Concorde Filmverleih
Katja Riemann in: Rosenstraße
Das Glück, an Rosenstraße mitzuwirken
Interview: Wir schließen geschichtliche Lücke
In den neunziger Jahren wird Katja Riemann durch ihre Rollen in den Beziehungskomödien "Der bewegte Mann" und "Stadtgespräch" zum neuen Star des deutschen Films. Aber auch in ernsteren Rollen kann die schöne Blonde immer wieder überzeugen. In Margarethe von Trottas "Rosenstraße" spielt Katja Riemann nun die Deutsche Lena Fischer, deren jüdischer Ehemann 1943 in Berlin inhaftiert wird.
erschienen am 18. 09. 2003
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Katja Riemann, und Svea Lohde in: Rosenstraße
Der auf wahren Begebenheiten beruhende Film schildert den Aufstand arischer Frauen. Sie forderten wochenlang die Freilassung ihrer jüdischen Gatten. Eine besondere Rolle, findet Katja Riemann - hat sie doch die Gelegenheit, ein bisher fast völlig unbekanntes Kapitel deutscher Geschichte aufzudecken und darüber hinaus mit Schauspielgrößen wie Jürgen Vogel, Maria Schrader und Jutta Lampe aufzutreten.

Ricore Medien: Wieso hat es so lange gedauert, bis die Ereignisse der Rosenstraße verfilmt wurden?

Katja Riemann: All das ist ja erst sehr spät recherchiert worden. Erst nach 1989 sind die Ereignisse überhaupt publik gemacht worden. Vorher wusste man gar nicht, dass es das gab. Eigentlich unfassbar! So haben es mir die Leute erklärt, die es wissen müssten, wie die Regisseurin Margarethe von Trotta. Sie war schon sehr früh an diesem Thema dran und hat bereits 1994 eine erste Fassung geschrieben. Obwohl das nicht gefördert wurde ist sie hartnäckig geblieben und hat weiter an dem Buch gearbeitet. Dann hat sie diese Rahmengeschichte in New York dazugeschrieben, die dem Film meiner Meinung nach sehr gut tut, und es dann noch mal versucht - und dieses Mal konnte sie Produzenten von diesem Stoff begeistern.

Ricore: Haben Sie sich bei der Vorbereitung auf den Film mit Zeitzeugen getroffen?

Riemann: Ich persönlich nicht, aber die Regisseurin Margarethe von Trotta. Sie hat mir davon berichtet. Ich selbst habe viel gelesen und mir die Dokumentation darüber angesehen. Das sind ja heute auch alte Leute - da muss ja nicht jeder gleich herkommen. Es reicht, dass Margarethe und einige Dokumentarfilmer mit ihnen gesprochen haben. Ich habe das im Fernsehen gesehen, und es hat mich sehr berührt.

Ricore: Diese Auseinandersetzung mit diesem Thema war sicherlich sehr aufwühlend.

Riemann: Ja, das stimmt. Ich habe irgendwann angefangen, von Nazis zu träumen. Da habe ich mir gedacht, jetzt muss ich mal wieder etwas Anderes lesen.
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Katja Riemann in: Rosenstraße
Ricore: Immer wieder werden Geschichten aus dieser Zeit verfilmt - wie zuletzt in "Der Pianist". Was ist für sie das Besondere an "Rosenstraße"?

Riemann: Es heißt so oft, es werde so viel darüber gemacht. Ich persönlich finde, es kann gar nicht genug Filme darüber geben. Das ist doch nahe Vergangenheit. Es gibt immer noch genug Menschen, die den Krieg miterlebt haben. Das Besondere an "Rosenstraße" ist, dass wir über etwas Bericht erstatten, wovon viele Menschen überhaupt nichts wissen. Oskar Schindler war bekannt, manch anderes Einzelschicksal sicherlich auch. Wladyslaw Szpilman hat seine Geschichte ja direkt nach Kriegsende aufgeschrieben und in eine Schublade getan. Das war sozusagen seine Therapie. Seine Kinder haben das erst viele Jahrzehnte später gefunden. Ich glaube, es ist schön, dass wir mit einem Film etwas erzählen können, das viele nicht wissen. Dass wir quasi eine geschichtliche Lücke schließen, wenn man das so sagen darf, ohne altklug zu klingen. Dann kommt für mich natürlich die Rolle und die Arbeit mit Margarethe von Trotta und den anderen wunderbaren Kollegen dazu. Es sind viele Komponenten, die ganz beglückend sind.

Ricore: Ist es momentan schwierig, starke Frauenrollen zu bekommen?

Riemann: Ich habe ja Arbeit - und ich bin der Meinung, dass ich immer interessante Persönlichkeiten spielen konnte. Ich kann mich also nicht beklagen.

