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Leonard Lansink in "Wilsberg - Das Jubiläum"
Leonard Lansink ist Wilsberg
Interview: "Ich liebe Fragen und hasse Antworten"
Seit nunmehr 15 Jahren verkörpert Leonard Lansink den etwas verbitterten aber liebenswürdigen Privatdetektiv Georg Wilsberg in der gleichnamigen ZDF-Fernsehreihe. Am 27. Dezember 2008 wird um 20.15 Uhr die Jubiläumsfolge "Wilsberg - Das Jubiläum" ausgestrahlt. Darin muss Wilsberg zwei Morde während eines Klassentreffens lösen. Doch ohne Leichen gestaltet sich dies als schwieriges Unterfangen. Lansink verrät uns, welche Ähnlichkeiten es zwischen ihm uns seiner Filmfigur gibt. Und das sind gar nicht so wenige!
erschienen am 23. 12. 2008
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Wilsberg - Das Jubiläum
Ricore: "Wilsberg" läuft nun schon seit fast 15 Jahren erfolgreich im deutschen Fernsehen. Können Sie sich noch an die Anfänge erinnern? Leonard

Lansink: Ja, ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Ich war jünger und nicht so dick. Aber im Ernst: Wir sind jetzt natürlich besser aufeinander eingestimmt, haben uns alle gut aneinander gewöhnt, beinahe schon wie in einer kleinen Ersatzfamilie.

Ricore: Im ersten Fall spielen ja nicht Sie, sondern Joachim Król den Wilsberg. Wie kam es zu Ihrem Engagement?

Lansink: Ich glaube, dass Joachim Król keinen zweiten Teil machen wollte. Dann wurde ich gefragt und ich finde, ich mache das ganz ordentlich.

Ricore: War der Erfolg von Beginn an spürbar?

Lansink: Nein, überhaupt nicht. Der erste "Wilsberg" war das Fernsehspiel des Monats, auf der Montagabend-Schiene. Der Erfolg hat sich erst allmählich eingestellt, als wir noch einen und noch einen gedreht haben. Und irgendwann wurde "Wilsberg" auf den Samstagabend befördert.

Ricore: Was glauben Sie, macht den Erfolg aus? Mittlerweile kennen Sie ja beinahe schon zwei Drittel aller Deutschen…

Lansink: Ich bin jetzt etwas uneitel und sage mal, ein großer Teil des Erfolgs liegt daran, dass wir das spielen. Die Zusammensetzung aus Oliver Korittke, Rita Russek, Ina Paule Klink und mir stimmt einfach. Und ich glaube, viele Leute schätzen es, dass wir nicht so grausam sind. "Wilsberg" ist eher eine Mischform aus Krimi und Komödie. Bei uns sieht man nicht, wie das Messer in den Hals dringt und wie das Gehirn auf die Wand spritzt. Eigentlich könnten auch Kinder unsere Filme anschauen.
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Leonard Lansink und Oliver Korittke
Ricore: Man hat manchmal das Gefühl, dass man das Gesehene schon kennt…

Lansink: Ja, das ist aber auch das Geheimnis bei solch langanhaltenden Reihen. Man muss dem Publikum etwas geben, was sie schon kennen, und trotzdem immer wieder überraschen. Wir bemühen uns jedenfalls um solche Überraschungen.

Ricore: Haben Sie manchmal Einfluss auf das Drehbuch?

Lansink: Nicht direkt, aber meistens kriege ich das Buch schon in einem sehr frühen Stadium zu Gesicht. Ich darf dann auch was sagen, kann aber natürlich niemanden erpressen. Die Kollegen und Kolleginnen der Produktion hören mir zu, aber ich darf nichts bestimmen.

Ricore: Wie sehen Sie Ihre Filmfigur selbst. Georg Wilsberg ist ja ein bisschen kauzig, ein Einzelgänger und doch wieder herzensgut.

Lansink: Ich würde sagen, er steht ein bisschen außen vor. Er lässt das Leben an sich vorbeiziehen und betrachtet es aus ironischer Distanz. Wie halt alle Privatdetektive ist auch er einsam und kriegt nie eine Frau.

Ricore: Sehen Sie Ähnlichkeiten zwischen Ihnen und Ihrer Figur Georg Wilsberg?

