ZDF/Katrin Knoke
Nina Kronjäger in 40+ sucht neue Liebe
"Generation 40+ klingt nach Klischee"
Interview: Nina Kronjäger experimentiert
Nina Kronjäger ist ein Tausendsassa. Die alleinerziehende Mutter von Zwillingen spielt seit Jahren in Film- und Fernseh-Produktionen, arbeitet an einer Dokumentation über Peter Ustinov und spielt in Theaterstücken von René Pollesch an der Berliner Volksbühne. Im Interview spricht die 42-jährige Wahlberlinerin Kronjäger über ihren Fernsehfilm "40+ sucht neue Liebe", dessen Titel sie etwas klischeehaft findet.
erschienen am 17. 05. 2009
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Nina Kronjäger und Thomas Heinze
Ricore: In "40+ sucht neue Liebe" geht es auch ums Loslassen, wo können Sie nicht loslassen?

Nina Kronjäger: Ich kann schon loslassen, da muss man durch. Ich finde, das Loslassen wird im Film sehr witzig aufgegriffen. Das ist mir sehr wichtig. Wenn man aber darüber lachen kann, ist das schon einmal gut. Loslassen hat bei mir mit meiner Familie zu tun und allen Menschen, mit denen ich zu tun habe. Das gilt auch für Beziehungen. Bereits mit sieben war ich entsetzt, jemals ausziehen zu müssen. Ich bat meine Eltern, dass ich auf immer bei ihnen wohnen darf. In der Schauspielschule heulte ich, nur weil mein damaliger Freund ein Bühnenbild in einer anderen Stadt gestaltete. Ich war untröstlich. So geht es mir heute auch mit den Kindern, wenn sie zu ihrem Vater abdampfen. Inzwischen bin ich geübt und brauche nur ein paar Minuten, um mich zu berappeln.

Ricore: Der Titel "40+ sucht neue Liebe" ist etwas klischeemäßig...

Kronjäger: Das kann man wohl sagen [lacht]. Der Film ist der Film und später wird ein Titel dafür gesucht. Manchmal trifft der das einfach nicht, was hier auch der Fall ist. Dennoch ist es gut, darüber zu sprechen, um das einmal klar zu stellen.

Ricore: Welche Klischees über 40+ können Sie bestätigen, welche dementieren?

Kronjäger: Das Klischee 40+ entsteht nur, weil man dauernd darüber spricht. Dadurch wird es zementiert. Jeder, der dachte, kein Problem zu haben, bekommt es spätestens, wenn er 40 wird, weil alle drüber sprechen und fragen: "Wie geht es dir jetzt, wo du 40 bist?" Wenn keiner darüber sprechen würde, und kein Titel darauf aufmerksam machen würde, gäbe es die Diskussion nicht. Ich kann auch 37 sein. Was der Titel klischeemäßig versucht auszudrücken ist, dass es um neue Lebensphasen geht. Man muss eine gehen lassen und dann kommt die nächste, was oft schwierig ist. Es kann auch schmerzvoll oder komisch sein.

Ricore: Der Film zeigt auch eine Selbsthilfegruppe. Haben Sie so etwas schon ausprobiert?

Kronjäger: Ich habe noch keine Paar-Therapie ausprobiert. Ich denke keiner meiner ehemaligen Partner hätte sich für so etwas breit erklärt [lacht]. Im Film wird das auch eher komisch behandelt. Generell halte ich sehr viel davon, sich bei einem Problem therapeutische Hilfe zu holen. Das finde ich gut.
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Nina Kronjäger in 40+ sucht neue Liebe
Ricore: Wie erging es Ihnen mit Torschusspanik? Sie sind alleinerziehende Mutter von Zwillingen. Hilft oder hemmt das bei der Partnersuche?

Kronjäger: So habe ich das noch nicht betrachtet. Es hilft generell im Leben und ich bin nicht so sehr auf der Suche nach einem Partner. Kinder zu haben hilft generell, ich hätte gerne auch drei oder vier gehabt. Ich merke schon bei zwei Kindern, wie viel Arbeit das erfordert. Ich dachte mir früher öfters bei Müttern, warum die nur ein Kind haben. Mit zwei Kindern ist man als alleinstehende Person gut bedient.

Ricore: Die Namen der Kinder , Lennon und Lucille, sind sehr Musik-beeinflusst...

