt schmunzeln. Es sollte doch aber ein Spionagethriller sein?!


Filmkritik zu Good Woman - Ein Sommer in Amalfi - 26.08.2009 18:14

Das Beste sind noch die stimmungsvollen Bilder und die geistreichen Dialoge, die sich eng an der literarischen Vorlage von Oscar Wilde orientieren. Wir sehen die Reichen, die in den dreißiger Jahren im Süden Urlaub machen und den sie umgebenden Klatsch und Tratsch. Beides eigentlich zeitlose Phänomene. Zu Beginn stehen sich Helen Hunt, als Frau mit Vergangenheit und Scarlett Johansson als unbedarftes, verheiratetes Blondchen als Antipoden gegenüber wie die beiden Brennpunkte einer Ellipse. Wie daraus ein Kreis mit einem Zentrum wird, ist recht unterhaltsam. Und selbst wenn man den Ausgang dieser Boulevard-Komödie erahnt, mit dem üblichen finalen Versöhnungskuss, hat Regisseur Mike Barker noch eine nette Variante im Ärmel. Der Titel ist wohl ironisch gemeint, denn Helen Hunt ist bestimmt keine brave Frau. Oscar Wilde sprach von Mrs Windermeres Fächer. Und der trifft den Kern schon eher.


Filmkritik zu Ein gutes Jahr - 24.08.2009 09:34

Ein leichter Film für den Sommerurlaub, der nebenbei noch für die Provence Reklame macht. Regisseur Ridley Scott setzt auf das Cliché vom Gegensatz des geldgierigen, arroganten Bankers in London und dem paradiesischen Leben auf einem Weingut im Süden Frankreichs. Wofür würden sie sich wohl entscheiden? Russell Crowe versucht sein Bestes bis an die Grenze von albernen Slapstickeinlagen. Nur die Rückblenden mit einem überzeugenden Albert Finney als altem Onkel Henry und dem unheimlich sympathischen jungen Freddie Highmore, der uns kurze Zeit später in August Rush bezauberte, ist es zu danken, dass es keine reine Schmonzette wurde. Allein wegen den beiden lohnt es sich den Film anzuschauen oder man mag einfach zusehen, wie das vorhersehbare Happy End in der goldenen Abendsonne versinkt.


Filmkritik zu Grabgeflüster - 23.08.2009 17:09

Der deutsche Titel ist fast so gut wie der des Originals. Im Untertitel erscheint dann zwar die Kategorisierung Fabel, aber eigentlich ist es eine köstliche Groteske, die das Geschäft mit dem Sterben in skurriler aber äußerst liebenswürdiger Weise durch den Kakao zieht. Dabei werden alle Register des Genres gezogen, von Slapsticks über fantasievolle Wunschsequenzen, auch mit Gesangseinlagen, bis hin zu ganz charmanten Szenen, wie die des kleinen Jungen mit der großen Brille. Höhepunkt ist die einfallsreiche Horrorshow, die den treulosen Ehemann erschrecken soll und die raumschiff-enterprisemässige Bestattung durch Christopher Walken. Brenda Blethyn brilliert wie immer, hier neben Alf Molina und dem fast nicht wiederzuerkennenden ’scharfen Schnittchen’ Naomi Watts. Das Ende ist dann allerdings eine Romanze, die von Anfang an den Rahmen bildet und nicht sonderlich stört. Ein netter Spaß von der Insel.


Filmkritik zu Populärmusik aus Vittula - 21.08.2009 14:07

Was der Titel verspricht, wird über weite Strecken außen vor gelassen. Vielmehr sieht man eine Mischung aus Ludwig Thomas Lausbubengeschichten und Fellinis Amarcord. Die Kindheit und Jugend von zwei Buben steht dabei im Mittelpunkt. In den einzelnen Episoden tummelt sich eine beachtliche Anzahl von äußerst skurrilen Typen. Neben dem Ekelhaften gibt’s auch einen Ausflug ins Horrorgenre und fernöstlich anmutende Flugversuche. Den Bayern wird einiges wie das Fingerhakeln und Armdrücken. sehr vertraut vorkommen. Und natürlich darf die Sauna nicht fehlen. Neben diesem ganzen Klamauk überraschen dann doch auch ernste Szenen. Gegen Ende zieht sich die Handlung etwas in die Länge und das Interesse flaut stark ab.


Filmkritik zu Verrückt in Alabama - 18.08.2009 11:28

Also verrückt ist Melanie Griffith bestimmt nicht, weder in Alabama noch überhaupt. Der als Südstaatengroteske getarnte Film bietet wenig Groteskes. Es sind zwei Filme: einer, der das Problem Rassismus behandelt und einer der den ewigen Traum von ’A Star is Born’ leicht ironisch darbietet. Beide verbindet - so erklärt uns der Kommentar aus dem Off, dass es um Freiheit und Gleichberechtigung geht. Die der Farbigen und die der unterdrückten Ehefrau. Ersteres wird gezeigt, das zweite Thema ist zwar durchaus lobenswert, ist aber aus dem Film heraus nur schwer erkennbar. Die Hauptdarstellerin brilliert hier mal mit schwarzen Haaren in einer Rolle die Ehemann und Regisseur Antonio Banderas wohl für sie kreiert hat. Sie kann vor Gericht sogar mal auf die Gefühlsdrüsen drücken. Recht gute Unterhaltung mit passender Musik aus der Zeit.


Filmkritik zu Long Walk Home - 16.08.2009 12:28

Der deutsche Titel ist Inhaltsangabe. Das Original stellt den Kaninchenzaun in den Mittelpunkt, der den entflohenen Kindern als Wegweiser dient. Phillip Noyce versucht mit seinem Film ein Kapitel australischer Vergangenheit aufzuarbeiten: Das Unrecht an den Aborigines: die zwangsweise Trennung von Mischlingskindern von ihren Eltern und die Unterbringung in einem Erziehungslager. Hier sollen sie lernen was Pflicht, Gehorsam und Verantwortung heißt. Kenneth Branagh als geölter Rassist meint ’Man müsse sie vor sich selber schützen.’ Es ist ihm egal, dass er dabei Sprache und Kultur der Ureinwohner ausmerzt. Bei seiner glücklosen Verfolgung muss er feststellen ’Sie leben zwar im Neolithikum, haben aber keinen neolithischen Verstand. Die Kinder beweisen, dass sie 2000 Kilometer zurücklegen können und den Suchtrupps immer wieder entwischen, weil das weite Land nicht ihr Feind ist. Noyce ist um Ausgewogenheit bemüht und stellt nicht alle Weißen per se als Bösewichte dar.


Filmkritik zu Mathilde - Eine große Liebe - 16.08.2009 10:07

Der Film vereint auf geniale Weise drei Genres: zunächst ist es ein Kriegsfilm, mit all der Grausamkeit die dazugehört, dann wie im Titel angekündigt natürlich ein Liebesfilm und schließlich und endlich ein Detektivfilm. Mathilde will nicht glauben, dass ihr geliebter Manech – ihre Sandkastenliebe - im Ersten Weltkrieg gefallen ist. Mit schier nie ermüden wollendem Eifer forscht sie, wie und ob er umgekommen ist. Eine Gehbehinderte (Kinderlähmung) sucht einen Toten? Dabei wird der Zuschauer ständig zwischen Gewissheit über den Tod des Geliebten und neuer Hoffnung, dass er überlebt hat, hin und her gerissen. Der Regisseur arbeitet mit Rückblenden, Traumsequenzen und immer wiederkehrenden Symbolen wie dem Leuchtturm (einem Wegweiser also), einem roten Wollhandschuh (der wohlige Wärme bietet) oder MMM. Bis in kleine Nebenrollen mit großen Namen besetzt (Jodie Foster z.B.) blitzt sogar hin und wieder etwas Komik auf. In unheimlich schöne Bilder gehüllt, die einen emotional durch einen aus dem Off eingesprochenen Kommentar eng an die Handlung binden, kommt es zu einem Ende, das glaubhaft, überraschend und wohltuend ist.


Filmkritik zu Kaltes Land - 15.08.2009 20:52

Der Film von Nikki Caro steht in der Tradition der beiden großen Frauenfilme, die das Thema sexuelle Nötigung am Arbeitsplatz thematisieren. (Silkwood und Norma Rae) und kann den Vergleich durchaus bestehen. Gut gemacht und spannend erzählt mit einer umwerfend guten Charlize Theron greift er emotional an. Besonders die Vater-Tochter Szene bei dem Gewerkschaftstreffen und die Mutter-Sohn-Szene sind Highlights des Films, die nur noch von der wortlosen Entscheidung der Arbeitskollegen übertroffen wird. Man spürt hier, welch ein Entscheidungskampf im Innern der Anwesenden toben muss. Dass dem Film eine wahre Begebenheit zugrunde liegt, zeigt die Bedeutung dieses Themas. Insofern ist es auch ein wichtiger Film.


Filmkritik zu Der schönste Tag in meinem Leben - 12.08.2009 15:02

Virna Lisi, die große alte Dame des klassischen italienischen Films versucht ihren Familienclan zusammenzuhalten. Er besteht aus ihren drei Kindern, die wiederum zum Teil selbst Kinder haben. Typische, gut gewählte Beispiele: die Alleinerziehende mit dem fast volljährigen Sohn, das Ehepaar, bei dem sich die Frau nicht zwischen Ehemann und Liebhaber entscheiden kann und der jüngste Spross ist schwul. Es ist ein interessantes und lebhaftes Spiegelbild unserer Gesellschaft, wobei fast alle Aspekte erwähnt werden, die in unserem heutigen Leben so vorkommen können: Erwachsenwerden mit der erwachenden Sexualität, das Telefon als Einsamkeitskiller oder Eheprobleme. Die Körperlichkeit steht dabei stets im Mittelpunkt von der symbolischen Kopulation von Hunden bis zu der Erkenntnis, der alten Dame, die feststellen muss, dass sie gar nicht stattgefunden hat. Ein pralles Kaleidoskop, in dem jeder für sich eigene Erfahrungen wiederfinden kann. Interessant und ungewöhnlich sind drei Dinge: das titelgebende Ereignis, die Erstkommunionfeier, steht am Ende des Films, die clever gemachten Überblendungen verwischen für den Beteiligten die Grenze zwischen Realität und Wunschdenken und überraschen bisweilen den Zuschauer und Regisseurin Cristina Comencini gelingt das alles völlig unaufdringlich darzustellen, fast wie im richtigen Leben.


Filmkritik zu Stage Beauty - 10.08.2009 20:44

Der Vergleich mit ’Shakespeare in Love’ geht in Ordnung. Zeitlich etwas später angesiedelt, üppig ausgestattet und mir tollen Schauspielern kann er dem Vorbild durchaus das Wasser reichen. Es geht anfangs um das Bühnenverbot von Männern in Frauenrollen und umgekehrt unter Charles II. Das bedeutet das Ende der Karriere eines Topstars der Zeit (Billy Crudup). Mit Witz und Tempo wird der Gegenpol dazu aufgebaut: Clare Danes anfangs Garderobiere spielt trotzdem dagegen an und wird seine Konkurrentin. Aber der geniale Höhepunkt ist das Finale auf der Bühne, wo nicht nur die Theaterbesucher damals den Atem anhalten, sondern auch die Zuschauer heute. In der Mordszene im Othello zeigt Richard Eyre wie weit eine glaubhafte Aufführung gehen kann. So nah am Leben dran und gleichzeitig so nah am Tod ist selten etwas so glaubhaft und packend inszeniert worden. Ein Film, der hinter die Kulissen schaut, menschliche Schwächen offen legt und mit viel Sympathie die Schauspieler agieren lässt.


Filmkritik zu Tristan & Isolde - 10.08.2009 13:12

Die Idee ist gar nicht mal so schlecht, das seit ewigen Zeiten von Richard Wagner bayreuth-mässig besetzte Thema zu verlagern und zwar auf die ebenso uralte Feindschaft zwischen Engländern und Iren. Voller, schnell geschnittener Action-Szenen kann das Abenteuer der immerwährenden großen Liebe durchaus fesseln. Die überwiegend in dunklen Farben gehaltenen Bilder, die die wunderschöne Landschaft nicht aussparen, schaffen Atmosphäre. Erst gegen Ende wird der Kampf etwas unübersichtlich, wenn es um letzte Werte wie Loyalität, Gefolgschaft, aber auch Verrat und Eigennutz geht. Der Text im Abspann versöhnt alle Kritiker wieder und verweist auf den Tatbestand, dass es sich hier um eine Legende handelt, die vielleicht wegen ihrer Unerfüllbarkeit die Menschen immer wieder umtreibt.


Filmkritik zu Monster - 07.08.2009 14:20

Man muss schon zweimal hinschauen, um Charlize Theron zu erkennen. Und es gehört schon etwas Mut dazu, sich von den Maskenbildnern so verunstalten zu lassen. Aber, wenn man weiß, dass man ohnehin zu den schönsten Frauen der Welt gehört, fällt es einem vielleicht leichter. Doch davon abgesehen überzeugt sie durch eine wirklich oscarreife Leistung. Sie trifft im Wesentlichen den Kern vom Typ Frau, den sie verkörpert. Ihre Mimik und ihre Gestik, ihr Gang und auch die deutsche Synchronstimme passen einfach. Sie ist ein Monster. Erschreckend echt. Abgesehen von ihrer schauspielerischen Glanzleistung, die den Film trägt, gelingt es aber auch noch das gespaltene, von Missverständnissen geprägte Verhältnis zu den Männern zu zeigen und daneben die Liebe zu der etwas schlichten Selby (Christina Ricci) in ihrer ganzen Unmöglichkeit zu stellen. Solche Drehbücher kann nur das wahre Leben schreiben. Und wenn es dann so grandios umgesetzt wird. . .Chapeau!


