20th Century Fox
Stephen Lang
Bin ich wirklich der Bösewicht?
Interview: Stephen Lang: kleine aber feine Rollen
Sein Name ist nicht jedermann geläufig. In James Camerons epischem Science-Fiction-Abenteuer "Avatar - Aufbruch nach Pandora" spielt Stephen Lang den bösen Kapitän Quaritch. Lang begnügt sich nicht damit, in Mega-Blockbuster mitzuspielen. Er arbeitet vornehmlich am Theater, schreibt Drehbücher und inszeniert Bühnenstücke. Packt ihn doch mal die Langeweile, ist er ab und an auch auf der Leinwand zu sehen. So ist er 2010 in "Männer die auf Ziegen starren" zu sehen.
erschienen am 14. 12. 2009
20th Century Fox
Stephen Lang betrachtet den Planeten Pandora
Ricore: Sie spielen den Bösewicht in der schönen Welt Pandora…

Stephen Lang: Was? Bin ich wirklich der Bösewicht? Als ich das Drehbuch gelesen habe, merkte ich, dass Quaritch ein äußerst facettenreicher Charakter ist. Er verfügt über Tiefe und eine starke Vergangenheit. Ob man es nun glaubt oder nicht, aber er hat auch positive Seiten. Natürlich muss ich anerkennen, dass er viele schlimme Sachen tut auf dem Planeten Pandora, aber das ist nicht wirklich etwas Spielbares. Wissen Sie was ich meine?

Ricore: Können Sie das näher erklären?

Lang: Ich wollte darstellen, was ihn ausmacht, nämlich, dass er seinen Job gut macht. Dadurch kann das Publikum vielleicht auch mit ihm mitfühlen. Obwohl ich die Zuschauer nicht verwirren will. Aber Quaritch bereichert die Geschichte, und genau das wollte James Cameron erreichen. Bei der Figur geht es nicht um die Darstellung des Bösen, sondern darum, der Geschichte als Ganzes zu dienen.

Ricore: Was genau sind nun seine positiven Eigenschaften?

Lang: Sie müssen zugeben, dass er äußerst mutig ist, viel Einsatz zeigt und bis ans Ende seiner Kraft geht, um sein Ziel zu erreichen. Seine Hingabe an seinen Job ist mehr als bewundernswert. Seine Aufgabe ist es, die Menschen zu schützen. Und diese erfüllt er ohne Kompromisse. Mit Jake macht er schließlich eine Abmachung, die nicht ganz nachvollziehbar ist: Jake liefert ihm Insiderinformationen, dafür gibt er ihm seine Beine zurück. Jake ist ja ein Querschnittgelähmter, als er auf Pandora ankommt. Das ist einfach: Quid pro Quo. Nicht mehr und nicht weniger.

Ricore: Sie mussten sich auf die Rolle auch körperlich vorbereiten, nicht wahr?

Lang: Ja natürlich. Gerade in dieser Rolle ist es fundamental, dass man mit seinem Auftreten, mit seinem Körper eine gewisse Stärke ausstrahlt. Das hat ja auch etwas mit den Qualitäten eines Gruppenführers zu tun. Aber ich bin von Haus aus ein Fitness-Fanatiker und gehe oft in Fitnessstudios, um zu trainieren und mich fit zu halten. Nach der körperlichen Vorbereitung, ging es vor allem darum, mich in die Gedankenwelt eines Marines hineinzuversetzen. Denn Marines sind einzigartige Menschen. Sie haben ein ganz besonderes Eigenleben, gehen anders, bewegen sich anders und reden sogar anders. Sie haben eine ganz eigene Sprache.
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Stephen Lang ist bereit für den Kampf
Ricore: Wie weit würden Sie für eine Rolle gehen?

Lang: Ich bin eine Art kitchen-think-actor. Ich würde alles tun, damit meine Rolle funktioniert und um meiner Figur gerecht zu werden.

Ricore: Sie arbeiten schon lange als Schauspieler und besitzen dementsprechend viel Erfahrung. Waren die Dreharbeiten zu "Pandora" dennoch etwas Besonderes für Sie?

Lang: Auf jeden Fall, das war ein großes Abenteuer für alle. Als Schauspieler geht es meist darum, dass man sich eine Welt erschafft und sich in diese hineinversetzt. Pandora war eine Welt, wie wir sie noch nie gesehen oder erlebt haben. Wir haben fünf Monate lang in Neuseeland gedreht. Zudem war es James Camerons erster abendfüllender Spielfilm nach zehn Jahren. Wir wussten, "Avatar" wird etwas ganz Großes. Hinzu kam all die neue Technik, die Arbeit auf leerer Bühne vor dem Green Screen. Wir hatten das Gefühl, dass diese Reise, auf der wir uns befanden, etwas ganz Besonderes war. Das erlebt man selbst als altgedienter Schauspieler nicht alle Tage. Es gab viele Momente, die ich mir aufgeschrieben habe um sie nicht zu vergessen. Momente, in denen ich mir gedachte habe, wie toll das alles ist. Wegen solcher Momente bin ich Schauspieler geworden.

