20th Century Fox
Zoë Saldaña
Nur die Phantasie zählt
Interview: Zoë Saldaña bezaubert
Zoë Saldaña ist gelernte Ballettänzerin. Die grazile Art sich zu bewegen kam ihr auch in ihrer Rolle als Neytiri in "Avatar - Aufbruch nach Pandora" zugute. Eine Traumrolle - nicht nur weil sie ein selbstbekennender Science-Fiction-Fan ist. Seit ihrer frühesten Jugend ist Sigourney Weaver ein Vorbild für die New Yorkerin. Wie sie sich fühlte, ihrem Idol bei den Dreharbeiten gegenüberzustehen, verrät sie uns im Interview. Außerdem erfahren wir, welche Schwierigkeiten Saldaña überwinden musste, um in ihrer Traumrolle zu glänzen.
erschienen am 20. 12. 2009
Paramount Pictures
Zoë Saldaña auf der Deutschlandpremiere von "Star Trek" in Berlin
Ricore: Haben Sie während der Drehphase begriffen, was Sie da eigentlich tun?

Saldaña: Zoë Saldaña: Wir haben über drei Jahre an dem Film gearbeitet und ich bekomme jetzt erst eine Idee, was "Avatar" eigentlich ist. Jim [James Cameron] war sehr geduldig und hat uns jeden Tag versucht zu erklären, worum es geht. Es gab Momente, in denen ich alles verstand. Dann gab es wieder Situationen, die ich nicht verstand und ihn bitten musste, zu wiederholen, was er gesagt hatte. Aber ich wusste, dass ich immer auf seine Anweisungen vertrauen konnte. Und das Endergebnis ist einfach schön geworden.

Ricore: Wie haben Sie reagiert, als Sie den fertigen Film gesehen haben?

Saldaña: Cameron hat uns immer in den Prozess mit eingebunden. Wenn er eine Szene halb fertig gestellt hatte, hat er sie uns sofort gezeigt. Es war ihm sehr wichtig, dass wir eine Idee bekommen, worum es geht und wie das Endresultat aussehen würde. Dadurch waren wir erst recht gespannt, wie der Film am Ende sein würde, besonders da noch die Musik von James Horner dazu kam. Als ich das sah, war ich hin und weg.

Ricore: James Cameron wandte eine neue Technik an. Dadurch konnten Sie Korrekturen gleich vornehmen, nicht wahr?

Saldaña: Um eine glaubwürdige Geschichte zu erzählen, braucht man Schauspieler, die das glaubwürdig darstellen können. Der Vorteil war, wir konnten unserer Vorstellungskraft bei dieser Technik freien Lauf lassen. Aber wenn man nicht sofort sieht, was man gemacht hat, kann man nichts ändern. Die Technik war uns eine große Hilfe. Man sieht das Problem in so vielen anderen Filmen: Die Schauspieler sind großartig und geben sich alle Mühe, sich die Dinge vorzustellen, aber irgendwie passen ihre Aktionen nicht zur Umgebung. Jim hat sich wirklich ins Zeug gelegt, uns an die Sache heranzuführen, so dass wir möglichst nahe an seine Vorstellungen herankamen.
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Zoë Saldaña an der Seite ihrer großen Vorbilder: Sigourney Weaver und James Cameron
Ricore: Man hört oft, dass sich die Darsteller bei Spezialeffekten beschweren, dass sie in einem leeren Raum stehen und gar nicht wissen, wie sie agieren sollen.

Saldaña: Eine Schande für die Filmemacher! Aber mal im Ernst, die Verantwortung kann nicht immer nur auf dem Rücken der Schauspieler lasten. Wenn Regisseure möchten, dass ich mir etwas vorstelle, dann sollen sie mich wenigstens nahe genug heranführen, damit ich den Rest erledigen kann. Dazu brauche ich aber ein Bild oder ein Geräusch als Anregung. Man kann Dinge spielerisch erarbeiten, aber man kann nicht zu mir sagen: Sieh dir die Green Screen an und reagiere auf das Monster! Solche Geschichten habe ich schon oft gehört und mir tun die Schauspieler leid, die sowas mitmachen müssen. Das ist unfair.

Ricore: Wie lief das bei James Cameron?

Saldaña: Als wir für die Rollen besetzt wurden, hatten er und sein Team Pandora geschaffen. Wir bekamen Tiere und Pflanzen in der virtuellen Welt zu sehen. Wir wussten, wie sich die Lebewesen bewegen, wie und was sie essen und hatten dadurch ein genaues Bild vor Augen. Bei einer Explosion hat James etwas auf mich geworfen und wir wurden herumgewirbelt, so dass wir zu einer passenden Reaktion kamen.

Ricore: Haben Sie die Bewegungen alle selbst ausgeführt?

Saldaña: Ja, wir haben dafür sechs Monate lang trainiert.

Ricore: Sie flogen auch zur Vorbereitung nach Hawaii?

