Buena Vista
M. Night Shyamalan
M. Night Shyamalan über die Rache der Natur
Interview: "Die Welt wird zu einem feindlichen Ort"
Mit "The Sixth Sense" gelang M. Night Shyamalan ein Überraschungshit, der den jungen Regisseur aus Indien über Nacht zum gefeierten Branchenhelden machte. Seitdem sorgt der heute 37-Jährige in regelmäßigen Abständen für mystische Unterhaltung mit Superstargarantie. Doch auch ein Liebling der Traumfabrik verbucht nicht nur Erfolge, wie sein letzter Film "Das Mädchen aus dem Wasser" bewies. Diesen Sommer versucht Shyamalan es erneut und startet mit "The Happening" in einem wahrhaft gruseligen Blockbuster-Sommer. Wieso sich die Natur in seinem neuesten Film gegen die Menschheit richtet, erklärte uns der sympathische Filmschaffende in Berlin.
erschienen am 7. 06. 2008
Buena Vista
Voll konzentriert am Set zu "The Village - Das Dorf"
Ricore: Mr. Shyamalan, 1967 landete das weibliche Pop-Trio The Supremes mit ihrem Song "The Happening" einen Nr. 1-Hit in den USA. Erhoffen Sie sich ähnliches für Ihren gleichnamigen Film?

M. Night Shyamalan: Um ehrlich zu sein, hatte ich noch nie von dem Song gehört, bis ihn mir ein Freund während der Dreharbeiten zugeschickt hat. Aber ich habe es leider immer noch nicht geschafft, ihn mir anzuhören.

Ricore: Woher kam die Idee zu "The Happening" dann?

Shyamalan: Die ersten Einfälle kamen mir während einer Autofahrt nach New York City. Es war eine seltsame Stimmung, da die Straße von zahllosen Bäumen gesäumt wurde und der Himmel erkennen ließ, dass ein Sturm bevorstand. Die Strasse kam mir damals wie eine Narbe auf der Haut der Erde vor und mir wurde klar, dass der Mensch die Welt nicht kontrolliert. Zu dieser Zeit habe ich an einem anderen Projekt gearbeitet und auch schon ein Block mit Notizen gefüllt. Aber dann habe ich mich in diese Idee verliebt und konnte nicht mehr davon lassen.

Ricore: Arbeiten Sie immer noch am anderen Projekt?

Shyamalan: Es bestehen immer noch keine konkreten Pläne für diesen Film. Es fühlt sich manchmal fast so an, als wenn man nur eine Chance bekommt, ein Projekt durchzuziehen, und wenn man den Moment verpasst, verliert es an Stellenwert. Ich habe eine ganze Schublade voller angefangener Ideen, die den perfekten Moment verpasst haben.
Fox
The Happening
Ricore: Wie schwierig war die Umsetzung von "The Happening"?

Shyamalan: Um ehrlich zu sein, war es bisher mein einfachster Dreh. Es hat einfach nur Spaß gemacht. Die von Mark Wahlberg angeführten Schauspieler waren durch die Bank fantastisch. Wir waren wirklich eine gute Gruppe Leute am Set. Keiner empfand die Zeit als Qual, und glauben Sie mir, Drehen außerhalb des Studios kann grausam sein.

Ricore: Ihre Geschichten drehen sich immer um übernatürliche Phänomene. Was fasziniert Sie so daran?

Shyamalan: Mich interessiert der Glaube der Menschheit. Wenn immer ich auf Dinnerpartys gehe, bin ich anfangs eher zurückhaltend, da ich Small-Talk nicht leiden kann, aber sobald jemand anfängt, über Philosophie oder Theologie zu reden, werde ich ganz aufgeregt und vergesse sogar das Essen. Wenn ich nicht Regisseur geworden wäre, hätte ich sicherlich Theologie studiert. Meine Filme handeln nicht wirklich von Geistern und Aliens, sondern es geht viel mehr darum, dass jemand wieder glaubt. Der Begriff Übernatürlichkeit hat so gut wie keine Bedeutung für mich, für mich dreht sich alles um Gläubigkeit.

Ricore: Und was bedeutet Gläubigkeit für einen Filmemacher aus Indien?

Shyamalan: Die Fähigkeit, voll und ganz hinter etwas zu stehen. Ich beschreibe immer Charaktere, die entweder inspirieren oder sich inspirieren lassen. Als Regisseur muss man sich dem Leben öffnen und seinen Gefühlen freien Lauf lassen.
Fox
M. Night Shyamalan
Ricore: "The Happening" ist brutaler und düsterer als Ihre früheren Filme. Wieso?

