Pandora Film
Regisseur Jim Jarmusch
Amerikanisch wie Dick Fuckin' Cheney
Starfeature: Jim Jarmusch: aus der Garage
Jim Jarmusch ist einer der wenigen amerikanischen Regisseure, die unabhängig von den großen Filmstudios erfolgreich sind. Bei der Arbeit lässt er sich von niemandem hineinreden. Er behält die Rechte an den Negativen seiner Filme, bleibt für die Lizenzen verantwortlich und kümmert sich selbst um die Archivierung der Originalmaterialen. Das Budget für seine Independent-Produktionen besorgt sich der 55-Jährige oft in Europa.
erschienen am 10. 05. 2008
TOBIS Film
Jim Jarmusch beim Dreh zu "Broken Flowers"
In Monsterfilme geschickt
Dort gefällt ihm die Mentalität, auch wenn er sich selbst für "mindestens so amerikanisch wie Dick Fuckin' Cheney" hält. In der Sektion Quinzaine des Réalisateurs wird der Filmemacher im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele von Cannes 2008 mit der "Carrosse d'Or", dem Preis für das Lebenswerk ausgezeichnet.

Wie so oft, ist es auch hier die Mutter, die ihren erheblichen Einfluss auf den Werdegang des Sohnes nimmt. Diese arbeitet in Akron, Ohio als Filmkritikerin der Lokalzeitung. Braucht sie einmal ihre Ruhe vor dem kleinen Jim, schickt sie den Quälgeist ins Kino. Die Filmauswahl im beschaulichen Akron ist eher dürftig, laut Jarmusch liefen dort nur Filme wie "Attacke der Riesenkrabbenmonster". Erst als er mit 17 nach New York geht, stellt er zu seiner Beruhigung fest, dass Monster nicht fixer Bestandteil aller Filme sind. Ein Europa-Trip bringt die endgültige Erleuchtung. In Paris gehört er bald zum Mobiliar der Cinémathèque française, in der er sich über ein Jahr exzessiv internationale Filmklassiker ansieht.
StudioCanal
Stranger than Paradise
Geschnorrte Filmrollen von Wim Wenders
Zurück in Amerika schreibt er sich an der Filmschule der New York University ein. Einer seiner Dozenten ist Nicholas Ray ("... denn sie wissen nicht, was sie tun"), der Jim eine Stelle als Assistent anbietet. Ray hat gute Beziehungen zu dem deutschen Filmemacher Wim Wenders und engagiert Jarmusch als Produktionsassistent für das Gemeinschaftsprojekt "Lightning Over Water".

Nach Drehende schnorrt sich der 27-Jährige das übrig gebliebene Filmmaterial und dreht den 30-minütigen Kurzfilm "Stranger than Paradise". Bereits die zwei Jahre später erscheinende verlängerte Spielfilmfassung bringt den Durchbruch. Die Nebensektion "Quinzaine des Réalisateurs" der Canner Filmfestspiele zeigt die Komödie 1984 auf dem Festival, die Kritiker feiern das neue Talent. Cannes und Jarmusch wird eine lange Liebe werden…
TOBIS Film
Jim Jarmusch am Set von "Broken Flowers"
Filme sind wie Sex
Das Schreiben eines Drehbuchs kommt laut Jim Jarmusch der langsamen Verführung gleich und die Dreharbeiten dem Liebesakt, da man beides nicht allein machen kann. Der Schnitt gleiche einer Schwangerschaft, nach der man sein Baby zur Welt bringt bevor es einem schließlich weggenommen wird. Wirklich mütterlich geht der Regisseur nicht mit seinen Werken um. Nach der Fertigstellung sieht er sie sich noch einmal unerkannt in einer öffentlichen Vorführung an und dann nie mehr.

Eher nüchtern ist auch der Vergleich mit der "Zeugung" in einer Garage. Immer wieder betont der früh Ergraute den Unterschied zwischen blank "polierten" Hollywood-Filmen und seiner wirklichkeitsnahen, echten Handarbeit. Nach eigener Aussage fühlt er sich wie ein Handwerker, der zur Arbeit nichts weiter braucht als eine Garage.
Kinowelt Home Entertainment
Dead Man
Mit "Broken Flowers" in den Mainstream?
Diese Eigenständigkeit hat sich Jarmusch erhalten. Er ist Independent-Filmemacher aus Überzeugung, die Zusammenarbeit mit großen Filmstudios meidet er auch heute noch. Zu groß wäre die Einflussnahme von außen, die den künstlerischen Prozess beeinträchtigt und doch nur den Regeln des Kommerzes folgt. Das Allroundtalent (Regie, Drehbuch, Schnitt, Darsteller, Produzent) besorgt sich seine Budgets von Geldgebern, die ihm totale Freiheit und Unabhängigkeit garantieren. Er allein besitzt die Rechte an den Negativen seiner Filme, kümmert sich um die Lizenzen und die Archivierung des Originalmaterials.
StudioCanal
Coffee And Cigarettes
Carrosse d'Or
Mit Filmen wie "Dead Man", "Ghost Dog" und "Coffee and Cigarettes" begeistert er Kritiker und Arthausfilmgenießer, das breite Publikum erreichen sie nicht. Laut einem Interview mit Spiegel online vom September 2005 denkt der Regisseur beim Drehen sowieso nicht an die Zuschauer, Einspielergebnisse sind ihm angeblich gleichgültig. Er dreht einfach die Filme, die er drehen will. Den Vorwurf, in den Mainstream geraten zu sein, muss er sich 2005 trotzdem erstmals gefallen lassen. Die Komödie "Broken Flowers" mit Bill Murray kommt bei den Massen an, was nicht zuletzt an der Besetzung liegt: Julie Delpy, Jessica Lange, Tilda Swinton und Sharon Stone. Für die lakonisch-langatmige Geschichte um einen Mann auf der Suche nach der Mutter seines unbekannten Sohnes bekommt Jarmusch den "Großen Preis der Jury" bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes.

Dem Independent-Film bleibt Jarmusch treu. Darauf baut auch die Sektion Quinzaine des Réalisateurs, die 1968 als Gegenveranstaltung zu den Filmfestspielen mit dem Ziel gegründet wurde, dem unabhängigen Autorenkino eine Stimme zu geben. Sie verleiht ihm 2008 den Preis für das Lebenswerk, die "Carrosse d'Or".
erschienen am 10. Mai 2008
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Jim Jarmusch ist einer der großen amerikanischen Independent-Filmemacher. Als Kind schaut er dank seiner Mutter nur Monsterfilme, erst bei einem Europa-Trip entdeckt er in der Pariser Wim Wenders, dem er nach Beendigung der Dreharbeiten übrig gebliebene Filmrollen abschwatzt. Damit dreht Jarmusch die Komödie "Stranger than Paradise", die 1984 auf den Johnny Depp und Forest Whitaker dreht, bleibt sein Name den Massen lange unbekannt, im Gegensatz zu Arthouse-Fans. Das ändert sich 2005 mit der..
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