20th Century Fox
Sigourney Weaver
Von "Alien" zu Aliens
Interview: Sigourney Weaver unter Männern
Eigentlich blieb Sigourney Weaver ihrer Linie immer treu: Nach einem erfolgreichen Film wollte sie stets etwas anderes machen, um nicht auf eine Rolle oder eine Figur festgelegt zu werden. Doch dann kam Ridley Scotts "Alien". Weaver schlüpfte vier Mal in die Rolle der Ellen Ripley. Dass sie 30 Jahre nach jenem Film, der ihr den Durchbruch brachte, erneut eine tragende Rolle in einem Science-Fiction-Epos übernehmen würde, hätte sie damals strikt abgelehnt. Aber einem Perfektionisten wie James Cameron kann man schließlich nicht wiederstehen. Als Wissenschaftlerin Grace ist die 60-jährige Schauspielerin im Epos "Avatar - Aufbruch nach Pandora" zu sehen. Ganze 16 Jahre dauerte es, bis dieser Film fertig gestellt war.
erschienen am 17. 12. 2009
20th Century Fox
Sigourney Weaver
Ricore: Sie arbeiten nach so vielen Jahren erneut mit James Cameron zusammen. Wie war das? Damals bei "Aliens" (1986) waren sie beide jünger...

Sigourney Weaver: Bei "Aliens" arbeitete er es mit einem außergewöhnlichen Team zu tun. Die meisten waren Engländer und dachten sich: Wer ist denn dieser James Cameron? Sie waren noch zu sehr auf Ridley Scott fixiert. James musste in große Fußstapfen treten. Aber er war großartig. Heute genießt James viel Respekt in - und außerhalb der Filmbranche. Ich denke, dass er viel relaxter an die Sache herangeht, aber nicht weniger engagiert ist. Er geht nach wie vor keine Kompromisse ein, wenn es um seine Arbeit geht. Heute wie damals kümmert er sich in einzigartiger und höflicher Weise um die Schauspieler. Er ist ein Regisseur, der unsere Arbeit und uns als Personen respektiert. Bei "Avatar - Aufbruch nach Pandora" merkte man auch, wie viel Freude er hat.

Ricore: Immerhin hat er zwölf Jahre lang keinen Film mehr gedreht...

Weaver: Ja, er genoss es sichtlich, endlich wieder eine Kamera in der Hand zu halten, zumal es eine war, die er selbst entwickelt hat. Es war eine Freude ihm zuzusehen, wie er in jener Welt, die er mit all den außergewöhnlichen Kreaturen, den Charakteren und der Natur erschaffen hat, verschwand. Er war wie ein Kind in einem Süßwarenladen. Das machte uns Schauspielern auch viel Spaß. James Cameron ist nach wie vor ein Task Master, der das Beste aus dem Team herausholen will. In dieser Hinsicht ist er natürlich sehr fordernd, vor allem gegenüber sich selbst. Am Set war er immer der letzte, der ging. Die letzten Jahre hat er quasi Tag und Nacht durchgearbeitet.

Ricore: Wie haben Sie sich seit "Aliens" verändert?

Weaver: Ich hatte das Privileg, in verschiedenen Filmen mitzuspielen. Ich weiß heute, dass es ein Privileg ist, an ein so außergewöhnliches Set zu kommen, wie es bei "Avatar" der Fall war und eine derart ungewöhnliche Geschichte zu erzählen. Ich habe weder mir noch jemand anderem etwas zu beweisen, daher bin ich auch viel relaxter, als noch vor Jahren. Vielleicht bin auch präsenter als früher. In diesem Fall war es für mich ein Glücksfall, dass ich nach "Aliens" erneut mit James Cameron arbeiten konnte.
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Sigourney Weaver umarmt Erfolgsregisseur James Cameron
Ricore: Haben Sie heute mehr Spaß bei den Dreharbeiten als früher?

Weaver: Defintiv!

Ricore: Haben Sie nach den vier "Alien"-Filmen nicht gedacht: Oh, nein, nicht schon wieder ein Film mit Außerirdischen?