Saldaña: Wir sollten am eigenen Körper erfahren, wie es ist, im Regenwald zu leben. Es reicht nicht nur darüber zu lesen. Man muss sich schon die Füße nass machen und merken, wie sich der Schlamm auf der Haut anfühlt. Wie es ist, über einen feuchten, sumpfigen, rutschigen Boden zu gehen und wie es dort riecht, wie das Licht auf die Baumkronen fällt - all das muss man erlebt haben. Nur dann kann man das auch körperlich glaubhaft darstellen.
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Zoë Saldaña gibt fleißig Interviews
Ricore: Nach den Dreharbeiten waren Sie auch in den Produktionsprozess involviert - wie muss man sich die Arbeit vorstellen?

Saldaña: Wir kamen von Zeit zu Zeit ans Set oder ins Studio, um zu sehen, woran James gerade arbeitete. Manchmal sahen wir eine leere Bühne, wo sonst gedreht wurde und da war er gerade mit den virtuellen Aufnahmen beschäftigt. Oder er war dabei, Szenen zu bearbeiten, die wir vor Wochen, Monaten oder einem Jahr gedreht hatten, um sie an die beteiligten Firmen zu schicken.

Ricore: Auch die Sprache wurde neu geschaffen, von einem kalifornischen Wissenschaftler.

Saldaña: Das war gar nicht so einfach. Besonders schwierig war es dann aber als wir Englisch mit einem Na'vi-Akzent sprechen mussten. Das konnte ich gar nicht! Wir Darsteller kommen alle aus unterschiedlichen Regionen. CCH Pounder stammt aus den West Indies, Laz Alonso und ich sind New Yorker, aber wir haben auch einen spanischsprachigen Hintergrund. Wir bringen also alle schon unsere eigenen Akzente mit. Als wir mit Na'vi-Akzent sprechen sollten, waren wir alle hilflos.

Ricore: Sie haben sich sechs Monate lang in verschiedenen Trainings vorbereitet?

Saldaña: Wir haben Wushu gelernt, eine spezielle Art von Martial-Arts. Das war eine Idee des Stunt-Koordinators. Als Na'vi sollten wir uns auf eine bestimmte Art und Weise bewegen, mit einer gewissen Anmut. Und wir sollten auf bestimmte Art kämpfen. Dazu bekamen wir einen speziell ausgearbeiteten Trainingsplan. Beim Reiten saßen wir auf englischen Satteln, damit wir nicht im Western-Stil ritten. Bogenschießen gehörte ebenfalls dazu. Wir sollten so schießen lernen, wie die Na'vi Jims Ansicht nach schossen. Beim Wushu lernten wir im Stile Jet Lees kämpfen, er hat einen ganz anderen Stil als Jackie Chan. Lee ist ein viel anmutigerer Kämpfer.

Ricore: Gab es Schwierigkeiten bei den Vorbereitungen?

Saldaña: Beim Kämpfen war mir mein großer Bogen im Weg. Er war außerdem schwer und ich stieß mich ständig daran. Deswegen waren sechs Monate nötig, bis alles perfekt war und es gut aussah und glaubwürdig wirkte.
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Sam Worthington und Kollegin Zoë Saldaña
Ricore: Welche Art von Filmen finden Sie als Schauspielerin aufregender: traditionelle oder so etwas wie "Avatar"?

Saldaña: Ich denke, wenn ich eine Schauspielausbildung hätte, würde ich keinen Unterschied sehen. In beiden Fällen muss man sich seinen Charakteren annähern und Recherchen machen. Was ich aber bei diesem Film aber gelernt habe, ist, meine Vorstellungskraft zu benutzen. Dadurch hatte ich mehr Spaß als bei vielen anderen Produktionen. Jetzt, da ich weiß, dass Phantasie am wichtigsten ist, gehe ich auch an andere Rollen anders heran als vorher.

Ricore: Hat Ihnen bei der Entwicklung Ihrer Rolle Ihre Ballettausbildung geholfen?

Saldaña: Oh ja. Egal, ob beim Klettern oder Laufen. Es hat mir geholfen, weil es mir bei allen Bewegungen leichter fiel, die Form zu wahren. Ich glaube, wenn ich weniger sportlich wäre, hätte ich das alles nicht machen können. Außerdem liebe ich es, die Stunts selbst zu drehen.

Ricore: Ich habe gehört, dass Sie ein großer Fan von Science-Fiction sind.

Saldaña: Ich bin ein richtiger Geek! Ich bin in einer Familie von Science-Fiction-Fans aufgewachsen. Damals dachte ich, dass jedes Mädchen auf Sci-Fi steht. Das liegt daran, dass es mir in die Wiege gelegt wurde. Als wir Promotion für "Star Trek" machten, meinten die Produzenten, sie hoffen, dass ich als einziges Mädchen das weibliche Publikum anziehen würde. Da habe ich nur verwundert "Warum?" gefragt. Ich war davon ausgegangen, dass sie ohnehin in Scharen kommen würden.

Ricore: Viele Frauen sind begeistert von James Camerons "Titanic", interessieren sich aber nicht für Science-Fiction.