Filmkritik zu Die Nacht des Leguan - 05.08.2009 12:23

Wer liest heute schon noch Tennessee Williams, den Klassiker der amerikanischen Moderne? Seine Sprache erschließt sich einem auch in der deutschen Übersetzung nicht ohne Probleme, aber die Thematik seiner Stücke ist zeitlos. Das Zölibat existiert immer noch und wird hier problematisiert: ein Expriester (Richard Burton) wird von drei Frauen in Versuchung geführt. Von einer mit jugendlichem Feuer (Sue Lyon), von einer mit reifem Charme (Ava Gardner) und einer voller mütterlicher Fürsorge(Deborah Kerr). Dabei ergeht es dem Suchenden, wie dem angebundenen in Gefangenschaft lebenden Leguan. Beide entkommen am Ende in die Freiheit, weil sie den vor ihnen liegenden Weg erkennen und bejahen. Die hochwertigen Dialoge lassen sogar Platz für Witz und Komik, auch wenn gegen Ende das Thema etwas lang gedehnt wird. Mit diesem Film kann sich auf recht angenehme Art eine Bildungslücke schließen. Eine gelungene Literaturverfilmung.


Filmkritik zu Kitchen Stories - 30.07.2009 14:35

Die Wirkung dieser herausragenden Komödie liegt nicht nur in der schon sehr skurrilen Grundsituation: offizieller Beobachter sitzt unter der Küchendecke und zeichnet dort die Arbeitswege auf, auch nicht in den liebevoll gezeichneten äußerst kauzigen Charakteren, sondern in der bedächtig fortschreitenden, oft wortlosen Handlung, die der Komik erst die Gelegenheit gibt, sich zu entfalten. Eine humorvoll packende Schilderung wie es vom Kleinkrieg zwischen den beiden Hauptbeteiligten zu einer stillen Freundschaft kommt bis hin zum Rollentausch. Man kann genüsslich verfolgen, wie sie sich belauern ohne ein Wort miteinander zu reden. Neben den sarkastischen Seitenhieben auf das vergnügungssüchtige Management und der Animosität zwischen Norwegern und Schweden packt einen emotional die Geschichte mit dem kranken Pferd und dessen Folgen. Und was für ein genialer Schluss krönt diesen lustigen Film, der nichts für Brüller ist.


Filmkritik zu King Arthur - 27.07.2009 12:53

Das Arthur-Abenteuer wird etwas kryptisch dargestellt. Der begleitende aus dem Off eingesprochene Kommentar ist um Authentizität bemüht, was nur zum Teil gelingt. Sehr aufwendig inszeniert und recht prominent besetzt wechseln wilde Kämpfe mit langen Gesprächen. Der Tempowechsel ist noch das Positivste an diesem Film. Denn die Effekte nutzen sich in ihrer Wirkung im Laufe des Films ab. Das wird verstärkt durch die all zu oft schreiend umherlaufenden Truppen. Der eher schmächtigen Keira Knightley nimmt man die Furie auf dem Schlachtfeld kaum ab, dann schon lieber als King Arthurs Braut, aber nur als Marginalie. Ein Spektakel, das einen kalt lässt, trotz des Riesenklamauks.


Filmkritik zu Jarhead - Willkommen im Dreck - 24.07.2009 10:07

Nur wer einen spannenden Kriegsfilm erwartet hat, wird enttäuscht. Es ist eher eine dokumentarische Darstellung der Befindlichkeiten der US Soldaten im Golfkrieg, wobei die Anleihen bei Kubrick, Cinimo und Coppola nicht zu übersehen sind. Am Ende kommen beeindruckende Bilder von brennenden Ölquellen. Einen Großteil der Story kennt man aus den Medien, die damals ausführlich darüber berichteten. Mit viel Wohlwollen kann man den Streifen vielleicht als Anti-Kriegsfilm bezeichnen, denn es wird eigentlich nicht gekämpft, nur die stumpfsinnige Eintönigkeit des Alltags in der Wüste gezeigt. Und dabei mutieren die GIs zu infantilen Bubies, die, wenn sie denn gesund heimkommen, Nobodys sind und bleiben.


Filmkritik zu The Fountain - 20.07.2009 11:45

Eine krude Mischung aus Sience Fiction und Esoterik streift das leidige Thema des Menschen: die Suche nach dem ewigen Leben. Wenn man sich interessante Bilder anschauen will, geht man eigentlich ins Museum. Das wäre der einzige Grund, sich den Film reinzuziehen. Die drei renommierten Hauptdarsteller bemühen sich, aber mehr ist halt nicht drin. Die süße Rachel Weisz kommt mit einem Gesichtsausdruck aus, dagegen braucht der ansonsten nette Hugh Jackman schon zwei: kämpferisch herrisch und mit offenen Augen staunen, und Ellen Burstyn irrlichtert etwas planlos umher. Wenn man den Fernseher noch zu so später Stunde laufen lässt, kann der Film das Kaminfeuer als Endlosschleife schön ersetzen.


Filmkritik zu Die schöne Querulantin - 15.07.2009 13:17

Es ist ein intellektueller Kampf zwischen dem Maler und seinem Model um die Wahrheit in der Kunst, genauer gesagt die Wahrhaftigkeit. Dabei kann man die verschiedenen Entstehungsphasen des Kunstwerks wunderschön nachempfinden. Von den ersten zaghaften s/w Skizzen bis zum farbigen Gemälde. Da gibt es unterwegs Momente des Zweifelns und der Resignation, augenblickliche Aggression und verkrampfte Lethargie, aber auch eine lockere, entspannte Atmosphäre. Die latent vorhandenen sexuellen Gelüste der Zuschauer und des Künstlers (wahnsinnig beeindruckend Michel Piccoli) kreisen natürlich um den makellosen, nackten, Körper von Emmanuelle Béart. Aber der ist nur Medium bei der Suche nach selbstständiger Individualität. Die Auseinandersetzung und die daraus folgende Erkenntnis finden im Kopf statt. Und als überraschender Geniestreich am Ende kommt sogar der Originaltitel von Balzac ’Das unbekannte Meisterwerk’ voll zum Tragen. Das vierstündige Original muss man sich nicht antun.


Filmkritik zu Little Miss Sunshine - 10.07.2009 12:46

Die Oscars für diesen Film verstehe wer will. Die schrägen Typen in der Familie wären eine gute Basis für eine Komödie, aber Chance vertan. Wie kann man der sinnfreien Handlung, deren Ende von der ersten Einstellung vorhersehbar ist und in der nur Loser sich unentwegt ohne Sinn und Verstand anschreien irgendetwas Komisches abgewinnen? Wie kann man sich daran ergötzen, es sei denn, die da im Film sind noch skurriler und eindimensionaler als die Zuschauer? Das ist doch keine Komödie sondern ein bemitleidenswerter Trauerevent, in dem die Akteure weder Charme noch Esprit versprühen, keinerlei Sympathie gewinnen und ach wie schön in der Ferne endlich verschwinden. Hoffentlich auf nimmer wiedersehen.


Filmkritik zu Bread and Roses - 10.07.2009 10:37

Diesmal stürzt uns der Altmeister des Working-Class Dramas in ein Wechselbad der Gefühle. Und wie immer behandelt er ein ernstes Thema: die Ausbeutung der illegal eingewanderten Latinos in Amerika, ohne die die dortige Wirtschaft nicht laufen würde. Es gibt lustige Szenen, aber auch ernste und noch eine Lovestory obendrauf. Die beiden Hauptdarstellerinnen Pilar Padilla und Elpadia Carylla spielen Adrien Brody glatt an die Wand. Aber alles in allem hat Loach für meinen Geschmack einen Schuss Zuckerguss über das Ganze gegossen. Der Aufstand des Putzpersonals führt eigentlich recht schnörkellos zum Erfolg. Die Demos ähneln Tanzveranstaltungen, die Bosse und die Polizei sind eher harmlos. Alles geht ein bisschen zu glatt, trotz der Ausweisung, und hat einen hohen Unterhaltungswert.


Filmkritik zu Lonesome Jim - 09.07.2009 14:13

Es ist eine lustige Tragödie oder eine traurige Komödie. Je nach dem worauf man die individuelle Betonung legen mag. Die Figuren sind äußerst cool und nehmen sich emotional sehr zurück. Nur die Übermutter (Mary Kay Place) besteht offenbar als Kontrastmittel hauptsächlich aus Gefühlsausbrüchen und nervt. Das zentrale Pärchen (Jim und Anika: Casey Affleck und Liv Tyler) sind sich ihrer eigenen Sache nicht sicher und so verfolgen sie unerfüllbare Ziele. Deshalb deprimiert sie auch ihr Leben. Und der Funke springt auf den Zuschauer über. Es wird nichts beschönigt. So kann einen auch das etwas aufgesetzte, in die Länge gezogene Ende nicht versöhnlich stimmen. So ist halt das Leben: keineswegs nur Friede, Freude, Eierkuchen, aber nie langweilig.


Filmkritik zu Severance - 06.07.2009 17:23

Weitgehend sinnfreier, dafür aber bluttriefender Brutalo-Schinken. Die Wirkung der Schocker lässt im Laufe des Films nach und setzt sich in Richtung Gleichgültigkeit ab, zumal man manche Fallen aus Rambo kennt. Kaum vorstellbar, dass junge, erfolgreiche Manager heutzutage in so ein Chaos-Wochenende im wunderschönen Ungarn geraten und sich so dilettantisch aus der Affäre zu ziehen versuchen. Und als dann noch der Oberchef auftritt mit den obligatorischen Amusementmietzen ist alles zu spät, wenn man erfährt, dass die Gruppe zur falschen Zeit am falschen Ort war. Die rettenden Befreierrinnen bieten dann wenigstens noch erhellende Einblicke ins Decoltée. . Hauptdarsteller Jim McInnerny hat auch schon anspruchsvollere Rollen ergattert. Ärgerlich und voll daneben.


Filmkritik zu Zeugin der Anklage - 04.07.2009 15:38

Im Gegensatz zum Remake kommt hier zu dem spannenden und am Ende voller überraschender Wendungen steckenden Gerichtsklassiker noch eine gehörige Portion Humor hinzu. Dies besorgt Elsa Lanchester hier als pflegende Krankenschwester von Hauptdarsteller Charles Laughton, dem Strafverteidiger. Und wieder einmal beweist Regiegenie Billy Wilder, dass er der Meister der geistreichen Pointen ist. Es ist der einzige Film, in dem Laughton/Lanchester- im echten Leben mit einander verheiratet – gemeinsam vor der Kamera stehen. Somit ist dieser Film auch ein echter Hingucker für diejenigen, denen Gerichtsfilme sonst eher öde vorkommen. Geschickt in die Handlung eingebaut ist die Rettung einer Deutschen (Marlene Dietrich) aus dem Nachkriegsdeutschland durch einen britischen Soldaten (Tyrone Power). Auch wenn das Remake mit einer Reihe von Topstars aufwartet, so reicht es nicht mal annähernd an das Original heran


Filmkritik zu Tagebuch eines Skandals - 03.07.2009 12:31

Das Thema ’verheiratete Lehrerin verführt Schüler’ ist ja nicht neu. Doch hier bringen es uns zwei hochklassige Schauspielerinnen (Judi Dench, Cate Blanchett) so überzeugend nahe, dass die Brisanz erneut aufleuchtet. Die Dialoge sind emotional aber vernünftig und beleuchten die Auswirkungen auf alle Beteiligten (Ehemann, Eltern des Jungen).Vor allem Judi Dench ist hochgradig präsent und schafft den Spagat zwischen liebesbedürftiger, einsamer. älterer Kollegin, die jedoch jederzeit gefährlich und unangenehm werden kann. Sehr sensibel geht sie mit ihrem Wissen über die heimliche Liaison um und versucht für sich Kapital daraus zu schlagen. Und dann gibt es am Ende noch eine überraschende Wendung, die dem geschilderten Phänomen einen neuen Aspekt hinzufügt und es zu einer Neverending-Story macht.


Filmkritik zu Die große Verführung - La Grande Séduction - 30.06.2009 19:35

Von der ersten bis zur letzten Szene nimmt einen diese bezaubernde Komödie gefangen. Sie spielt in Neufundland und die Einwohner scheinen etwas hinterm Mond zu wohnen, aber sie sind warmherzige, etwas schlitzohrige, trinkfreudige Typen. Die Geschichte ist neu und macht Lust zu den Newfies zu fahren. Und wie diese liebenswerte aber schlichte Dorfbevölkerung es schafft, einen Investor und einen Arzt auf ihre Insel zu bringen ist voller authentischer Komik. Ihre Aktionen sollten auch den letzten Humorlosen überzeugen, falls es die Kollektion der schrulligen Typen nicht schafft. Und als alles am Ende rauskommt, ist man froh über den glücklichen Ausgang und genießt schmunzelnd die letzten Bilder, die die gleichen sind wie die ersten: die Lichter gehen im ersten Stock aus und die Schornsteine des Dorfes geben stoßweise Rauch ab. Ein köstlicher Spaß, der Lust auf Urlaub macht.


