Der Spiegel
Billy Wilder
Billy Wilder, Multitalent mit Humor
Retro Feature: Einer, der alles kann
Gebot Nummer eins: Du darfst das Publikum niemals langweilen! Unter dieser Prämisse zaubert Billy Wilder einige der besten Filme aller Zeiten auf die Leinwand, egal ob Komödie, Drama, Gerichtsthriller oder Kriegsfilm. Durch seine Vielseitigkeit macht er sich bereits in den 1950er und 60er Jahren zur Hollywood-Legende und schafft Filme, die noch heute Jung und Alt begeistern.
erschienen am 27. 01. 2023
Film Revue
Tony Curtis und Jack Lemmon in "Manche mögen's heiß"
Echter Goldjunge
Die Klassiker "Manche mögen's heiß", "Zeugin der Anklage" und "Boulevard der Dämmerung" haben außer dem schwarz-weiß Format noch eine andere Sache gemeinsam: ihren genialen Regisseur und Drehbuchautor Billy Wilder. Der vielseitige Meister der spritzigen Geschichten mit oft skurrilen Figuren fühlt sich in jedem Genre zuhause und prägt die Filmwelt wie kaum ein anderer. Kein Wunder, dass er zu Lebzeiten nicht nur häufiger Gast, sondern gleich einundzwanzigfacher Nominierter bei den Academy-Awards ist. Immerhin sechs Oscars kann er ergattern, wovon er alleine drei für "Das Apartment" (1960) erhält. Damit gehört er zu den wenigen, die für einen Film in den Kategorien Bestes Drehbuch, Beste Regie und Bester Film mit der Trophäe nach Hause gehen können.
Film Journal
Regisseur Fred Zinnemann
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort
Kontakte zur Filmbranche knüpft Samuel Wilder bereits zu Schulzeiten, ohne es zu ahnen. Nachdem er während des Ersten Weltkrieges 1916 mit seiner Familie im Alter von zehn Jahren aus Angst vor der russischen Armee von Galizien nach Wien umsiedelt, geht er mit dem späteren Regie-Star Fred Zinnemann in dieselbe Klasse. Von da an verbindet die beiden eine enge Freundschaft, die sie über all die Jahre weiterhin pflegen. Nach der Matura nennt sich Wilder auch offiziell Billie - so ruft ihn seine Mutter bereits als Kind - und verdient sich sein Geld als Reporter für Wiener die Boulevardblätter 'Die Stunde' und 'Die Bühne'.

Ein Interview mit dem Jazzmusiker Paul Whiteman inspiriert ihn 1926 zu einer Reise nach Berlin, wo er die nächsten Jahre seine Zelte aufschlägt. Dort lebt er im Stadtteil Schöneberg zur Untermiete Wand an Wand neben einer ständig rauschenden Toilette. Und wieder trifft ein Mann aus der Filmbranche in sein Leben. Der Direktor der Maxim-Film steht eines Nachts in Unterhose vor seinem Bett, nachdem er aus dem Schlafzimmer einer Nachbarin flüchten muss. Wilder nutzt die peinliche Situation schamlos aus und drängt ihm eines seiner Drehbücher auf.
Warner Home Video
Ninotchka
Nie wieder Monroe!
Als Ghostwriter bessert er sich schon länger die Haushaltskasse auf und schreibt 1931 zusammen mit Erich Kästner am Skript zu "Emil und die Detektive". Kurz nach der Machtergreifung der NSDAP im Jahr 1933 packt er erneut seine Sachen, amerikanisierte seinen Namen in Billy und versucht sein Glück in Paris. Er inszeniert 1934 seinen ersten Film "Mauvaise graine" und macht sich damit startbereit für den Sprung über den großen Teich nach Hollywood. Hier gründet er mit Peter Lorre eine Männer-WG und trifft auf sein Idol Ernst Lubitsch. Für ihn verfasst er 1939 das Drehbuch zur Erfolgskomödie "Ninotschka".

1942 ist es endlich soweit, und der Österreicher feiert mit "Der Major und das Mädchen" seinen ersten internationalen Erfolg als Regisseur. 1944 etabliert er mit "Frau ohne Gewissen" den film noir in Hollywood. Von da an steigt Wilder schnell zur festen Größe in der Filmbranche auf. In "Eine auswärtige Affäre" (1948), "Boulevard der Dämmerung" (1950), "Das verflixte siebte Jahr" (1955), "Zeugin der Anklage" (1957), "Manche mögen's heiß" (1959), "Das Apartment" (1960) und "Das Mädchen Irma la Douce" (1963) arbeitet er immer wieder mit den Schauspielern Jack Lemmon, William Holden, Shirley MacLaine, Marlene Dietrich und Marilyn Monroe zusammen. Letztere bringt ihn mit ihrer unkonzentrierten Arbeitsweise oft zur Weißglut, weshalb er sie nach "Manche mögen's heiß" auch nicht mehr besetzt.
Film Revue
Tony Curtis beim Bridge mit Billy Wilder am Set von "Manche mögen's heiß"
Guter Ratgeber
An seine Glanzzeit in den 1950er und 60er Jahren können die späteren Filme "Extrablatt" (1974) und "Fedora" (1978) nicht mehr anschließen, und so verabschiedet sich der passionierte Kartenspieler 1981 mit "Buddy, Buddy" aus dem aktiven Filmgeschäft. Er macht jedoch als Berater weiter, wann immer seine Hilfe gebraucht wird. Anfang der 1990er Jahre denkt er darüber nach, "Schindlers Liste" selbst zu inszenieren, um seine persönliche Vergangenheit aufzuarbeiten. Seine Eltern werden in Auschwitz getötet.

Er überlässt die Regie dann doch Steven Spielberg und verhilft diesem damit zu einem Oscar. 1999 übernimmt Wilder er die Schirmherrschaft über das Billy-Wilder-Institute in Bonn, wo in erster Linie Drehbuchautoren und Produzenten gefördert werden sollen. 2002 muss die Einrichtung wieder schließen. Kurz darauf stirbt Billy Wilder im Alter von 95 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Mit Herz und Humor setzt er sich mit seinen Filmen bereits zu Lebzeiten ein Denkmal, das auch in Zukunft die Filmwelt beeinflussen wird.
erschienen am 27. Januar 2023
Zum Thema
Unvergesslich geniale Komödie von Billy Wilder mit Marilyn Monroe als musikalischer Zuckerpuppe sowie Jack Lemmon und Tony Curtis im Drag-Outfit. Die arbeitslosen Musiker Joe und Jerry werden Zeugen eines Mordes. Um nicht ebenfalls ein Opfer der Mafia zu werden verwandeln sich die Musiker in die Musikerinnen "Josephine" und "Daphne". In der Mädchenkapelle kommen die Gejagten zudem beständig in Versuchung.
Eine alte Luxusvilla wird einen kurzen glanzvollen letzten Moment von ihrem Staub befreit. Beklemmend traurige Hommage an die gute alte Stummfilmzeit mit Gloria Swanson.
Weitere Retrofeatures
Charmanter Raufbold: Terence Hill
Wechselhafter Rudolf Platte
2024