Shyamalan: Ich bin davon überzeugt, dass dieser Film nur so genug Aussagekraft bekommt. Ich liebe Werke wie "Der weiße Hai", "Der Exorzist" und "Der Pate", die von Ihrer düsteren Kraft leben. Während ich das Drehbuch geschrieben habe, war mir klar, dass dieser Film nicht für Zwölfjährige geeignet sein wird. 20th Century Fox hat mich darin bekräftigt. Die größten Emotionen des Films kommen auf, wenn die Figuren denken, sie würden das letzte Mal miteinander sprechen, da der Tod naht.

Ricore: Aus welchem Grund haben Sie sich dazu entschlossen, dass der Virus die Menschen in den Selbstmord treibt, anstatt sie einfach auszurotten?

Shyamalan: Es gibt nichts Unheimlicheres, als wenn Menschen genau umgekehrt handeln, als man es erwartet. Wenn Ihre Mutter Ihnen ganz normal Frühstück macht und plötzlich anfängt, die Eier auf den Boden zu schlagen und Pfannen durch die Küche zu schmeißen, wäre das ziemlich beängstigend, oder? Sterben macht mir gar nicht so viel Angst. Für mich ist das Ende von "Blair Witch Project" deshalb auch erschreckender als jede Maschinengewehr-Schießerei.

Ricore: In ihrem Film spielen Biologie und Chemie für die Erklärung der Ereignisse eine große Rolle. Wie weit sind Sie beim Schreiben des Drehbuchs in diese Bereiche eingetaucht?

Shyamalan: Ich habe während meiner Recherchezeit eine Menge wissenschaftlicher Artikel gelesen. Wie der Zufall es wollte, regte zur gleichen Zeit das Verschwinden der Bienen in Amerika zu einer ausführlichen Debatte über solche Phänomene an, wodurch mir weiteres Material in die Hände fiel. Das Gleichgewicht unserer Erde scheint langsam aus den Fugen zu geraten. Mittlerweile haben Menschen Allergien gegen so gut wie alles Natürliche entwickelt. Die Welt wird zu einem immer feindlicheren Ort für uns Menschen.
Warner Bros.
Das Mädchen aus dem Wasser
Ricore: Ihr letzter Film "Das Mädchen aus dem Wasser" fiel an den internationalen Kinokassen durch. Verspüren Sie Druck, nach dem Flop nun wieder einen Kassenschlager abliefern zu müssen?

Shyamalan: Wäre "Das Mädchen im Wasser" ein riesiger Erfolg gewesen, würde ich dann etwa keinen Druck spüren? Man hofft immer auf gute Resonanz und den Erfolg seiner Filme, aber ich habe über die Jahre gelernt, dass der Zeitpunkt für einen Film nicht immer der richtige sein kann.

Ricore: Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Shyamalan: Mein nächstes Projekt heißt "The Last Airbender" und wird sich sehr von meinen bisherigen Filmen unterscheiden. Es handelt sich dabei um die Adaption einer japanischen Anime-Serie. Man kann sich das wie eine Realverfilmung eines Hayao-Miyazakis-Filmes vorstellen, der unter anderem "Chihiros Reise ins Zauberland" gemacht hat. Der Film wird viele spirituelle Einflüsse haben, die auf den Grundideen des Buddhismus basieren, aber trotzdem reichlich Martial Arts-Elemente bieten.
erschienen am 7. Juni 2008
Zum Thema
M. Night Shyamalan setzt in seinen Filmen auf wiederkehrende Elemente. Bruce Willis und Joaquin Phoenix tauchen in mehreren Werken des US-amerikanischen Regisseurs indischer Herkunft auf. Die Themen gleichen sich ebenfalls: Fast immer steht ein unerklärliches, mystisches Ereignis im Mittelpunkt. Wiederholt wird Philadelphia als Kulisse verwendet und auch die Cameo-Auftritte des Regisseurs gehören zum festen Programm. Einen Höhepunkt in der Karriere von Shyamalan markiert der Psycho-Thriller..
The Happening (Kinofilm)
Dass alle Bienen verschwunden sind, fällt zunächst nur High-School-Lehrer Elliot Moore (Mark Wahlberg) auf. Das irgend etwas nicht stimmt, bemerkt die Öffentlichkeit erst, als es bereits zu spät ist: unerklärliche Todesfälle entvölkern ganze Großstädte. Das Überleben der Menschheit steht auf dem Spiel. M. Night Shyamalan bleibt mit seinem 57-Millionen Dollar teuren Projekt dem Mystery-Genre treu.
2024