Constantin Film
Karoline Herfurth
Zwischen Auditorium und rotem Teppich
Interview: Karoline, tanze deinen Namen
Karoline Herfurth gilt als eine der hoffnungsvollsten Nachwuchsschauspielerinnen in Deutschland. In "Im Winter ein Jahr" von Caroline Link spielt sie die junge Lilli Richter, die den Verlust ihres geliebten Bruders verarbeiten muss. In unserem Gespräch verrät die Darstellerin einiges über die Zusammenarbeit mit einer oscarprämierten Regisseurin, ihren Erfahrungen auf der Waldorfschule und warum sie sich kürzlich für ein Studium der Sozialwissenschaften eingeschrieben hat.
erschienen am 11. 11. 2008
Constantin Film
Im Winter ein Jahr
Ricore: Frau Herfurth, haben Sie den fertigen Film schon gesehen?

Karoline Herfurth: Ja, dreimal. Je öfter ich ihn sehe, umso schöner finde ich ihn. Die einzelnen Details werden immer sichtbarer. Gesten und kleine Worte erzählen noch soviel neben der eigentlichen Geschichte.

Ricore: Wie war das Gefühl als Mitwirkende den Film als fertiges Produkt zu betrachten?

Herfurth: Mir ist klar, dass ich mir während der Dreharbeiten kein abschließendes Bild über das Endprodukt machen kann, weil ich das äußere Bild nicht sehe. Ich habe aber immer ein Gefühl für den Film und dieses Gefühl stimmt eigentlich meistens mit dem Endprodukt überein. Selten werde ich im Nachhinein überrascht.

Ricore: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Regisseurin Caroline Link?

Herfurth: Ich habe in München "Pornorama oder Die Bekenntnisse der mannstollen Näherin Rita Brauchts" gedreht und in dieser Zeit haben wir uns zu einem ersten Gespräch getroffen. Danach wurde ich zum Casting eingeladen. Wir waren uns sympathisch. Sie ist eine beeindruckende Frau. Wenn man sie trifft ist man nervös und versucht alles richtig zu machen. Ich wusste von Anfang an, dass ich mit ihr arbeiten möchte, von daher waren es zunächst reine Arbeitsgespräche, denn mir ging es vor allem darum, sie von mir zu überzeugen.
Ann-Catherin Karg
Karoline Herfurth bei Premiere in München
Ricore: Gab es eine spezielle Interaktion mit der Regisseurin?

Herfurth: Meine Interaktion mit dem jeweiligen Regisseur muss immer eng sein. Sie oder er ist das Auge, das mich in seinem Bild führt und auf Nuancen hinweist, die ich eventuell vergessen habe. Beispielweise gibt es kleinere Übereinstimmungen zu meiner Rolle der Hayat in "Eine andere Liga", da es sich um zwei tragische Frauenfiguren handelt.

Ricore: Wie lange haben Sie gebraucht, um nach der anspruchsvollen Rolle wieder zurück ins reale Leben zu finden?

Herfurth: Ich habe diesbezüglich keine spezielle Strategie. Indianer beispielsweise steigen während einer Zugfahrt immer wieder aus, um auf ihre Seele zu warten. Ähnlich ist es auch bei mir. Wenn ich wegen eines Projektes drei Monate in München bin, muss ich mich danach in Berlin erstmal wieder neu akklimatisieren. Zunächst besuche ich meine Familie, Freunde und mein Pferd. Man fällt schon in ein emotionales Loch nach längeren Dreharbeiten, weil man die Leute vermisst. "Im Winter ein Jahr" war ein besonderer Dreh und ich wusste, dass es schwer werden würde, loszulassen.

Ricore: Was war das Besondere an den Dreharbeiten zu "Im Winter ein Jahr"?

