Gudrun Schmiesing/Ricore Text
Joseph Vilsmaier
Extrem, aber schön!
Interview: Joseph Vilsmaier liebt den Berg
Nanga Parbat, Schicksalberg der Deutschen und des Reinhold Messner. Hier verlor der Extrem-Bergsteiger im Jahr 1970 seinen Bruder Günther, dessen sterbliche Überreste erst im Herbst 2005 gefunden wurden. Regisseur Joseph Vilsmaier widmet sich in seinem Drama "Nanga Parbat" der Geschichte der beiden Brüder. Ihm geht es aber auch um die wunderschöne Naturlandschaft des Himalayas. Mit uns sprach der Regisseur über Reinhold Messner, die Extrembedingungen am Berg und die Harmonie einer Zusammenarbeit, die sich durch die Komplexität der Charaktere ergibt.
erschienen am 11. 01. 2010
Concorde Film
Regisseur Joseph Vilsmaier ("Die Geschichte vom Brandner Kaspar")
Ricore: Herr Vilsmaier, wie fühlt es sich an, am Original-Schauplatz, nämlich hier in München, zu drehen?

Joseph Vilsmaier: Das fühlt sich toll an. Ich bin ja Münchner und erinnere mich noch gut an das Originalfoto, auf dem der ehemalige Oberbürgermeister Jochen Vogel die Expedition verabschiedet hat. Das, was Sie hier sehen, ist genau wie im Original: Genauso haben die Expeditionsmitglieder zwischen den Lastwagen gestanden, bevor es los ging. Vor dem schönen Münchner Rathaus.

Ricore: Hier steht "Ismanning" mit zwei "n". Ist das ein historisch richtiger Druckfehler oder aus Versehen passiert?

Vilsmaier: Ich glaube, das ist richtig, da es ein historisches Plakat von 1970 ist. Es ist ein Originalfoto, bloß vergrößert.

Ricore: Reinhold Messner ist in beratender Funktion tätig. Macht er seinen Job gut?

Vilsmaier: Er macht das ausgezeichnet. Das ist keine Lobhudelei, ich hätte den Film ohne ihn nicht gemacht. Ich bin kein Extrem-Bergsteiger und weiß nicht, wie man Schauspieler sichert, wenn es 500 Meter runtergeht und sie an der Wand hängen. Auch beim Zusammenfügen von Filmszenen am Nanga Parbat und anderen Berg-Schauplätzen ist Messner sehr strikt und genau. Auf dem Nanga Parbat kann man schließlich nicht drehen. Manches ist in der Eishalle entstanden oder am Ortler. Ein Berg ist für mich ein Berg, und Eis ist Eis. Aber die Route, auf der alles passiert ist, haben wir genau eingefangen. Das war ein großes Erlebnis, auf dem Nanga Parbat in Basislagern zu übernachten, auf 6.000 und 7.000 Metern zu drehen und wieder zurückzukehren. Die Luft ist dünn, man bekommt Kopfweh.
Graf Film
Joseph Vilsmaier fühlt sich überall wohl!
Ricore: Haben Sie auch mit Einheimischen gedreht?

Vilsmaier: Ja, und das hat mich ganz besonders gefreut. Das Schöne ist, dass sie Reisepässe bekommen haben und nun mit uns hier in München sind und später mit uns weiterreisen dürfen. Als sie das erste Mal in Islamabad waren, haben sie dementsprechend ausgesehen. Die Polizei hat sie angehalten und die frischen Reisepässe gesehen. Daraufhin wurden sie gleich verhaftet. Die Polizei dachte, das kann nicht sein, dass solche Leute einen Reisepass haben. Natürlich kamen sie gleich wieder frei. Das Lustige aber ist, dass in allen Pässen als Geburtsdatum der 1. Januar drin steht. Sie wissen nämlich nicht, wann sie geboren sind. Aber das sind total nette Typen und wir freuen uns sehr darauf, mit ihnen weiter arbeiten zu können.

Ricore: Welche Szene wird in München auf dem Marienplatz gedreht?

Vilsmaier: Wir drehen hier die Verabschiedungsszene, die im Original mit Jochen Vogel ist, der ja die Expeditionsteilnehmer verabschiedet hat. Diese steht eigentlich am Anfang der Geschichte, aber wir sind schon gegen Ende der Dreharbeiten. Von München ging es für die Truppe damals nach Istanbul, wo die Lastwagen in Werkstätten hergerichtet werden. Die Strecke führte weiter über Kabul nach Islamabad zum Hindu Kush. Der Pass ist sehr gefährlich und unheimlich. Unsere Mannschaft, bestehend aus fünf Leuten, ist erst vor kurzem aus Pakistan zurückgekehrt. Dort haben sie diese Szenen am Nanga Parbat gedreht. Beim ersten Dreh ist uns leider einiges Material kaputt gegangen. Wir mussten also noch mal hinfahren.
Gudrun Schmiesing/Ricore Text
Joseph Vilsmaier posiert für die neugierigen Fotografen
Ricore: Könnten Sie sich vorstellen, auf einem Berg zu leben?

Vilsmaier: Was Berge betrifft, bin ich nicht der Mutigste. Wir haben Orkane erlebt, mit 150 Stundenkilometern und bei -25 Grad, und du siehst nichts, bekommst keine Luft mehr. Man wusste nicht mehr, wo man hintritt und musste sehr vorsichtig sein. Allerdings hatten wir einen guten Aufpasser gehabt. Messner ist jemand, der von sich sagen kann, dass er 60 Jahre lang gut auf sich achtgegeben hat. Er ist der einzige in seinem Alter, der das alles hinter sich hat. Andere sind abgestürzt und umkommen. Der Mann ist wahnsinnig leidensfähig, wie ich festgestellt habe. Mir hat bei unserer Zusammenarbeit gefallen, dass er nicht so einfach ist - ich bin auch nicht einfach! Deswegen harmoniert es gut.

Ricore: Messners Leben bietet Stoff für circa 20 Filme. Warum haben Sie sich ausgerechnet für den Wendepunkt am Nanga Parbat entschieden?

Vilsmaier: Das war der deutsche Schicksalsberg und hatte vor allem während der Nazi-Zeit große Bedeutung. Damals sagte man ja immer: "Ich besiege den Berg!". Aber wie Reinhold Messner immer sagt: "Einen Berg kann man nicht besiegen, man kann ihn nur besteigen." Das war damals halt eine andere Zeit. Es gab viele Expeditionen dahin. Und natürlich auch die Leidensgeschichte von zwei Brüdern. Aber darum geht es uns nicht nur. Denn sonst hätten wir ja einen Dokumentarfilm gemacht, wir haben aber einen Spielfilm gedreht.

Ricore: War der Film von den Umständen her Ihr schwerster Film?

Vilsmaier: Nein. Zum einen bin ich gern in den Bergen, und es hat Spaß gemacht. Zum anderen waren andere Filme auch schwer, "Stalingrad" zum Beispiel.

Ricore: Körperlich vielleicht?

Vilsmaier: Eigentlich nicht. Man hat ja dasselbe Interesse wie die verrückten Bergsteiger, aber die verstehe ich sowieso nicht. Es ist eine wunderschöne Landschaft, da liegt ein Berg vor einem, und man möchte nur drüber. Die Erfahrungen möchte ich nicht missen. Der Film war schwierig zu finanzieren. Zum Drehen war er nicht so schwierig.

Ricore: Herr Vilsmaier, ich danke Ihnen für das Gespräch.
erschienen am 11. Januar 2010
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