Filmkritik zu Gestrandet im Paradies - 30.06.2009 14:31

Der deutsche Titel ist zynisch, denn für die drei, die da auf einer einsamen Insel stranden ist es – abgesehen von dem kleinen Nümmerli in der Brandung – eher die Hölle. Und der Originaltitel ’Drei’ belegt lediglich, dass der Drehbuchautor zählen kann. Die Story ist clichéhaft und voller logischer Knacks, die Dialoge reichlich platt. Und wenn gar nichts mehr geht, kommt auch noch Voodooquark hinzu. Dann ein Ende was nur dadurch aufmuntert, dass man weiß, es ist überstanden. Eins der wunderschönen Standbilder vom weißen Strand und dem türkisfarbenem Meer, wäre besser als dieses Machwerk. Von den ’Sommernachtsfantasien’ bleibt nur der Sommer, wenig Nacht und Fantasie ist überhaupt nicht vorhanden. Schwamm drüber. Peinlich!


Filmkritik zu Der Kuß der Spinnenfrau - 29.06.2009 17:49

Eine tolle Ausgangssituation für ein preisgekröntes Kammerspiel der besonderen Art: Luis, ein Homosexueller(ganz toll William Hurt) und Valentin, ein Journalist und Widerstandskämpfer (ebenso beeindruckend Raul Julia) sitzen im Gefängnis. Es wird sehr komplex gezeigt, wie sie sich näher kommen. Zusätzliche Spannung entsteht als dann noch Verrat mit im Spiel ist. Nur durch die eindrucksvolle Schilderung von Filmen kann Luis von der misslichen Lage ablenken. Und man sieht, was er erzählt. Da kommt Sonja Braga gleich in mehreren Rollen ins Bild. Und dann der grandiose Schluss. Selten gab es einen so lyrischen, der mit soviel Euphemismus und im Zurückgreifen auf eine fantasievolle Filmgeschichte ein todernstes Ende beschreibt.


Filmkritik zu V wie Vendetta - 28.06.2009 21:11

Die Handlung setzt sich unter anderem aus verschiedenen bekannten Versatzstücken zusammen: da ist zum einen die Geschichte von Guy Fawkes, der das Parlament in die Luft sprengen wollte, dann ein bisschen vom Phantom in der Oper und eine kleine Prise vom Graf von Monte Christo plus etwas von 1984. Das Ganze wird etwas kryptisch gemischt und gerät sogar spannend. Es spielt in der Zukunft in einer faschistischen Diktatur. Auch wenn am Ende die berühmte Maske nicht gelüftet wird, weil dahinter eine Idee steckt und letztendlich alle Bewohner Maskenträger sind, gibt es jede Menge blutige Action, die gute Unterhaltung bietet.


Filmkritik zu Grasgeflüster - 27.06.2009 22:02

Es ist ein Heidenspass für die ganze Familie. Wer das englische Dorfidyll mag, kommt voll auf seine Kosten. Es wimmelt von schrägen Vögeln und schrulligen Käuzen. Gleich die erste Szene bringt es auf den Punkt: ein kiffender Totengräber, der ein französisches Lied auf einem Friedhof in Cornwall singt. Damit nach der allgemeinen Haschorgie die Handlung nicht vollends zum Klamauk wird, gibt es noch eine literarische Wende: “Joint Venture” heißt das Buch, das die Heldin Grace (ganz toll Brenda Blethyn) nach ihren Erfahrungen schreibt und mit dem sie gerettet ist, wie der Originaltitel verspricht. Es ist also ein ‘gemeinsames Unternehmen’, denn das halbe Dorf ist am Hanfanbau beteiligt und es ist auch ein ‘Joint-Erlebnis’, wenn der ganze Anbau verbrennt und frei inhaliert werden kann. Locker, lustig nicht ganz ernst gemeint mit Charme und Witz.


Filmkritik zu True North - 24.06.2009 10:58

Ein eindrucksvolles, preisgekröntes Spielfilmdebüt von Steve Hudson, in dem er ein aktuelles Problem thematisiert: Migration. Und das gelingt ihm auf grandiose Weise, weil er spannend, aber auch sensibel und mit hinreißenden Bildern erzählt. Die Aufnahmen sind nicht im Studio, sondern auf hoher See gemacht und wirken umwerfend authentisch. Ein Vater- Sohn Problem im Kampf ums Überleben und das alles vor dem Hintergrund einer zugrundegehenden Fischereiindustrie. Ironischerweise ging der Kapitän, dessen Trawler für die Aufnahmen gemietet worden war, kurz nach dem Abschluss der Dreharbeiten in Konkurs. Die Schauspieler Mullan, Lewis und Compston sind für den Job wie geschaffen und fesseln uns bis zum Schluss, wo Hudson noch mit zwei völlig überraschenden Wendungen aufwartet. Ein Wahnsinnsfilm in mehrfacher Hinsicht.


Filmkritik zu King Kong und die weiße Frau (WA) - 22.06.2009 23:06

King Kong ist Kult. Fans genießen die etwas staksigen Kämpfe der Vorzeitungeheuer sowie die ruckhaften Bewegungen des ’Hauptdarstellers’. Aber das Höchste sind die Szenen zwischen King Kong und der weißen Frau (Fay Wray), wie sie in seiner Riesenpranke zappelt und so herzzerreißend schreit. Die ewig gleiche, schrille Blechmusik nervt allerdings. Dafür kann man sich an den Trickaufnahmen anno 1933 erfreuen. Sie zeigen uns einen furchterregenden aber auch gefühlvollen, verliebten King Kong mit menschlichen Regungen und einer ausgeprägten Mimik. Die Eingeborenen tragen nette Faschingskostüme und der Showdown auf der Spitze des Empire State Buidlings ist epochal. In diesem Klassiker gibt es aber auch einen kritischen Seitenhieb auf die Sensationsgier des Publikums und die willfährige Presse. Ein zeitloses Thema.


Filmkritik zu Die Liebe der Charlotte Gray - 22.06.2009 17:50

Der Originaltitel besteht nur aus ihrem Namen. Der deutsche Verleiher hat ihn etwas ergänzt, wobei sich dann die Frage aufdrängt ’Wen liebt die Lady hier eigentlich?’ Ihr Land oder die Männer oder beides…? Diese Kriegsromanze liefert Landschaftsbilder wie aus einem Postkartenidyll. Die Handlung enthält manch unglaubwürdige Szene oder überraschende Befreiung. In einem Film, in dem die Resistance eine Rolle spielt, kommt man spannungsmäßig gar nicht ohne Kontrollen und Verhaftungen aus. Hier ist nur eine Szene überzeugend: die Verhaftung der weiblichen Agenten im Bistro. In der zweiten Hälfte kommt dann durch die Judenverfolgung im Vichy-Frankreich doch so etwas wie leichte Spannung auf. Cate Blanchett versucht ihr Bestes und wurde noch nie so optisch aufpoliert in Szene gesetzt. Das Ganze erscheint wie eine Reise im Touristenexpress durch schöne Landschaften. Es kommt nicht viel Gehaltvolles rüber.


Filmkritik zu Die Legende von Bagger Vance - 17.06.2009 23:31

Der Film ist nur was für Golfer. Auch das Ganze Drum und Dran mit der Selbstfindung wirkt irgendwie aufgesetzt. Bleibt halt die Legende. Nur was für Gläubige. Und dass Matt Damon am Ende der Sieger ist, war ja wohl von Anfang an klar, von allen um den Hauptgewinn beneidet. Charlize Theron versucht das Beste aus der oberflächlichen Rolle zu machen und glänzt eigentlich nur durch die Vielfalt ihrer Hüte und den Augenaufschlag. Instinktiv ist man versucht, nach dem schnellen Vorlauf zu suchen. Einzig der Rahmen, den der gute alte Jack Lemmon liefert bleibt ansehnlich. Redfords schwächster Streifen.


Filmkritik zu Sunshine - Ein Hauch von Sonnenschein - 17.06.2009 18:33

Es ist großartiges Erzählkino. Mit eindrucksvollen Bildern erzählt Istvan Szabo die Geschichte der jüdischen Familie Sonnenschein über drei Generationen hinweg. Der besondere Kick ist, dass Ralph Fiennes jedes Mal die Hauptfigur darstellt. Der zeitliche Bogen spannt sich vom ersten Weltkrieg bis zum Ungarnaufstand 1956 und enthält eindrucksvolle Beispiele des Familienlebens, das von den politischen Ereignissen beeinträchtigt wird. Mit viel Geschick steigen die Sonnenscheins in jeder Epoche sozial auf, müssen aber auch Opfer bringen. Meistens stehen sie auf der Seite der Machthaber, nivellieren soziale Tabus und nutzen jede Chance, die sich bietet. Sie erfahren aber auch, dass Recht nicht immer Gerechtigkeit ist, welche Kraft ein Familienverband hat und dass alles vergebens ist, wenn man nicht authentisch bleibt, sondern von maßlosem Ehrgeiz getrieben, seine Wurzeln verleugnet. Sehenswert.


Filmkritik zu Davids wundersame Welt - 13.06.2009 23:55

Was vordergründig wie ein Jugendfilm über Cricket aussieht, entpuppt sich dann aber zu einer leisen aber eindringlichen Anklage gegen Rassismus und für Toleranz in einer Multi-kulti Gesellschaft. Wie schon in seinem ersten Film (‘Solomon und Gaenor’) hat Paul Morrison dieses Mal das Thema noch komplexer gestaltet. Es sind Deutsche Juden, die aus Hitler-Deutschland geflohen waren, die jetzt hier in England der 60er Jahre am eigenen Leibe erfahren müssen, was es heißt, ausgegrenzt zu werden, nur weil sie sich mit ihren Nachbarn, die aus Jamaika kommen gut verstehen. Aber auch das Erwachen von Davids Mutter, die recht lieblos und körperfeindlich in der Fremde aufgewachsen ist, und die sich neu findet, ist ein nicht zu vernachlässigender Teilaspekt. Mit großer Sensibilität lässt Morrison seine Figuren agieren und verzichtet auf spektakuläre Events. Man erkennt gemeinsam mit David, wie gefährlich die Auswüchse des Extremismus sein können. Ein wichtiger Film.


Filmkritik zu Ein ungezähmtes Leben - 12.06.2009 10:02

Einar, ein verbitterter alter Mann (Robert Redford), kommt über den Tod seines über Alles geliebten Sohnes nicht hinweg. Er macht seine Schwiegertochter (Jennifer Lopez) dafür verantwortlich. Und dann ist da noch sein ehemaliger Vorarbeiter Mitch (Morgan Freeman), der von einem Bären angefallen wurde und den Einar pflegt. Das Zusammentreffen dieser drei Charaktere wird in wunderbaren Bildern gezeigt und enthält oft recht witzige Dialoge: z. B. Mitch: ’Hab’ heut’ Nacht vom Meer geträumt.’ Einar:’ Und, nass geworden?’ Es geht um Schuld und Verzeihen können und um das Aufbrechen verkrusteter mit Vorurteilen aus der Vergangenheit beladener verwandtschaftlicher Beziehungen. Dabei schrammt Regisseur Hallström haarscharf am Rande von Kitsch und Zuckerguss vorbei. Ein Film für die ganze Familie vom Opa bis zu den Enkeln.


Filmkritik zu Amarcord (WA) - 10.06.2009 19:47

Federico Fellini erinnert sich (mi ricordo) und entwirft dabei ein liebevolles Portrait einer italienischen Kleinstadt (Rimini) der 30er Jahre. Wir sehen ein Kaleidoskop von skurrilen Typen und schrägen Käuzen, die das italienische Lebensgefühl zum Ausdruck bringen. Die Schule, die Beichte, ein zwergenhafter Emir mit 30 Haremsdamen, ein Familienausflug mit dem irren Onkel etc. sind nur einige der amüsanten Farbtupfer der Palette. Im Wesentlichen kreist die Geschichte um eine Großfamilie mit Opa und Onkel, daneben erleben wir die Streiche einer Gruppe pubertierender Buben und schließlich noch die Karikatur des italienischen Faschismus. Traumsequenzen und Wunschträume runden das lebhafte Bild ab. Es gelingt nur einem Könner, diese Themenvielfalt in einer Komödie zu vereinen, die knapp hinter Billy Wilders Supercomedy anzusiedeln ist. Unbedingt sehenswert.


