Delphi Filmverleih
David Kross in "Same Same But Different"
Auf welchem Planeten?
Interview: David Kross unterwegs
In Detlev Bucks "Same Same But Different" verliebt sich der deutsche Rucksacktourist Ben in eine junge Kambodschanerin. Die arbeitet als Prostituierte in einem Nachtclub. Als sie herausfindet, dass sie HIV-positiv ist, muss sich Ben entscheiden. David Kross wurde durch seine Darstellung in "Der Vorleser" an der Seite von Oscar-Gewinnerin Kate Winslet schlagartig international bekannt. Hierzulande kennt man den 19-jährigen seit Bucks "Knallhart". Im Gespräch erzählt uns Kross, wie sich sein Leben verändert hat. So wurde er eher zufällig Schauspieler. Einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort - genau wie Ben.
erschienen am 21. 01. 2010
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David Kross und seine Kollegin Apinya Sakuljaroensuk in "Same Same But Different"
Ricore: Was für einen Eindruck hattest du von Kambodscha?

David Kross: Es hat mir schon sehr gefallen. Das Land befindet sich gerade im Wandel, weil viel Geld hineingepumpt wird. Man arbeitet daran, daraus ein Touristenziel zu machen. Dort, wo wir waren, war alles noch sehr ursprünglich, verglichen mit der westlichen Welt. Es gab noch keine McDonalds. Man bekommt dort ein ganz anderes Verhältnis zur Zeit. Man ist nicht so gestresst, sieht alles ein bisschen ruhiger und gelassener. Am Tag macht man meistens nur eine Sache, weil eh alles ein bisschen länger dauert. Mir gefällt die Mentalität der Leute, die ist ganz anders als meine. Ich kann gut verstehen, dass sich mach einer in diese Ruhe und dieses andere Denken verliebt und dann dahin zieht. Es gibt auch so eine Art Community, die da wohnt. Die beschweren sich darüber, dass sich im Moment alles verändert. Der Kontrast zwischen Arm und Reich ist ziemlich groß und Korruption ist auch ein Problem.

Ricore: Gab es ein besonderes Erlebnis mit Einheimischen?

Kross: Wir sind einmal von der Polizei angehalten worden. Da waren wir gerade mit dem Motorroller unterwegs und fuhren bei Tag mit Licht. Weil das angeblich verboten ist, sollten wir 50 Dollar bezahlen. Das fanden wir seltsam. Wir hatten zum Glück jemanden dabei, der die Amtssprache Khmer spricht. Die Polizisten konnten nämlich kein Englisch. Dieser Mann hat dann das Bußgeld auf fünf Dollar runtergehandelt. Der Boss mit der Zigarre auf dem Beifahrersitz hat das Geld entgegengenommen.

Ricore: Wie würdest du Ben beschreiben?

Kross: Ben weiß nach seinem Schulabschluss nicht genau, was er machen soll. Er ist in einer Phase, wo man denkt, jetzt fängt das Leben erst an. Aber eigentlich hat es ja schon lange angefangen. Manche Leute reisen in so einer Phase erst einmal ein Jahr um die Welt und machen das, worauf sie Lust haben und sind neugierig. So ist es bei Ben auch. Und dann trifft er dieses Mädchen und verliebt sich in sie. Darauf fällt er diese klare Entscheidung in dieser Zeit, was ich bewundernswert finde.
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David Kross
Ricore: Kannst du dir vorstellen, auch einfach den Rucksack zu packen und irgendwo hinzufahren, um einfach mal den Kopf klar zu kriegen?

Kross: Ja, und ich glaube, das hilft auf jeden Fall. Gerade nach dem "Vorleser" ging alles ein bisschen drunter und drüber. Da war es für mich ein gutes Timing, mal rauszukommen und zu reisen.

Ricore: Ist dir dort die Prostitution begegnet?

Kross: Ich würde sage, sie findet sehr öffentlich statt. Man sieht, wie ältere Herren mit blutjungen Mädchen auf der Straße herumlaufen. Das ist schon erschreckend. Überall sieht man es. Andererseits würde ich gar nicht sagen, dass es dort schlimmer ist als hier, hier ist es einfach nur versteckter. Hier verstecken die Leute sowas und machen ein Geheimnis daraus. Die Mädchen haben es bestimmt wahnsinnig schwer. Denn, wenn sie einmal in so etwas hineingeraten, kommen sie so leicht nicht wieder zurück in die kambodschanische Gesellschaft. Auch weil sie dann "schwarze Mädchen" sind, können sie keine kambodschanische Familie gründen. Sie werden nicht mehr aufgenommen, weil sie diese "Arbeit" gemacht haben.

Ricore: Welche Chance haben sie dann noch auf ein normales Leben?

Kross: Für die Mädchen ist es manchmal die einzige Chance, jemanden aus dem Westen zu heiraten und mit ihm eine Familie zu gründen. Auf der anderen Seite tun mir die Frauen gar nicht so leid, weil sie auch eine besondere Kraft haben. Sie sind ziemlich clever und gar nicht unbedingt Opfer. Für mich sind die Männer in mancherlei Hinsicht eher die Opfer, weil die Frauen das Sagen haben.

