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Wolfgang Groos
"Ich bin manchmal aufbrausender"
Interview: Wolfgang Groos hing in der Luft
Basketball ist die Leidenschaft des jungen Protagonisten in "Hangtime - Kein leichtes Spiel". Gar nicht einfach war für Wolfgang Groos die Finanzierung seines Regiedebüts. Er hat zuletzt als Regieassistent gearbeitet, so auch für Sönke Wortmann bei "Das Wunder von Bern". Dass er einmal selbst einen Film inszenieren würde, hätte Groos nicht im Traum gedacht. Umso begeisterter erzählt er uns von seiner Entwicklung vom Produktionsfahrer zum Regisseur.
erschienen am 14. 10. 2009
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Hangtime - Kein leichtes Spiel
Ricore: Für Sie ist "Hangtime" der erste Spielfilm, für Mirjam Weichselbraun und Max Kidd ebenso. Gab es Probleme mit der Finanzierung angesichts so vieler neuer Gesichter?

Wolfgang Groos: Ganz am Anfang war die Finanzierung nicht so einfach, aber nicht wegen Max oder Mirjam, sondern wegen mir als Erstlingsregisseur. Deswegen hat es auch ein bisschen gedauert, bis wir das finanziert gekriegt haben. Dazu musste ich meine Erfahrungen erst mal über Fernsehprojekte sammeln, dadurch wurde es leichter. Es war auch gut, dass ich was für den WDR gemacht hatte. Ich glaube, dass die dadurch gemerkt haben, ah, der kann was. Mit Max und Mirjam waren von Anfang an klar. Da waren der WDR und arte schon im Boot.

Ricore: Hat es geholfen, dass Sie als Regie-Assistent mit bekannten Regisseuren gearbeitet haben, wie Dominik Graf oder Sönke Wortmann?

Groos: Ich glaube, dass das schon geholfen hat. Besonders die Zusammenarbeit mit Sönke, weil er den Film auch produziert hat. Er war der erste, der an mich geglaubt hat. Er hat schon an mich geglaubt, da hab ich es noch nicht mal gewusst. Es gab eine Situation beim "Wunder von Bern", wo er eines Morgens zu mir kam und meinte, heut wird's bisschen eng mit der Zeit. Wir hatten zwei Szenen zu machen und eine Montage zu drehen. Da hat er gesagt, dreh du die doch einfach. Er hat mir das komplett übergeben. Immer, wenn ich ihm das zeigen wollte und gefragt hab, findest du das gut? Hat er ja gesagt. Er hat mir schon ganz früh großes Vertrauen entgegen gebracht, das war mit Sicherheit ganz entscheidend. Auch bei der Zusammenarbeit mit Leuten wie Dominik Graf, Dennis Gansel und Matthias Glasner hab ich viel gelernt. Ich bin vom Typ her ein ganz anderer Mensch als die. Aber ich glaub schon, dass das was geholfen hat.

Ricore: Was war die wichtigste Erfahrung, die sie aus der Zusammenarbeit mit Sönke Wortmann mitgenommen haben?

Groos: Liebe zu seinem Film zu haben, dabei aber nicht verbissen genau zu sein. Aufzupassen, wenn's sein muss, aber dabei nie ein Maniac sein, das fand ich bei der Zusammenarbeit unheimlich gut. Und dass er seinen Leuten vertraut. Er gibt sich unheimlich Mühe, Top-Leute um sich herum zu scharen. Die sind dann aber auch richtig gut in ihrem Bereich. Er gibt ihnen unheimliches Vertrauen und sagt ihnen, macht das, ihr seid gut. Er achtet auch immer drauf, dass das alles in seinem Sinne abläuft. Aber er gibt dir als Mitarbeiter das Gefühl, dass man ganz viel für den Film tun kann. Das ist dann wiederum für den Film toll. Er ist zwar sehr zurückhaltend, aber auch sehr genau was die Arbeit mit den Schauspielern angeht.
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Hangtime - Kein leichtes Spiel
Ricore: Sind Sie am Set ein ähnlicher Typ? Wie würden Sie sich beschreiben?

