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Joachim Król
Spaß am Holocaust-Set?
Interview: Joachim Król: Trauer zerstört
Joachim Król spielt in Paul Schraders neuem Meisterwerk "Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected" einen vom Holocaust zerstörten Menschen. Die Erinnerung an seine in einem Erdloch eingesperrte Tochter kann der Protagonist nicht mehr loswerden. Warum sich die Dreharbeiten zu diesem schwierigen Thema dennoch lustig gestalteten, erzählt uns Król in einem ruhigen Gespräch während der Berlinale 2009.
erschienen am 22. 02. 2009
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Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected
Ricore: Wie war die Zusammenarbeit mit dem israelischen Star Hana Laszlo?

Joachim Król: Jedes israelische Kind kennt sie. Sie ist eine wunderbare Komödiantin, macht eine "One-Woman-Show". Ich weiß gar nicht, mit wem ich sie in Deutschland vergleichen soll, da sie so vielfältig ist.

Ricore: Wie war sie bei den Dreharbeiten?

Król: Sie ist sofort da, sie kann sich schnell fokussieren.

Ricore: Braucht man so jemanden? Der vielleicht bei einem derart ernsten und beklemmenden Thema auch lustig sein kann?

Król: In Jeff Goldblum hatten wir jemanden, der seine Rolle nicht eine Sekunde verlassen hat. Er hat uns alle unterhalten. Wenn er gerade nicht dran war, rezitierte er Schuman oder hat Lieder gesungen. Das war interessant. Es war das erste Mal, dass ich mit Kollegen aus Israel gearbeitet habe. Natürlich will man wissen, wie die so arbeiten. Das war schon ein großer Gewinn.
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Joachim Król und Jeff Goldblum
Ricore: Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Król: Ganz konventionell. Nur hatten wir das Glück, ein perfektes Drehbuch zu haben. Paul Schrader war in dem Fall zwar nicht der Buchautor, aber Sie können sich vorstellen, dass er nichts durchgehen lässt. Wenn eine Drehbuchikone als Regisseur fungiert, kann man sich darauf verlassen, dass das Drehbuch stimmt. Und so war es auch. Ich habe dann auch den Roman gelesen, in dem alle Figuren umfangreicher beschrieben sind. Das hat mir bei der Vorbereitung auch geholfen. Wir haben im Hotel in Bukarest geprobt. Das wurde in ein provisorisches Set umgebaut. Dort haben wir die Szenen gespielt und darüber geredet. Der Rest ergab sich aus der Situation und dem Moment. Ich habe mich ja nicht zum ersten Mal mit diesem Teil der Geschichte befasst...

Ricore: "Anne Frank"?

Król: Genau, auch bei "Ein Lied von Liebe und Tod - Gloomy Sunday" dreht es sich in gewisser Weise um dieses Thema. Aber hier ging es auch um andere Aspekte. Wie beispielsweise die Traumatisierung, die Seelenzerstörung, die Tabufrage, die in Israel erstmals in den 1960er Jahren gestellt wurde. Früher konnte man nicht fragen: "Was ist mit dir geschehen? Was haben sie mit dir gemacht?" Das war auch etwas, das ich erst während der Dreharbeiten gelernt habe. Das wurde in den Familien nicht besprochen. Vergleichbar mit der Schuldfrage in unserer Gegend, wo es auch bis 1968 gedauert hat, bis die nächste Generation so selbstbewusst war, die Fragen zu stellen.

Ricore: Gab es Momente, in denen Sie gezweifelt haben, am Projekt teilzunehmen?

Król: Man kann so ein Thema natürlich nicht am Abend ablegen wie alte Klamotten. Aber das sind auch genau die Zutaten, die einen ganz besonders neugierig machen. Das war alles andere als ein konventioneller Dreh. Ich war an Orten, wo ich noch nie vorher war. Das zieht sich irgendwie durch meine Arbeitsgeschichte. Ich bin zum ersten Mal in Rumänien gewesen und habe Bukarest kennen gelernt, eine ganz merkwürdige Stadt.
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Joachim Król
Ricore: Warum?

Król: Die Menschen dort haben es sehr schwer. Ich meine, wir beklagen uns gerade über die Wirtschaftslage. Aber ich habe Menschen kennen gelernt, die haben ihre Jobs verloren. Den Lebensstandard von dem sie immer träumten, versuchen sie jetzt, für ihre Kinder herzustellen. Mein Fahrer war Lehrer, gleichzeitig als Chauffeur beschäftigt und hat zudem mit seinem Bruder einen Baustoffhandel aufgezogen. Das ist für sie aber normal.

Ricore: Vergleichbar zur Romanfigur, was veränderten sie bei Ihrer Filmfigur?

Król: Der wesentliche Unterschied ist, dass meine Figur Wolfowitz seine Tochter im Roman wieder bekommt. Ich habe mir einen Wolfowitz ausgedacht, der an seiner Phantasie zerbricht.

Ricore: Wolfowitz ist zwar keine spektakuläre Rolle, aber dennoch eine sehr wesentliche. Die Narben und Verletzungen sind an Ihrer Figur am deutlichsten zu spüren.

Król: Ja, die Verletzungen werden vererbt. Das ist mittlerweile wissenschaftlich anerkannt. Das erkennt man auch daran, welche Probleme Israel oder Palästina derzeit durchmachen. Das ist sehr traurig, wenn man sieht, wie wenig lernfähig wir Menschen sind. Ich hab mich durch israelische Freunde aus erster Hand informieren können. Der dortige Konflikt ist hoffnungslos und aussichtslos. Selbst brillante Köpfe, die nicht zur Opfergeneration gehören, haben kein Rezept. Immer wenn ich in München bin, pflege ich Kurzinterviews zu machen, beispielsweise wenn ich mit dem Taxi zum Flughafen fahre. Vor gar nicht so langer Zeit führte ich ein Gespräch mit einem Mann aus Palästina. Er studiert und jobbt in München und unterstützt mit seinem Geld seine Familie in Palästina. Auch er konnte mir nicht sagen, wie der Konflikt dort gelöst werden soll. Er hatte keine Ahnung. Das ist furchtbar. Vor allem da nebenbei noch viel Geschäft damit gemacht wird. Denn irgendwer bezahlt ja diese Waffen.