Filmkritik zu Out of Time - Sein Gegner ist die Zeit - 09.06.2009 09:53

Eine extrem dämliche Story vor allem was das völlig unglaubwürdige Ende angeht. Das ist nämlich überhaupt nicht happy – und der Zuschauer schon gar nicht. Aus dem großen Topf ’Polizeiarbeit’ hat man die üblichen Zutaten zusammengemixt: Versicherungsbetrug, Eheprobleme, Schießereien, Prügeleien und Tote natürlich. Und damit Denzel Washington und Eva Mendes besser aussehen, hat man ihnen einen kumpelhaften, etwas zerzausten Tölpel zur Seite gestellt. Selbst der Titel ist so sinnfrei wie der ganze Film. Sollte wohl eher ’Out of Mind’ heißen. Kein Hauch von Spannung, nur platte Unterhaltung bei der man krampfhaft nach der Fernbedienung sucht, wenn man nicht mit vorgehaltener Waffe zum Hinschauen gezwungen wird. Wo sind bloß Witz und Atmo geblieben? Hatten wohl beim Dreh frei. Denzel brauchte wohl Geld oder will er partout vom Good-Boy-Image wegkommen? Und ich empfand ihn bisher immer als Garant für gute Filme.


Filmkritik zu Die Dolmetscherin - 08.06.2009 20:34

Vom Meister des Polit-Thrillers, Sydney Pollack, der hier auch eine kleine Rolle übernommen hat. Ein äußerst spannendes, intensives psychologisches Kammerspiel zwischen den beiden Protagonisten Nicole Kidman, der Dolmetscherin und Sean Penn, der Agent des Geheimdienstes. Man verfolgt wie beide anfangs von tiefem gegenseitigen Misstrauen ausgehen und dann im Laufe der atemberaubenden Story zu gegenseitigem Respekt kommen. Es tut richtig gut, dass sie kein Paar werden, denn die Sache an sich steht im Vordergrund. Der Film ist grundsolide gemacht ohne virtuellen Schnickschnack und fesselt von der ersten bis zu letzten Minute.


Filmkritik zu Der längste Tag - 06.06.2009 13:49

Bemerkenswert sind an diesem beeindruckenden Monumentalfilm fünf Dinge: • Er ist von mehreren Regisseuren gemacht (darunter der deutsche Bernhard Wicki und die Amerikaner Ken Annakin sowie Andrew Marton) • Vertreten ist fast jeder, der in Hollywood und Europa Anfang der 60er Jahre einen schauspielerischen Namen hat. • Es ist eine äußerst genaue auf historischen Fakten beruhende Dokumentation der Landung der Alliierten in der Normandie ( vor 65 Jahren) • Das Ganze ist in eine ziemlich spannende Spielfilmhandlung verpackt. • Die Darstellung ist weitgehend neutral und kommt ohne moralischen Zeigefinger aus, wobei beide Seiten und auch die Résistence zu Wort kommen. Das Grauen des Krieges wird keineswegs verharmlost. In dem reinen Männerfilm hebt sich optisch reizvoll nur eine Frau ab: Irina Demick, die Freundin des Produzenten. Gut gemachter Geschichtsunterricht.


Filmkritik zu Mitternacht im Garten von Gut und Böse - 05.06.2009 18:55

Man merkt lange nicht, dass es sich hier um einen Film handelt, in dessen Mittelpunkt ein Strafprozess steht, der einen Todesfall aufklären soll. Zunächst hat Regisseur Clint Eastwood die volle Südstaaten Atmo eingefangen und zeigt ein sehr komplexes soziales Gebilde. Im Mittelpunkt stehen der neureiche, supercoole Kevin Spacey, der schwul ist und der Journalist John-Everybodysdarling-Cusack. Das außergewöhnliche an dem Film ist die Auflösung des Rätsels. Eastwood bietet drei Varianten an und sagt dazu „Die Wahrheit wie die Kunst liegen im Auge des Betrachters.“ Ich kann mir das verschmitzte Grinsen von Eastwood durchaus vorstellen, wenn er, während der Abspann läuft, dem Zuschauer quasi mit einem Auge zuzwinkert. Gut gemachte Unterhaltung mit tollen Musikbeispielen angereichert.


Filmkritik zu Weiblich, ledig, jung sucht... - 01.06.2009 11:20

Es ist nicht nur einer der spannendsten Filme, sondern ebenso bemerkenswert, wie diese Spannung aufgebaut und bis zur Unerträglichkeit gesteigert wird. Es gibt Zwischenstadien von geheuchelter schwesterlicher Solidarität über gespielte Hilfsbereitschaft bis hin zu ersten physischen Grausamkeiten und dem furiosen Showdown am Ende. Die beiden Hauptdarstellerinnen Bridget Fonda und Jennifer Jason Leigh sind umwerfend überzeugend. Wobei letztere den interessanteren Part hat: die Wandlung von der freundlichen, linkischen, nicht besonders hübschen, fast hilflosen Untermieterin zur psychopatischen Killerbestie. Ein wichtiger Faktor ist dabei das wachsende Misstrauen im psychologischen Kleinkrieg. Und wenn schließlich die Hintergrundinformation die Erklärung bringt, rundet die – weil gut vorbereitet – das Bild stimmig ab.


Starkritik zu Sofia Coppola - 31.05.2009 13:51

Ein äußerst handlungsarmer Streifen, bei dem anscheinend nur großen Wert auf die aufwendigen Kostüme gelegt wurde. Die Darstellung der steifen Hofetikette nimmt weiten Raum ein, wobei die sich wiederholenden Anlässe eine gewisse Monotonie verbreiten. Die Anlehnung an historische Korrektheit – hier der Vorabend der Französischen Revolution – ist eigentlich bedeutungslos. Und wenn man es schafft, sich das höfische Treiben längere Zeit anzuschauen, wird man durch Heavy Metal wachgedröhnt. Das ist ebenso unpassend wie die gesungenen Arien akustische Schmerzen bereiten. Und wenn wirklich was passiert und der Dauphin schafft es die Ehe zu vollziehen, geht es im Stakkato-Tempo: völlige Dunkelheit – Kirsten Dunst stöhnt kurz auf – Geburtsschrei des Thronfolgers – fertig. Ein Film, den die Welt nicht braucht und für den die Bezeichnung Kostümschinken noch geschmeichelt wäre. Oh Sofia, was hast du dir nur dabei gedacht!?


Filmkritik zu Hinter der Sonne - 25.05.2009 13:19

Ein durchaus lobenswerter Versuch, die Sinnlosigkeit der Blutrache darzustellen. Er ergeht sich aber weitgehend in schönen folkloristischen Bildern aus der Zirkuswelt. Die entscheidenden Szenen sind so dunkel, dass man die Handlung nur schemenhaft erkennen kann. Wenn ich es richtig gesehen habe, ist der ’Kleine’, der eigentlich völlig unbeteiligt war, am Ende umgekommen. Und was macht der größere Bruder am Strand? Soll die Erklärung etwa lauten ’Kommissar Zufall’ hilft am Ende, dass das Morden nicht weitergeht oder ist ein anderer Ausweg, man folgt seiner großen Liebe? Schön anzuschauen. Ein ernstes Thema, das man so nicht ernst nehmen kann.


Filmkritik zu Boulevard der Dämmerung - 23.05.2009 13:13

Es ist wohl Billy Wilders ernstester und düsterster Film, mit dem er uns aber keineswegs schocken will. Deshalb nimmt er auch das Ende vorweg: ein Toter kann nicht über seinen eigenen Tod berichten. Höchstens aus dem Jenseits. Gloria Swanson spielt die abgehalfterte Diva, die der Frust in den Wahnsinn treibt unnachahmlich. Und auch William Holden als erfolgloser Schriftsteller, der von ihr ausgehalten wird überzeugt als lässiger aber keineswegs herzloser Lover. Außerdem sehen wir Filmlegenden wie Cecil B. DeMille und Buster Keaton. Was den Film darüber hinaus zu einem der ganz Großen macht, ist, dass er noch eine andere Ebene hat: es setzt humorvolle und ironische Seitenhiebe auf das alte Hollywood. Und er findet einen akzeptablen Schluss, nachdem uns zuvor Erich von Strohheim (selbst Regisseur) eine überraschende Wendung geboten hat. Wilders technische Meisterschaft zeigt sich in der Kameraeinstellung der Leiche im Pool. Ein Klassiker eben, der auch nach fast 60 Jahren sehenswert bleibt.


Filmkritik zu La mala educación - Schlechte Erziehung - 22.05.2009 00:34

Mit vielen überraschenden Wendungen verwirrt uns der Regisseur Almodovar bis man fast den Faden verliert. Aber andererseits erreicht er dadurch auch eine gewisse Spannung, die trägt. Der Vorwurf: Missbrauch von Buben trifft die katholische Kirche schwer und wird heute von ihr immer noch wenn möglich totgeschwiegen. Sicherlich sind diese Jungen für den Rest ihres Lebens gebrandmarkt. Es geht Almodovar nicht darum nachgewiesen, warum man nach solchen Jugenderlebnissen folgerichtig schwul werden muss – also vielleicht um eine persönliche Rechtfertigung - sondern er will wohl eher eine Diskussion anstoßen, die letztlich auch die Frage nach dem Sinn des Zölibats beinhaltet.


Starkritik zu Frank Lloyd - 21.05.2009 18:42

Der Klassiker von 1935 ist immer noch besser als alle Remakes. Nicht nur weil die Story spannend erzählt wird und die Schauspieler – besonders Charles Laughton – überzeugen. Es gelingt echte Charaktere auf die Leinwand zu bringen: vom psychopatischen, sadistischen Kapitän Bligh über den freiheitsliebenden Offizier Christian (Clark Gable) bis hin zum Schiffskoch, der für den Spaß zuständig ist. Und auch das Ende stellt alle zufrieden. Die musikalische Untermalung weist auf das Alter des Films hin – inklusive des Schlusschores “Britannia rule the waves“ und die Südseeromantik wirkt heute überzuckert. Zeitlos bleibt die Darstellung der Frage verschiedener Erziehungsstile sowie das ’personal management’ von Angestellten. Gute Unterhaltung mit Qualitätsanspruch.


Filmkritik zu Das Mädchen, das die Seiten umblättert - 20.05.2009 10:21

Ein leiser Film, bei dem es um Musik geht. Doch die ist nur das Medium, das die eigentliche Geschichte transportiert. Der Regisseur Denis Dercourt ist ein Kenner und Könner klassischer Musik, die er eindrucksvoll einsetzt. Ein für Außenstehende fast unbedeutender Vorfall, der zu Beginn die Karriere des kleinen klavierspielenden Mädchens zerstört und am Ende in einem subtilen Racheplan endet, bildet den ganzen Spannungsbogen des Films. Und nach so viel Bach und Mozart ist es nur zeitgemäß passend, dass die eine Partnerin (Cathérine Frot) der unerfüllbaren Liebe in Ohnmacht fällt. Nicht nur für Freunde klassischer Musik ist der Film sehenswert, sondern wegen der über weite Strecken hinweg stummen Passagen, in denen nur vielsagende Blicke gewechselt werden(beeindruckend Neuentdeckung Déborah Francois) bis hin zur wortlos angebotenen Lösung, die dann doch manchem etwas zu konstruiert und seicht vorkommen mag.


Filmkritik zu Cinema Paradiso - 16.05.2009 16:56

Der Film gehört sicherlich zu den besten Filmen aller Zeiten. Giuseppe Tornatore hat uns mit jedem seiner Werke verzaubert. Hier setzt er dem Film an sich ein Denkmal und dokumentiert den Niedergang des Kinos im Laufe eines Lebens. Wenn die Liebe Medizin für uns ist, dann kann man hier genesen. Es ist nicht nur für diejenigen ein Erlebnis, die gern in nostalgischen Träumereien versinken, sondern eine herzergreifende Geschichte, verstärkt durch die geniale Rahmenhandlung, schlägt uns in ihren Bann: die lebenslange Liebe zwischen einem alten Mann (Philippe Noiret)und einem Jungen(wunderbar der kleine Salvatore Cascio), beide verbindet die Liebe zum Film und der Junge erfährt die erste Liebe zu einem Mädchen. Die Musik von Ennio Morricone ist das Sahnehäubchen auf dem zu Recht oscarprämierten Film. Die Szenen der eingestreuten Klassiker erfreuen Cineasten besonders. Genau wie der Zusammenschnitt von über 40 Filmküssen. Ein sehenswertes Meisterwerk!


Filmkritik zu Ich und Du und Alle, die wir kennen - 15.05.2009 17:43

Es ist eine sonderbare Komödie. Das Erwachsenwerden pubertierender Kids und das Durchwursteln eines getrennt lebenden Schuhverkäufers bietet ausgiebig Stoff für einen lustigen Film. Die einzelnen Szenen werden eigentlich durch die dort auftretenden Personen zusammengehalten und so gelingt es Handlungssprünge zu überwinden. Es entsteht ein Fleckerlteppich auf dem es nette Szenen gibt, manchmal auch lustige, andere sind dagegen sinnfrei oder sogar dämlich. Es ist halt ein eigenartiger Film, der vielleicht das heutige Leben in der Patchwork-Familie nachempfindet. Und wenn schon die Regisseurin die Hauptrolle übernehmen muss…


Filmkritik zu Zimt und Koriander - A Touch of Spice - 04.05.2009 18:02

Die Bilder sind schön anzuschauen und auch der politische Hintergrund: die Vertreibung der Griechen aus der Türkei wäre ein Anlass zum Film. Es werden auch ansatzweise vereinzelt recht gute Szenen gezeigt mit interessanten filmischen Ideen. Wahrlich keine lustigen im Sinne einer Komödie. Aber unterwegs kommt irgendwie Regisseur und Drehbuchautor der Rote Faden abhanden. Alles wird zerfleddert und löst sich in Langeweile auf. Die Familiengeschichte wird unübersichtlich, versinkt gar in langen Monologen im patriotischen Sumpf, was eher pathetisch daherkommt. Und wenn man durchgehalten hat und am Ende wenigstens auf eine erfüllte Liebesgeschichte hofft, wird man bitter enttäuscht. Trotz der Auszeichnungen kann mich dieser Film überhaupt nicht überzeugen. Schade.


