20th Century Fox
Marco Kreuzpaintner
Zwischen Hollywood und der Welt
Interview: Marco Kreuzpaintners Weg nach oben
Trotz seiner Flugangst pendelt der 30-jährige Marco Kreuzpaintner zwischen Amerika und Deutschland hin und her. Gerade eben stellte er sein erstes Fantasyprojekt "Krabat" mit David Kross und Daniel Brühl fertig, schon geht es mit einem englischen Liebesdrama weiter. Nach der erfolgreichen Jugendbuchvorlage von Otfried Preußler adaptierte Kreuzpaintner Krabats Geschichte für die große Leinwand. Darin geht es um Liebe, Freundschaft, Zusammenhalt und Zauberei. Mit welchen Mitteln der Regisseur seine Schauspieler an der Stange hält und warum er die einzelnen Szenen im Geiste durchgeht, verrät er uns im schummrigen Licht eines Münchner Kinos.
erschienen am 17. 10. 2008
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Hanno Koffler am Set von "Krabat"
Filmreporter.de: Sie sind in letzter Zeit sehr viel unterwegs, nicht wahr?

Marco Kreuzpaintner: Ja, morgen fahre ich wieder nach Kalifornien, und da sind alle Körperfaschisten. Das ist furchtbar. Gleich als erstes, wenn du am Flughafen ankommst, sagen sie zu dir: "Oh, du bist aber dick geworden." Da kann man richtig Komplexe kriegen. Die trinken ihren Kaffee ja auch alle ohne Zucker, aber das kann ich nicht. Können Sie das?

Filmreporter.de: Nicht wirklich, aber bei Tee spare ich mir manchmal den Zucker.

Kreuzpaintner: Ja, aber bei grünem Tee brauche ich schon Zucker. Vor allem, wenn man dann eh schon leidet, muss man sich nicht noch zusätzlich quälen. Vor allem kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand grünen Tee aus Genuss trinkt.

Filmreporter.de: Die Amerikaner vielleicht, gerade wenn sie auf ihre Linie achten. Apropos, was machen Sie in Kalifornien?

Kreuzpaintner: Ich bereite dort meinen nächsten Film "Evenings Empire" vor, den ich zusammen mit einem amerikanischen Autor namens David Tully schreibe. Im Zentrum steht eine Liebesgeschichte einer Person aus einer ersten Welt zu einer anderen aus Brasilien. Eigentlich ist es eine Dreiecksgeschichte, zwischen einem schwulen Mann, der die Liebe seines Lebens ziehen lassen musste. Diese Liebe war allerdings eine Frau. Er stellt dann eben fest, dass er das einzige Mal, wo er wirklich geliebt hat, eine Frau geliebt hat, obwohl er eigentlich schwul ist.

Filmreporter.de: Das hört sich interessant an, unterscheidet sich aber gewaltig von Ihrem aktuellen Film, "Krabat".

Kreuzpaintner: Ja, aber ich habe bisher bei jedem Film etwas anderes gemacht. Ich habe Spaß an unterschiedlichen Geschichten. Immer dasselbe zu machen, finde ich langweilig.
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Krabat
Filmreporter.de: Auch "Trade - Willkommen in Amerika" ist etwas vollkommen anderes…

Kreuzpaintner: Ja, "Ganz und gar" war eine romantische Komödie, wenn man so will, "Sommersturm" eine Coming-Of-Age-Geschichte, später folgte mit "Trade" ein Drama, jetzt Fantasy, ja, so ist es eben bei mir.

Filmreporter.de: Was hat Ihnen bisher am meisten Spaß gemacht?

Kreuzpaintner: Das kann ich nicht sagen. "Trade - Willkommen in Amerika" war sicherlich das einschneidenste Erlebnis das ich bisher hatte. Auch weil es der erste internationale Film war, den ich gemacht habe. "Krabat" ist sicherlich mithin das Interessanteste, was ich gemacht habe. Denn schließlich will man genau aus diesem Grund Regisseur werden. Weil man sich aus dem Zauberkasten bedienen kann, was Tricks, Bauten, Kostüme und so weiter betrifft. Man kann sich so eine eigene Welt erschaffen.

Filmreporter.de: Sie wollten ja wegen der "Unendlichen Geschichte" Regisseur werden…

Kreuzpaintner: Ja, aber seit diesem Werk gab es in Deutschland keinen Fantasy-Film mehr. Das muss man sich mal vorstellen. Das sind jetzt 30 Jahre her. Und das, obwohl wir eine große Tradition im Bereich Fantasy haben. Denkt man beispielsweise an "Nosferatu", an Doktor Caligari, Doktor Mabuse, oder diese ganzen expressionistischen Filme. Ich finde es wirklich verwunderlich, dass wir nach dem zweiten Weltkrieg, vielleicht auch deswegen, das Fantastische völlig aufgegeben haben. Ich fände es toll, wenn ich Deutschland wieder mehr in diese Richtung gemacht werden würde. Mann muss sich nur trauen, denn wir können das auch. Man muss sich ja nicht mit den US-Amerikanern vergleichen. Nein, wir können das, was wir können. Das muss man dann halt vielleicht anders machen. Aber das Potential haben wir.
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Marco Kreuzpaintner
Filmreporter.de: Nur leider gehen viele junge, talentierte Filmemacher dann weg.

