ARD Degeto
Max Tidof in "Mord in bester Gesellschaft"
Eitel im Denken?
Interview: Max Tidof schätzt Höflichkeit
Max Tidof kann mit Ende 40 bereits auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Mit 17 Jahren schmeißt er die Schule und lebt zehn Jahre auf der Straße. Er macht auch heute aus seinem früheren Drogenkonsum keinen Hehl. Der überzeugte Raucher streift als Madonnenschnitzer und Frauenmörder Manfred Borchert in "Mord in bester Gesellschaft - Das eitle Gesicht des Todes" durch die verschneiten Wälder Oberbayerns, auf der Flucht vor der Polizei. Mit uns spricht Tidof über Schönheitswahn, prominente Fußballspieler und Prioritäten in der Kindererziehung.
erschienen am 4. 01. 2010
ARD Degeto
Max Tidof in "Mord in bester Gesellschaft"
Ricore: Sind Sie eitel?

Max Tidof: Nein, ich glaube nicht. Es gibt natürlich gewisse hygienische Grundsätze die ich einhalte. Ich bin eher eitel im Denken.

Ricore: Eitelkeit ist eher typisch für einen Schauspieler.

Tidof: Das weiß ich nicht. Was versteht man unter eitel? Manchem Bankmanager siehst du die Eitelkeit ins Gesicht geschrieben. Oft will man durch übertriebene Eitelkeit von äußerlichen Mankos ablenken und setzt sich schnell eine bunte Brille auf, damit der Haarausfall nicht so auffällt. An einem Berufsstand kann man Eitelkeit nicht festmachen.

Ricore: Wann sind Ihrer Meinung nach Schönheitsoperationen legitim?

Tidof: Bei schweren Verletzungen ist es natürlich legitim einen Eingriff vornehmen zu lassen. Generell glaube ich jedoch, dass man damit zufrieden sein soll, was man von der Natur mitgekriegt hat und man sollte eher daran arbeiten. Wenn jemand zu fett ist, sollte er seine Essgewohnheiten umstellen oder ein bisschen trainieren. Hat jemand ein ganz scheußliches Gebiss oder eine Hakennase, dann finde ich es auch okay wenn er etwas machen lässt. Ich mag aber auch die kleinen Fehler, die zu persönlichen Markenzeichen werden können, speziell bei Schauspielern.

Ricore: Sind Sie mit sich im Reinen? Nachname: Soweit ich das sein kann, bin ich mit mir im Reinen. Ich bin überhaupt nicht modebewusst, sondern trage Klamotten die sich gerade anbieten und richte mich einzig nach dem Anlass. Ich mähe jedenfalls nicht im Sakko den Rasen.
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Mord in bester Gesellschaft - Das eitle Gesicht des Todes
Ricore: Ist es Ihnen auch egal ob Sie in der Öffentlichkeit fotografiert werden?

Tidof: Das kommt immer drauf an. Ich bin eine Person des öffentlichen Interesses, weshalb mich jeder Privatmensch ablichten darf. Das ist nicht immer angenehm, denn die wenigsten fragen bevor sie auf den Auslöser drücken. Man sitzt irgendwo beim Essen und wähnt sich in einer gewissen Intimität, die dadurch dann gestört wird. Angst vor Paparazzifotos habe ich nicht, weil ich dann ein gefundenes Opfer wäre, weil ich oft ziemlich scheiße aussehe bei dem was ich mache.

Ricore: Hat der öffentliche Voyeurismus durch Fotohandys eine neue Qualität erreicht?

Tidof: Hat er schon, aber ich habe den Vorteil nicht auf den ersten Blick erkannt zu werden. Meistens bin ich schon vorbei, wenn es hinter mir zuckt. Generell habe ich nichts dagegen fotografiert zu werden, allerdings hat das Wie auch etwas mit Höflichkeit zu tun. Fragen kann man mich immer, bevor man losknipst. Ich fasse auch niemanden ungefragt an. Das ist das gleiche Prinzip.

Ricore: Wie definieren Sie den Begriff Schönheit?

Tidof: Ganz abgeschmackt formuliert: Schönheit kommt von innen! Das stimmt auch nicht immer, aber oft. Menschen die äußerlich nicht attraktiv sind, können trotzdem durch scharfsinnige Gedanken von innen heraus strahlen. Äußere Schönheit hat hingegen viel mit Ebenmäßigkeit und einem bestimmten Verhältnis der Körperteile zueinander zu tun. Ein hübsches Gesicht ist jedoch nicht zwingend schön. Vielen hübschen Menschen ist zugleich die Dummheit ins Gesicht geschrieben. Der Fußballer Cristiano Ronaldo ist diesbezüglich ein abschreckendes Beispiel für mich.