Ricore: Wobei man Sie zur Zeit mehr mit Theater als mit Kino verbindet.

Riemann: Das stimmt. In letzter Zeit habe ich sehr viel Theater und vor allem auch Musik gemacht. Ich habe "Bibi Blocksberg" und "Rosenstraße" gedreht. Dieses Jahr drehen wir den zweiten Teil von "Bibi". Dann drehe ich mit Oskar Roehler seinen neuen Film, worauf ich mich sehr freue. Ich mache jetzt also wieder mehr Kino. In den vorigen beiden Jahren war es viel Theater, was auch sehr schön war. Ich war glücklich darüber, langsam wieder dein Einstieg ins Theater zu finden. Meine Tochter ist ja in die Schule gekommen, und so war ich froh, in Berlin bleiben zu können.
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Katja Riemann und Martin Feifel in: Rosenstraße
Ricore: Sie haben die Musik angesprochen. Wie sieht es denn mit Ihrer Karriere als Musikerin aus?

Riemann: Ich habe seit zwei Jahren eine Band, das Katja Riemann-Oktett, das weitgehend aus Jazzmusikern besteht. Wir haben jetzt schon einige Konzerte gegeben - auf Jazz-Festivals in Düsseldorf und Halle sowie bei Jazz-Baltica in Salzau nahe Kiel. Es war eine große Ehre, dort in einem Sonderkonzert spielen zu dürfen. Meine Platte mit dem Oktett kommt im Oktober heraus. Sie wird "Favourites" heißen. Dann gehen wir im November auf Tour und fangen am 10. November im Lustspielhaus in Schwabing an.

Ricore: Für den Film "Bandits" hatten Sie ja damals Schlagzeugunterricht genommen. Haben Sie auf Ihrer ersten Platte "Nachtblende" denn selbst Schlagzeugparts eingespielt?

Riemann: Nein, um Gottes Willen. Ich bin ja keine Schlagzeugerin, sondern Schauspielerin. Ich habe mir das Schlagzeug für die Rolle angeeignet, so wie man sich aneignet zu fotografieren, wenn man einen Fotografen spielt - oder wie ich jetzt für "Rosenstraße" die Cesar Franck-Sonate geübt habe, bis ich mich fast übergeben habe. Ich bin jetzt aber keine Pianistin, nur weil ich die spielen kann - und auch nur die ersten 30 Takte. Das ist so irrsinnig schwierig.

Ricore: Sie haben auch in Kanada und Frankreich Filme gedreht. Ist das von der Arbeit her ein großer Unterschied?

Riemann: Nein. Die drehen Filme genau wie wir - und Filmleute sehen überall auf der Welt gleich aus. Egal ob das ein kanadischer, italienischer, französischer oder deutscher Beleuchter ist: Die haben immer wahnsinnig viele Taschen um die Hüften gespannt. Das Prinzip des Erzählens und Filmens ist überall gleich. Die Menschen sind unterschiedlich, aber das sind sie auch innerhalb eines Land. Nur die Sprache ändert sich. Ich finde es toll, weil man sofort aufgehoben ist. Ich habe in Ungarn Italien, Frankreich und Kanada gedreht. Man kommt an den Set, fühlt sich sofort zu Hause und sagt sich: Ok, wie das funktioniert, weiß ich. Die Herausforderung war natürlich, in Englisch, Französisch und Italienisch zu drehen. Das hat mich auch als Schauspielerin verändert, weil Sprache Einfluss auf den Körper und das Schauspiel hat. Als ich mir meinen französischen Film angeguckt habe, dachte ich: Ich sehe ja völlig anders aus! Und zwar, weil mein Französisch hier vorn sitzt, auf den Lippen - und dadurch verändert sich plötzlich das Gesicht und man hat eine andere Haltung. Das ist ganz interessant. Das gleiche gilt fürs Englische, das ja die Sprache des Rock n' Roll ist - eine abstrahierte Sprache. Das fand ich alles unheimlich interessant. Aber ansonsten ist die Arbeit dieselbe.

Ricore: Wenn wir schon bei der Sprache sind. Die ersten Szene in "Rosenstraße" sind ja auf Englisch gedreht, aber für die deutschen Kinos synchronisiert worden.

Riemann: Ach tatsächlich? Maria spricht also gar nicht mehr Englisch? In der Fassung, die ich gesehen hatte, wurden die Szenen in New York auf Englisch gespielt. Nur mit ihrer Mutter redet Maria Deutsch, was auch Sinn macht - aber mit ihrem Mann hat sie Englisch gesprochen. Dass das jetzt nicht mehr so ist, finde ich schade. Dabei ist das doch ein Englisch, das jeder versteht.
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Katja Riemann in: Rosenstraße
Ricore: Was halten Sie denn überhaupt davon, dass Filme in Deutschland immer synchronisiert werden?