Saldaña: Sagen Sie ihnen, sie sollen ihren Hintern gefälligst ins Kino bewegen! "Avatar" enthält schließlich auch eine wunderschöne Liebesgeschichte. Es geht um einen Jungen, der erwachsen wird und dabei etwas entdeckt, für das er leben will und sterben würde. Außerdem geht es darum, Mitgefühl und Rücksicht zu nehmen für alles Andersartige.
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Zoë Saldaña
Ricore: Haben Sie jemals über eine mögliche Fortsetzung gesprochen?

Saldaña: Nein. Das liegt auch daran, dass es so lange gedauert hat, den Film vorzubereiten und zu realisieren. Es war ein harter, aufwendiger Prozess, bis er fertig war. Es wäre auch nicht mehr so aufregend, einen zweiten Teil zu machen. Manche Dinge müssen beschützt werden. Und der Respekt vor James sollte einen vor solchen Gedanken abhalten.

Ricore: Ich habe gelesen, dass Sie ein großer Fan der Alien-Reihe sind. Wie war Ihre Reaktion, als Sie hörten dass Sigourney Weaver bei "Avatar" dabei ist?

Saldaña: Ich habe mich riesig darüber gefreut. Ich kann gar nicht sagen, was mich an ihr am meisten beeindruckt. Vielleicht die Tatsache, dass sie Figuren gespielt hat, die so waren wie ich als Jugendliche sein wollte. Oder auch die Tatsache, dass ihre Art zu schauspielern sehr simpel und kindlich ist. Sie spielt einfach und sie liebt es. Das ist alles. Sie hat Freude daran, Geschichten zu entdecken und sich frei in ihren Charakter fallen zu lassen. Das gefällt mir an ihrer Persönlichkeit. Und sie ist eine wirklich schöne Frau.

Ricore: Welche Filme von James Cameron kannten Sie vor "Avatar"?

Saldaña: Ich hatte eigentlich fast alles von ihm gesehen. Einige Filme habe ich schon in sehr jungen Jahren gesehen: "Der Terminator" mit fünf, "Abyss - Abgrund des Todes" mit zwölf, "True Lies - Wahre Lügen" mit 14 Jahren. Ich mochte die Arbeiten schon damals, bevor ich überhaupt wusste, wer dahinter steckt. Besonders die Figur der Ellen Ripley hat mir gefallen, auch wenn er sie nicht erfunden hat. Aber ich denke, niemand hätte sie besser inszenieren können als er. Auch Sarah Connor finde ich großartig.

Ricore: In Camerons Werken treten viele starke weibliche Figuren auf. War das für Sie auch ein Anreiz, bei "Avatar" mitzumachen?

Saldaña: Ich habe bis vor kurzem noch gesagt, ich mag Jim, weil er starke weibliche Charaktere entwirft. Aber das allein ist es nicht. Er schreibt über richtige Frauen! Ich habe den Eindruck, dass er in seinem ganzen Leben von starken Frauen umgeben und beeinflusst wurde. Wenn er einen Charakter entwirft, denkt er wahrscheinlich gar nicht in erster Linie an das Geschlecht. Die Figur kommt zu ihm. Sarah Connor hätte genauso gut ein Mann sein können.

Ricore: Was unterscheidet ihn Ihrer Ansicht nach von anderen Filmemachern?

Saldaña: Ich wünschte, mehr Filmemacher würden auf diese Art und Weise ihre Geschichten erzählen. Dass nicht immer der Mann derjenige ist, der kämpft und sich selbst finden muss und die Frau nur da ist, um ihm Gesellschaft zu leisten. Wir sind als Menschen sehr komplex. Wenn Sie das Leben genau beobachten und eine Geschichte erzählen wollen, dann würden Sie versuchen, das Leben so einzufangen wie es ist. Dann würden Sie keine Geschichten schreiben, die der Phantasie eines Vierzehnjährigen entsprechen, in denen nur Frauen mit großen Brüsten auftauchen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 20. Dezember 2009
Zum Thema
Die in New Jersey geborene Zoë Saldaña hat dominikanische Wurzeln. Nachdem ihr Vater in den USA bei einem Verkehrsunfall umkam, zog ihre Mutter mit den beiden Töchtern zurück in die Dominikanische Republik. Dort studierte Saldaña Ballett, Jazz, lateinische Tänze und Modern Dance. Mit 17 Jahren kehrte sie in die USA zurück. In der US-Krimiserie "Law & Order" betätigte sie sich das erste Mal als Schauspielerin. Center Stage". 2003 war sie bei den MTV Movie Awards mit ihrem Filmpartner Nick..
Bereits in den 1990er Jahren entwickelt James Cameron ("Titanic") die Idee zu einem farbenprächtigen Abenteuerspektakel "Avatar - Aufbruch nach Pandora". Aber erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts sah er die Zeit gekommen, um mit den technischen Möglichkeiten seine Vision von Pandora umzusetzen. Ins Zentrum der Handlung steckt er einen querschnittsgelähmten, von der Welt und dem Leben enttäuschten jungen Mann. Mit seinem Avatar lernt er auf Pandora neue Lebensfreude kennen. Allerdings stürzt ihn..
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