Ulrich Blanché /Ricore Text
Patrick Wilson, Jackie Earle Haley
Superhelden: Patrick Wilson & Jackie Earle Haley
Interview: "Träumte nur noch schwarzweiß"
Jahre vor seiner Zusage zu "Watchmen - Die Wächter" wurde der ehemalige Kinderstar Jackie Earle Haley unter Fans der Buchvorlage als potentieller Rohrschach diskutiert. Mit seinem "Superhelden-Kollegen" Patrick Wilson sprach er mit Filmreporter.de über das Verhältnis der Figuren und die Vor- und Nachteile ihrer Kostüme. Wilson und Haley kennen sich bereits seit "Little Children" (2006), der das Comeback von Jackie Earle Haley einleitete. Auch Patrick Wilson ist seit seinem verstörenden Auftritt als Kinderschänder in "Hard Candy" kein Geheimtipp mehr.
erschienen am 22. 03. 2009
Paramount Pictures
Watchmen - Die Wächter (2009)
Ricore: Welche Szene hat Ihnen am meisten Vergnügen gemacht?

Jackie Earle Haley: Ich denke Patrick hatte am meisten Spaß. Schließlich durfte er mit Malin (Akerman, d.R.) rummachen (lacht).

Ricore: Wie war es, in die Untiefen der Figur Rohrschach vorzudringen?

Haley: Rohrschach ist dunkel und erschreckend. Ich musste herausfinden, was diesen Kerl motiviert, wer er ist und warum er welche Entscheidungen traf. Ich habe mir seine Kindheit näher angesehen: Er war ein bedauernswertes Opfer: wurde immer zurückgewiesen, seine Mutter war eine alkoholkranke Prostituierte, die ihren Sohn schlug. Sie wusste nicht einmal den Nachnamen des Vaters. Durch all dies verlor er seine Identität. Um zu überleben, eignete er sich dieses schwarzweiße Gerechtigkeitsempfinden an. Er geht keinerlei Kompromisse ein. Als er sich entschied, ein einsamer kostümierter Superheld zu werden, verlor er seine Identität völlig und ging in der neuen auf und fand auch einen Freund. Nite Owl II, den Patrick (Wilson, d.R.) spielt, ist vielleicht der einzige Freund, der er je hatte. Diese Rolle war eine erleuchtende Erfahrung für mich als Schauspieler.

Ricore: War es sehr anstrengend, diese Rolle zu spielen?

Haley: Es war etwas völlig anderes als alles, was ich bisher gemacht habe. Anstrengend war es in erster Linie auch körperlich, aber auch geistig.
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Patrick Wilson
Ricore: Wie war es am Set? Sie hatten ja nur wenige Szenen, wo alle Superhelden gemeinsam spielten. Hatten Sie viel Zeit gemeinsam?

Haley: Ziemlich viel, ja.

Patrick Wilson: Doch, ja. Ich hatte meine Familie vor Ort. Da meine Rolle körperlich enorm anstrengend war, ging ich auch oft abends einfach heim. Aber beim Drehen selbst hatten wir viel Spaß zusammen.

Ricore: Eigentlich kann Rohrschach niemand leiden. Warum mag ihn Ihre Figur, Herr Wilson?

Wilson: Sie verstehen sich, weil sie eine gemeinsame Geschichte haben. In den 1970er Jahren stellte sich heraus, dass es nicht funktionierte, wenn eine Gruppe von Superhelden auf die Straße geht und gemeinsam Verbrecher bekämpft. Aber meine Figur Dan (Daniel Dreiberg alias Nite Owl II, d.R.) wollte immer einen Partner. Obwohl er alleine zufrieden war, wollte er immer einen Gefährten. Meiner Ansicht nach hatten beide ein ähnliches Gerechtigkeitsempfinden. Dan versteht Rohrschachs schwarzweißes Denken, weil er selbst mit seinem Selbstvertrauen zu kämpfen hat. Dan bewundert ihn bis zu einem gewissen Punkt, weil Rohrschach an das glaubt, was er tut. Das inspiriert Dan abgesehen von der Tatsache, dass Rohrschach ein echt guter Detektiv ist. Dan spricht Rohrschach auch nie als Walter an. Wenn er ihn ohne Maske auf der Straße sieht, erkennt er ihn nicht, obwohl die beiden sich schon so lange kennen. Für Dan ist er nur Rohrschach. Sie sind Kameraden. Ich schätze ihr Verhältnis sehr, weil es so komplex ist. Auch hat Dan nicht viele Freunde.

Ricore: Herr Haley, ist Rohrschach im Film positiver gezeichnet als im Buch?

Haley: Positiver? Das sehr ich nicht so.

Wilson: Ich denke, man kann das eventuell so sehen. Einer der großen Vorteile von Filmadaptionen von Büchern ist doch, dass sie den Figuren Leben einhauchen. Wenn man die Figur Rohrschach liest, wirkt das viel brutaler. Wenn man ihn jedoch als Person sieht, stellt man sich all seine Gefühle vor. Das sind die Momente, wo Film wirklich als ein anderes Medium zu verstehen ist. Man kann gar nicht anders als auch das Herz zu sehen, weil es eine dreidimensional gezeichnete Figur ist.
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Patrick Wilson, Jackie Earle Haley
Ricore: Wie spielten Sie die Figur, wenn Sie die Maske trugen? War es schwerer oder einfacher?

Haley: Ich habe unter der Maske dauernd Grimassen geschnitten. Sie können Schritt für Schritt durch den Film gehen und versuchen sie zu finden (lacht). Nein. Anfangs fand ich es schwer, ausgerechnet mein wichtigstes Handwerkszeug, mein Gesicht zu verstecken. Aber als Schauspieler müssen wir alle auch inneres Spiel leisten und das habe ich getan. Ich habe mich darauf eingelassen und quasi einen Anzug animiert.

