Universal Pictures International (UPI)
Philip Seymour Hoffman
"Musik ist lebenswichtig!"
Interview: Rebell Philip Seymour Hoffman
Philip Seymour Hoffman gehört seit der Oscarauszeichnung für "Capote" zu Hollywoods erster Darstellerriege. Trotz schräger Rollen wird er von Fans wie Kritikern inzwischen geliebt. Hoffman wird stets von einem Hauch Independent-Kino umweht, der im Kontrast zu Rollen wie in "... Und dann kam Polly" oder "Twister" steht. Wir sprachen ihn anlässlich der Deutschland-Premiere von "Radio Rock Revolution" in Berlin. In der Musik-Komödie vom Meister der britischen Komödie, Richard Curtis, spielt er den coolen amerikanischen 1960er Jahre DJ The Count.
erschienen am 17. 04. 2009
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Philip Seymour Hoffman im Gespräch mit Filmreporter.de
Ricore: "Radio Rock Revolution"-Regisseur Richard Curtis hält Sie für einen der drei besten Schauspieler. Er konnte aber nicht sagen, wer die anderen beiden sind. Was meinen Sie dazu?

Philip Seymour Hoffman: Das ist amüsant. Es freut mich, das zu hören.

Ricore: Sie werden auch als Ikone des Independent-Films bezeichnet. Suchen Sie gezielt Nebenrollen in Independent-Filmen?

Hoffman: Ich denke nicht, dass ich mich auf eine Richting beschränke. Ich denke auch nicht, dass ich hauptsächlich kleine Rolle spiele. Gerade in Independent-Filmen spielte ich meist Hauptrollen. Ich hatte zudem die Gelegenheit, in Filmen mit großem Budget wie "Radio Rock Revolution" oder "Twister" mitzuwirken.

Ricore: War nicht Ihre erste Hauptrolle 2003?

Hoffman: Meine erste Filmhauptrolle war in "Makellos", an der Seite von Robert de Niro 1998. Auch in "Love Liza" hatte ich eine Hauptrolle. Mein Bruder inszenierte und schrieb diesen Film vor etwa neun Jahren. Ich hatte bisher das Glück, eine großartige Karriere zu haben.
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Radio Rock Revolution
Ricore: Gibt es Pläne für eine weitere Zusammenarbeit mit ihrem Bruder Gordy?

Hoffman: Zurzeit nicht. Vielleicht bei Gelegenheit. Der letzte Film, den wir gemeinsam realisierten war sehr finster und traurig.

Ricore: Sie sagten einst, dass Sie Erfolg nicht glücklich macht. Was macht Sie glücklich?

Hoffman: Erfolg ist flüchtig. Ein Glück, das darauf basiert, ist nur für den Moment. Was wirklich befriedigt, sind langfristigere Dinge. Das kann eine Familie sein oder ein Theater, dass man selbst führt. Dennoch bin ich sehr froh über den Erfolg, den ich bisher hatte.

Ricore: Welche Musik macht Sie glücklich?

Hoffman: Sehr unterschiedliche Richtungen. Ich bevorzuge kein bestimmtes Genre. Wenn mir etwas gefällt, kann das alles Mögliche sein. Es gibt so viele Bands, ich könnte sie gar nicht alle aufzählen.

Ricore: War es leicht für Sie, eine Verbindung zu der Musik in "Radio Rock Revolution" herzustellen. Nick Frost hat zuvor nie die "Rolling Stones" gehört.

Hoffman: Er hat nie die Stones gehört? Er lügt. Ich kann nicht glauben, dass Sie darauf reingefallen sind. Wirklich nie? Das ist schon seltsam.
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Philip Seymour Hoffman
Ricore: Warum haben Sie diese Rolle angenommen?

Hoffman: Jemand hat mich herausgefordert (lacht). Ich habe das Drehbuch gelesen und war bewegt von der Idee, dass meine Figur The Count am Ende aus dem Wasser auftaucht und die Zeile aus dem Kiss-Song erscheint (singt): God gave Rock and Roll to you. Zumindest war das so ursprünglich vorgesehen, ich bin nicht sicher, ob die Szene so noch im endgültigen Film ist. Ich mochte die Idee, dass Musik ein Geschenk ist, das einem immer bleibt, egal was passiert. Musik ist nicht nur eine Kleinigkeit, die in unserem Leben einfach da ist. Sie ist ebenso wichtig, wie die bildende Kunst. Man braucht sie schlicht und einfach. Ohne sie leidet der Mensch. Das ist auf einer niedrigen Skala auch in dem Film so, der mehr Spaß ist, als andere. Er basiert auf Musik und drauf, dass ein paar Typen zusammen abhängen. Dennoch gibt es im Film diese kraftvolle Botschaft, die besagt, wie mächtig die Musik ist. Das bewegte mich - abgesehen von dem ganzen Spaß.

Ricore: Glauben Sie, dass Musik die Gesellschaft verändern kann?

Hoffman: Ich glaube sehr daran. Kunst im Generellen kann das. Sie ist essentiell. Die Musik dieser Zeit war der Soundtrack der Protestbewegung.

Ricore: Wählten Sie die Rolle auch, um etwas völlig anderes nach Rollen wie in "Glaubensfrage" zu machen?