Herfurth: Die Arbeitsbedingungen waren sehr professionell, alles war unglaublich gut organisiert und ich habe mich jederzeit total unterstützt gefühlt. Jeder hat sein Herzblut in das Projekt einfließen lassen. Ich hatte keinerlei Angst mich als Darstellerin zu entblößen. An schweren Tagen wusste ich, dass ich zu jedem im Team gehen kann. Beim Abschiedsfest habe ich mich bei allen bedankt, vom Oberbeleuchter bis zum Videooperator.
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Karoline Herfurth
Ricore: Was war anstrengender: Die intensiven Dreharbeiten oder die Rolle?

Herfurth: Es war die Figur und das Thema des Films. Es gab kaum einen Tag, an dem ich nicht weinen oder depressiv sein musste. Das hat mich unglaublich mitgenommen.

Ricore: Hat Sie die Rolle der Lilli Richter persönlich verändert?

Herfurth: Der Film hat mich wie kein Anderer vorher verändert, weil ich mich noch nie vorher so intensiv mit dem Tod und der Endlichkeit von Leben auseinandergesetzt habe. Die Rolle hat mich überwältigt. Ich musste nicht so sehr darum kämpfen, sie zu bekommen, sondern darauf achten, mich wieder von ihr zu lösen und mich nicht zu sehr damit zu identifizieren. Oft musste ich mich nach Drehschluss daran erinnern, dass es nicht meine persönliche Angst war, sondern die meiner Figur Lilli Richter. Ein wichtige Erfahrung für mich als Schauspielerin, weil es darum ging, klare Grenzen zwischen sich und seiner Figur zu ziehen.

Ricore: Welche Verbindung gibt es zwischen Ihnen und der Rollenfigur Lilli Richter?

Herfurth: Kann ich gar nicht sagen. Das Drehbuch war sehr gut, weil man eben die Trauer und Emotionalität von Lilli gut nachvollziehen konnte. Mein Beruf ist es, mich in die vorgegebene Figur rein zu arbeiten. Das Nachempfinden von Schmerz beispielsweise ist harte Arbeit, denn man muss es durchleben. Das ist die Herausforderung.
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Karoline Herfurth
Ricore: Hat sich Ihr Verhältnis zur eigenen Familie durch den Film verändert?

Herfurth: Ich habe das überhaupt nicht auf meine Familie übertragen. Ich habe nicht mich sondern eine Figur gespielt und muss das trennen. Wenn ich mir vorstellen müsste, dass mein Bruder Selbstmord begangen hat, dann würde ich die Rolle zu nah an mich persönlich lassen. Der Zuschauer soll schon angeregt werden und die Geschichte auf sich beziehen, für die Mitwirkenden ist das schwieriger. Meine Familie ist mir nicht erst seit "Im Winter ein Jahr" sehr wichtig.

Ricore: Sprechen Sie mit Ihrer Familie über ihre Filme?

Herfurth: Bei den Dreharbeiten zu "Im Winter ein Jahr" kam mich mein Vater mit meiner kleinen Schwester besuchen. Ich spreche generell nicht viel über meinen Beruf, so wie jeder andere auch. Meine Geschwister interessieren sich sowieso gerade für andere Sachen, als den Job ihrer großen Schwester. Ich lebe während der Dreharbeiten nicht in einer abgeschlossenen Blase, sondern mir ist es sehr wichtig, Freunde mitzunehmen. Gerade bei einem Film wie "Im Winter ein Jahr" könnte ich Einsamkeit am Set nicht ertragen. Man braucht Menschen um sich herum, denen man absolut vertraut.

Ricore: Wie haben sie das Tanzen erlernt?

Herfurth: Mit 19 Jahren fing ich an, Ballett zu tanzen. Für "Im Winter ein Jahr" habe ich nochmals ein sehr intensives Tanztraining mit renommierten Trainern und Choreographen bekommen. Das war ein Geschenk für mich, da ich das Tanzen liebe. Natürlich war das Training auch sehr anstrengend.
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Karoline Herfurth in "Im Winter ein Jahr"
Ricore: Trainieren Sie auch nach "Im Winter ein Jahr" weiter?

Herfurth: Ballett tanze ich weiter und wenn ich in München bin gehe ich zu den Trainern und Choreographen die mich während der Dreharbeiten unterstützt haben. Schade, dass die nicht in Berlin sind.