Ricore: Sind Sie fußballbegeistert?

Tidof: Im Grunde nicht. Ich lebe in München und wegen der beiden Chaosprofivereine die dort beheimatet sind, ist es immer sehr interessant die tägliche Sportberichterstattung zu verfolgen, denn irgendwo brennt es immer. Die 1860er gehen seit vier oder fünf Jahren in einer Art und Weise baden, dass einem wirklich schlecht wird. Unzählige Neuanfänge, neue Trainer, neue Spieler.
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Max Tidof in "Hochwürden wird Papa"
Ricore: Wenn Cristiano Ronaldo Ihr Antityp ist, auf welchen Typus Fußballer könnten Sie sich einigen?

Tidof: Ich habe eine Schwäche für hässliche Menschen und wenn diese Typen dann noch geniale Dinge vollbringen, wie beispielsweise der Bayern-Profi Franck Ribéry, dann mag ich das sehr. Sein Spiel hat etwas mit innerer Schönheit zu tun. Ich war in letzter Zeit zweimal in der Allianz-Arena und wenn der Ribéry kommt dann britzelts. Auch auf die Entfernung, ähnlich wie bei Schauspieler und Bühne, ist man von seiner Spielkunst fasziniert. Der schiebt eine Welle von Aura vor sich her, dass die gegnerischen Spieler sich von alleine hinlegen um überrannt zu werden.

Ricore: Warum sieht man Sie häufiger im Fernsehen als im Kino?

Tidof: Die deutsche Fernsehindustrie ist eine funktionierende Industrie, während das deutsche Kino diesbezüglich etwas hinterher hinkt. In den letzten 20 Jahren ist allerdings auch dort vieles besser geworden. Ein Kinofilm hat für mich einen anderen Anspruch, als ein Fernsehfilm. Leute zahlen Geld dafür, weswegen schon das Drehbuch einen anderen Anspruch haben muss. Das hat was mit Verantwortung gegenüber dem Publikum zu tun. Einen mittelmäßigen Film kann ich auch fürs Fernsehen machen.

Ricore: Wie wichtig sind Beziehungen in der heutigen deutschen Kinolandschaft?

Tidof: Sehr wichtig. München ist Bully-Gebiet und ansonsten sitzt die Szene in Berlin. Ich habe ehrlich gesagt im Laufe der Zeit die Kontakte etwas schleifen lassen. Wenn man in der Szene nicht präsent ist, wird es schwer. Ich werde älter und die Regisseure jünger, weshalb man nicht allzu leicht zusammenkommt, wenn man sich nicht kennt.

Ricore: Sie gelten gemeinhin als Lebemann. Wie erzieht jemand, der sich nichts versagt, sein Kind?

Tidof: Sagen Sie mir zunächst was ein Lebemann ist? Ich erziehe mein Kind ganz normal. Wir, meine Frau und ich, versuchen gute Richtlinien zu vermitteln, was bei dem hiesigen Schulsystem nicht immer einfach ist. Meine Tochter ist bis zur neunten Klasse um 7:20Uhr aus dem Haus gegangen und kam erst gegen 17:15Uhr wieder. Danach musste sie noch lernen. Das ist unzumutbar, weil soziale Kontakte verloren gehen. Grundsätzlich braucht man ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis, welches sich auf dem Prinzip von Wahrheit gründet. Lügen finden weder von der einen noch von der anderen Seite statt. Meine Tochter hat einen ganz normalen Kindergarten besucht und geht jetzt auf eine ganz herkömmliche Schule. Übrigens gehe ich auch in jeden Supermarkt, um dort einzukaufen. Will sagen: alles ganz normal!
Concorde Filmverleih
Max Tidof in Joseph Vilsmaiers "Bergkristall"
Ricore: Lebemann deshalb, weil Sie die Schule früh geschmissen haben, lange obdachlos waren und auch aus Ihrem früheren Drogenkonsum nie einen Hehl gemacht haben. Gibt es noch Kontakte ins Milieu?