Kronjäger: Genau. Das habe ich gemeinsam mit dem Vater entschieden. John Lennon war der Held meiner Elterngeneration und meiner Kindheit. Bei Lucille ist es diese tolle Gitarre von B.B. King. Mein Vater hat gegoogelt, dass B.B. King seine Gitarre nach einem Zwischenfall in einem Club benannte. Dort trat er auf und zwei kriegten sich in die Haare, was damit endete, dass der Club in Flammen aufging. Bei dieser Massenschlägerei ging es um eine Frau namens Lucille. Uups. Nicht dass ich will, dass meine Tochter Anlass von ständigen Massenschlägereien bietet, aber dass sie ein Feger ist, ist mir jetzt schon klar.

Ricore: Und das doppelte L?

Kronjäger: Das war so eine Spinnerei, die man sich einbildet, wenn man Zwillinge hat, muss das zusammenpassen. Ich hatte immer eher altertümliche Namen im Kopf, der Vater der Kinder dagegen eher internationale Namen. Darauf konnten wir uns einigen.

Ricore: Da es sich um zweieiige Zwillinge handelt, kommt die Veranlagung oft von der Mutter. Wie schaut es da in Ihrer Familie aus?

Kronjäger: Bei mir kommt das aus der Familie meines Vaters, wo es Zwillinge gibt.
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Nina Kronjäger in 40+ sucht neue Liebe
Ricore: Es gibt neben dem deutschen einen finnischen Wikipedia-Eintrag über Sie. Haben Sie eine Beziehung zu Finnland?

Kronjäger: In Finnland? Das ist ja interessant. Das kann ich mir nicht erklären. Ich war einmal mit einem Theaterstück in Schweden, oder es wurde etwas im Fernsehen gezeigt.

Ricore: Sie lebten einige Zeit in Paris. Vermissen Sie es?

Kronjäger: Ja. Ich vermisse die Sprache. Auch finde ich Sachen anderswo interessanter, als da, wo ich lebe. Mir machte es Spaß, dort zu leben, es war wirklich schön, weil die Atmosphäre ganz anders war. Ein Jahr habe ich dort gelebt. Jetzt wo die Kinder groß genug sind, kann man mit ihnen wieder etwas aktiver durch die Gegend ziehen.

Ricore: Haben Sie Projekte im Ausland geplant?

Kronjäger: Ja, es ist was in Planung, worüber ich aber noch nicht sprechen darf, weil es ja angeblich Unglück bringt. Ich würde gerne wieder im Ausland arbeiten, was in den letzten fünf Jahren nicht möglich war.

Ricore: Wenn Sie gerade von geplanten Projekten sprechen, sie erwähnten in einem Interview, dass sie an einem Dokumentarfilm arbeiten.

Kronjäger: Genau. Das ist eine Sache, die ich jetzt auch endlich wieder angehen kann. Ich würde das gerne wieder aufnehmen. Das eine Projekt hatte mit Peter Ustinov zu tun. Thomas Heinze war mit mir damals als Autor zugange. Durch meine Schwangerschaft musste ich pausieren und durfte nicht mehr durch die Weltgeschichte reisen. Leider starb Ustinov dann. Nachher hatte ich einfach keine Zeit. In einem meiner letzten Projekte spielte ich zumindest eine Regisseurin, die vom Spielfilm kommt und zum Dokumentarfilm geht. Das war wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl.
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Nina Kronjäger in 40+ sucht neue Liebe
Ricore: Sie erwähnten ihren Ex-Mann Thomas Heinze, mit dem sie schon oft spielten.

Kronjäger: Ich kann mir gut vorstellen, immer mal wieder mit ihm zu spielen. In diesem Fall ist es ein besonderer Gag, weil wir in "40+" auch ein Ex-Paar spielen. Wir brachten also das method acting schon mit, was ein Vorteil ist. Wir kennen uns wirklich gut, waren neun Jahre zusammen, kennen uns aber über 20 Jahre. Man kennt sich einfach wie ein Familienmitglied. Wir konnten in "40+" auf einem Niveau arbeiten, dass man mit anderen erst einmal erreichen muss.

Ricore: Was reizt Sie an der Regie? Haben Sie es schon ausprobiert?

Kronjäger: Ja. Ich probierte es bei einem kleine Feature für Arte aus. Es handelte von der Autorin Agnes-Marie Grisebach, die ich sehr verehre. Sie schrieb ihren ersten Roman mit 75, weil sie vor lauter Kinder vorher keine Zeit fand. Arte suchte Beiträge für eine Kultursendung, die von dieser lustigen rothaarigen Moderatorin betreut wurde, Enie van de Meiklokjes. Was mich daran reizt, ist, dass meine Neugier befriedigt wird. Ich wollte immer neben der Schauspielerei noch etwas anderes machen. Ich schätze es, beim Drehen an Orte zu kommen, wo man normalerweise nie hinkommen würde, wie beispielsweise in eine Pathologie oder in den alten Bundestag. Als Regisseur kommt man mehr rum, was bei dem Ustinov-Projekt zumindest so wäre.