Filmkritik zu Der Zauber von Malèna - 26.04.2009 14:02

Mit allen seinen Filmen hat uns Giuseppe Tornatore verzaubert. Hier ist ihm ein ganz besonderer Film gelungen. Mit Monica Bellucci in der Hauptrolle hat er eine umwerfend schöne Frau gefunden, die aber hier auch durch ihr schauspielerisches Talent überzeugt. Was die bigotte Dorfgemeinschaft ihrer Schönheit antut, ist in unvergessliche Bilder umgesetzt. Dass ganz nebenbei der Faschismus in Italien kritisch beleuchtet wird ist ebenso von Bedeutung wie die Vergötterung durch den pubertierenden Jungen. Äußerst unterhaltsam die Umsetzung seiner sexuellen Sehnsüchte in s/w Szenen aus filmischen Klassikern der Antike oder dem wilden Westen. Um die Perfektion zu vollenden kommt auch noch Komik mit hinzu. Die Musik von Ennio Morricone rundet diesen grandiosen Film wunderbar ab und so wirkt der Zauber von Malena auch auf die Zuschauer.


Filmkritik zu Mystic River - 23.04.2009 14:04

Weitgehend überschätztes Machwerk von Clint Eastwood, trotz prominenter Besetzung (Sean Penn, Kevin Bacon, Tim Robbins). Bei dem vorhersehbaren Ende werden wir durch eintönige Polizeiarbeit gelangweilt. Die Einstellungen sind stereotyp und wenig abwechslungsreich. Die Story ertrinkt in Tränen, mitunter unterbrochen von emotionalen Schreikrämpfen oder Partien in einem schwer verständlichen Flüsterton. Und am Ende sehen sich alle die noch leben bei einer nationalen Show-Parade wieder. Sie vereint in den USA offenbar Gut und Böse und es wird alles vergeben und vergessen. Schwamm drüber!


Filmkritik zu Echte Frauen haben Kurven - 22.04.2009 12:15

Der Titel sollte wohl als Publikumsmagnet wirken und es gibt auch tatsächlich eine Szene, die das Thema anschaulich verdeutlicht. Aber eigentlich geht es – und das macht 80% des Films aus – um die Selbstfindung eines Teenagers in der Pubertät, erste sexuelle Erfahrung, die Arbeit in der Textilfabrik der Schwester und das Verlassen des elterlichen Nestes. Es stellt sich die Frage, ob bei einem Studium eines Mitgliedes der ganze Familienverband auseinander bricht. America Ferrera spielt überzeugend dieses kluge Moppelchen, das sich dann doch durchringt mit einem Stipendium aufs College zu gehen. Wie gesagt: nicht schlecht, aber Thema verfehlt.


Filmkritik zu Der Pianist - 17.04.2009 16:42

Regisseur Roman Polanski hat einen Teil seiner eigenen Kindheit verarbeitet, indem er die Autobiographie von Wladyslaw Szpilman verfilmte und seiner Heimatstadt ein Denkmal gesetzt, wie man im von der Wehrmacht besetzten Warschau überleben konnte. Ein Einzelschicksal zwar, aber stellvertretend und symbolträchtig für viele andere. Außerdem zeigt er, dass nicht alle Deutschen schlecht waren. Die Szenen brutaler Grausamkeit reichen in der Darstellung von Willkür an Schindlers Liste heran und sind auch teilweise mit deutschen Schauspielern besetzt. Wenn man in das Gesicht von Adrien Brody schaut, sieht man das ganze Elend eines unterdrückten Volkes. Obwohl es schon so viele Filme über diese Zeit gibt, und dieser entstand erst 2002, ist er keineswegs überflüssig. Und dass er ohne Lovestory auskommt, verleiht ihm noch zusätzliche Qualität.


Filmkritik zu Die Kinder des Monsieur Mathieu - 17.04.2009 12:49

Die Geschichte, wie der Musiklehrer aus schwer erziehbaren Jungs im wahrsten Sinne des Wortes Chorknaben macht, geht ans Herz. Sie wird zwar in etwas naiver schwarz-weiß Malerei erzählt, bezieht von daher aber auch eine leise Komik. Die Hauptrolle spielt natürlich die Musik, genauer gesagt die Chormusik oder der Gesang dieser Knaben. Der geht wahrlich ins Ohr. Das bekannteste Thema wird aber auch ständig als Hintergrund bemüht. Als dann aus der hoffnungsvollen Freundschaft zur allein erziehenden Mutter seines Solisten nichts wird, ist man mit Monsieur Mathieu (Gérard Jugnot) enttäuscht und leidet mit ihm. Daran lässt sich ablesen, ob man und wenn ja wie sehr man vom Film ergriffen ist. Ein echtes Feel-Good Erlebnis.


Filmkritik zu Maria voll der Gnade - 15.04.2009 14:52

Es gibt viele Filme über Drogenkuriere, auch ’Maultiere’ oder ’Schlucker’ genannt, aber selten ist einer so gnadenlos und detailgenau an der Realität wie dieser. Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass man hier auch sieht, wie die prekäre wirtschaftliche Situation die jungen Dorfbewohnerinnen in Kolumbien dazu zwingt, diesen Trip zu machen. Ohne zu werten wird fast dokumentarisch erzählt und dennoch kommt Spannung auf, bis zum überraschenden Ende. Hier nimmt die letzte, lange Einstellung Bezug auf den Titel: die madonnenhaft-schöne Catalina Sandino Moreno (mit Recht oscarnominiert!) läuft vor der Kamera her, möglicherweise in ein neues Leben. Ein wichtiger Film weil er informativ ist, unterhaltsam, weil spannend gemacht und anschauenswert, weil die Botschaft in schönen Bildern transportiert wird.


Filmkritik zu Lang lebe Ned Devine - 07.04.2009 20:25

Der Film ist vom ersten bis zum letzten Gag eine wunderbare Liebeserklärung an Irland und die Lebenseinstellung der Leute, die auf der Insel leben. Sie sind listig, fromm, lyrisch begabt, in der Liebe manchmal etwas sperrig, trinkfreudig, aber immer wahnsinnig sympathisch. Dabei ist das Ausbezahlen eines Lottogewinns fast Nebensache. Die ganze Dorfcrew ist hervorragend gecastet und wirkt durchaus authentisch, allen voran Ian Bannen, der wohl bekannteste Vertreter neben David Kelly. Bei der spaßigen Story vergisst man fast die tolle Musik, die im Laufe des Films zum Ohrwurm wird und die in eine wunderschöne Landschaft eingebettet ist. Ein Muss nicht nur für Irland-Fans.


Filmkritik zu House of Flying Daggers - 04.04.2009 18:27

Der Regisseur ist nicht nur der bekannteste sondern wohl auch der beste Vertreter des chinesischen Kinos. Er zeigt wie viel die fernöstliche Kampfkunst mit dem Tanz gemeinsam hat. Eine Liebesgeschichte ist thematisch passend eingebaut, in der die süße Zhang Ziyi zwei Nebenbuhlern die Köpfe verdreht. Mit aufwendigen Kostümen ausgestattet und in wunderschöne Farben getaucht beeindruckt besonders der Tanzkampf im Bambuswald und der Endkampf im Schneetreiben. Die beeindruckenden Bildkompositionen – auch verlangsamt – trösten über das fehlende Happy End hinweg. Der Film hebt sich wohltuend vom Müll ab, der einen Großteil dieses Genres ausmacht. Es ist nicht nur was für Martial Art Fans.


Filmkritik zu Die Geschichte der Dienerin - 02.04.2009 12:42

Volker Schlöndorff ist ja ein Spezialist und Könner von Literaturverfilmungen. Hier hat er vor allem auf die Karte Melodram gesetzt, dann auf Science-Fiction. Den Aspekt Gesellschaftssatire streift er nur marginal. Dabei läge hier der eigentliche Reiz. Die autoritäre Diktatur wird von gläubigen Fundamentalisten regiert. Das ist doch immer noch ein brisantes Thema angesichts der Äußerungen des reisefreudigen Papstes. Schlöndorff stellt das Thema wie gewohnt sehr distanziert dar. Lediglich die beiden menschlich gezeichneten Figuren (Natascha Richardson und Aidan Quinn) sind belebende Farbtupfer und bringen auch etwas Spannung. Inhaltlich drängt sich ein Vergleich zu ’1984’ auf, wo es kein Happy End gibt. Hier bleibt das Ende offen, verschwommen, etwas blutleer. Kein Wohl-Fühl-Film.


Filmkritik zu Departed - Unter Feinden - 31.03.2009 10:08

Mögen sie in Frieden ruhen: the Departed – die Verschiedenen, die Verstorbenen, die die abgereist sind ins Jenseits. Es ist wohl einer der spannendsten Thriller in Bestbesetzung (Leo, Matt und Jack) überhaupt. Schon die Ausgangssituation ist so angelegt, dass es nach der Einleitung zu knistern beginnt. Und dies wird aufrechterhalten, weil die Handlung jede Minute entweder in brutale Gewalt umschlagen kann oder die Tarnung auffliegt mit tödlichen Folgen. Und dann kommt das Unglaubliche: ein furioses Finale, in das man von einem Schocker in die nächste Überraschung stolpert, nur um dann wieder geschockt zu werden, weil man glaubt alles sei schon gelaufen. Eine atemberaubende Gewaltspirale in der wirklich viele ins Jenseits abreisen. Nichts für schwache Nerven.


Filmkritik zu Die Fälschung - 30.03.2009 13:59

Ein Journalist, der aus der Midlife Crisis seiner Ehe als Kriegsberichterstatter nach Beirut geht und dort mit einer Einheimischen vorübergehend etwas anfängt, ist die Ausgangsposition dieser Literaturverfilmung. Es soll gleichzeitig die gnadenlose Vermarktung von Gräueltaten durch die Medien gegeißelt werden. Die Sinnsuche des Protagonisten gerät dabei etwas oberflächlich und auch die Explosionen und Kriegsszenen als Hintergrundkulisse lassen keine Spannung aufkommen. Bruno Ganz von zwei Grazien (Schygulla/von Weitershausen) eingerahmt, bemüht sich redlich den intellektuellen Anspruch aufrecht zu erhalten. Doch das Ganze wirkt etwas unentschlossen und halbherzig gemacht und berührt den Zuschauer nicht wirklich.


Filmkritik zu Das Reich und die Herrlichkeit - 28.03.2009 20:31

Ein bildgewaltiges Epos aus der Pionierzeit Amerikas. Der Machtverfall des Patriarchen einer Stadt und sein familiärer Niedergang werden eindrucksvoll erzählt. Als Rahmen, der die Geschichte zusammenhält und auch für eine gewisse Spannung sorgt, dient ein schändlicher Deal, der viele Jahre zurückliegt. Dem deutschen Titel, der aus dem Vater Unser stammt, steht im Original The Claim gegenüber, also der Besitzanspruch auf ein Stück Land. Und genau das war das auslösende Übel für das Familiendrama. Alle Schauspieler liefern eine überzeugende Leistung ab, besonders Peter Mullen, dem der Spagat zwischen Brutalität und Zartgefühl gelingt, der um Wiedergutmachung bemüht ist, aber auch alles versucht, um seine Macht zu erhalten.


Filmkritik zu Wer mit dem Teufel reitet - 26.03.2009 08:26

Der Krieg wird als ein sinnloses Massengemetzel dargestellt, wobei die Grenzen zwischen Freund und Feind fließend sind. Es wird wild drauf los geballert und heftig gestorben. Und damit man den Glauben an die Menschheit nicht ganz verliert, lässt man das Ganze zuckersüß happyenden. Zuvor war es noch zu einer ziemlich kuriosen und nicht ganz komikfreien Zwangsheirat (unter dem Motto ’Nicht-doch-doch’) zwischen dem knuffigen Tobey Maguire und Jewel gekommen. Es geht sicher nicht um die Aufarbeitung eines Kapitels der amerikanischen Geschichte, sondern um das Leid von betroffenen Zivilisten in Zeiten des Krieges. Und wenn man Glück hat und durchkommt – so die Message – dann kriegt man auch noch als Belohnung eine hübsche Frau. Na ja!? Nun ist ja Ang Lee ein durchaus renommierter Regisseur, aber was er uns damit angetan hat ist schwer nachzuvollziehen. Und selbst der Titel hilft auch nicht weiter.


