Jean-François Martin/Ricore Text
Joaquin Phoenix
Joaquin Phoenix: im Auge des Hurricanes
Interview: Hollywoods Außenseiter
Spätestens seit seinem erfolgreichem Auftritt als Johnny Cash in "Walk the Line" kommt man bei der Aufzählung US-Amerikanischer-Charakterdarsteller nicht mehr an Joaquin Phoenix vorbei. Der Trubel um seine Person ist dem Schauspieler eher unangenehm. Im Interview zu "Ein einziger Augenblick" spricht er mit uns über seine Außenseiterrolle in Hollywood, missglückte Versuche, eine Schauspielerin zu daten und Überlegungen, den Beruf aufzugeben. Außerdem erklärt er, warum ihm ein Autounfall kürzlich wie Sex vorkam.
erschienen am 14. 06. 2008
Tobis
Ein einziger Augenblick
Ricore: Herr Phoenix, Sie wirken gut gelaunt. Mögen Sie Pressetermine?

Joaquin Phoenix: Oh ja, sehr. In der Regel gefällt mir die Art, wie ihr Journalisten Fragen stellt. Ich hatte ein Telefoninterview mit einer amerikanischen Journalistin und obwohl dreißig Minuten vorgesehen waren, legte ich nach sieben einfach auf. Alle ihre Fragen waren tendenziell und ich wollte einfach nicht mehr. Ich fühlte mich unfair behandelt und war der Meinung, ich müsse mir das nicht antun.

Ricore: Ich nehme an, eine entspannte Atmosphäre und interessante Gesprächsthemen machen ein gutes Interview aus.

Phoenix: Ja, und man sollte nett zueinander sein.

Ricore: Kommen wir also zu "Ein einziger Augenblick". Ist Ihnen das Thema vertraut?

Phoenix: Ja, sicher. Das ganze ist eine Mischung aus Drama und Thriller. Ich nähere mich dem Stoff durch das Drehbuch an. Für diesen Film bedurfte es keiner besonderen Vorbereitungen.

Ricore: Sie sind kein typischer Hollywood-Schauspieler. Sie halten sich nicht so sehr an die Spielregeln der Branche, oder?

Phoenix: Ich kenne diese Regeln nicht einmal. Vielleicht würde ich mich dann mit dem Business arrangieren. Aber niemand hat mir erklärt, wie man das macht.
Jean-François Martin/Ricore Text
Robert Duvall und Joaquin Phoenix in Cannes 2007
Ricore: Fällt es Ihnen manchmal schwer, in Hollywood ihre Integrität zu wahren?

Phoenix: Nein, es ist nicht schwer, den Hollywood-Unsinn zu vermeiden. Zum einen scheint mein Leben die Presse nicht sonderlich zu interessieren. Ich bin nie von Paparazzi verfolgt worden. Als ich Eva Mendes das erste Mal traf, waren da Unmengen von Fotografen. Ich konnte gar nicht begreifen, was da geschah. Manchmal fürchte ich mich davor, dass ein Freund von mir plötzlich anruft und mir erzählt, er habe ein Foto von mir in einem Magazin gesehen, auf dem ich mein Auto tanke. Wer würde mich dabei fotografieren, wie ich tanke? Und natürlich finde ich es verrückt, wenn ein neuer Film herauskommt und die Medien sich um einen reißen oder wenn mein Gesicht plötzlich auf großen Plakatwänden zu sehen ist. Ich lese keine Hollywood-Magazine wie "Entertainment weekly" oder sehe Sendungen wie "Entertainment Tonight" oder "The Insider". Ich gehe nicht gerne zu Veranstaltungen, nur um Fotos von mir machen zu lassen. Verstehen Sie mich richtig, ich habe versucht, ein paar Schauspielerinnen aufzureißen, aber die wollten alle nichts von mir wissen. Deshalb komme ich nie in die Boulevardpresse. Glauben Sie mir, ich sähe mich gerne da (lacht). Es gibt Menschen da draußen, für die dreht sich alles darum, prominent zu sein. Ich kann darauf verzichten. Zum Teil habe ich das so entschieden, zum Teil hat es sich einfach so ergeben, weil man an mir als Star nicht besonders interessiert ist. Wenn ich mit jemand berühmten gesehen würde, wäre das vielleicht anders.

Ricore: Bedauern Sie es, nicht so sehr in der Öffentlichkeit zu stehen? Schließlich verschafft der Starruhm Ihnen auch neue Engagements.

Phoenix: Ich glaube, man muss das langfristig betrachten. Man muss sich fragen, ob es das alles wert ist. Ich bekomme heute Rollen in Filmen angeboten, die ich wirklich gerne spiele, auch wenn es manchmal bedeutet, schlechter bezahlt zu werden. Natürlich würde ich auch besser bezahlt, wenn ich häufiger in der Öffentlichkeit wäre. Aber wenn ich diese Filme machen würde und diese Art von Öffentlichkeitsarbeit, hätte ich innerhalb weniger Jahre die Lust an meinem Beruf verloren. Ich fände mein Leben unerträglich. Ich frage mich heute schon manchmal, ob ich so weiter machen möchte wie bisher. Ich weiß nicht, ob die Schauspielerei das richtige für mich ist. Wenn ich einen Film mache, bin ich immer auf der Suche nach einer tieferen Wahrheit. Es fällt einfach nur schwer aufzuhören, wenn man so gut bezahlt wird. Ich bin süchtig danach. Ich will dafür sorgen, dass die Dinge, die ich tue, mir selbst Respekt abverlangen und dass sie mir Spaß machen.
Ricore: Haben Sie darüber nachgedacht, als Regisseur zu arbeiten?

Phoenix: Ich wäre kein guter Regisseur. Mir fehlt dazu die Geduld. Ich komme auch nicht besonders gut mit der Presse zurecht. Ich stehe nicht gerne im Mittelpunkt des Interesses. Ich habe kein Bedürfnis, über mein Leben zu sprechen und glaube nicht, dass ich etwas Bedeutsames über die Schauspielerei oder irgendein anderes Thema sagen könnte.

Ricore: Was tun Sie neben der Schauspielerei?

Phoenix: Ich mache viele Dinge, die mit der Schauspielerei nichts zu tun haben. Ich rede nur nicht gerne darüber. Das ist meine Privatsache. Ich habe nichts zu verbergen, aber ich möchte einen Teil von mir vor der Öffentlichkeit schützen.

Ricore: Sie leben in Los Angeles?

Phoenix: Ja, das stimmt. Obwohl ich mich nicht gerne auf der Titelseite sehe, lebe ich direkt am Sunset Boulevard, im Auge des Hurricanes.

Ricore: Sie hatten neulich einen Autounfall. Wie was das?

Phoenix: Es war wie Sex. Gerade wusste ich noch, was passieren würde, da wurde ich schon auf den Rücken geschleudert. Es ging alles so schnell. Letztendlich war es ein großer Spaß! Ich habe die Achterbahnfahrt überlebt. Es war eine ganz merkwürdige Erfahrung. Am Ende lag das Auto auf der Seite.

Ricore: Im Film geht es um Rache. War das auch der Grund, warum Amerika in den Krieg gezogen ist? Wohin steuert das Land Ihrer Ansicht nach?

Phoenix: Ich weiß nicht, wie es weiter gehen wird. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass sich viel verbessern wird. Hoffen wir das Beste!
erschienen am 14. Juni 2008
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