Kreuzpaintner: Nun ja, Roland Emmerich ist jetzt auch schon seit 15 Jahren in den USA. Aber das macht nichts, denn die Wurzeln verlieren jene die weggehen, dennoch nicht. Aber einen stärkeren schwäbischen Akzent als der kann man eigentlich gar nicht haben. Meinen bayerischen Akzent habe ich nie als Nachteil gesehen. Im Gegenteil, es ist voll lustig, wenn Roland mit seiner Mutter spricht und dann wieder voll ins Schwäbische fällt. Ich glaube sogar, dass diese Sprache eine Stärke ist, weil man dadurch seinen Ursprung und seine Wurzeln nicht verliert. Mir ist meine Familie schon sehr wichtig. Leider sehe ich sie zu wenig.

Filmreporter.de: Das ist der Nachteil Ihres Berufes.

Kreuzpaintner: Ja, von Beziehung gar nicht zu reden.

Filmreporter.de: Ist Roland Emmerich nach wie vor eine Art Inspirationsquelle für Sie?

Kreuzpaintner: Nein, soweit geht das nicht. Ich bewundere seine Arbeit, die für ihn das Richtige ist, für mich aber nicht. Obwohl ich sagen muss, dass ich einen Alien-Film mit dem Titel "Der achte Tag" geschrieben habe, den ich vielleicht als übernächsten Film machen werden. Rolands Ansatz, wie er seine Filme macht, ist ein komplett anderer. Er ist wie ein Visionär, ein Arrangeur, jemand, der Bilder komponiert. Ich arbeite eher aus dem Charakter heraus. Bei mir kommen zuerst die Figuren, dann erst der Plot. Das ist zwar immer ein totales Drehbuch-Struktur-Problem. Daher brauche ich immer Leute um mich herum, die total streng sind und sagen: "But the story". Das kann ich auf jeden Fall von ihm lernen, da er ein ganz harter und starker Geschichtenerzähler ist. Ich glaube, er findet meine Figuren ganz gut.

Filmreporter.de: Nicht nur er, auch das Publikum. Hatten Sie vor Drehstart zu "Krabat" Angst vor den Reaktionen des Publikums? Denn Otfried Preußlers Roman ist nicht nur deutschlandweit bekannt und beliebt.

Kreuzpaintner: Angst habe ich nur beim Fliegen. Ich habe nämlich wahnsinnige Flugangst.
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Bei den Dreharbeiten zu "Krabat"
Filmreporter.de: Wie machen Sie das bei Ihren vielen Flugreisen zwischen Europa und Amerika?

Kreuzpaintner: Das geht soweit, dass ich mich mit Valium wegdrücken muss. Ich weine manchmal sogar bei Langstreckenflügen und bei Turbulenzen. Das ist furchtbar. Was nun die Dreharbeiten betrifft, hatte ich Respekt vor dem ersten Drehtag, Respekt vor Otfried Preußlers Werk und davor, die Geschichte so umzusetzen, wie es dem Werk gebührt und nicht nur eine B-Version zu machen. Eine Literaturverfilmung birgt natürlich immer eine gewisse Gefahr, weil jeder seinen eigenen Film vor Augen hat. Aber deswegen tut man gut daran, nicht den allgemeinen Geschmack treffen zu wollen, sondern je spezifischer und je schönere eigene Ideen man hat, umso fantastischer wird es auch für den Zuschauer sein, da er sich überraschen lassen kann. Klar wird der eine oder andere sagen, für mich ist Kantorka blond. Aber spielt es wirklich eine Rolle? Wichtig ist, dass es spannend ist, berührt und dass man gerne hinschaut. Man soll sagen können, der Film entführt einem zwei Stunden lang in eine andere Welt.

Filmreporter.de: Wie schaffen Sie es, dass Sie stets große Stars um sich versammeln?

Kreuzpaintner: Ich glaube, die Schauspieler spüren, dass ich sie verstehe und dass ich ihre Arbeit liebe. Es gibt ja immer wieder Regisseure, die mit Schauspielern nicht viel anfangen können. Ich aber liebe Schauspieler. Die meisten Freunde in meinem Bekanntenkreis sind Schauspieler. Ich fühle auch manchmal selbst als Schauspieler, auch wenn ich hinter der Kamera stehe. Ich fühle mit und gehe die Szenen im Geist durch. Mittlerweile ist es vielleicht auch so, dass durch meine bisherige Arbeit die Schauspieler ein gewisses Vertrauen und das Gefühl haben, dass etwas Gutes dabei herauskommt.