Groos: Ich würde sagen ich bin ein bisschen anders als er. Sönke ist insgesamt ein ruhigerer Typ als ich es bin. Ich bin manchmal aufbrausender.

Ricore: Sie flippen also auch mal aus?

Groos: Selten. Da muss schon wirklich was passieren. Ich bin einfach von meiner Tonlage auch bisschen lauter, da ich ja von der Regieassistenz her komme. Die Regieassistenz, so wie ich sie gemacht habe, ist schon so der Tower. Der bin ich auch noch weiterhin. Ich glaub, ich bin lauter und aufbrausender.

Ricore: Sie haben sich bei der Premiere bei ihrem eigenen Regieassistenten bedankt mit den Worten "Meine Vergangenheit". Was hat es damit auf sich?

Groos: Ich glaub, ich hab als Regieassistent wirklich tolle Filme gemacht. Wenn man dann Regisseur ist, hat es der Regieassistent unheimlich schwer mit mir, weil ich immer noch ne super Idee habe. Ich bemühe mich wirklich, mich da komplett rauszuhalten. Ich glaube, in vielen Bereichen klappt das auch. Aber es ist auch schwierig, weil das so im Blut ist und er bei bestimmten Sachen das Gefühl hatte, er kommt gar nicht hinterher. Das Tempo, das ich vorlege, ist manchmal ein bisschen schwierig. Da muss man dann seinen Weg finden und den Mut und die Kraft haben zu sagen Wolfgang, ich mach das. Alles ist gut, ich mach das. Das hat er gut hingekriegt. Er hat einen super Humor.

Ricore: Lassen Sie sich auch mal belehren oder kostet Sie das Kraft?

Groos: Nein, überhaupt nicht. Ich will ihm ja auch gar nichts vormachen. Das ist einfach so in einem drin ist. Wenn irgendwo ein Gespräch über den Drehplan ist und ich krieg das mit, dann geb ich sofort meinen Senf dazu. Da muss man einfach mal die Klappe halten. Da muss ich noch etwas dazu lernen.
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Max Kidd in Aktion
Ricore: Wie würden Sie denn ihren eigenen Humor bezeichnen?

Groos: Ich mag den ironischen Humor. Schwarzen Humor mag ich auch sehr gerne, aber ich wüsste auch niemanden, der den schwarzen Humor nicht mag. Ich finde, das wichtigste bei Humor ist eigentlich, wenn die Figuren, die mir die Geschichte erzählen, das überhaupt nicht lustig finden. Dass das für sie eine ganz ernste Sache ist. Das muss nicht immer gleich dramatisch sein, aber dass sie das ganz ehrlich empfinden, und wir als Betrachter das lustig finden können. Das mag ich halt. Das hat schon was mit Ironie zu tun, weil die Figur selber es nicht ironisch finden kann, sonst würde sie nicht so handeln. Das mag ich an Humor. Das geht in den letzten Jahren ein bisschen verloren im deutschen Kino. Das liegt auch daran, dass sehr viele Comedians Filme machen und ganz anders an die Sache rangehen. Oliver Pocher lacht über seine Witze als erstes selber.

Ricore: Stimmt es, dass die ernstesten Dreharbeiten bei Komödien sind?

Groos: Nein, das stimmt nicht. Bei vielen Produktionen, die ich erlebt hab, ist es so, dass man nicht am Drehort lustig sein muss, damit es dann nachher lustig ist. Aber das würde ja umgedreht auch bedeuten, dass die dramatischen Filme unglaublich lustig am Drehort wären. Das finde ich jetzt auch nicht. Ich glaube, dass eine sehr konzentrierte Situation immer dann ist, wenn die Filmemacher ganz konzentriert versuchen, sehr gut vorbereitet auf das hinzuarbeiten, was sie machen. Es fällt vielleicht bei komödiantischen Sachen mehr auf, weil man denkt, das ist hier eine Komödie, warum seid ihr denn alle so ernst? Das hat aber nur was damit zu tun, dass man gut vorbereitet ist und das dann versucht umzusetzen und zu inszenieren. Ich finde man muss gerade da sehr genau sein. Einer der größten Künstler in dieser Beziehung ist Loriot. Der war sehr genau, und das ist ja das Besondere an dem was er gemacht hat. Bei einem Drama fällt es nicht so auf, da denkt man, das ist ja eh eine schwierige Geschichte, deswegen sind auch alle so ernst. Aber die sind einfach nur so ernst, weil sie genau drauf achten, genau zu arbeiten.