Lansink: Ja, ich bin privat auch mal faul und sitze gerne auf dem Hintern, während ich dem Leben so zugucke. Ich bin ein kleiner Zyniker, oder besser gesagt, ich bin manchmal sehr ironisch und nicht immer aus tiefsten Herzen bei der Sache. Diese ironische Distanz, die Wilsberg an den Tag legt, kommt mir persönlich sehr entgegen, das muss ich zugeben. Und natürlich das Fahrrad. Ich besitze keinen Führerschein und fahre nur mit dem Fahrrad. Wilsberg besitzt zwar einen Führerschein hat aber kein Geld für ein Auto.
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Wilsberg - Das Jubiläum
Ricore: Daher auch die Auszeichnung zur fahrradfreundlichsten Figur 2008…

Lansink: Ja, das war auf der IFMA in Köln, auf der Internationalen Fahrradausstellung. Sie haben sich daran erinnert, dass Wilsberg immer Fahrrad fährt. Mich als Person trifft es auch, weil ich auch immer Fahrrad fahre, da ich noch nie einen Führerschein hatte.

Ricore: Fehlt Ihnen das Gefühl der Freiheit mit einem eigenen Auto nicht?

Lansink: Nein, da ich in den Städten, in denen ich bisher gewohnt habe, kein Auto brauchte. In München, Berlin und London kann man sich sowieso besser ohne Auto fortbewegen und auch mal ein Taxi nehmen, das dann billiger ist, als einen Parkplatz zu suchen.

Ricore: Ich möchte noch einmal auf die Jubiläumsfolge von "Wilsberg" zurückkommen. Darin gehen Sie mit großem Vorbehalt auf das Klassentreffen. Wie steht's privat mit Klassentreffen?

Lansink: Ich war selbst tatsächlich erst ein Mal auf einem Klassentreffen. Ich bin solchen Dingen gegenüber immer sehr distanziert. Leute, die man früher doof fand, sind immer noch doof. Und jene, die früher in Ordnung waren, sind auch heute noch in Ordnung. Es gibt meist keine großen Überraschungen. In Wirklichkeit sieht man sich auf solchen Treffen alt und dick werden, und das ist meist ein trauriges Unternehmen.

Ricore: Da stehen Sie also auch in diesem Punkt mit Georg Wilsberg nahe?

Lansink: Ja, ich denke schon. In diesem Punkt ticken wir gleich.
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Leonard Lansink und Oliver Korittke
Ricore: Werden Sie auf der Straße manchmal mit Georg Wilsberg angesprochen?

Lansink: Dauernd. Die Leute haben natürlich ein viel besseres Gedächtnis für Gesichter, als für Namen. Aber das stört mich nicht, denn dann hätte ich ja den falschen Beruf gewählt.

Ricore: Wie läuft so ein Fantreffen ab? Wie kann man sich das vorstellen?

Lansink: Das ist immer ganz nett. Die meisten erzählen mir Anekdoten aus den "Wilsberg"-Filmen, aber das kenne ich ja schon alles. Aber das finde ich auch gut so. Ich höre gerne den Leuten zu, weil sie mir zeigen, was ich gut und schlecht mache.

Ricore: Haben Sie persönlich eine Lieblingsfolge?

Lansink: Ja, die erste "In alter Freundschaft", mit Barbara Rudnik. Das war schon toll, wir durften da noch ziemlich viel erfinden. Und die Folge "Unter Anklage" gefällt mir ebenfalls sehr gut. Wilsberg wird hier von einer jungen Dame mit in den Abgrund gerissen.

Ricore: Manchmal wirken Szenen, als wären Sie improvisiert. Irre ich mich da?

Lansink: Ich bin eher der Anhänger der Theorie, dass man Schauspielern die Schauspielerei nicht anmerken darf, deshalb wirkt vieles vielleicht improvisiert und naturbelassen. Dass dies so leicht aussieht, ist auch der schwerste Teil der Arbeit. Improvisiert ist da nicht viel. Der Buchladen ist so klein, wie er im Fernsehen aussieht. Das ist ein Originalding in Münster, wenn man nur ein paar Meter zur Verfügung hat, kann man nicht viel improvisieren. Das muss schon sehr gut strukturiert sein.
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Szene aus "Wilsberg - Das Jubiläum"
Ricore: Ihr Buchladen heißt in Wahrheit Buchladen Solder, befindet sich tatsächlich in Münster und ist außerhalb der Dreharbeiten normal geöffnet, nicht wahr?

Lansink: Ja, Herr Solder stellt uns seinen Laden für ein kleines Entgelt zur Verfügung.

Ricore: Warum eigentlich Münster?