Filmkritik zu Der weite Ritt (Two Disc Special Edition) - 25.03.2009 12:46

Der heimkehrende Cowboy Peter Fonda wird nach 7 Jahren von der verlassenen Ehefrau nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Aber sehr sensibel wird die erneute Annäherung geschildert. Dann muss er sich zwischen einer gewachsenen Männerfreundschaft und dem gerade wiedergefundenen Glück im trauten Heim entscheiden. Die Zeit zwischen den handlungsarmen Szenen wird durch wunderschöne fast elegische Bilder und einem gut dazu passenden Soundtrack überbrückt. Peter Fonda hat 1971 einen außergewöhnlichen Western abgeliefert. – völlig off-mainstream – bleibt er bis zum finalen Showdown konsequent. Ein optischer und akustischer Leckerbissen für Leute, die es ruhig mögen und die sich bei den üblichen Western mit viel Geballer und Happyend langweilen.


Filmkritik zu Just a Kiss - 19.03.2009 19:15

Es werden alle Hindernisse aufgetürmt, alle Probleme aufgezeigt und ausdiskutiert, die einer multikulturellen Verbindung im Wege stehen. Casim, der Pakistani, verliebt sich in Roisin, eine katholische Musiklehrerin. Die Macht einer pakistanischen Familie und die eventuellen Konsequenzen ihres Auseinanderbrechens werden detailliert geschildert. Ihre getreuen Clan-Mitglieder wirken sogar bei einer soap-mäßigen Performance mit, um die Liebenden auseinander zu bringen. Aber der Gipfel ist hier die Haltung der katholischen Kirche als Aufsichtsbehörde einer Konfessionsschule. Und als selbst der liberale Rektor klein bei geben muss, bleibt am Ende nur die geniale Flucht in eine ironische Anti-Liebeserklärung der beiden. Altmeister Ken Loach hat einen sehr differenzierten, teilweise sogar lustigen Film über ein ernstes Thema gemacht. Sehenswert.


Filmkritik zu Hallam Foe - this is my story - 19.03.2009 14:06

Wenn es das Wesen einer Groteske ist, nur halbe Sachen zu machen, dann ist das eine ganz tolles Beispiel. Die Hauptfigur ist ein Spanner und Außenseiter, der im höchsten Maße ödipiert. Er versucht die verhasste Stiefmutter umzubringen – holt sie aber wieder aus dem Wasser. Er verliebt sich in die seiner Mutter ähnliche, bindungsunfähige Personalchefin. Als das schief, geht sagt sie „Komm doch in fünf Jahren wieder mal vorbei.“ Das Boot als corpus delicti hat ein Leck, er macht es überflüssigerweise einfach nur größer. Das alles wird in düsteren, zwischen äußerst dunklen bis unerkennbaren Bildern geschildert. Keineswegs langweilig, aber halt grotesk.


Filmkritik zu Die Ritter der Kokosnuß - 12.03.2009 17:41

Über dreißig Jahre und kein bisschen langweilig. Es ist wohl das Ultimativste was je mit geistreicher Komik und herzerfrischendem Humor geschaffen worden ist. Dabei beeindruckt der Einfallsreichtum, der jedes Tabu vom Tisch wischt, ebenso wie die grenzüberschreitenden Zeitsprünge. Auch die deutsche Synchronisation ist gut gelungen. Es wird nicht nur übersetzt sondern ein Pendant aus dem deutschen Sprachgebrauch verwendet. Besonders die Beschimpfungen durch die französischen Burgherren provozieren schenkelklopfendes Gewieher. Der Film wurde zu Recht wegweisend für viele spätere Nachahmer, die das Original aber nie erreichten. So sind „die Ritter“ immer noch zeitlose Spitzenklasse. Wer die nicht mag, ist selber schuld.


Filmkritik zu Verdammt in alle Ewigkeit - 09.03.2009 18:21

Der deutsche Titel klingt etwas negativer als das Original „Von hier bis zur Ewigkeit“. Es geht nicht so sehr ums Militär, sondern um allgemein menschliche Probleme in diesem oscarprämierten Klassiker: um Kadavergehorsam und Zivilcourage, um Niedertracht und Genugtuung, um Beförderung oder Karriereknick, unerlaubte Liebe und unerfüllbare Zukunftsträume; auch Freundschaft spielt eine zentrale Rolle. Und in diesem menschlichen Zoo wird auch gestorben. Etwas dialoglastig über weite Strecken, kommt erst am Ende etwas mehr Action auf als die Japaner Pearl Harbour überfallen und für alle Beteiligte Lösungen herbeiführen, die eigentlich so keiner gewollt hat. Die Aufnahmen sind oft etwas dunkel und so kann man Hollywoods erste Garde mitunter nur undeutlich ausmachen.


Filmkritik zu Sabah - 07.03.2009 22:32

Einer der vielen interkulturellen Liebesfilme, die äußerst vorhersehbar mit der Hochzeit enden. Hier: eine vierzigjährige Araberin verliebt sich in tischlernden Kanadier. Die meisten in dieser Gattung setzen auf die Spaßkarte als Trumpf mit Jubel, Trubel Heiterkeit. Dieser nicht. Eher eine stiller, ernster aber detailgenauer Film, der die Herrschaft der Männer beschreibt, die dem Happyend im Wege stehen. Wenigstens so lange, bis sie kapitulieren und der Hochzeit zustimmen. Manchmal etwas hölzern aber bemüht.


Filmkritik zu Der Mann, der Liberty Valance erschoß - 06.03.2009 18:20

Es ist nicht nur die ungewöhnliche Erzählweise – Rückblende als eigentliche Handlung - und nicht das Staraufgebot aus der Glanzzeit Hollywoods, (Wayne, Stewart, Miles und Lee Marvin) was diesen Western so wertvoll macht. Auch die überraschende Beantwortung der Frage, die der Titel stellt, trägt mit dazu bei. Aber vor allem besitzt dieser Film noch eine anrührende, menschliche Komponente, die weit über die eines Western hinausgeht. Man bekommt ein Gefühl für das Vergehen von Zeit, von Rückschau und Einsichten. Gleichzeitig wird die Frage erörtert, ob Faustrecht mit dem Revolver oder das Gesetz letztendlich das Sagen haben. Es ist sogar Platz für Anflüge von Antirassismus. Dabei wird mit leisem Humor die Mythen- und Legendenbildung ironisiert. Und man gewinnt einen Einblick in die demokratischen Anfänge der USA. Obwohl es schon fast fünfzig Jahre her ist, dass John Ford diesen Film gedreht hat, er gehört zu den besten Western aller Zeiten.


Filmkritik zu Der geköpfte Hahn - 05.03.2009 17:27

Es ist der Versuch der Siebenbürger Sachsen (Rumänien) die Zeit der nationalsozialistischen Okkupation aufzuarbeiten. Hierbei setzt man bevorzugt auf individuelle Erfahrung einzelner Pennäler. Dies kann für manchen durchaus anschaulich sein, bleibt aber größtenteils wegen schlichter Theatralik an der Oberfläche. Durch die Betonung der erwachenden Sexualität der Jugendlichen – vor allem der weiblichen - wird der Ernst des Themas etwas überzuckert. Der Rahmen, der auch das Thema stellt, kann ein wenig Interesse wecken, wird aber wie der skurrile Fährmann folkloristisch verbraten.


Filmkritik zu Scaramouche, der galante Marquis - 02.03.2009 14:41

Der Film beginnt temporeich und hält das 100 Minuten durch. Vier Hollywood-Legenden sind hier vor der Kulisse des vorrevolutionären Frankreichs zu sehen. (Janet Leigh, Mel Ferrer und Eleanor Parker) . Und natürlich Stuart Granger in seiner actionreichsten und lustigsten Rolle seine Karriere. Eine Lovestory, die überraschende Wendungen parat hat und aus dem Gegensatz Adel –gewöhnliches Volk ihre Spannung bezieht. Sehenswert nicht nur wegen dem superlangen, eindrucksvollen finalen Showdown der Degen, sondern auch wegen der zeitlosen bukolischen Komik in den Pantomimen des Bauerntheaters. Obwohl schon über 50 Jahre alt, immer noch ein spannender und äußerst unterhaltsamer Feel-Good Film für die ganze Familie.


Filmkritik zu Vatel - 01.03.2009 12:12

Nicht nur die Ausstattung ist vom Feinsten auch das Drehbuch von Tom Stoppard und Musik von Ennio Morricone bürgen ebenfalls für Qualität. Die Handlung selbst ist von sekundärer Bedeutung: Intrigen am Hof Ludwig XIV. oder die Affäre mit einer Hofdame (Uma Thurman) .Dafür jede Menge schöne Frauen. Die eigentliche Hauptrolle spielen Nahrungsmittel und die Zubereitung der Speisen. Beim Zuschauen läuft einem das Wasser im Munde zusammen. Man sollte diesen Film nicht mit leerem Magen anschauen. Das pralle Leben in der Küche. Gerard Depardieu ist in seinem Element. Obwohl schon etwas beleibt – was hier passend ist - kann er noch das volle Tempo gehen. Sein Ende ist der Höhepunkt. Es gerät zu einer optischen Elegie auf den Untergang einer ganzen Epoche. Man sieht nicht den Hauptdarsteller, sondern abgegessene Tafeln, halb verzehrte Speisen und schmelzende Eisverziehrungen.


Filmkritik zu Der Tango der Rashevskis - 27.02.2009 14:58

Regisseur Sam Garbarski hat das Talent einen ernsten Stoff in recht unterhaltsamer Form vorzustellen. Wir erhalten einen Einblick in den Alltag einer jüdischen Großfamilie. Wie sie Feste feiert (Hochzeiten, Ostern) aber auch Beerdigungen. Vor allem wird deutlich, welche Probleme Juden heutzutage haben beim näheren Umgang mit Halbjuden, Nichtjuden, aber auch mit Rassisten. Diese Dramödie beschreibt sogar mitunter mit Humor und viel Empathie eine Welt, die uns ziemlich fremd ist. In der die jüngere Generation vom Krieg im Libanon traumatisiert ist und die ältere von den Konzentrationslagern. Der Tod der 81jährigen Rosa, die man im Film der Jetztzeit nie sieht, dient als Auslöser. Wie sie aber dann doch in einer Rückblende auftaucht ist durchaus sehenswert und ergreifend. Und auch die titelgebende Idee ist zum Schmunzeln, aber intelligent umgesetzt.


Filmkritik zu Forty Shades of Blue - 18.02.2009 11:54

Der Titel ist noch das Beste an diesem Film. Und wer emotionsloses Kino mag, liegt hier richtig. Ansonsten gibt es eine Reihe von vorhersehbaren Belanglosigkeiten. Die Message ist wohl: das Leben der Reichen und Schönen ist doch im Grunde fad und leer. Die machen sich einen Kopf um Dinge, die den meisten mehr als egal sind. Sonst haben sie ja auch nichts zu tun. Höchstens wie hier: alle leiden unter dem patriarchalischen Unsympathen, der alle rumkommandiert. Als er dann unerwartet Gefühle zeigt, ist man überrascht, aber nicht überzeugt. Es ist einer der Filme, die die Welt nicht braucht. Und man ist froh, wenn’s überstanden ist.


Filmkritik zu Dialog mit meinem Gärtner - 16.02.2009 13:31

Der Titel ist Inhaltsangabe. Viel mehr passiert auch nicht in der Männerfreundschaft zweier älterer Herren. Der eine (Daniel Auteuil) ist Künstler, genannt ’Pinselhuber’, der andere(Jean-Pierre Durrousin) pensionierter Bahnangestellter und Hobbygärtner, genannt ’Gartenbauer’. Schön anzuschauen, aber auf die Dauer etwas langatmig. (100 Minuten!). Es sollen wohl die gegensätzlichen Charaktere sein, die den Film tragen: ein schlichter, pragmatischer Arbeiter und der Intellektuelle, der um Form und Farbe ringt. Die beiden Hauptdarsteller überzeugen zwar schon, aber so recht unterhaltsam wird es nicht. Selbst der Abstecher in Amors Reich oder die plötzlich auftauchende Tochter sind nicht wirklich der Bringer. Es ist nicht ärgerlich den Film anzuschauen, man darf nur nichts erwarten.


Filmkritik zu Esmas Geheimnis - Grbavica - 13.02.2009 10:47

Man ahnt schon sehr bald, was Esmas Geheimnis ist. Aber als es dann endlich aus ihr herausbricht, kommt es doch wie ein Schock. Die Regisseurin Jasmila Zbanic hat einen beeindruckenden Film über die Verzweiflung traumatisierter Frauen des Serbienkrieges abgeliefert. Besonders der zutiefst traurige, leere Blick der Hauptdarstellerin Mirjana Karanovic bleibt noch lange im visuellen Gedächtnis. Sie bringt es auf den Punkt „Männer sind Tiere.“ Die Message des Films wird in ihrer Wirkung einerseits noch durch die eigentlich unmögliche, zart inszenierte Love Story zwischen Esma und Pelda verstärkt, andererseits durch das Klagelied der Frauen, das den stimmungsvollen Rahmen bildet.