Tidof: Das war kein Milieu. Ich habe zehn Jahre auf der Straße gelebt, weil ich Schauspieler werden und mich nur darauf konzentrieren wollte. Nebenbei arbeiten kam für mich nicht in Frage. Ohne Arbeit keine Wohnung. Zudem habe ich sowieso gerne draußen unter freiem Himmel geschlafen. Mir ging es um die Freiheit, nur das zu tun, was ich tun möchte. Ich hatte keine Schauspielausbildung und die Möglichkeiten in dem Beruf Fuß zu fassen waren sehr schwierig. Es gab keine Privatsender oder eine deutsche Kinolandschaft. Als ich nach München kam, hatte ich mit einem Freund einen Wohnwagen auf dem Olympiagelände stehen, aus dem ich schon in der ersten Nacht geflohen bin, weil es mir zu stickig war. In München ist besseres Wetter als in Hamburg, das hat die Angelegenheit vereinfacht. Die ersten Jahre war ich am Studio-Theater engagiert und wenn es draußen ungemütlich wurde, habe ich auch manchmal auf der Bühne geschlafen.

Ricore: Und sonst?

Tidof: Ansonsten gab es diverse Damen bei denen man unterkommen konnte oder Freunde haben mich eine Zeitlang beherbergt. An der Isar hatte ich Plätze die mir sehr gut gefallen haben und dort konnte ich meine Texte herausbrüllen, ohne jemanden zu stören. Morgens wurde ich durch die Sonne geweckt - es war eine schöne Zeit.

Ricore: Unterschreiben Sie den Satz: das Leben ist die beste Schauspielschule?

Tidof: Ich kenne keine Schauspielschule von innen, deshalb kann ich das nicht beurteilen. Leben hat etwas mit einer gewissen Kenntnis zu tun, die einen weiter bringen kann, wozu auch Erfahrungswerte zählen. Andere gehen rein intellektuell an die Schauspielerei heran und erreichen die gleiche Ebene. Wovon ich allerdings überzeugt bin ist, dass wenn man einen Obdachlosen zu spielen hat, man nicht drei Wochen lang im Vorfeld in das Milieu eintauchen muss, um die Figur glaubhaft verkörpern zu können. Das ist Schwachsinn. Was ist denn, wenn ich als nächstes einen Mörder spielen soll? Schauspielerei ist eine introvertierte Kopfarbeit, indem man versuchst sich in eine Figur herein zudenken.

Ricore: Sie scheinen festgelegt auf die skurrilen, undurchschaubaren Charaktere. Stört Sie das?

Tidof: Wenn man es genau nimmt, fühle ich mich nicht in der Klischeeschublade abgelegt. Das Undurchschaubare ist eine Attitüde von mir und gehört zu den Sachen die mir persönlich gefallen. Gradlinige Familienväter ohne Ecken und Kanten reizen mich nicht. Gebrochene Biographien, wie auch der Frauenmörder Manfred Borchert in "Mord in bester Gesellschaft: Das eitle Gesicht des Todes", interessieren mich einfach mehr. Ursprünglich sollte ich eine andere Figur verkörpern, die ich aber abgelehnt habe. Es sind eher die jeweiligen Sender, die einseitig in ihrem Angebot an mich sind. Mich reizt jedoch die Abwechslung.

Ricore: Herr Tidof, wir bedanken uns für das Gespräch.
erschienen am 4. Januar 2010
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Schauspieler Max Tidof wird 1960 im rheinlandpfälzischen Polch geboren. Mit 17 schmeißt er die Schule und beschließt Schauspieler zu werden. Ersten Theater-Engagements in München folgen weitere in Bonn und Berlin. Seinen Durchbruch feiert er 1982 in der TV-Serie "Rote Erde. Danach ist er in verschiedenen Fernsehspielen und TV-Sendereihen zu sehen. Den Kinofans ist sein Auftritt als Ari Leschnikoff in "Comedian Harmonists" in Erinnerung, für den er mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet wird...
Dr. Wendelin Winter (Fritz Wepper) ist in Sorge. Gerade ist seine Tochter Alexandra (Sophie Wepper) bei ihm ausgezogen, da ereignen sich an ihrem neuen Wohnort Starnberg zwei Frauenmorde. Zudem ist der psychopathische Frauenmörder Manfred Borchert (Max Tidof) aus der Sicherheitsverwahrung geflohen und plant offenbar, ein Hühnchen mit Dr. Winter zu rupfen. Hängen die beiden Sachverhalte zusammen? Fünfter Teil der ARD-Krimi-Reihe mit Licht und Schatten.
2024