Weaver: Nein, bezüglich "Avatar" ist mir dieser Gedanke nicht gekommen. Denn der Film war für mich ein Abenteuer - als Schauspielerin und als Zuschauer. Ich liebe nichts mehr, als in einem Kinosaal zu sitzen und in eine andere Welt einzutauchen. "Avatar" stellt das gesamte Science-Fiction-Genre auf den Kopf, denn die Aliens sind in diesem Fall die noble Rasse und die Menschen die grausamen Kreaturen. Generell hat mich die Geschichte fasziniert, da sie in gewissem Sinne etwas sehr Altmodisches erzählt, nämlich wie ein junger Mann erwachsen wird, sich verliebt und ein Ziel im Leben findet wofür es lohnt, zu kämpfen. Die Technologie, womit diese Geschichte erzählt wird, ist derart modern, dass ich es sogar während der Dreharbeiten manchmal nicht fassen konnte. Ich meine, wir konnten in unserer alltäglichen Kleidung und ohne Schminke zum Set kommen und spielen. Das ist wahre Science Fiction. Das war eine großartige Erfahrung.

Ricore: War es nicht schwierig, sich in diese Welt hineinzuversetzen?

Weaver: Nein. Ich habe mich ja darauf vorbereitet und eingestellt. Green Screens und all dieses Zeug, damit habe ich eigentlich wenig Geduld, vor allem wenn es schlecht gemacht ist. Aber die Art, wie lange James und die Studios daraufhin gearbeitet haben, hat mich sehr beeindruckt. Alle haben sehr hart daran gearbeitet, dass die Effekte so real aussehen. Daher hat das auch so lange gedauert. Denn James legte enormen Wert darauf, dass alles im richtigen Verhältnis zueinander steht. Ich habe mich beispielsweise drei Mal mit den Animatoren getroffen, die mich bis ins kleinste Detail studiert und analysiert haben, so als wäre ich die außerirdische Figur und nicht Grace.

Ricore: Vermissen Sie manchmal die alten Zeiten der Schauspielerei, ohne diesen technischen Kram?

Weaver: Es stimmt schon, damals haben wir "Alien" (1979) ohne technische Hilfsmittel gedreht. Einmal gaben mir John Hurt und Ridley Scott Tee, da ich lange in der Luft hing und wohl etwas dehydriert war. Allerdings mischten sie Rum rein. Und mit jedem Schluck wurde ich beschwingter. So lief das damals. Ohne James Cameron und seiner CGI-Technik würde ich tatsächlich lieber die altmodische Schauspielkunst bevorzugen. Aber heutzutage stecken Filmstudios Millionen in die neue Technik, weshalb sie immer besser wird. Ich meine, damals quetschte sich Tom Woodruff Jr. in den Alien-Anzug, so wurde er zum Außerirdischen. Heute bräuchte man ihn gar nicht mehr.
Sony Pictures
Sigourney Weaver
Ricore: Glauben Sie, dass diese neue Technologie das Kino verändern wird?

Weaver: Sicherlich wird es einiges verändern, vor allem in der Erwartungshaltung des jüngeren Publikums. CGI oder 3D zieht das Publikum sofort ins Zentrum des Films. Ich bin mir sicher, wenn es nicht so teuer wäre, würden bereits mehrere Regisseure und Studios damit arbeiten.

Ricore: Für Ihre Rolle der Grace in "Avatar - Aufbruch nach Pandora" war ursprünglich ein männlicher Schauspieler vorgesehen. Sie haben Ihrer Figur dann männliche Züge von James Cameron gegeben. Ist das richtig?

Weaver: Am Set versprühte James Cameron viel Energie. Er war immerzu da und kümmerte sich um alles. Grace hat diese Art Ungeduld, den Wissenshunger und eine gewisse Kontrollsucht von ihm. Sie mag keine Trödler und verlangt von allen höchstes Engagement. James hatte allerdings mehr Spaß an der Sache als Grace. Sie ist ja in diesem Gewissenskonflikt und schlägt sich mit moralischen Fragen herum. Aber die hohe Erwartungshaltung an ihr Umfeld hat sie definitiv von James Cameron (lacht).

Ricore: Ist es für Sie als Filmikone nicht politisch unkorrekt, im Film zu rauchen?