Riemann: Ich finde das schrecklich! Klar ist es immer ein bisschen anstrengend, sich Originalversionen anzuschauen. Ich habe oft versucht, meine Mutter dazu zu bewegen, einen Film im Original zu sehen. Ich hab ihr gesagt: "Es ist ja untertitelt, und du kannst es lesen und alles verstehen." Sie hat sich dagegen immer gewehrt. Und dann lief irgendwann ein Film von mir in Italien. Während es in Deutschland ja eine richtig gute Synchronkultur gibt, synchronisieren die Italiener ja alles ziemlich schlecht. Da stimmt alles hinten und vorne nicht. Ein Freund von mir in Italien hat den italienisch synchronisierten Film aufgenommen und mir geschickt. Ich habe das dann meiner Mutter gezeigt. Da war sie völlig entsetzt, denn ich hatte eine völlig andere Stimme. Wie wir sprechen, ist ja auch Teil unserer Schauspielerei. Das denkt man sich ja nicht aus. Man weiß nie, wie viele Details der Schauspielerei durch die Synchronisierung verändert werden. Ich habe erst vor kurzem in einer Kinosendung Reese Witherspoon gesehen. Die hat ja eine relativ tiefe Stimme, wird aber im Deutschen ganz hoch synchronisiert. Das versteh ich irgendwie nicht.

Ricore: Sind sie freier, wenn Sie Filme auf Deutsch drehen, im Vergleich zu den anderen Sprachen?

Riemann: Natürlich, denn Deutsch ist meine Muttersprache, die ich auch sehr liebe. Ich habe mich zwar bei den Auslandsprojekten nicht eingeschränkt gefühlt, weil ich in Kanada sehr intensiv mit meiner Regisseurin gearbeitet habe - ähnlich wie jetzt bei "Rosenstraße" mit Margarethe. Genau dieses Problem habe ich deshalb am Anfang angesprochen und mit der Regisseurin erörtert.

Ricore: Haben Sie Lust, wie Franka Potente in den USA Filme zu drehen?

Riemann: Nein. Das kann ich aus tiefstem Herzen sagen. Das hatte ich auch noch nie, weil mir dort alles sehr fremd ist. Was mich interessieren würde, sind diese ganzen Independent-Filme, die oft in New York gemacht werden und die wir hier leider gar nicht zu sehen bekommen. Von denen höre ich dann immer nur durch meine kanadischen Freunde. Kanadische Filme finde ich übrigens großartig - extrem düstere Filme. Auch der Film, bei dem ich mitgewirkt habe war so düster, dass er in Deutschland nie einen Verleih gefunden hat. Das ist schade, weil es ein sehr schöner Film ist. Kanada würde mich also interessieren - aber die haben überhaupt keine Filmindustrie. Denen sind wir in Deutschland meilenweit voraus, was zum Beispiel das Filmförderungssystem betrifft. Kanada wird von den Amis total plattgemacht. Die laufen dort ein und drehen in Toronto Filme, die in New York spielen sollen, weil sie sich New York nicht mehr leisten können. Dementsprechend haben die Filmcrews durch die Amerikaner Jobs, und die Schauspieler spielen dann kleinere Rollen. Was ich aber toll finde, ist Europa. Ich liebe den europäischen Film sehr. Das würde ich gerne machen - aber schauen Sie sich das doch mal an: Frankreich hat die tollsten Schauspielerinnen, die es nur gibt. Was soll ich da jetzt auch noch?
erschienen am 18. September 2003
Zum Thema
Katja Riemann wird am 1. November 1963 mit dem Taufnamen Katja Hannchen Leni Riemann geboren. Sie wächst in Kirchweyhe, einem Ortsteil der niedersächsischen Gemeinde Weyhe auf. Riemanns Eltern sind Grundschullehrer. Als Mädchen von fünf Jahren geht sie zum Ballettunterricht und lernt mehrere Instrumente. Katja von Garniers Komödie "Abgeschminkt" in der Hauptrolle der Cartoonistin Frenzy zu sehen. Im Laufe ihrer Karriere spielt Riemann in diversen Beziehungskomödien wie "Der bewegte Mann", "Küß..
Rosenstraße (Kinofilm)
"Rosenstraße" ist die Arbeit der renommierten deutschsprachigen Autorenfilmerin Margarethe von Trotta ("Die bleierne Zeit", "Rosa Luxemburg", "Zeit des Zorns"), die seit ihrem Das Versprechen" (1995) in den letzten Jahren primär für das Fernsehen arbeitete ("Winterkind", "Dunkle Tage", die vierteilige Uwe Johnson-Adaption "Jahrestage"). Mit "Rosenstraße", der überdies als einziger deutscher Beitrag im diesjährigen Wettbewerb von Venedig sowie in Toronto läuft, blickt die..
2024