Ann-Catherin Karg/Ricore Text
Tom Schilling
Tom Schilling über geniale Dilettanten und ambitionierte Regisseure
Interview: Aus dem Bauch heraus
In seinem Leinwanddurchbruch "Crazy" kämpft er an der Seite von Robert Stadlober noch mit Pubertätsproblemen, inzwischen hat Tom Schilling (21) ganz andere Sorgen. Schilling ist in "Verschwende deine Jugend" von Benjamin Quabeck ("Nichts bereuen") ein junger Banklehrling, der einer Amateurband mit einem Megakonzert zum Durchbruch verhelfen will. Wir schreiben die 80er, die Neue Deutsche Welle ist noch jung und wild!
erschienen am 3. 07. 2003
Constantin Film
Tom Schilling und Robert Stadlober in: "Verschwende deine Jugend"
Ricore Medien: Tom, "Verschwende deine Jugend" spielt in den Anfangsjahren der Neuen Deutschen Welle. Wie begeistert man sich als junger Schauspieler für diese Art von Film?

Tom Schilling: Für mich ist es generell nicht so wichtig, in welcher Zeit eine Story angesiedelt ist. Eher, was für eine Geschichte erzählt wird und wie die Figuren gezeichnet sind. Aber ich interessiere mich sehr für die Anfangszeit der neuen deutschen Welle. Da ging es noch um Bands wie DAF, nicht um Nena.

Ricore: Für Regisseur Benjamin Quabeck war das zweifellos riskant - schließlich ist diese Ära bei den heutigen Jugendlichen nicht allzu präsent.

Schilling: Klar brauchte das Mut, vor allem bei einem so teuren Film. Ein schmieriger Produzent hätte vermutlich Nena mit in die Geschichte gebracht, nur um damit viel Geld zu verdienen. Dabei ist die Zeit vor Nena auch heutzutage überhaupt nicht out. Die Leute wissen nur sehr wenig darüber.

Ricore: Wie bist du auf diese Musikrichtung aufmerksam geworden?

Schilling: Mit vierzehn Jahren fiel mir durch Zufall eine Platte aus dieser Zeit in die Hände. Seitdem sind mir Bands wie "Einstürzende Neubauten" oder "DAF" ein Begriff. Aber worum es bei dieser Musikrichtung eigentlich ging, wusste ich damals noch nicht.
Constantin Film
Tom Schilling in: Verschwende deine Jugend
Ricore: Heute weißt du die Antwort?

Schilling: Ja. Damals war es etwas komplett Neues, etwas Einzigartiges. Ein Bruch mit den gängigen Strukturen. Die "Einstürzende Neubauten" nannten sich selbst "geniale Dilettanten", ein Ausdruck, der die Arbeitsweise eigentlich ganz gut umschreibt.

Ricore: Was für Musik hörst du privat?

Schilling: Meistens Nick Cave oder Bob Dylan. Musik ist mir sehr wichtig und begleitet mich ständig. Trotzdem bin ich bei weitem kein Freak, der alles über die Besetzungen der verschiedenen Bands weiß. Im Film versuche ich mich zwar auch als Musikjournalist - privat lasse ich das aber lieber bleiben.

Ricore: Was hat dich dann an dieser Rolle fasziniert?

Schilling: Ich finde Harry einfach sympathisch. Er ist mit Frauen überfordert, gehört nirgends wirklich dazu und hat trotzdem diesen großen Traum, von dem er sich nicht abbringen lässt. Ein ziemlich charmanter Idealist.
Tom Schilling
Tom Schilling, Jessica Schwarz und Robert Stadlober in: Verschwende deine Jugend
Ricore: Erkennst du Parallelen zu deiner eigenen Person?

Schilling: Ich bin Einzelgänger und brauche sehr wenig Bestätigung von außen. Bei Harry ist das ähnlich: Er regelt die Dinge lieber mit sich selbst.

Ricore: Im Film setzt Harry für die Organisation eines Konzerts alles aufs Spiel. Für welchen Traum würdest du alles riskieren?

Schilling: Momentan habe ich noch keine Ahnung. Vielleicht für einen Filmstoff, den ich unbedingt machen möchte. Der mir so wichtig ist, dass ich meine gesamte Energie dafür investieren würde. Etwas in dieser Richtung könnte ich mir vorstellen.

Ricore: Welche Art von Film liegt dir denn besonders?