Ricore: Wünschen Sie sich, dass es im deutschen Film mehr Komödien gibt?

Groos: Nö. Da gibt's ja viele Komödien. Ich finde weder, dass es mehr geben sollte, noch weniger. Es gab mal eine Zeit, da war es mir viel zu viel. Jetzt muss man mal sehen wo die Entwicklung so hingeht. Ich würde mir wünschen, dass es mehr Komödien gibt, wo ich die Figuren ernst nehmen kann. Das vermisse ich manchmal.
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Misel Maticevic und Max Kidd
Ricore: Zieht es Sie eher zum Sport?

Groos: Mich zieht es nicht speziell zu Sportfilmen. Wir haben ja gar keinen Sportfilm gemacht. Das ist ein Film, wo der Sport eine Rolle spielt. Es war mir wichtig, Sport so authentisch wie möglich darzustellen. Das hat was mit meiner Vergangenheit zu tun. Aber mich zieht es nicht speziell zu Sportfilmen, mich zieht es zu tollen Geschichten.

Ricore: Sind Sie sportlich selbst aktiv?

Groos: Ich hab früher als Volleyballer in der Bundesliga, später auch Beachvolleyball gespielt. Insofern habe ich eine große Affinität zu Ballsport. Ich verstehe, was in einem Team und in einem Spieler vorgeht. Ich war nie so talentiert wie Vinz ist. Wir sind auch mal aufgestiegen von der zweiten in die erste Liga und ich musste damals die Entscheidung treffen, ob ich mit in die erste Liga gehe und da wahrscheinlich sehr viel auf der Bank sitzen werde, oder ob ich nicht doch zu einem anderen Verein in der zweiten Liga wechsle, um da mehr zu spielen. Ich hab mich damals für die Alternative zweite Liga entschieden, und hab dann auch meinen Weg gemacht. Ich kann verstehen, was Sportler denken, ich kenne diesen Geruch in den Turnhallen.

Ricore: Zu Beginn des Films wird gesagt, dass Hangtime ein Moment beschreibt, in dem sich alles entscheidet. Haben Sie auch schon solche Momente erlebt?

Groos: Ja. Ich finde, der Moment, in dem man in der Luft hängt, muss nicht immer so dramatisch sein, wie es bei Vinz ist, wo die Eltern bei einem Verkehrsunfall sterben. Eine zweite Hangtime hatte er, was jetzt nicht so dramatisch, aber für viele wichtig ist, als er mit der Schule fertig ist und nicht weißt, was er als nächstes tun soll. Meine persönliche Hangtime war der Beginn meiner Filmkarriere. Ich hab Medizin studiert, und das nicht wirklich erfolgreich. Ich bin gescheitert und dann hing ich in der Luft. Weil ich pleite war bin ich per Zufall zum Film gekommen.

Ricore: Wie ist das denn passiert?