Filmkritik zu Die Träumer - 21.01.2009 19:56

Isabelle (Eva Green) und Theo (Louis Garrel) sind quasi siamesische Zwillinge, im Kopf zusammen gewachsen. Sie freunden sich mit dem biederen, etwas genanten Amerikaner Matthew (Michael Pitt) in Paris an. Es ist 1986, auf den Straßen finden Studentendemonstrationen statt. Die drei verbringen einige Tage miteinander; lesen, diskutieren, kiffen und baden gemeinsam. Was zunächst noch als ein sadistisches Spielchen durchgehen könnte, entwickelt sich zur sexuellen Befreiung durch einen Tabubruch: öffentlich gemachte Sexualität: onanieren und deflorieren. Der Zeitgeist der 68er wird exakt wiedergeben durch s/w Originalaufnahmen von “Außer Atem“, Musik von Clapton und Hendrix, Diskussion über den Krieg in Vietnam oder Mao. So bleibt letztlich die damals oft gestellte Frage offen: Veränderung durch Liebe oder Gewalt...“ Ein echter Bertolucci eben, sehr freizügig, aber nicht pornographisch. Anschaulich überzeugende Hommage an das Kino. Zum Abspann singt die Piaf “ Non je ne regrette rien…“ Schmunzel, schmunzel…


Filmkritik zu Am Anfang war das Feuer - 31.12.2008 16:57

Einer der besten Filme, die uns die Steinzeit nahe bringen. Wissenschaftlich fundiert, mit großartigen Aufnahmen und sogar einer Handlung, die nicht ganz ohne Spannung ist, ohne sich allzu weit von einer Doku zu entfernen. So kann man sich diese ferne Vorgeschichte des Menschen vorstellen, so hätte es wirklich sein können. Eine eigene Sprache, die meist aus gutturalen Lauten oder gefühlsmäßig betonten Schreien und wilden Gesten besteht, und ein eigens dafür geschultes Team von damals noch unbekannten Schauspielern lassen diese graue Urzeit lebendig werden. Die zentrale Frage ist: wer das Feuer hat, hat die Macht und kann überleben. So auch der Originaltitel “Kampf ums Feuer“. Die zierliche Rae Dawn Chong steht im Mittelpunkt der Handlung und erreicht eine human-genitale Verhaltensänderung beim Koitus: nicht wie bisher die vom Tierreich übernommene Stellung ist es, sondern die Hinwendung zum Partner face-to-face. Lehrreich, interessant und unterhaltsam, was für eine gelungene Mischung.


Filmkritik zu Lili Marleen (WA) - 12.12.2008 16:03

Es ist wohl Fassbinders spannendster Film, den er bis in kleine Nebenrollen mit den Größen des deutschen Films besetzen konnte. Die Altstars der Heimatfilme sind hier ebenso zu sehen, wie welche aus Hollywood. Der Meister selbst hatte in echter Hitchcock-Manier auch einen kurzen Auftritt. Es ist Fassbinder“ at his best“. Die Handlung ist im 2. Weltkrieg angesiedelt: ein jüdischer Musiker, der im Untergrund von der Schweiz aus gegen die Nazis agiert verliebt sich in eine Sängerin, die mit dem Titellied Karriere macht und bei den Nazis ein und aus geht. Mit beeindruckenden schnellen Schnitten verknüpft er geschickt mehrere Handlungsstränge miteinander z.B. den Song mit Kriegsszenen oder einer Massenschlägerei. Titelheldin Hanna Schygulla ist hier so sexy wie selten und dazu singt sie auch noch – gar nicht mal schlecht. Das Problem: Künstler werden ohne ihr Zutun vor den mörderischen Karren des Nationalsozialismus gespannt. Sie sind keine Mitläufer, wollen nur Anerkennung und Ruhm. Die Frage ist: wie weit geben sie dem Druck des totalitären Systems nach? Bis zur Selbstaufgabe? Bis zu einem Karriereende? Bis zur Aufgabe ihrer großen Liebe? Dies beantwortet Fassbinder im Verlauf des Films und findet am Ende eine geniale, beeindruckende Antwort.


Filmkritik zu Lost in Translation - 11.12.2008 12:10

Der Inhalt ist weitgehend bekannt – viel passiert ohnehin nicht. Alle warten und hoffen darauf, dass es zwischen Scarlett Johansson und Bill Murray endlich klappt. Er mit der üblichen traurigen Minimalmimik, sie mit den auffallend gefärbten Haaren gelangweilt aber anschmiegsam. Und immer wieder ist es fast soweit. Als sich dann beide am Ende auf der Strasse umarmen, ahnt man, dass es vielleicht in Zukunft noch was werden könnte mit den beiden, da sie doch beide in so einer nervigen beziehungsweise ausgekühlten Beziehung hängen. Seufz! Etwas überbewertet. Ohne die Leistung von Sofia schmälern zu wollen, sei die Frage erlaubt: würde um den Film soviel Aufhebens gemacht, wenn nicht so ein berühmter Vater (F.F.C) hinter der Tochter stehen würde?


Filmkritik zu Gottes Werk und Teufels Beitrag - 09.12.2008 18:25

Wenn man den deutschen Titel mit dem Original – “Die Regeln des Apfelweinhauses“ -vergleicht, muss man schon einige gedankliche Runden drehen, um einen Bezug zum Film herzuleiten. Und auch das ist nicht von Erfolg gekrönt. Es ist aber zweifellos die beste Verfilmung eines Romans von John Irving, der auch das Drehbuch schrieb. Das Thema der Musik von Rachel Portman, die auf diesem Feld ohnehin oskarmässig ganz vorne liegt, bleibt noch lange im Ohr, ebenso wie der Satz, den Dr Larch (Michael Caine) als Spruch in den Schlafsaal des Waisenhauses schickt: “Gute Nacht, ihr Prinzen von Maine, ihr Könige von Neuengland.“ Einer seiner Zöglinge ist Homer (Tobey Maguire). Er spielt neben der göttlichen Charlize Theron (Candy), den liebenswerten Freund, der ihr die Zeit vertreibt, bis ihr Mann aus dem Krieg zurückkommt. Nebenbei wird er noch Hilfsgynäkologe, Apfelpflücker und Hummerfänger. Die pralle Handlungsfülle lässt keine Längen zu. Wenn es schließlich kein Happyend für Homer und Candy gibt, stört das nicht weiter, denn es gibt dafür eine finale Fügung, die Dr. Larch von oben mit äußerstem Wohlwollen betrachtet. Ein genialer, zu Recht preisgekrönter Film, der das Herz erwärmt. Im Gedächtnis bleiben tolle Bilder, die Titelmusik und der Satz “Gute Nacht ihr Prinzen von Maine . . .


Filmkritik zu Das geheime Leben der Worte - 08.12.2008 21:11

Er (Tim Robbins) wurde schwer verletzt, als er in einem heldenhaften Einsatz einen Kollegen zu retten versuchte. Sie (Sarah-Dontcomeknocking-Polley)pflegt ihn auf der Bohrinsel. Beide sind traumatisiert. Aber als sie ihm vom Drama ihres kurzen Lebens erzählt, kann er sie nur –trotz seiner Brandwunden- stumm in den Arm nehmen. Es passierte im schon vergessenen Serbienkrieg. Gut, dass man davon keine Bilder sehen muss. Sarahs Schilderung von Qualen und Massenvergewaltigungen gehen auch so unter die Haut. Der Schlüssel liegt in den Worten von Julie Christie: “Die Scham, die diejenigen empfinden, denen es gelungen ist zu überleben, ist größer als der Schmerz und kann ein Leben lang andauern:“ Der Schlussdialog zwischen Tim und Sarah greift bildhaft eine frühere Aussage auf und ist wohl die ungewöhnlichste Liebeserklärung, die man sich vorstellen kann. Und so gibt es auch ein herbes, eher emotionsloses Happyend, das dem erlebten Geschehen angepasst ist, und uns stumm aber beeindruckt zurücklässt.


Filmkritik zu Ihre Majestät Mrs. Brown - 07.12.2008 15:28

Bereits der Titel umschreibt die Situation, in die uns der Film entführt: Königin Viktoria trauert Mitte des vorigen Jahrhunderts, um ihren geliebten Ehemann Albert und wird durch ihrem Jagdaufseher, John Brown, nach einer tiefen Leidensphase eine kurze Zeit des Glücks erfahren. Dieses pompös ausgestattete Kostümdrama gewährt historisch korrekt einen Einblick nicht nur in die Privatsphäre der englischen Königin, sondern streift auch die politischen Verhältnisse (Premierminister Gladstone und Disraeli) dieser Zeit. Unvergesslich die Badeszene im Meer, die Vertreibung der Paparazzi oder Johns Kündigung. Den Reiz des Films machen nicht nur die wunderbaren Aufnahmen der schottischen Landschaft aus, sondern die beiden hervorragenden Hauptdarsteller Judi Dench und Billy Connolly. Sie wurde erst jüngst für ihr Lebenswerk ausgezeichnet, er füllte bereits in den 8oer Jahren als Komiker und Alleinunterhalter riesige Hallen auf der Insel wie heute bei uns Michael Mittermeier. Hier stellt Connolly sein beachtenswertes schauspielerisches Talent unter Beweis. John Brown verschafft sich Zutritt zum königlichen Hof mit seiner umwerfendend lockeren Offenheit, die humorvoll mit dem steifen Hofzeremoniell kontrastiert. So wird er “ihrer Majestät Highland Master für drinnen und draußen“. Man kann die königliche Rückkehr in eine menschliche Gesellschaft, in der es so etwas wie Gefühlsregungen gibt, an dem Gesichtsausdruck von Judi Dench ablesen. Hier spiegelt sich der Wandel von einer verhärmten, alten Monarchin wieder, die zu einem strahlenden Lächeln und einem befreienden Lachen verleitet wird. Und es gibt bewegende Szenen zwischen Viktoria und John, die keineswegs kitschig sind. Ein unterhaltsames Erlebnis für die ganze Familie.


Filmkritik zu The Mission - 05.12.2008 15:39

Allein die Hinführung zum Thema ist genial: die Annäherung des Missionars (Jemeny Irons) an die Eingeborenen mit Hilfe einer Flöte. Die himmlische Musik von Ennio Morricone verleiht dem spannenden Abenteuer zusätzlichen Glanz. Die Hauptrollen sind mit Weltstars besetzt. Wir erhalten eine aufregende Geschichtsstunde über die Missionierung in Südamerika im 18. Jahrhundert. Es geht um Macht und Einfluss, Missionsarbeit und Versklavung. Vier Gruppierungen versuchen auf Kosten der Indios ihr politisches Süppchen zu kochen: Spanien, Portugal, die katholische Kirche und der Jesuitenorden kämpfen gegen einander um territoriale Herrschaftsansprüche. Intensiviert wird die Handlung durch die exemplarische Darstellung von Einzelschicksalen. Da gibt es den missionierenden Jesuitenpater und den zum Orden übergetretenen früheren Sklavenhändler (Robert deNiro), der sich dem Befehl seiner Vorgesetzten widersetzt und seinem Gewissen folgt. Beeindruckend wie die finale Auseinandersetzung ohne Dialoge auskommt und nur durch ausdrucksstarke Bilder in Szene gesetzt ist. Bei dem Massaker gibt es keine wirklichen Sieger oder Besiegte. Alle verlieren – viele davon auch noch ihr Leben.


Filmkritik zu Pleasantville - 30.11.2008 10:38

Die Idee, die dem Film zu Grunde liegt ist genial und konsequent durchgezogen. Und sie konnte auch nur in einem Film umgesetzt werden, schwerlich in einem Roman. Interessant zu sehen wie sich eine Welt, in der es nur schwarz und weiß gibt, ganz langsam – je nach Erkenntnisstand beziehungsweise der Erfüllung gewisser menschlicher Regungen in eine voller Farben verwandelt. Eigentlich lebt es sich ganz angenehm in Pleasantville. Nur ziemlich fade. Es wird in dieser Parabel Heuchelei, Verlogenheit und Prüderie gegeißelt. Und auch die musikalische Untermalung ist sehr passend ausgesucht, egal ob Rock der 50er Jahre oder klassische Musik. All das zusammen macht, inklusive der überzeugenden Schauspieler, den Film zu einem amüsanten optischen Erlebnis, das außerdem noch zum Nachdenken anregt. Die leichten gedanklichen Anleihen an Orwell stören nicht wirklich.


Filmkritik zu Pieces of April - Ein Tag mit April Burns - 28.11.2008 14:07

Obwohl man Filme um das berühmte Familienfest Thanksgiving ja kennt – wie den von Jodie Foster z.B. - dieser musste noch gedreht werden. Die eigentliche Feier wird am Ende meist in Standfotos bzw. ohne Dialoge abgespult, denn es ist eigentlich alles schon gesagt. Das überrascht im positiven Sinne. Der größte Teil des Films hat vorher die meist lustigen Erlebnisse beider Familienteile, die hier agieren, beschrieben: da ist auf der einen Seite April, die von zu Hause ausgezogene Tochter, die die traumatische Vorbereitungsphase des Festessens, durchleben muss, auf der anderen Seite fährt der Rest der Familie inklusive Oma, - die natürlich Alzheimer hat - mit dem Auto zu ihr. Dabei werden lang mitgeschleifte Familienanimositäten aufarbeitet. Die Zubereitung des Truthahns und die Küchenarbeit überhaupt bereiten Neuling April besondere Probleme, die interessanterweise multikulturell gelöst werden. Durch die anhaltende Erwartungshaltung auf das große Fest baut sich eine gewisse Spannung auf. Eigentlich wird alles noch mal so richtig durcheinander gewirbelt, als die Familie erkennen muss, dass April mit Bobby, einem Farbigen zusammenlebt. Dabei rastet die krebskranke Mutter (Patricia Clarkson, Oskarnominiert) noch einmal besonders aus, indem sie sich einen lang gehegten Wunsch erfüllt. . .


