Tobey Maguire in: Seabiscuit
Tobey Maguire: hartes Training, seltsame Entscheidungen, verwirrende Küsse
Interview: Sollen sie doch schreiben!
In seiner Freizeit ist Tobey Maguire Vegetarier, Yoga-Fan und Hobby-Koch. Beruflich machte er Bekanntschaft mit zerrütten Familien ("Der Eissturm"), lebte in einem Waisenhaus ("Gottes Werk und Teufels Beitrag"), kämpfte als Superheld ("Spider-Man") - und reitet nun in "Seabiscuit" als Jockey in der Depressions-Ära dem Sieg entgegen. Wir trafen den 28-Jährigen am 11. September in Berlin.
erschienen am 23. 09. 2003
Tobey Maguire in: Seabiscuit
Ricore Medien: Mr. Maguire, sind das auf dem Pferd wirklich Sie?

Tobey Maguire: Es gab schon einen Stuntman, der mich in den gefährlichsten Szenen doubelte. Aber meistens bin ich selbst geritten. Übrigens auch auf der Rennbahn.

Ricore: Dafür mussten Sie wohl ganz schön üben...

Maguire: Reiten konnte ich schon vorher, schließlich habe ich 1999 "Ride With The Devil" von Ang Lee gedreht. Trainieren musste ich aber trotzdem - zehn Wochen lang auf einem mechanischen Pferd bei mir zu Hause. Ein Jockey half mir dabei, die richtige Haltung einzunehmen und Muskelmasse an den Beinen aufzubauen.

Ricore: Für "Spider-Man" mussten Sie Muskeln zulegen, für "Seabiscuit" enorm abspecken und gleich darauf für "Spider-Man 2" wieder einige Pfunde draufsatteln. Geht Ihnen das nicht auf den Keks?

Maguire: Es ist ein langwieriger, manchmal auch frustrierender Prozess. Für "Seabiscuit" habe ich stolze zehn Kilo abgenommen und schließlich nur noch knapp 140 Pfund auf die Waage gebracht.

Ricore: Wie haben Sie das geschafft?

Maguire: Mit einer strikten Diät und knallhartem Training: vier Stunden täglich, sechs Tage die Woche. Dabei aß ich nicht mehr als 1.400 Kilokalorien pro Tag.
Tobey Maguire in: Seabiscuit
Ricore: Zwischen Ihrer Rolle in "Seabiscuit" und Ihrer eigenen Kindheit gibt es verblüffende Ähnlichkeiten: Auch Sie mussten früh für sich selber sorgen, außerdem geben der Jockey Red Pollard und sein Pferd Seabiscuit eine ähnlich ungewöhnliche Paarung ab wie der Schauspieler Tobey Maguire und das Starsystem von Hollywood. Und trotzdem reiten beide auf der Welle des Erfolgs.

Maguire: (lacht) Dieser Vergleich wäre mir persönlich nicht in den Sinn gekommen. Schließlich habe ich wegen der guten Story zugesagt, nicht weil ich mich darin selbst wieder erkannt habe. Natürlich gibt es einige Ähnlichkeiten, aber eigentlich sind wir doch sehr verschieden. Red lebte zur Zeit der amerikanischen Wirtschaftsdepression und war sehr früh auf sich allein gestellt. Mit all diesen Dingen kann ich mich nicht identifizieren.

Ricore: Tatsächlich? Wieso haben Sie dann mal behauptet, dass Sie schon mit Dreizehn oder Fünfzehn weitestgehend für sich selber sorgen mussten?

Maguire: Ich traf diese seltsame Entscheidung damals aus eigenem Willen. Dabei ging es aber nur um finanzielle Unabhängigkeit. Die Geborgenheit meiner Familie habe ich im Gegensatz zu Red nie verloren. Ein schwieriger Teenager war ich sicherlich auch, aber diese Zeit hat vermutlich jeder. Ob ich Red trotz all der Unterschiede verstehen kann? Ja, ich denke schon.

Ricore: Warum wollten Sie mit so jungen Jahren unbedingt Geld verdienen?

Maguire: Ich hatte keinen Bock mehr auf Schule, und wir hatten nicht sehr viel Geld. Ich wollte einfach nicht mehr arm sein. Ich wollte Geld verdienen.
Tobey Maguire in: Seabiscuit
Ricore: Was bedeutet Ihnen Reichtum heute?

Maguire: Mit Geld kann ich gut umgehen. Trotzdem gebe ich, gemessen an meinen Einkünften, nicht so viel aus. Ich achte beim Einkaufen immer noch darauf, ob man bestimmte Dinge nicht woanders billiger bekommen kann. Wieso? Weil ich es von früher so gewohnt bin.

Ricore: Bisher verkörperten Sie meist sanfte und verträumte Charaktere. Ihre Rolle in "Seabiscuit" dürfte deshalb viele Ihrer Fans überraschen.