Groos: Das ist wirklich so gewesen: Eine Freundin von meiner Tante kannte jemanden aus München, der in Hamburg einen Film drehte. Ich hab zu der Zeit in Hamburg gelebt. Sie hat gesagt, geh da mal hin, vielleicht kannst du da als Fahrer arbeiten. Dann hab ich als Fahrer gearbeitet und war wahnsinnig fasziniert von dem Ganzen. Für mich war das eine Welt, die ich überhaupt nicht kannte. Deshalb dachte ich, wenn man da rein springen kann, das wäre der Hammer. Ich war ja nicht an der Filmhochschule sondern hab alles über learning by doing gelernt. Bin über die Aufnahmeleitung zur Regieassistenz gekommen, hab dann relativ lange Regieassistenz gemacht und am Anfang nie gedacht, dass ich mal Regie führen würde. Ich hab mir das am Anfang gar nicht zugetraut. Deswegen war Sönke auch so wichtig für mich, weil er mir gezeigt hat, dass ich das kann. Dann hab ich meinen ersten Kurzfilm selber gemacht und produziert. Dieser Moment, wo mein Studium gescheitert war, das war der erste Moment in meinem Leben, wo ich jemals gescheitert bin.
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Misel Maticevic als großer Bruder in "Hangtime - Kein leichtes Spiel"
Ricore: Wie lange haben Sie denn studiert?

Groos: Vier Jahre hatte ich bestimmt studiert. Bis dahin ist in meinem Leben alles gelaufen. Meine Eltern wissen bis heute nicht, wie ich das Abi so gut hinbekommen hab, danach lief beim Sport alles super, Deutscher Meister der Jugend, zweite Liga, es lief immer alles gut. Das war das erste Mal, dass ich irgendwo gescheitert bin. Das war ein Moment, wo ich echt in der Luft hing.

Ricore: Das hört sich fast wie der amerikanische Traum an, als Fahrer anzufangen und jetzt eigene Filme drehen. Das ist ja eine tolle Karriere.

Groos: Das finde ich auch. Das hat natürlich auch lange gedauert. Das ist nicht innerhalb von vier Jahren passiert, sondern seit 1993. Aber der Weg war für mich der Hammer. Dass ich jetzt den ersten Kinofilm machen konnte, ist toll.

Ricore: Ruhen Sie sich jetzt auf Ihren Lorbeeren aus oder planen Sie schon das nächste Projekt?

Groos: Auf den Lorbeeren kann man sich doch nicht ausruhen, da wäre man ja total bescheuert! Ich drehe dieses Jahr wieder, keinen Kinofilm, sondern eine Kinderserie, "Rennschwein Rudi Rüssel". Das ist ein sehr schönes Projekt. Das mache ich dieses Jahr. Im nächsten Jahr weiß ich noch nicht konkret, was ist, aber ich bin natürlich am weitermachen. Ich hab eine eigene Geschichte, die ich mit einem Drehbuchautor zusammen entwickle. Wir haben schon eine erste Drehbuchfassung. Noch nicht so weit, dass wir sie rumreichen, aber natürlich arbeite ich weiter daran.

Ricore: Wird es wieder eine Komödie?

Groos: Nein, das wird was ganz anderes. Es hat auch komödiantische Momente, aber es ist ein Mix aus Krimi und Abenteuergeschichte. Und es hat nichts mit Sport zu tun.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 14. Oktober 2009
Zum Thema
Vinz (Max Kidd) ist 21 Jahre jung und der verheißungsvollste Basketballer seines Teams. Sein Bruder Georg (Mišel Matičević) steht bereits in Gesprächen mit anderen Mannschaften und träumt von einem Leben als Manager. Doch Vinz bedrückt das Gefühl, nicht sein eigenes Leben führen zu können, sondern vielmehr den Wünschen seines großen Bruders zu entsprechen. "Hangtime" ist kein typisches Sportlerdrama. Regisseur Wolfgang Groos balanciert mit viel Gefühl und trockenem Humor..
Wolfgang Groos bricht sein Medizinstudium ab und kommt durch Zufall zum Film. Über erste Jobs als Produktionsfahrer steigt er zum Regieassistenten auf. Mit Sönke Wortmann und Dominik Graf arbeitet er an Filmen wie "Das Wunder von Bern" und "Der Felsen" mit. Nach ersten Fernseherfahrungen liefert er mit "Hangtime - Kein leichtes Spiel" sein Spielfilmdebüt als Regisseur.
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