Filmreporter.de: Wie können wir uns als Zuschauer Sie als Regisseur vorstellen?

Kreuzpaintner: Ich versuche immer, meinen Schauspielern Raum zu geben, den sie brauchen, um überhaupt eine gute Performance abliefern zu können. Der Irrglauben vieler ist ja immer noch, dass ein Regisseur am Set steht und schreit. Das Gegenteil ist eigentlich der Fall. Ein guter Regisseur entspannt, der macht Spaß, versucht aufzulockern. Er tut so, als ob man das alles gar nicht ernst nehmen muss, als ob alles völliger Quatsch wäre und man würde nur spielen, wie Kinder. Man fordert auch nicht mehr Ergebnis vom Schauspieler und sagt: "Das war jetzt aber noch nicht gut." Sondern man sagt: "Großartig. Aber weißt du was. Ich gebe dir jetzt die Chance, das nochmal anders zu machen. Und zwar probieren wir jetzt genau das Gegenteil von dem, was du gerade gemacht hast." Dadurch hält man den Schauspieler im Fluss und man kommt dadurch vielleicht zu Ergebnissen, die nicht im Klischee sind.
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Regisseur Marco Kreuzpaintner mit David Kross
Filmreporter.de: Haben Sie diese Methode auch bei Kevin Kline in "Trade - Willkommen in Amerika" angewandt?

Kreuzpaintner: Mit Kevin hatte ich gar kein Problem. Er hat zu mir immer "Maestro" gesagt. Das fand ich ganz schön. In Amerika ist das so, dass jede Form von Unternehmertun positiv gesehen wird. Das sind wir im deutschsprachigen Raum immer die Ersten, die das mit argwöhnischen Augen betrachten. Anstatt dass man sagt, toll, der macht was. Das finde ich bei Dreharbeiten in Amerika immer ganz besonders schön.

Filmreporter.de: Dann ist eine sogenannte Hollywoodkarriere ja nicht mehr weit?

Kreuzpaintner: Hollywood ist kein Ziel für mich. Das ist nichts anderes als ein ziemlich hässlicher Stadtteil in Los Angeles. Aber was mir dort gefällt, ist die Möglichkeit, international arbeiten zu können. Das habe ich jetzt mit "Krabat" aber auch gemacht. Wir haben einen großen Stoff im Ausland verwirklicht. Mit dem nächsten Stoff drehe ich auf Englisch in Brasilien. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mit meinen Filmen irgendwo hinarbeiten will, sondern dass ich mittlerweile so viele Leute kenne, die Vertrauen in meine Arbeit haben und denen das gefällt was ich mache, die dann sagen, wir investieren gerne unser Geld in deine Filme. Das müssen keine 80 Millionen Dollar Budgets sein. Ganz im Gegenteil, ich bin glücklicher mit kleinen Budget, kleineres Crews und dafür einer großen Geschichte. Das ist nämlich meistens das Problem: Je größer das Budget, desto kleiner wird oftmals die Geschichte.

Filmreporter.de: Bei "Krabat" war das Budget auch nicht gerade gering, oder?

Kreuzpaintner: Wir hatten 11,2 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist ganz schön viel Geld. Zum Glück bin ich kein Produzent, da ich mit viel Geld nicht gut umgehen kann. Ich würde alles der Crew schenken, da ich finde, dass die immer unterbezahlt sind.

Filmreporter.de: Könnten Sie sich vorstellen, in einem Ihrer Filme auch mal als Schauspieler aufzutreten?

Kreuzpaintner: Um Gottes willen, nein, das wird nichts. Aber wenn jemand anderes mal wahnsinnig genug ist, mich zu fragen, vielleicht. Es muss ja noch irgendwas geben, was man sich offenhält und was man im Ruhestand macht.

Filmreporter.de: Bis dahin dauert es doch noch ein paar Jährchen…

Kreuzpaintner: Warten wir mal ab, erst muss "Krabat" ein Erfolg werden.
erschienen am 17. Oktober 2008
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Krabat (Kinofilm)
Der 16-jährige Krabat (David Kross) geht in einer abgelegenen Mühle in die Lehre. Die anderen Jungen beobachten ihn mit Argwohn. Erst allmählich kommt Krabat hinter den wahren Grund seiner Arbeit: Die Mühle ist ein Ort der dunklen Magie. Marco Kreuzpaintner verfilmt Otfried Preußlers erfolgreiches Jugendbuch für die große Leinwand. In den weiteren Hauptrollen sind Daniel Brühl, Robert Stadlober und Anna Thalbach zu sehen.
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