Maguire: Ich mag es, unterschätzt zu werden. Man kann Leute überraschen und sie vom Gegenteil überzeugen.

Ricore: Von Regisseur Gary Ross wissen wir, dass Tobey Maguire ein recht ausgeprägtes Ego hat und ganz genau weiß, was er will.

Maguire: In bestimmten Dingen bin ich sehr selbst bewusst. Ich glaube zum Beispiel, dass nur ich wirklich entscheiden kann, wo meine Grenzen liegen. Und ich fühle, dass ich fast alles erreichen kann, was ich will. Außerdem bin ich ehrgeizig. Vermutlich spielte Gary darauf an.

Ricore: Was hat sich durch den enormen Erfolg von "Spider-Man" für Sie geändert?

Maguire: Ich kriege mehr Angebote, und das öffentliche Interesse an mir wird immer größer. An meiner Denkweise hat sich aber nichts geändert.

Ricore: In einem Interview mit dem "Playboy" schrieb ein Reporter über Ihre frühere Alkoholabhängigkeit, doch diese Information war, wie Sie später sagten, eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Sind Sie der Presse gegenüber nun vorsichtiger geworden?

Maguire: In diesem Interview gab es Missverständnisse, für die ich im Nachhinein die volle Verantwortung übernehme. Ob ich bei dem, was ich sage, vorsichtig bin? Nun, ich rede gerne über meine Filme. Ich möchte jedoch nicht wegen meines Privatlebens und meiner Persönlichkeit in die Schlagzeilen kommen.
Tobey Maguire in: Seabiscuit
Ricore: Haben Sie mit dieser Einstellung eine reelle Chance gegen die Klatschpresse?

Maguire: Sollen sie doch schreiben, was sie wollen! Mich kümmert es nicht mehr. Ich würde durchdrehen, wenn ich mir darüber den Kopf zerbrechen würde. Ich schreite nur ein, wenn etwas wirklich meiner Karriere schadet.

Ricore: Welcher Film war körperlich anstrengender: "Seabiscuit" oder die inzwischen beinahe abgedrehte Fortsetzung von "Spider-Man"?

Maguire: Das Training war bei beiden Filmen sehr anstrengend. Ich musste neue Dinge lernen und mich auf bestimmte Situationen vorbereiten. Für "Spider-Man 2" ist zum Beispiel Gelenkigkeit sehr wichtig.

Ricore: Wie vereinbaren Sie das mit Ihren Rückenproblemen, über die Anfang des Jahres viel geschrieben wurde?

Maguire: Überraschend gut. Die vor den Dreharbeiten durchgeführten Stunt-Proben für "Spider-Man 2" verliefen ausgesprochen gut. Ich bin nicht darauf aus, mich zu verletzen. Und das Studio auch nicht, immerhin tragen sie die Haftung.

Ricore: Was halten Sie von Liebesszenen vor der Kamera?

Maguire: Es ist immer etwas verwirrend. Man küsst sich, und trotzdem fühlt es sich nicht wirklich echt an.

Ricore: Warum verlieben sich dann so viele Schauspieler am Set?

Maguire: Weil sie viel Zeit miteinander verbringen. Während eines Drehs ist man regelrecht isoliert von der Umwelt und lernt den anderen immer besser kennen. Manchmal funkt es dann eben.

Ricore: Inzwischen haben Sie eine eigene Produktionsfirma und waren damit unter anderem an "25 Stunden" von Spike Lee beteiligt. Spielen Sie mit dem Gedanken, in Zukunft auch Drehbücher zu schreiben oder selbst Regie zu führen?

Maguire: Ich habe eine gute Vorstellungskraft und könnte mich mit Sicherheit auch einbringen. Nur verstehe ich nicht viel vom Schreiben. Regie könnte ich mir schon eher vorstellen. Nichts Konkretes, aber vielleicht in der ferneren Zukunft.
erschienen am 23. September 2003
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Tobey Maguire wird in Santa Monica, California geboren. Kurz darauf zieht er nach Oregon und Washington, da sich seine Eltern getrennt haben und er abwechselnd bei diesen und anderen Verwandten wohnt. Er will zunächst Koch werden, entscheidet sich dann aber doch für die Schauspielerei. Einen Abschluss macht er nicht, bereits nach der 9. Klasse verlässt er die Schule und startet seine Karriere als Darsteller in Werbeclips und Fernsehenserien, was zunächst ohne größeren Erfolg bleibt. Maguire..
Seabiscuit (Kinofilm)
Ein Pferd namens Seabiscuit fesselt in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts die Aufmerksamkeit der amerikanische Nation. Regisseur Gary Ross' ("Pleasantville") Drama spielt vor dem Hintergrund der Großen Depression. "Seabiscuit" basiert auf einer wahren Geschichte. Mit Tobey Maguire, Jeff Bridges, Elizabeth Banks und Oscargewinner Chris Cooper kann Ross genügend Starpower in die Wagschale werfen um das US-Publikum in die Kinos zu locken.
2024