Lansink: Ich glaube irgendein Schulfreund unseres Redakteurs hat ihn darauf aufmerksam gemacht, dass es in Münster einen Autor gibt, der lokale Krimis schreibt. So ist er auf Jürgen Kehrer gekommen, hat seine Bücher gelesen und fand sie gut genug, um sie zu verfilmen. Der dargestellte Mikrokosmus ist inhaltlich toll, weil alles so übersichtlich ist. Trotzdem hat man alles vor Ort, von lustigen Hafengebäuden bis hin zu noblen Villen. Es ist alles da, nur in Kleinformat. Und natürlich all die Vorurteile gegen die Westfalen, dass sie stur sind und sehr katholisch. Das benutzen wir natürlich auch.

Ricore: Im Laufe der "Wilsberg"-Reihe wurden Sie fast zu einem Ehrenbürger der Stadt…

Lansink: Ja, sie haben uns schon adoptiert. Wir verkaufen Münster ja auch auf eine nette Art und Weise und tun ihnen nicht weh damit. Natürlich ersetzt eine Sendung von "Wilsberg" dem Presse- und Öffentlichkeitsamt jede Menge PR-Kosten. Ich glaube, sie sind ganz glücklich mit uns. Wir machen ja nicht so viel kaputt.

Ricore: Aber auch privat engagieren Sie sich für Münster…

Lansink: Ja, ich bin Schirmherr der Krebsberatungsstelle in Münster.
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Leonard Lansink
Ricore: Sie haben 2008 auch eine Medaille des Oberbürgermeisters bekommen…

Lansink: Ja, weil wir es geschafft haben, ganze 25 Folgen von "Wilsberg" in Münster zu drehen. Bei der 50. Folge kriegen wir die goldene Medaille. Das hat uns der Bürgermeister versprochen.

Ricore: Das bedeutet, "Wilsberg" geht noch lange weiter?

Lansink: Ich hoffe es, da von unserer Seite nichts im Wege steht.

Ricore: Liegt Ihnen das Genre des Privatdetektivs ganz besonders?

Lansink: Ich bin eher der Typ, der lieber die Fragen stellt und weniger gerne die Antworten gibt. Aber in Wirklichkeit liegt es daran, dass es so irrsinnig viele Krimis gibt, da sie eine recht kurzfristige Kunstform sind. Man kann in Krimis schnell aktuell sein, gleichzeitig aber auch auf den Alltag gut eingehen. Daher sehen die Leute das auch gerne.

Ricore: Gehören Sie auch dazu?

Lansink: Ja auf jeden Fall. Mein Lieblingskrimi war über lange Jahre "Für alle Fälle Fitz". Das ist die Urvorlage für alle Kriminalpsychologen, die es seither gibt. So ein dicker Kerl, er war Kettenraucher, Alkoholiker, hatte eine schwangere Frau und trotzdem eine Geliebte bei der Polizei. Jetzt können Sie sich ungefähr vorstellen, dass das mein Lieblingskrimi war.
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Wilsberg - Das Jubiläum
Ricore: Wie steht's mit Kriminalromanen?

Lansink: Oh ja, ich lese sehr gerne Hakan Nesser, generell Romane skandinavischer Autoren. Sie haben auch diese Philosophie, die auf unsere Münster-Krimis zutrifft: lokale Geschichten, die irgendwo verankert sind und eine Heimat haben. Man erzählt schlussendlich nicht nur über einen Fall, sondern auch über eine Gegen und die dortigen Menschen.

Ricore: Können Sie uns am Ende noch verraten, wie es mit der Figur Georg Wilsberg weitergeht?

Lansink: Nun ja, er rutscht nach wie vor in eigenartige Sonderfälle und wird nie heiraten. Soviel kann ich verraten. Er wird sicherlich auch nie ein uneheliches Kind kriegen. Denn das wäre zu kompliziert. Ich denke, er bleibt so wie er ist, und lässt alle anderen Karriere machen.

Ricore: Aber das ist doch auch Teil seiner Liebenswürdigkeit.

Lansink: Natürlich, man sieht ihm gerne beim Erfolglos sein zu. Und zum Schluss gelingt es ihm doch immer wieder, den Fall zu lösen. Und man weiß nie so genau, warum, da er ja nicht schlauer als die anderen ist. Er ist einfach nur zäh und hartnäckig.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 23. Dezember 2008
Zum Thema
In seinem 25. Fall quält sich Detektiv Georg Wilsberg (Leonard Lansink) durch sein 30-jähriges Abi-Jubiläum. Die Teilnahme bereut er spätestens, als im Schlosshotel eine Leiche auftaucht und ein ehemaliger Schulkamerad von der Bildfläche verschwindet. Die seit 1995 regelmäßig produzierten "Wilsberg"-Krimis gründen ihren Erfolg vor allem auf dem erfrischenden Schauspielerensemble bestehend aus Leonard Lansink, Oliver Korittke, Rita Russek und Ina Paule Klink.
2024