Filmkritik zu dunkelblaufastschwarz - 25.11.2008 20:19

Am Ende bleibt man ziemlich deprimiert zurück. Dieses komplexe Gesellschaftsbild zeigt wenig Erfreuliches, auch keine Hoffnung auf Besserung. Im Mittelpunkt steht Jorge, der nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens steht: er ist Hausmeister, muss seinen demenzkranken Vater pflegen, gelegentlich schläft er mit der sozial-höher gestellten Nachbarstocher ohne sie zu lieben und um das Fass der Probleme voll zu machen, soll er die Freundin seines Bruders, der impotent ist und ebenfalls einsitzt, im Gefängnis schwängern. Es gibt komische, rotzfreche und auch bewegende Szenen. Manches, was passiert, überrascht, schreckt ab, verhindert jedwede Identifikation mit irgendeiner Figur. Na ja, so ist halt wohl das Leben: ungerecht und unerfreulich. Schlimm, wenn es nichts anderes gäbe.


Filmkritik zu Good Vibrations - Sex vom anderen Stern - 25.11.2008 12:36

Man sollte den Vorspann nicht übersehen, in dem von Lebewesen die Rede ist, die zwar auf einem anderen Stern leben, “vier Sonnesysteme entfernt, uns um tausend Jahre voraus sind, völlig emotionslos dafür aber äußerst gierig sind.“ Auf die – aber das sind doch eigentlich wir, zielt Mike Nichols Satire. Dabei setzt es Seitenhiebe auf die amerikanische Gesellschaft, und jede Menge Gags, wie der brummende Penis, wenn er erigiert oder das Damenkränzchen mit den üblichen Fragen. Der Expansionsdrang eines frauenlosen Planeten, dem der Nachwuchs fehlt, und der sich den hier auf der Erde holen will ist äußerst amüsant dargestellt. Vor allem wegen der wie immer großartigen Annette Bening lohnt sich das Anschauen. Mit ihr überstehen wir die temporeichen, spaßigen Szenen ebenso wie die menschlich-tragischen Momente. Dabei erhöht die Doppelbödigkeit der Dialoge oftmals die Situationskomik. Die beiden wichtigsten Nebenrollen, Ben Kingsley als oberster Anführer der Außerirdischen kommt genauso gut rüber wie John-Fred Feuerstein-Goodman als Polizist.


Filmkritik zu Projekt: Peacemaker - 22.11.2008 12:07

Man nehme für die Hauptrollen drei Weltstars (Nicole Kidman, George Clooney, und Armin Mueller- Stahl) und eine Handlung mit viel Pyrotechnik. (Sollte etwa 007 übertroffen werden?) Auch die Schauplätze müssen global verteilt sein. Die Guten und die Bösen sind schnell ausgemacht – nur dass diesmal nicht die Russen per se die Bösewichter sind, sondern es gibt auch im Osten Gangster. Damit noch ein persönlicher Touch hinzukommt, muss sich ein Serbe an der UNO rächen… Fast den ganzen Film hindurch verbreitet die Musik von Hans Zimmer ein hektisches Tempo. Wenn dann auch noch die Akteure über weite Teile Kommunikation in Fachchinesisch betreiben und ständig aufgeregt durch Gänge und Büros hasten, kommt der Zuschauer kaum zum Verschnaufen. Oder anders ausgedrückt: so kann man auch Spannung aufbauen. Und das gelingt weitgehend wirklich. Aber ohne Emotionen, kühl, distanziert, ab und zu mal ironisch. Man findet irgendwie keinen Zugang zu diesem Konstrukt, obwohl es unterhaltsam ist.


Filmkritik zu Ghost - Nachricht von Sam - 19.11.2008 17:34

Die Musik im Arrangement mit den vielen Geigen ist immer noch ein Hit und nicht nur für Hörer von Klassikradio. Vor knapp zwanzig Jahren war der Film ein Erfolg an der Kinokasse und der Durchbruch für Demi Moore und Patrick Swayze(Dirty Dancing). Die Tränen der Moore rühren heute pubertäre Teenies oder romantische Nostalgiker. Nach wie vor beeindruckend sind aber die Spezialeffekte, wie zum Beispiel der unsichtbare Geist von Patrick Swayze sichtbar gemacht wird – aber nicht für jeden, nur für die Katze oder wie er es schafft, materielle Dinge zu bewegen, obwohl er sonst durch Mauern und Türen geht. Auch die Rache der anderen Toten, denen vielleicht im Leben Böses zugefügt wurde, ist nicht schlecht bildhaft umgesetzt, ohne jedwede Erläuterung. Und damit alles nicht zu seicht wird bringt Whoopi Goldberg komische Elemente mit ein, wie die ironischen Seitenhiebe auf den transzendentalen Firlefanz und all das okkultistische Geschwurbel. Neben der emotionalen Ebene soll aber nicht vergessen sein, dass es im Hintergrund auch noch um Mord und Wirtschaftskriminalität geht.


Filmkritik zu Spanglish - 18.11.2008 18:56

Wenn man solche Probleme wie die Integration von Migranten, die die Sprache der einheimischen US Bürger nicht können und deren möglichen sozialen Aufstieg durch Bildung in eine Komödie packt und heraus kommt amüsante Unterhaltung ist das schon erstaunlich. Dies gelingt dank hervorragender Schauspieler, allen voran Paz Vega, als mexikanisches Dienstmädchen, eine permanente Augenweide oder die durchgeknallte Ehefrau, Téa Leoni, die fast an Annette Bening in American Beauty heranreicht. Die sprachlichen, kulturellen und pädagogischen Diskrepanzen werden von der kleinen Tochter als Dolmetscherin komödiantisch überbrückt. Durch die latente Zuneigung zwischen dem Hausherrn (Adam Sandler) und der Hausangestellten – wobei der Zuschauer ständig auf ein Happy End hofft – ist die Handlung mit viel Gefühl unter einen zusätzlichen Spannungsbogen gelegt. Das Ende zieht sich etwas in die Länge, weil uns anscheinend die hintergründigen Absichten nochmals deutlich erklärt werden sollen, und jede Figur ihr abschließendes Say bekommen muss. Eigentlich unnötig, trotzdem sehenswert.


Filmkritik zu Die Geschichte der Dorothy Dandridge - 17.11.2008 19:03

Bei der Verfilmung von Biographien großer Persönlichkeiten kommt es oftmals zu einem Spagat zwischen einer Doku und einem künstlerischen Anspruch. Und dann schlägt das Pendel meistens nach einer Seite aus. Hier ist es gelungen, eine Symbiose von beidem zu schaffen. Eine verblüffende Authentizität wird kreiert (Hale Berry ist Dorothy) und auch die anderen Figuren sehen fast genauso aus wie das Original. Die Atmosphäre der 50er Jahre kommt gut rüber. Brandauer spielt den Otto Preminger so, dass man erkennen muss, er war nicht Everybody’s Darling. Die Thematisierung der Rassenprobleme der damaligen Zeit bringt Tiefgang. Aus heutiger Sicht kann man über die Toiletten ’nur für Weiße’ – als Alternative ein Pappbecher - oder die Reinigung des Swimming Pools, nachdem Dorothy ihren Fuß hineingehalten hat, nur mit ungläubigem Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen. Darüber hinaus besteht noch eine Verbindung zwischen den beiden tollen Stars: Dorothy Dandridge wurde als erste Farbige für den Oscar nominiert, Hale Berry hat ihn bekommen.


Filmkritik zu Die Legende vom Ozeanpianisten - 16.11.2008 18:24

Es gibt Märchen, die sind lehrreich, andere grausam oder spannend und wieder andere sind herzergreifend schön. Diese “Legende“ gehört zur letzten Kategorie. Er hieß Neunzehnhundert (Tim Roth), wurde auf einem Luxusliner geboren und ging nie von Bord. Er hat keinen Geburtstag, keine Heimat – eigentlich gibt es ihn gar nicht. Aber er spielt Klavier, dass man sich nach seinem Solo an den Saiten des Flügels eine Zigarette anzünden kann. In beeindruckenden, bisweilen expressionistischen Bildern wird die Geschichte von der Jahrhundertwende an erzählt. Das Jugendstildekor ist einfach umwerfend, bestimmte Szenen unvergesslich. Aber man braucht Fantasie, um diese Legende zu begreifen. Dann hört man die imaginären Töne auch wenn die Hände auf keiner Tastatur liegen und sich nur die Fingerspitzen leicht nach unten bewegen. Und die Musik ist natürlich von Großmeister Morricone – das Thema ein Hit für sich. Die Rahmenhandlung mit dem Pfandleiher unterstreicht die märchenhafte Komponente und wenn dann Neunzehnhunderts bester Freund gespielt vom pummeligen Pruitt Taylor Vince noch so ergreifend schön weint, wird es einem warm ums Herz. Dabei stört das “bombastische“ Ende überhaupt nicht.


Filmkritik zu Der Krieg ist aus - 29.10.2008 18:46

Gegen Ende des 2. Weltkrieges versuchen zwei französische Buben, ein deutscher! Schäferhund und ein desertierter Soldat der deutschen Armee sich durchzuschlagen. Sie sind stets auf der Hut vor der französischen Gendarmerie, den abziehenden deutschen Truppen und den einmarschierenden Amerikanern. Es gibt viele recht lustige Begebenheiten, doch der Tiefgang der Komödie bleibt unübersehbar: zu Beginn wird der Bürgermeister von den Deutschen erschossen, am Ende – und das ist der Hammer - der unschuldige Deserteur von den Amis, der sogar noch das Massaker, das er gar nicht zu verantworten hat, auf seine Kappe nehmen will. Mit sehr viel Feingefühl wird die subtile Annäherung der drei recht unterschiedlichen Charaktere dargestellt. Und so werden aus sich belauernden Feinden Freunde, die für einander einstehen. Immer wieder taucht in den Dialogen die Botschaft auf, dass der Krieg ein Verbrechen sei, ein sinnloses Töten, bei dem eigentlich keiner gewinnen kann und die Menschlichkeit auf der Strecke bleibt. Gute Unterhaltung der lockeren Art zwischen zwei ernsten, schockierenden Events, vor allem das zweite ist dramaturgisch gut in Szene gesetzt.


Filmkritik zu Der Biss der Schlangenfrau - 21.10.2008 18:22

Man muss natürlich sehen, dass der Film schon 20 Jahre alt ist. Trotzdem hat er immer noch einen hohen Unterhaltungswert, Tendenz zum Märchen. Die Schocker, die damals Regisseur Ken Russell gelangen, verfehlen auch heute ihre Wirkung nicht. Grelle Farben, akustische Attacken in historischen Szenen (Kreuzigung) oder Traumssequenzen (im Flugzeug mit den drei Mädels als Stewardessen) sind immer noch sehenswert. Und der Höhepunkt ist gekommen, wenn der Drachen, sich aus seinem ’Nest’ windet und seine eigentlich ’unsterbliche’ Dienerin verschlingt. (Amanda Donohoe, ausdrucksvoll und sexy). Wenn ihm dann als ultimative Rettungstat eine Handgranate in den Rachen geworfen wird, kommt auch der Humor nicht zu kurz. Wie auch zuvor als ein Dudelsack gegen einen Infizierten, hier Earny den Dorfpolizisten zum Einsatz kommt. Auch die musikalischen Rockeinlagen klingen immer noch gut. Und Hugh Grant kann man in diesem Film vergessen.


Filmkritik zu Strajk - Die Heldin von Danzig - 27.09.2008 17:17

Es ist nicht nur ein sehr guter Film, den Volker Schlöndorff hier abgeliefert hat, sondern auch ein ganz wichtiger. Mit feinem Gespür für echte menschliche Tragik erteilt er uns außerdem noch eine Lektion in Sachen Zeitgeschichte. Die alleinerziehende Agnieszka, eindrucksvoll dargestellt von Katharina Thalbach, arbeitet sich, obwohl Analphabetin, von einer Hilfsarbeiterin zur Kranführerin empor und prangert mutig die Missstände auf der Werft gegenüber Partei und Betriebsleitung an. Als 1980 die Arbeiter der Danziger Werft streikten und kurz danach die Solidarnosc die politische Landschaft in Polen total in Richtung Demokratisierung umkrempelte, wusste jeder im Westen, dass der Held der Gewerkschaft Lech Walesa war, der dann ja auch später mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Doch jetzt dokumentiert dieser Film, dass Anna Walentynowicz (hier die Agnieszka) die eigentliche Vorkämpferin war. Sie hatte die weitsichtigeren Perspektiven und den großen Rückhalt bei den Arbeitskollegen, während Walesa nicht über den Tellerrand der Verbesserung der Arbeitsbedingungen hinaus denken konnte. Die Walentynowicz blieb aber im Hintergrund, weil sei der Meinung war, dass an die Spitze ein Mann gehöre. Nach damaligem Verständnis hätte er mehr Aussicht auf Erfolg. Schlöndorff setzt Anna Walentynowicz ein Denkmal, ohne Lech Walesa zu demontieren.

2024