Ricore: War es schwierig für Sie, sich diese Welt vorzustellen?

Lang: Nein. Denn James hat ein wunderbares Drehbuch geschrieben. Sie müssen wissen, er ist nicht nur ein detailgenauer Regisseur, sondern auch ein exzellenter Autor. Das Drehbuch war sehr spezifisch und beschreibend. Und ich bin schließlich auch ein guter Zuhörer und Zuseher. Ich bin in gewisser Weise auch naiv, in dem Sinne, dass ich alles glaube, was mit vorgesetzt wird (lacht). Magier können mir beispielsweise alles vormachen und ich glaube es ihnen. Ich hatte nie den geringsten Zweifel, dass all dieses seltsame Zeug, die Kreaturen, die Na'vis und alles andere auf Pandora zum Leben erweckt wird. Ich bin eher praktisch veranlagt und habe mich gefragt, wie zum Teufel die das wohl umsetzen werden. Aber ich habe nie an James Buch gezweifelt.
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Avatar - Aufbruch nach Pandora
Ricore: Würden Sie auf Pandora leben wollen?

Lang: Natürlich, aber ich hatte ja das Glück, zumindest vorübergehend auf Pandora zu leben.

Ricore: Sie waren der einzige, der ohne Performance Capture gearbeitet hat.

Lang: Ja, obwohl ich am Ende in diese gigantische Maschine schlüpfe, das wir auch mit dieser Technik gedreht haben. Ich war aber nicht traurig deswegen, wenn sie das meinen. Als ich dann aber gesehen habe, dass Sam Worthington mit diesen seltsamen Kreaturen, den sogenannten Banshees fliegen darf, hätte ich das auch gerne gemacht. Quaritch hätte das geliebt (lacht).

Ricore: Wie fanden Sie diese neue Technik, das Performance Capture?

Lang: Das ist großartig. Auch die 3D-Technik. Als mir Jon Landau die ersten 3D-Filme gezeigt hatte, die er mit James Cameron machte, war ich total begeistert. Sie habe im Vorfeld von "Avatar" zahlreiche Unter-Wasser-Dokus gedreht, um diese Technik zu entwickeln und zu verfeinern. Nicht um die Filme zu verkaufen. Darum ging es ihnen nicht. Diese Dokus sind fantastisch, denn das Publikum sitzt mitten drin. 3D ist ein Werkzeug, mit dem man Geschichten und Figuren besser entwickeln kann. Aber 3D kann einen schlechten oder mittelmäßigen Film nicht gut machen. Das will ich hier klarstellen. Eine gute Stereoanlage verwandelt einen schlechten Song auch nicht in einen guten. Vielleicht hört man ihn besser aber er ist nach wie vor ein miserabler Song. Abgesehen davon, glaube ich, dass "Avatar" auch in 2D wunderbar funktioniert.

Ricore: Haben Sie den fertigen Film schon gesehen?

Lang: Nein, noch nicht. Vor sechs Wochen habe ich einen Teil gesehen, da war er erst zu 90 Prozent fertig gestellt. Ich werde ihn erstmals in London bei der Weltpremiere sehen. Darauf freue ich mich schon sehr. Es ist schon etwas besonderes, da "Avatar" so eine lange Produktionszeit hatte. Die letzten zweieinhalb Jahre habe ich den Entwicklungsprozess aus nächster Nähe mitverfolgt. Ich bin immer wieder an den Set gekommen und James hat mir dann den aktuellen Stand der Dinge gezeigt.
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Stephen Lang
Ricore: James Cameron arbeitete ja fünf bis sechs Jahre an "Avatar".

Lang: Es war tatsächlich eine außergewöhnliche Erfahrung, denn normalerweise dreht man bis zu sechs Wochen an einem Film. Danach schaltet man ab und wendet sich etwas anderem zu. In diesem Fall musste ich die Konzentration und das Feuer über zweieinhalb Jahre aufrecht erhalten. Zuerst habe ich fünf Monate lang "Avatar" gedreht, danach kam "Public Enemies", dann "Männer die auf Ziegen starren". Dazwischen und danach kam das "Avatar"-Team wieder zusammen, um weiter daran zu arbeiten. Irgendwann wurde das aber zur Selbstverständlichkeit. Noch im Oktober dieses Jahres haben wir in Kalifornien am Sound gearbeitet. Allerdings war ich im Mai 2009 zum letzten Mal am Set, es war also schon schwierig, wieder hinein zu kommen. Aber als ich meinen Satz sagte, schaute James zu mir auf und meinte: "Hey, du schlüpfst mir zu einfach in diese Rolle hinein!" (lacht)

Ricore: Haben Sie eine Lieblingsszene?

Lang: Die finale Konfrontation zwischen Jake und Quaritch finde ich schon großartig. Es gibt eine weitere Szene mit den beiden Charakteren, eines Abends in einem Raum. Nur die beiden. Ich finde diese Szene sehr persönlich und intim, sehr ruhig.