Hoffman: Ich denke nicht so kalkuliert darüber nach, wie Leute mich sehen sollen. Das fände ich schrecklich.
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Rockiger Philip Seymour Hoffman
Ricore: Sie erwähnten das ursprüngliche Ende. Wie war das? Starben Sie?

Hoffman: Ich weiß es nicht, ich habe den endgültigen Schluss nicht gesehen. Ich habe einige frühere Versionen gesehen. Es war nie vorgesehen, dass ich sterbe.

Ricore: In Ihrem nächsten Film "Jack Goes Boating" spielen Sie nicht nur, Sie führen auch Regie.

Hoffman: Ja. Der Film basiert auf einem Theaterstück, in dem ich vor zwei Jahren mitwirkte. John Ortiz und Amy Ryan spielen mit. Kennen Sie Amy? Sie spielte die Mutter in "Gone Baby Gone - Kein Kinderspiel".

Ricore: Welche Unterschiede gibt es für Sie zwischen Regie und Schauspiel?

Hoffman: Das eine komplettiert das andere. Man lernt über die eigenen Schauspielfähigkeiten, wenn man anderen dabei zusieht. Man hilft ihnen und sich selbst.

Ricore: Sie spielten oft in Ensemble-Filmen. Ist Schauspielen da einfacher, weil der Focus nicht so sehr auf einem selbst liegt?

Hoffman: Ob etwas schwerer oder leichter zu spielen ist, hängt kaum davon ab, wie groß die Rolle ist, schwieriger sind anspruchsvollere Rollen aus sehr unterschiedlichen Gründen.
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Philip Seymour Hoffman stets für einen Spaß zu haben
Ricore: Gibt es Figuren, die Ihnen nach Drehschluss nachhängen?

Hoffman: Nein. Wenn Schluss ist, habe ich abgeschlossen. Ich bin mir bewusst, dass ich nicht diese Figuren bin. Ich kann auch nach Dreharbeiten gut abschalten - gerade bei diesem Film. Man muss loslassen können und nach Hause gehen.

Ricore: War es anders, mit einem Regisseur wie Sidney Lumet zu arbeiten? Sie drehten "Tödliche Entscheidung - Before the Devil Knows You're Dead" mit ihm.

Hoffman: Ich habe schon mehrmals mit ihm gearbeitet, auch mit anderen Regisseuren seiner Generation. Leute sind unterschiedlich, das hat jedoch nichts mit ihrem Alter oder ihrer Herkunft zu tun. Sidney Lumet probt viel und dreht mit wenigen Takes. Er arbeitet schnell, intensiv und gut. Ich arbeite gerne mit ihm auf diese Weise. Das heißt nicht, dass ich mit anderen Regisseuren so arbeiten möchte. Ich muss nochmal betonen, wie sehr mir die Arbeit mit ihm gefiel und dass ich wahnsinnig gerne wieder mit ihm arbeiten würde.

Ricore: Ihr Charakter in "Radio Rock Revolution", Carl, nimmt Drogen und säuft viel. Hatten Sie eine rebellische Jugend?

Hoffman: Was ich gemacht habe? Darüber rede ich lieber nicht mit Journalisten. Mir liegt das in der Natur, ich bin immer dagegen. Ich trinke nicht mehr, rauche aber noch. Ich rebelliere eher dadurch, dass ich die andere Seite von Dingen sehen will. Ich weiß, dass das manchmal anstrengend ist.

Ricore: Was macht Sie wütend?

Hoffman: Das kommt drauf an.

Ricore: Abgesehen von blöden Journalistenfragen?

Hoffman: (Lacht). Abgesehen davon? Was mich wütend macht, ist, wenn Leute meine Privatsphäre nicht respektieren. Das macht mich wirklich wütend: die Unmittelbarkeit unseres Lebens heute, insbesondere was das Fotografieren angeht. Das läuft völlig aus dem Ruder. Als ich 20 Jahre alt war, hat kein Mensch Fotoapparate mit sich herum getragen. Heute besitzt jeder eine und macht immer und überall Bilder. Ich könnte mit meinem Sohn sprechen und die Leute würden mir ihre Kamera direkt unter die Nase halten. Das macht mich wahnsinnig. Generell hasse ich jede Art von Respektlosigkeit.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 17. April 2009
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Philip Seymour Hoffman tritt 1991 zum ersten Mal in der polnischen Independent-Produktion "Cheat" in Erscheinung. Während er viele Jahre durch beeindruckende Nebenrollen auf sich aufmerksam macht, bekommt er 2004 in "Owning Mahowny" erstmals auch in einer wichtigen Hauptrolle die Chance, sich zu bewähren. Für die Darstellung von Truman Capote in Bennett Millers Drama "Capote" erhält er 2006 den Peter Sellers.

Philip Seymour Hoffman wird am 2.2.2014 tot im Bad seiner New Yorker Wohnung..
Nachdem Regisseur Richard Curtis mit "Notting Hill" zum Fachmann romantischer Komödien wurde, dreht sich diesmal alles um den Plattenteller. In der 1960er Jahre Sex-, Drugs- und Rock 'n' Roll-Komödie funkt ein Piratensender von der Nordsee die neuesten Scheiben auf die britische Insel. Die Fans freuen sich, die Obrigkeit bringt's zur Verzweifeln. Musik im Blut haben unter anderen Philip Seymour Hoffman, Bill Nighy und Kenneth Branagh.
2024