Weaver: Tatsächlich haben James und ich uns lange darüber unterhalten. Er wollte diese Szene genau aus dem Grund, da sie politisch unkorrekt ist. Ich wollte anders zeigen, wie neurotisch Grace ist. Am Ende zeigen wir beides: sie raucht, kaut Kaugummi und spuckt. Sie ist frustriert, wie die Dinge laufen und macht sich auf diese Art und Weise Luft. Außer sie schlüpft in ihren Avatar, dann ist sie ganz anders.

Ricore: Wie gefällt Ihnen eigentlich Ihr Avatar?

Weaver: Als ich ihn gesehen habe, war ich total schockiert. Ich habe mir erwartet, dass er mehr wie ein Na'vi aussieht, aber der sieht aus wie ich.

Ricore: Aber immerhin gibt er Ihnen ein bisschen Ihre Jugend zurück...

Weaver: Ja, nicht wahr, obwohl ich sie gar nicht vermisse (lacht).
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Sigourney Weaver
Ricore: Haben Sie sich auch über die politische Botschaft von "Avatar" Gedanken gemacht?

Weaver: Ich sehe in "Avatar" mehr eine moralische Botschaft, denn eine politische. Es geht um die Zerstörung und Verschmutzung der Natur, der Ozeane, der Luft, um die Ausnützung der natürlichen Ressourcen und die Ausbeutung kultureller Orte. Die Botschaft lautet: Öffnet eure Augen, seht her, was wir haben. Wir dürfen das nicht zerstören! Respektiert unsere Erde, respektiert Menschen anderer Rassen! James Cameron hat in den letzten Jahren viel recherchiert und Dokumentationen gedreht. Er hat gesehen, wie Ozeane verschmutzt werden. Unter dieser episch grandiosen Liebesgeschichte in "Avatar" gibt es natürlich auch noch diese zweite Ebene, auf der man alle notwendigen Fragen diskutieren kann, die unsere Erde betreffen. Wir Menschen sind noch nicht von der Ausrottung bedroht, aber wenn wir so weitermachen, wird uns dieses Schicksal irgendwann auch blühen. Es gibt ja jetzt schon arrogante Politiker, die glauben, die Erde gehört uns und wir können damit machen, was wir wollen. Das ist schockierend.

Ricore: Sie waren und sind auch heute noch eine der wenigen weiblichen Action-Heldinnen im Science-Fiction-Genre. Wie geht es Ihnen damit?

Weaver: Nun ja, das ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Es war die Entscheidung des Regisseurs und der Produzenten, aus Ripley eine Frau zu machen. Sie waren ja schließlich keine Feministen. Und dann kam Ripley tatsächlich gut an. Aber ich sehe weniger eine Frau in ihr, als ein Symbol für Menschen, die nicht schnell in Panik ausbrechen. Sie ist in dem Sinne Mann und Frau.

Ricore: Warum gibt es so wenige Actionrollen für Frauen in Hollywood?

Weaver: Ich denke nicht, dass dies mit Frauen und Feminismus zu tun, sondern viel eher mit guten Büchern. James Cameron weiß, wie stark und mächtig Frauen im wahren Leben sein können. Daher schreibt er Geschichten für starke Frauen, die trotz ihrer Weiblichkeit stark und intelligent sind. Das ist kompliziert und schwierig. Es benötigt mehr intelligente Autoren. Auch denke ich, dass heutzutage Actionfilme sehr effektlastig sind. Als ich meine Karriere damals begann, ergab sich die Action aus den Figuren, aus den Charakteren heraus. Das hatte nichts mit dem Geschlecht zu tun.

Ricore: In "Avatar" gibt es immerhin drei starke Frauen...

Weaver: Ja, und die von Michelle Rodriguez dargestellte Pilotin Trudy basiert auf einem realen Vorbild. Vor einigen Jahren flog eine junge Pilotin, vielleicht Mitte 20, James Cameron und sein Team aus Wissenschaftlern zum Basiscamp in die Antarktis - durch einen schrecklichen Sturm.
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Sigourney Weaver am Set von "Avatar"
Ricore: Manche Schauspielerinnen beklagen, dass mit zunehmendem Alter immer weniger gute Rollen vorhanden sind. Sie haben keine Probleme damit...