Ricore: Sie sprachen selbst mit Herrn Ustinov?

Kronjäger: Ich begleitete ihn mit der Kamera nach England und Österreich. Er gründete mit einem Freund von Thomas und mir einen interdisziplinären Lehrstuhl zur Erforschung von Vorurteilen, was sein Sohn weiterführt. Heute, also fünf Jahre später, wäre es sehr interessant zu sehen, wie sich das entwickelte. Um noch einmal auf Ihre Frage zum Regieführen zurück zu kommen: Beim Dokumentarfilm erreicht man die Wirklichkeit, wo man bei Spielfilmen einfach nie hinkommt. Auch ist man als Regisseurin der Motor eines Projektes. Wie ich die letzten Jahre herausfand, bin ich ein guter Motor und will mich in dieser Hinsicht einmal auf eigene Füße stellen. Beim Filmen gibt es meist zuerst das Drehbuch, dann der Regisseur und dann kommen erst die Schauspieler hinzu. Man ist also immer von guten Ideen anderer abhängig. In meinem Umfeld machen sich zurzeit einige mit ihren Ideen selbstständig und führen erstmals Regie. Ich finde, dass es an der Zeit ist.

Ricore: Seit wann fühlen Sie sich erwachsen?

Kronjäger: Ich fühle mich erst seit ein oder zwei Jahren erwachsen.
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Ricore: Nicht mit der Geburt der Kinder?

Kronjäger: Nein, irgendwann danach.

Ricore: Gab es da einen Schlüsselmoment?

Kronjäger: Ja. Die Situation mit den Kindern war nicht einfach für mich. Ich habe das jedoch geschafft und habe zugleich zum ersten Mal in meinem Leben Verantwortung für jemand anderen gehabt. Ich übernahm sie für die Kinder komplett und konnte sie als einzige erwachsene Person im Haushalt auch nicht abgeben. Natürlich teile ich die Verantwortung mit dem Vater und beschließe gemeinsam mit ihm. Die Kinder leben jedoch meist bei mir, weshalb ich sie im Alltag habe. Wenn ich jetzt nicht diese Verantwortung bekommen hätte, hätte ich sie vielleicht woanders übernommen, etwa in Politik oder Gesellschaft.

Ricore: Verantwortung hat man auch sich selbst gegenüber. Für die Gesundheit machen Sie Yoga, rauchen jedoch weiterhin?

Kronjäger: Ja. Aber nicht viel. Das ist im Theater phasenweise mehr und dann wieder weniger.

Ricore: Sie stammen aus Marburg. Wann waren Sie denn das letzte Mal dort?

Kronjäger: Das könnte schon sechs oder sieben Jahre her sein. Es war beim Kinderladen-Treffen. Einen Kinderladen habe ich auch mit anderen Eltern gegründet. Alle beteiligten Eltern waren damals befreundet und sind es teils noch heute, daher treffen wir uns immer mal wieder. Normalerweise verschlägt es mich kaum nach Marburg, obwohl es eine wunderschöne Stadt ist. Meine Eltern gingen da als Studenten hin, fühlten sich da sauwohl und verlebten eine sehr einprägsame und emotionale Zeit dort. Sie lernten sich da kennen und haben dort auch geheiratet. Mich haben sie auch dort bekommen, sind dann aber, als ich sechs war, arbeitsbedingt weggezogen.

Ricore: Haben Sie Ihre Eltern bei der Berufswahl beeinflusst?

Kronjäger: Meine Eltern sind klassische Intellektuelle. Mein Vater ist Kunsthistoriker, meine Mutter war wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Institut für Wirtschaftsforschung und studierte Politikwissenschaften. Das beeinflusste mich insoweit, dass meine Eltern links, grün und Alt-Achtundsechziger sind. Bei der Berufswahl beeinflussten sie mich kaum. Meine Eltern studierten beide lange. Als ich auf der Welt war, konnte nur mein Vater zunächst weiter studieren, weil die Großeltern teils die Unterstützung versagten. Meine Mutter studierte später weiter und war mit Ende 30 fertig, mein Vater hatte Mitte 30 seinen Doktor. Wir waren Mittelstand und es ging uns gut, finanziell war es jedoch oft anstrengend. Ich hörte oft, dass für manche Dinge kein Geld da sei. Ich dachte mir, dass ich es anders haben wolle. Ich wollte schnell Geld verdienen und etwas Praktikables machen, statt lange zu studieren.
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Nina Kronjäger in Ein starkes Team
Ricore: Empfinden Sie da heute noch Nachwehen wegen der damaligen finanziellen Lage?