Ricore: Braucht man solche Filme, um deutlich zu machen, was passiert ist?

Król: Es ist eine Tatsache, dass Erscheinungen wie Antisemitismus zunehmen, wenn der Bildungsgrad abnimmt. Daher müssen wir darüber reden. Durch meine Arbeit beschäftige ich mich permanent mit diesem Thema, mein 17-jähriger Sohn tut das nicht. Woher soll er das Wissen haben, das ich habe? Er hat es von mir, aber auch durch Filme wie "Ein Leben für ein Leben". Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir es mit einem Unterhaltungsmedium zu tun haben. Die Verantwortung wird noch größer. Wir müssen Wege finden, dass die Leute es ein Vergnügen finden, sich belasten zu lassen. Das ist gute Pädagogik. Es gibt viele Filme, die nur Popcorn-Konsum begleiten. Das ist ok. Das gucke ich mir auch manchmal an. Es gibt aber auch das Wort "Filmkunst". Kunst ist ein guter Weg, um Inhalte und Fragen zu vermitteln und Debatten zu eröffnen. In unserem Fall haben sich zwei Männer aus der Söhne-Generation wie Werner Wirsing auf der deutschen und Ehud Bleiberg auf der israelischen Seite getroffen und das Gefühl gehabt, ihre Geschichte zu erzählen. Das ist großartig. Das gesamte Projekt profitiert aus lauter solchen Begegnungen und Diskussionen. Man bedenke, Ehud Bleibergs Frau betritt zur Premiere des Films erstmals deutschen Boden. Während des Zweiten Weltkriegs hat sie hier ihre gesamte Familie verloren. Das ist sehr bedeutend.
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Paul Schrader und Jeff Goldblum am Set von "Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected"
Ricore: Sie haben in München eine Lesung aus dem Buch "Adam Hundesohn" veranstaltet, das als Grundlage für den Film dient.

Król: Ich hatte drei Termine, die ich vor der Berlinale 2009 unterbringen konnte. Das war eine gemeinsame Idee von uns und dem Verlag, der den Roman von Yoram Kaniuk erneut herausbringt. Man hört natürlich oft, dass Literaturverfilmungen immer mit Verlusten verbunden sind. Es gibt viele abschreckende Beispiele. Damit wollen wir sagen: Hier stehen zwei Dinge nebeneinander: Kaniuks Meisterwerk muss man gelesen habe. Auf der anderen Seite stehen wir, mit dem besten Drehbuchautoren, die ein eigenes Werk geschaffen haben. Als ich eingeladen wurde, die Lesung zu halten, war ich sofort begeistert. Die Resonanz war gigantisch. Das würde ich sofort wieder machen.

Ricore: Gehen Sie in Zukunft auch weiter in Richtung Hörspiele?

Król: Oh ja, konkret habe ich 2009 noch nichts dergleichen vor. Einiges in dieser Richtung habe ich schon gemacht. Immer wenn sich so eine Gelegenheit bietet, bei dem auch gute Leute daran beteiligt sind, mache ich sowas immer wieder gerne.

Ricore: Können Sie sich vorstellen, dass das Buch auch im Theater funktioniert?

Król: Tatsächlich gibt es in Tel Aviv seit etlichen Jahren eine Inszenierung von "Adam Hundesohn". Nachdem der Roman über Umwege und Zeit doch zum Bestseller, zum Schlüsselwerk und modernen Klassiker in Israel geworden ist, hat sich eine Theatergruppe gegründet, die das Stück aufführt. Ich hoffe, dass ich eine Chance kriege, das Stück in Tel Aviv zu sehen.

Ricore: Haben Sie es bewusst nicht angesehen, um unvoreingenommen in die Dreharbeiten zu gehen?

Król: Nein, die Gelegenheit hat sich einfach nicht geboten. Aber ich hätte es auch nicht gemacht, da haben Sie recht. Aber jetzt würde ich es mir sehr gerne ansehen. Ich fliege am 13. Februar wieder dahin, vielleicht bietet sich mir ja die Gelegenheit.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 22. Februar 2009
Zum Thema
Adam Stein (Jeff Goldblum) war ein gefeierter Varieté-Künstler. Heute lebt er mit anderen KZ-Überlebenden in einem israelischen Wüsten-Sanatorium. Die Vergangenheit hat er verdrängt. Erst als ein kleiner Junge eingeliefert wird, beginnt er sich mit dem Geschehnissen während des Holocausts auseinander zu setzen. Paul Schrader inszeniert ein verstörendes und äußerst schmerzhaftes Drama, das da einsetzt, wo andere Holocaust-Filme enden: mit dem Schmerz der Überlebenden.
Nach einem Schauspiel-Studium an der renommierten Otto-Falckenberg-Schule in München beginnt Joachim Król eine Bühnenkarriere. Einem breiten Publikum wird der gebürtige Herner in Detlev Bucks Roadmovie "Wir können auch anders" bekannt, in dem er den Analphabeten Rudi Kipp spielt. 1994 ist er in Sönke Wortmanns "Der bewegte Mann" zu sehen. Die Komödie wird ein Publikumshit, Król etabliert sich als Schauspieler. Später spielt er neben Kinorollen häufig in Fernsehproduktionen mit, wird für die..
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