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Brad Pitt in Wolfgang Petersens: Troja
Pitt: Mein Körper zerfällt langsam
Interview: Nacktszenen für Puritaner
Kaum zieht sich Hollywoods Paradeschönling aus, erhofft sich das Filmstudio davon Rekordeinnahmen. Ob die Rechnung aufgehen wird? Ist Brad Pitt alias Achilles im kurzen Kostümchen wirklich göttlich genug, um Heerscharen von (weiblichen) Zuschauern in einen Sandalenfilm zu locken. Denn der ignoriert Homers "Ilias" über weite Strecken und degradiert das berühmte Mythos zum banalen Quotenreißer.
erschienen am 16. 05. 2004
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Moderner Achilles stürmt Troja: Brad Pitt
Ricore: Mr. Pitt, wie aktuell ist die "Ilias" für unser heutiges politisches Verständnis? Brauchen wir in der modernen Gesellschaft noch mythische Helden?

Brad Pitt: Es gibt auf jeden Fall eine große Sehnsucht nach Inspiration und Führung. Deshalb sollten wir besser aus der Geschichte lernen, keine Frage. Natürlich bleibt offen, wie wir den Begriff Held definieren. Ist es die Comicstrip-Version oder die menschliche? Das kommt auf den Betrachter an. Die "Ilias" selbst überrascht aus heutiger Sicht: Die Thematik ist ungeheuer relevant.

Ricore: Die Aktualität der Geschichte steht außer Frage. Wie es scheint, ist in Ihrem eigenen Land eine Bande von Kriegshetzern an der Macht. Entwickeln wir uns zurück?

Pitt: Die amerikanische Kultur ist besessen von der Idee der Rache. Als ob Vergeltung uns glücklich machen würde. Geschichten wie die "Ilias" sollten uns daran erinnern, dass die Idee und Ausführung von Rachefeldzügen den Rächer auf dasselbe Niveau herabsetzt wie den Aggressor.

Ricore: Auge um Auge macht beide blind - das wusste schon Gandhi.

Pitt: Richtig. Aber diese Weisheit ist im Bewusstsein vieler Menschen nicht vorhanden.

Ricore: "Troja" wurde zum größten Teil in Mexiko gedreht, nur einen Bruchteil der Zeit verbrachten Sie auf Malta. Wieso?

Pitt: Zum Drehen ist Mexiko immer großartig, es ist billig und unkompliziert. Wir haben außerhalb von Cabo San Lucas gefilmt. Da gibt es meilenweit nur wundervollen Strand, der noch nicht von Golfplätzen ruiniert wurde. Wenn man genau hinguckt, sieht man, dass alle Statisten Mexikaner sind.

Ricore: Wo soll da der Vorteil liegen, wenn sie in Wirklichkeit doch Griechen darstellen sollen?

Pitt: Ich weiß nicht, was die Griechen dazu sagen werden. (lacht)
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Brad Pitt: Griechen waren gerne nackt...
Ricore: In der "Ilias" wird beschrieben, wie Achilles zu seiner verwundbaren Sehne kommt. Der Film erklärt das am Ende nur sehr halbherzig. Wäre das nicht wichtig gewesen?

Pitt: Wir gehen nicht darauf ein, das stimmt. Die Götter sind im Film nicht omnipotent, daher hat die Sehne nicht dieselbe Bedeutung. Sie ist ja nur eine Metapher für Schwäche, aber es ist ja diese Schwäche, die ihn letztlich zu seiner Glorie führt.

Ricore: Damit ist Achilles ein Held, aber kein Gott. Heute stellen wir Hollywoodstars auf Podeste und machen sie unsterblich. Sehen Sie Parallelen?

Pitt: Ich denke, Achilles suchte nach dem Sinn des Lebens. Parallelen gibt's nur, wenn ein Schauspieler sich allein auf seinen Ruhm konzentriert und sich selbst ein Monument errichtet. Doch jeder stirbt irgendwann, und was dann? Ich glaube nicht, dass es George Washington besonders tangiert, dass sie eine Brücke nach ihm benannt haben.

Ricore: Brad Pitt braucht keinen Megahit mehr in seiner Karriere - warum also wollten Sie diesen Film machen?

Pitt: Ach, ich habe nichts gegen Megahits. Ich nehme sie, wie sie fallen. Als man mir die Rolle angeboten hat, kam meine Eitelkeit ins Spiel. Diese Sage ist weltberühmt. Viele Geschichten, die später geschrieben wurden, haben das eine oder andere Element aus der "Ilias" gezogen. Außerdem gefiel mir unser Hollywood-Epos im alten Stil. Und wenn ich jetzt ein bisschen auf tiefsinnigen Schauspieler machen darf - was mich an Achilles fasziniert, ist folgendes: Wir leben in einer äußerst puritanischen Gesellschaft mit genauen Gesetzen, was wir tun und nicht tun dürfen, und der daraus folgenden Unmöglichkeit, Lebenserfahrungen zu sammeln. Ich bin überzeugt, dass man an die Grenzen gehen muss, und dass nur die Fehler am Ende zu Erfolgen führen. Achilles machte furchtbare Erfahrungen und beging schreckliche Taten, aber nur so konnte er über sich selbst hinauswachsen und Menschlichkeit lernen und akzeptieren.

Ricore: Sie trainierten monatelang für diesen Film. Würden Sie einen guten Soldaten abgeben?

Pitt: Nein. Ich war immer der Typ, den sie in der Schule auf den Gang geschickt haben, weil ich Anweisungen nicht befolgt habe. Ich gehorche nicht gern Autoritäten. Und ich habe ein richtiges innerliches Problem mit der Idee des Tötens. Den Konflikt in mir könnte ich nicht lösen. Was das Training betrifft, dachte ich: Nichts ist eine bessere Motivation für den Anfang einer Midlife-Crisis als eine körperliche Herausforderung anzunehmen, von der du nicht weißt, ob du ihr gewachsen bist. Ich bekam die Rolle kurz vor meinem vierzigsten Geburtstag. Mein Körper zerfällt langsam. Also dachte ich mir, ich setze noch mal alles auf eine Karte. Und Mann, tut das weh! (lacht)

Ricore: Wie unangenehm war Ihnen Ihr Kostümchen, das ja nicht allzu viel der Vorstellung überlässt?

Pitt: Bei meinen Recherchen fand ich heraus, dass die Griechen gerne nackt waren. Sie saßen nackt beim Essen, spielten nackt Ball, waren überhaupt ein nackter Haufen. Ich wollte dieser Idee treu bleiben. Aber ich dachte, alle im Film würden das so machen. Mir war nicht klar, dass ich der einzige sein würde, der soviel zeigt! (lacht)
erschienen am 16. Mai 2004
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2024