Kronjäger: Nein. Ich konnte nicht Ballett machen, sondern habe Turn-Unterricht bekommen, war in der städtischen Musikschule und so weiter. Entbehrungen hatte ich nicht. Meine Eltern empfanden es jedoch als Mangel, es war oft Thema. Das beeindruckte mich und ich wollte früh unabhängig von egal wem sein.

Ricore: Sie erwähnten die Musikschule. Ich las, dass Sie Klarinette spielen?

Kronjäger: Ich habe leider keine Zeit mehr, das aktiv zu machen. Ich habe aber angefangen, Klavier zu lernen. Auch dafür war damals kein Geld da. Jetzt kann ich es mir leisten, die Kinder lernen es auch und ich erbte das Klavier meiner Oma, das auch bespielt werden will.

Ricore: Wie schaut es mit Theaterprojekten aus?

Kronjäger: Ich habe gerade ein interessantes Projekt. Zwei Frauen, die ich schon lange von der Arbeit mit René Pollesch kenne, inszenieren das Projekt "Pierre und die Anderen". Eine ist die Kamerafrau Ute Schall, die andere die Schauspielerin Christine Groß. Beide sind Autorinnen eines Treatments, wo die Szenen mit Schauspielern entwickelt und nicht vorher geschrieben werden. Die beiden meinten, dass sie sich nicht alles selbst ausdenken können. Wir trafen uns oft und probten viel. Um es zu finanzieren, machten wir eine Performance daraus, die wir als Testphase für den im Herbst geplanten Kinofilm nahmen. Auch die ersten Proben wurden mit Handkamera gefilmt und ausgewertet. Daran sahen wir, was gut war und was man eher weglassen sollte. Anschließend haben wir richtig gedreht und das Material in der Performance auch verwendet und eine Geschichte drumherum gebaut. Obwohl es fürs Kino gedacht ist, kann es sein, dass es im Fernsehen auch gezeigt wird. Die Performance war in den Sophiensälen in Berllin. Außerdem spiele ich in zwei René Pollesch-Stücken an der Berliner Volksbühne: "Tod eines Praktikanten" und "Tal der fliegenden Messer".

Ricore: Wie beeinflusst sich Theater und Film für Sie?

Kronjäger: Ich bin damit zufrieden, dass ich einerseits so genannte konventionelle Fernsehsachen machen kann, welche manchmal gut und manchmal weniger gut sind und gleichzeitig unkonventionelles Theater. Bei den René-Pollesch-Stücken findet eine ganz andere Produktions- und Denkweise statt, was ich sehr erholsam finde. Zurzeit habe ich eine experimentelle Phase, als nächstes mache ich zum Beispiel das Hörstück "Der Jäger ist die Beute" von Tim Staffel, das auch gefilmt wird.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 17. Mai 2009
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Nina Kronjäger ist eine 1967 geborene Theater- und Fernsehdarstellerin, die 1993 in "Abgeschminkt" ihr Kinodebüt gab. Die alleinerziehende Mutter von Zwillingen lebt in Berlin, wo sie oft in Stücken von René Pollesch auf der Bühne steht. Den Vater ihrer Kinder hält sie geheim. Sie war lange mit Schauspieler Thomas Heinze liiert, mit dem sie auch weiter vor der Kamera steht. Im Kino war sie zudem 2006 in "Elementarteilchen" und 2007 in "Stellungswechsel" zu sehen.
Powerfrau Sarah (Nina Kronjäger) ist Mutter eines 18-jährigen Sohnes. Ihr großes Ziel ist, Cheflektorin ihres Verlags zu werden. Doch Verlagschef Karl Steiner (Hannes Hellmann) verknüpft ihre Beförderung mit einer Bedingung. Sie muss einen untergetauchten Bestseller-Autor (Oliver Stokowski) finden, dessen Bücher sie für chauvinistisch hält. Doch der Gesuchte erweist sich als sehr charmant und attraktiv. Das solide inszenierte Fernseh-Drama wartet mit einer abwechslungsreichen Geschichte auf,..
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