Schilling: Filme mit glaubwürdigen Figuren und einer ernsten Story, die trotzdem irgendwie lustig ist. Im Stil von "Boogie Nights" zum Beispiel.

Ricore: Bist du ein emotionaler Mensch?

Schilling: Ziemlich sogar. Filme und Musik können mich manchmal richtig zum Weinen bringen.

Ricore: Also ein emotionaler Einzelgänger? Klingt nicht nach einer Person, die allzu gerne Interviews gibt.

Schilling: Vollkommen richtig. Ich rede ungern über mich selbst, eigentlich auch nicht über meine Filme. Meistens fällt mir nicht viel dazu ein. Ich handle sehr intuitiv und kann meine Entscheidungen nachträglich nicht immer gut erklären.
Verschwende deine Jugend
Marlon Kittel, Tom Schilling, Jessica Schwarz und Robert Stadlober in "Verschwende deine Jugend"
Ricore: Hast du schon schlechte Erfahrungen in Interviews gemacht?

Schilling: Ich kann mich an einen ziemlich unverschämten Journalisten erinnern, der intime Details über mein Privatleben und die Beziehung zu meinen Eltern wissen wollte. Total daneben.

Ricore: In deinem nächsten Film "Egoshooter" spielst du eine Rolle, die ursprünglich für deinen Kollegen Robert Stadlober vorgesehen war. Wie kamst du zu dem Projekt?

Schilling: Robert war damals völlig ausgepowert und fühlte sich für ein so unkonventionelles Filmprojekt nicht fit genug. Also hat man mich gefragt. Meistens leiten solche Filme ambitionierte Jungregisseure, die am liebsten rund um die Uhr drehen möchten und womöglich noch ein großes Haus als Gemeinschaftsunterkunft mieten. Da braucht man schon Nerven.

Ricore: "Verschwende deine Jugend" ist schon deine zweite Zusammenarbeit mit Robert. Wie beurteilst du rückblickend euren ersten Film "Crazy"?

Schilling: Je mehr Abstand ich habe, umso besser finde ich den Film. Eine richtig gute Arbeit in einer sehr speziellen Zeit. Jungfräulich und voll aus dem Bauch heraus. So gut bekommt man es nicht wieder hin. Mit zunehmender Erfahrung macht man sich nämlich viel zu viele Gedanken über seine Rollen.

Ricore: Werden dir denn viele Drehbücher angeboten?

Schilling: Es geht so. Pro Monat etwa zwei bis drei. Dieses Jahr habe ich erst einen Film gedreht, nämlich "Egoshooter".

Ricore: Was machst du denn mit all der freien Zeit?

Schilling: Abhängen, lesen, fernsehen oder Gitarre spielen. Klingt wie Urlaub, ist aber nicht so. Man wartet ständig auf gute Angebote und muss seine Rollen sehr bedacht auswählen. Dem normalen Zuschauer ist das vielleicht egal, aber die Branche achtet sehr genau darauf, was du tust.

Ricore: Stört es dich denn, wenn Leute über dich reden?

Schilling: Eigentlich schon. Zum Glück kommt so etwas nur selten vor. Ich versuche, einfach keinen Gesprächsstoff zu liefern und durch meine Filme zu überzeugen. Bisher klappt das ja ganz gut.
erschienen am 3. Juli 2003
Zum Thema
Tom Schilling hat bereits eine steile Karriere gemacht. Im Gegensatz zu vielen anderen Jungstars startete Schilling seine Ausbildung auf der Bühne. Als Zwölfjähriger erwarb er sich bei "Im Schlagschatten des Mondes" erste Schauspielerfahrung beim Berliner Ensemble. Weitere Bühnenrollen folgten. Mit "Crazy" kam 2000 auch der Durchbruch auf der Leinwand. In der Rolle des Jakob zeigt Schilling, dass er nicht nur ein großes Talent hat, sondern auch die nötige Leinwandpräsenz hat.
Achtung! Dieser Film hat gar nichts mit der Vorlage von Jürgen Teipel zu tun. Sein dokumentarischer Roman "Verschwende deine Jugend" wurde vom Musikexpress zum Pop-Ereignis 2002 gewählt. Etwas, was man von diesem Film unter keinen Umständen behaupten kann. "Verschwende deine Jugend" kann man nicht ernst nehmen. Die Hauptdarsteller Tom Schilling, Robert Stadlober und Jessica Schwarz verkaufen sich unter Wert, der Plot ist einfach nur belanglos.
2024