Weaver: Ich weiß, ich habe in letzter Zeit sechs Filme gedreht, die nun alle in die Kinos kommen (lacht). Das liegt an meinen wunderbaren Agenten, die wohl glauben, ich könne alles spielen und mir lauter wunderbare Drehbücher zusenden. Ich meine, schauen Sie sich mal die guten Filme an. Darin findet man Charaktere allen Alters und Geschlechts, die wunderbar gezeichnet sind. Denn in einer guten Geschichte befunden sich auch tolle Charaktere. Das ist so. Was mich betrifft, ich war nie eitel. Ich wollte einfach stets in meiner Figur eintauchen und darin verschwinden. Ob die Rolle nun groß oder klein war, ist mir egal. Auch war es mir wichtig, nach jedem Film etwas gänzlich anderes zu machen. Nach dem wunderbaren "Icestorm" habe ich lauter weitere "Icestorms" zugeschickt bekommen. Aber ich wollte nicht nochmal so etwas machen.

Ricore: Wurden Ihre Angebote im Laufe der Zeit besser?

Weaver: Die Rollenangebote wurden wirklich interessanter. Vielleicht wussten damals Produzenten und Regisseure mit einer großen, jungen Schauspielerin einfach nichts anzufangen. Ich habe damals oft mit unkonventionellen Regisseuren gearbeitet. Ebenso wie heute. Mit dem Unterschied allerdings, dass viele Regisseure nun jünger sind als ich und mich als Kind in "Alien" gesehen haben. Manchmal haben sie großen Respekt vor mir und ich muss ihnen erst sagen: Seht her, ich bin nur ein Mensch aus Fleisch und Blut. Nun aber wächst wieder eine andere Generation von Regisseuren heran.

Ricore: Sie haben lange Zeit nicht fürs Fernsehen gearbeitet, dann kam plötzlich "Prayers for Bobby". Warum?

Weaver: Dieses spezielle Projekt war mir sehr wichtig. Wir haben es fürs Fernsehen gemacht, da wir so viele Leute wie möglich erreichen wollten. Es kommt allerdings immer auf die Geschichte und die Charaktere an. Mein Vater hat ja praktisch das Fernsehen in Amerika erfunden. Ich bin damit aufgewachsen. Ich sehe seine Macht und seine Wichtigkeit. Es ist nicht so, dass ich das Fernsehen meide. Ich will lediglich frei sein und mich nicht binden. Ich lebe in New York, dort ist auch meine Familie, ich möchte nicht für eine Serie an die Westküste ziehen.

Ricore: Hat Ihre Tochter Schauspielambitionen?

Weaver: Nein. Sie ist zwar definitiv eine kreative Person, aber ich denke, dass sie die Schauspielerei oder das Theater als etwas betrachtet, das ihre Eltern machen. Sie aber möchte ihren eigenen Weg gehen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 17. Dezember 2009
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Sigourney Weaver kam als Susan Alexandra zur Welt. Schon als 14-Jährige verwendete sie den Namen Sigourney, inspiriert von einer Nebenfigur aus Francis Scott Fitzgeralds Roman "Der große Gatsby". Ihr Schauspieldebüt in Woody Allens "Der Stadtneurotiker" dauerte nur sechs Sekunden. Den Durchbruch schaffte sie zwei Jahre später in Ridley Scotts "Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt". Weaver ist seit 1984 mit Regisseur Jim Simpson verheiratet. Das Paar hat eine gemeinsame Tochter..
Bereits in den 1990er Jahren entwickelt James Cameron ("Titanic") die Idee zu einem farbenprächtigen Abenteuerspektakel "Avatar - Aufbruch nach Pandora". Aber erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts sah er die Zeit gekommen, um mit den technischen Möglichkeiten seine Vision von Pandora umzusetzen. Ins Zentrum der Handlung steckt er einen querschnittsgelähmten, von der Welt und dem Leben enttäuschten jungen Mann. Mit seinem Avatar lernt er auf Pandora neue Lebensfreude kennen. Allerdings stürzt ihn..
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