Ricore: Sie haben sich gerade an der Universität in Berlin eingeschrieben. Warum?

Herfurth: Ich habe mich für Sozialwissenschaften eingeschrieben. Das ist eine Fächerkombination aus Soziologie und Politik. Das Semester hat schon angefangen und ich habe alles so organisiert, dass ich in keinem Fach wegen Dreharbeiten mehr als dreimal fehle. Ich bin sehr froh mit der Entscheidung und habe bisher einen tollen Eindruck vom Studentenleben. Mir geht es dabei in erster Linie ums Lernen. Trotzdem hat die Schauspielerei immer Priorität. Der Nachteil an meinem Beruf ist es aber, das sich zu viel um meine Person dreht. Andauernd muss man an seinem Körper arbeiten, auf seine Stimme und den Ausdruck achten. Ich wünsche mir einfach mal ein Thema außerhalb von mir, mit dem ich mich auseinandersetzen kann. Von daher bin ich an der Uni derzeit gut aufgehoben.

Ricore: Was finden Sie an der Theaterarbeit spannend?

Herfurth: Es ist etwas ganz anderes als die Filmarbeit. Am Set wird dir viel von der Kamera abgenommen, auf der Bühne hingegen musst du alles selber transportieren. Darüberhinaus finde ich toll, dass man am Theater übertreiben kann und Sprache künstlich einsetzen darf.
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Karoline Herfurth und Josef Bierbichler in "Im Winter ein Jahr"
Ricore: Wie ist die Resonanz der Leute, wenn sie hören dass Sie eine Waldorfschule besucht haben?

Herfurth: Viele fragen mich zuerst, ob ich meinen Namen tanzen kann. Ich bin begeistert vom Ansatz der Waldorfpädagogik, weil sie das Individuum als Ganzes fördert - egal wo die persönlichen Stärken oder Schwächen liegen. Man muss sich sehr genau damit beschäftigen, denn es gibt gute und schlechte Waldorfschulen. Wichtig ist in meinen Augen eine Autorität vor Ort und eine klare Struktur. Die Erziehung zur individuellen Freiheit funktioniert nur, wenn sie unter Regeln stattfindet.

Ricore: Hat die Waldorfausbildung ihre künstlerische Arbeit beeinflusst?

Herfurth: Man steht dort oft auf der Bühne, beispielsweise während der Klassenspiele oder Monatsfeiern. Von daher war Theaterarbeit für mich nach dem Abschluss kein komplettes Neuland mehr. Es ist jedoch schwierig abschließend zu sagen, ob ich die Schauspielerei oder die Schauspielerei mich gefunden hat.

Ricore: Frau Herfurth, wir bedanken uns für das Gespräch.
erschienen am 11. November 2008
Zum Thema
Bereits an der Waldorfschule in Berlin sammelt Karoline Herfurth Bühnenerfahrung. Diese kommt ihr bei ihren späteren Projekten immer wieder zugute. Bereits zu dieser Zeit übernimmt sie erste Rollen in Fernsehfilmen, ihr Kinodebüt folgt im Jahr 2000 mit "Crazy". Ist sie hier noch in einer Nebenrolle zu sehen, so ergattert Karoline ein Jahr später bereits ihre erste Kinohauptrolle in "Mädchen Mädchen!". Karoline Herfurth ist heute eine gefragte Schauspielerin. Der Begriff "Nachwuchsdarstellerin"..
Als der 19-jährige Alexander (Cyril Sjöström) bei einem Unfall stirbt, bleibt seine Familie fassungslos zurück. Zur Erinnerung will Mutter Eliane (Corinna Harfouch) ein Portrait ihres Sohnes anfertigen lassen, auf dem auch dessen Schwester Lilli (Karoline Herfurth) abgebildet sein soll. Die hält zwar nichts von der künstlerischen Auferstehung ihres Bruders, fühlt sich aber zu Maler Max (Josef Bierbichler) hingezogen. Gemeinsam wollen sie die Vergangenheit aufarbeiten und noch einmal von vorne..
2024