Ricore: Hat es Ihre Sinne geschärft?

Haley: Ich habe das Gesicht trotzdem nicht ausgeschalten. Die Maske ist sein Gesicht. Ich habe mich darauf eingelassen, dass es gar keinen Walter für ihn gibt. Mich nervt es auch immer, wenn überall auf den Besetzungslisten steht: Rohrschach /Walter Kovacs. Ich würde das dann am liebsten wegkratzen. Das kann man dann auch nicht mehr abschalten. Andererseits will keiner von uns Schauspielern einfach nur Grimassen schneiden. Schaut her, das ist mein trauriges Gesicht (lacht).

Ricore: Waren die Kostüme eher praktisch oder eher optisch überzeugend?

Wilson: Sie waren beides zugleich. Was auch immer es war, ich weiß, dass dieses schaumartige Material, aus dem mein Anzug bestand, eine lange Entwicklung hinter sich hatte. Das wurde schon für Michael Keatons Batman-Kostüm in den 1990er Jahre verwendet, der sich aber kaum damit bewegen konnte. Man hat Batman und Robin damit sogar Kämpfe machen sehen, obwohl das Zeug damals kaum biegsam war. Jedenfalls war es schwer, wirklich damit herumzulaufen, weil es ein Art elastischer Taucheranzug war. Für mich war es sehr kraftraubend, dieses Kostüm zu beherrschen. Das gilt insbesondere für Kampfszenen. Die mit einem Cape zu meistern, dass neun Pfund wiegt, war schon eine Leistung. Aber der Designer hat uns immer gefragt, was wir für wichtig und gut halten. Er versuchte, die Kostüme für uns so praktisch wie möglich zu gestalten. Wir haben uns mit den Kostümen arrangiert. Je nach Szene trugen wir nur das Ober- oder Unterteil.

Haley: Jeder von uns hatte da seine eigenen Erfahrungen damit. Ich kann mich gar nicht so beschweren. Ich habe mich nur totgeschwitzt, Malin (Kaufman, d.R.) hat viel gefroren. Ich erinnere mich an Drehtage, wo Patrick nach neun Stunden Dreh einfach am Boden lag, weil sein Rücken so weh tat. Da dachte ich mir: Ach, im Vergleich dazu ist dieser Socken über meinem Gesicht gar nicht so schlecht.
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Jackie Earle Haley
Ricore: Können Sie sich noch daran erinnern, wie es war, als Sie das Skript zum ersten Mal lasen? Als sie das Watchmen-Universum noch nicht kannten?

Haley: Ich wusste nichts davon, las das Skript und fand es großartig.

Wilson: Mir ging es genauso.

Haley: Wir waren alle begierig, diese Herausforderung anzunehmen. Es gibt ja immer wieder Schauspieler, die das und das nicht machen wollen. Die zum Beispiel keine Superman-Strumpfhosen anziehen wollen. Ich finde aber, dass "Superman"- oder "Batman"-Filme in den 1980er und 90er Jahren auf ihre Art großartig waren. Ich habe Reeves als Superman geliebt und hatte nie das Gefühl, das er seinen Ruf als Schauspieler mit derartigen Rollen verspielte.

Ricore: Träumen Sie von ihren Rollen?

Haley: Während der ganzen Drehzeit in Vancouver träumte ich nur schwarzweiß (lacht).

Ricore: Waren Sie alle von Anfang an für die Rolle vorgesehen, die Sie spielten?

Haley: Ich dachte, ich soll eigentlich Dr. Manhattan spielen (lacht).

Wilson: Bei mir stand tatsächlich, dass ich mir die Rollen von Dr. Manhattan und Dan anschauen soll.

Haley: Das wusste ich gar nicht.

Wilson: Normalerweise bedeutet das jedoch den Todeskuss. Wenn man zwischen zwei Rollen steht kriegt man normalerweise keine von beiden.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 22. März 2009
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Patrick Wilson wurde nach der Universität zunächst ein erfolgreicher Musical-Darsteller am Broadway. Ab 2003 hatte der 1971 geborene Amerikaner im Fernsehen in "Engel in Amerika" (2003) einen großen Erfolg. Für die Rolle des schwulen Joe Pitt wurde er für einen Emmy, einen Satellite Award und einen Golde Globe nominiert. Im Kino spielte er unter anderem einen Pädophilen in "Hard Candy" (2005) und Nite Owl II in "Watchmen - Die Wächter" (2009). Wilson ist verheiratet und hat eine Tochter.
Jackie Earle Haley ist ein Stehaufmännchen. Seine Schauspieler-Karriere beginnt Anfang der 1970er Jahre, als Jackie gerade elf Jahre alt ist. Nach einigen respektablen Rollen als Kinderdarsteller werden die Rollenangebote Anfang der 1990er Jahre immer seltener. Nach 1993 ist er 13 Jahre in keinem Film zu sehen, statt dessen produziert er mit einer eigenen Firma Werbespots. Little Children" im Jahre 2006 beschert ihm ein furioses Leinwand-Comeback inklusive Watchmen - Die Wächter" und 2013 in..
In einem fiktiven Amerika von 1985 wird der außer Dienst gestellte Superheld der Comedian (Jeffrey Dean Morgan) ermordet. Sein ehemaliger Mitstreiter Rorschach (Jackie Earle Haley) warnt die anderen Superhelden, dass ihnen das gleiche Schicksal drohen könne. "300"-Regisseur Zack Snyder machte sich an die schwierige Aufgabe, das von Fans verehrte Kultbuch zu verfilmen. Mit Liebe zum Detail wagte er den gelungenen Spagat zwischen Actionfilm und tiefgründigem Mystery-Thriller.
2024