Ricore: Sind Sie vor Filmpremieren noch aufgeregt?

Lang: Nein, dabei habe ich nur Spaß. In dem Fall allerdings denke ich schon, dass ich etwas aufgeregt sein werde. Allerdings bin ich nervös, wenn ich auf der Bühne arbeite. Je älter ich werde, desto nervöser werde ich auch. Das ist seltsam.

Ricore: Half Ihnen Ihre Bühnenerfahrung bei der Vorbereitung zu dieser Rolle?

Lang: James sagt ja. Ich weiß es nicht. Aber ich nehme an, dass bei meiner Erfahrung sicher etwas dabei war, was mir geholfen hat. Tatsächlich ist Quaritch für mich so eine Art Bühnenmensch. Wenn er einen Raum betritt, dann ist er voll und ganz da und verströmt eine gewisse Aura.
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Stephen Lang bereitet seinen kriegerischen Einsatz vor
Ricore: Ich habe gelesen, Sie würden gerne einmal einen Zentaur spielen.

Lang: Ja und Teddy Roosevelt würde ich auch gerne mal verkörpern. Schauen Sie sich um! Es gibt so viele tolle Regisseure da draußen, wie Martin Scorsese oder Guillermo del Toro. Aber ich schreibe auch sehr viel und spiele am Theater.

Ricore: Es war das erste Mal, dass Sie mit James Cameron zusammenarbeiten, nicht wahr?

Lang: Ja, James Cameron ist ein sehr fokussierter Regisseur, der auch mal grimmig und grausam sein kann. Aber man hat immer Spaß mit ihm. Er liebt den gesamten Prozess des Filmemachens, vor allen den bei "Avatar". Denn der Film war sein Traum, den er sich nun erfüllt hat. Die gesamte Cast und Crew hat gesagt, ich will mithelfen, diese Geschichte zu erzählen. Jeder hat Vorschläge eingebracht, wie man sie vielleicht anders erzählen kann. James liebt das. Er will diskutieren können. Denn er weiß, dass er seine Sache gut oder sogar noch besser macht, als alle anderen. Mit einer Ausnahme: das Schauspielen - und das Catering. James ist kein Schauspieler. Daher zollt er uns Akteuren ganz besonderen Respekt. Das lähmt ihn allerdings nicht, im Gegenteil. Er ist immer sehr interessiert an uns gewesen. Daher muss ich auch sagen, dass die Arbeit zu "Avatar" die wahrscheinlich fruchtbarste Zusammenarbeit mit einem Regisseur für mich war.

Ricore: Sie hatten also auch Spaß am Set?

Lang: Ich habe immer Spaß! Auch wenn ich brutal behandelt werde oder einen Unmensch darstellen muss.

Ricore: Fühlen Sie sich im Science-Fiction-Genre wohl?

Lang: Ja, auf jeden Fall. Ich persönlich würde zwar keine Geschichten schreiben, die darin spielen, aber ich muss sagen, mir gefallen epische Abenteuer und Fantasy. Ich glaube, was James Cameron hier geschaffen hat, ist irgendwie Tolkienesk. Der Film spielt in einer abgeschlossenen, bedrohten Welt. An alles wurde gedacht, an die Flora, die Fauna, die Sprache einfach alles. Es ist ein gesamtes, neues Universum entstanden.

Ricore: Insofern wäre es ja beinahe schade, diese neue Welt einfach so stehen zu lassen. Haben Sie mit James Cameron je über eine Fortsetzung gesprochen?

Lang: Ich habe keinen Zweifel daran, dass wenn alle Erwartungen erfüllt werden, es eine Fortsetzung geben wird.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 14. Dezember 2009
Zum Thema
Seine Filmliste ist lang, dennoch ist Stephen Lang nicht unbedingt jedem geläufig. Das liegt daran, dass er seine Rollen mit Bedacht auswählt. Ihn interessiert nicht die Größe des Projekts, sondern vielmehr, was dahintersteckt. Daher musste ihn James Cameron auch nicht lange überreden, die Rolle des bösen Kapitäns Quaritch für sein Science-Fiction-Epos "Avatar - Aufbruch nach Pandora" zu übernehmen. Zumla ihn epische Stoffe und historische Fakten viel mehr interessieren, als banale Filmthemen...
Bereits in den 1990er Jahren entwickelt James Cameron ("Titanic") die Idee zu einem farbenprächtigen Abenteuerspektakel "Avatar - Aufbruch nach Pandora". Aber erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts sah er die Zeit gekommen, um mit den technischen Möglichkeiten seine Vision von Pandora umzusetzen. Ins Zentrum der Handlung steckt er einen querschnittsgelähmten, von der Welt und dem Leben enttäuschten jungen Mann. Mit seinem Avatar lernt er auf Pandora neue Lebensfreude kennen. Allerdings stürzt ihn..
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