Ricore: Was hat dich besonders an der Geschichte zu "Same same but different" gereizt?

Kross: Einerseits die Zeit, in der sie spielt. Und dass der Benn dann gerade diese Entscheidung trifft. Und natürlich Kambodscha. Eine tolle Gelegenheit, dorthin zu reisen. Auch die Tatsache, dass es eine wahre Geschichte ist. Man liest ja bei vielen Filmen am Anfang "Based on a true story". Und dann sind das irgendwelche U-Boot-Filme. So etwas interessiert mich einfach nicht, auch wenn es auf einer tatsächlichen Begebenheit basiert. Bei diesem Film fand ich diese Tatsache jedoch gerade berührend. Und wenn man am Ende im Abspann liest, dass der Sohn gesund ist und das Paar noch immer in Kambodscha lebt, dann geht einem das schon ans Herz. Denn man weiß, das ist wirklich passiert. Das bereichert die Geschichte.
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David Kross und seine Kollegin Apinya Sakuljaroensuk in "Same Same But Different"
Ricore: Wie intensiv war denn die Zusammenarbeit mit Romanautor Benjamin Prüfer?

Kross: Es war relativ gelassen. Er hat eigentlich von Anfang an die Geschichte an Detlev Buck abgegeben. Ihm war klar, dass es ein Film wird und das Ganze natürlich nicht genauso wird, wie sein Leben. Dass es eine Dramaturgie bekommen muss und Film eben ein ganz anderes Medium ist. Das einzig echte waren bestimmte Orte, an denen sie tatsächlich gelebt hat. Buck und ich haben auch gleich gesagt, wir wollen keine Kopie von Benjamin Prüfers Leben machen. Wir haben den Charakter dann praktisch zusammen erschaffen.

Ricore: Ich habe gelesen, dass Bucks Tochter auf dich aufmerksam gemacht hat.

Kross: Das weiß ich nicht genau. Da müssen Sie ihn am besten nochmal fragen. Seine Tochter war mal bei uns zu Haus, weil sie auch aus der Nähe kommt. Sie hat mich dann schon ziemlich lange angeschaut. Und ich weiß noch, dass ich danach ein Casting mit ihr bei ihm zu Hause hatte. Sie hatte dabei meine Mutter gespielt. Danach hatte ich noch fünf Castings in Berlin für diesen Film. Und dann hat es glücklicherweise geklappt.

Ricore: Was macht die Zusammenarbeit mit Detlev Buck aus?

Kross: Seine Offenheit für neues. Das sieht man ja auch an seinen Filmen, da er ganz verschiedene Sachen macht. Er hat keinen festen Stil. Als er nach Asien kam hat er sich besonders mit dem asiatischen Kino beschäftigt. "Same same but different" hat vom Stil her auch etwas Asiatisches. Er hat viele Elemente des asiatischen Films aufgegriffen und viel improvisiert. Mir gefällt auch sein Humor. Ernsthafte Themen bringt er auf eine leichte Art und Weise rüber. So beinhalten sie auch immer eine Hoffnung. Dieser Film ist eine Art "Romeo und Julia" mit Happy End. Das Paar hat jedoch andere Probleme, diesmal sind es nicht ihre Familien. Es ist eine neue und gleichzeitig eine klassische Liebesgeschichte.

Ricore: Was hat dich bewogen, Schauspieler zu werden? Gab es eine Art Aha-Erlebnis, die zu der Entscheidung führte?

Kross: Nein, eigentlich bin ich da so hineingerutscht. Was nicht heißt, dass ich das nicht toll finde. Aber es gab nie so einen Punkt, an dem ich gesagt habe, "ja, das ist jetzt mein Beruf". Am Anfang habe ich das einfach nebenbei mal in den Sommerferien gemacht. Dann machte es mir Spaß und ich fand, dass ich doch einen Beruf daraus machen könnte.
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David Kross in "Same Same But Different"
Ricore: Hättest du einen Plan B?

Kross: Nicht wirklich. Aber mich würde es auch mal interessieren, zu erfahren, was wäre, wenn mir das nicht passiert wäre. Dann wäre ich vielleicht erstmal weiter zur Schule gegangen. Abi. Und dann hätte ich Zivi gemacht. Aber was danach passiert wäre, keine Ahnung.

Ricore: Wie oft telefonierst du noch mit Kate Winslet?

Kross: Och, nicht mehr so oft. Aber ich telefoniere noch des Öfteren mit Regisseur Stephen Daldry. Zu ihm habe ich ein sehr gutes Verhältnis und ich bin froh ihn durch "Der Vorleser" kennengelernt zu haben. Das ist schon etwas Besonderes. Denn es ist ja sonst oft so, dass man sich während der Dreharbeiten zwar gut versteht, aber danach wieder getrennte Wege geht. Daldry ist sehr hilfsbereit und hat mir bezogen auf den Beruf nützliche Tipps gegeben.

Ricore: Du bildest dich gerade in London fort. Was ist deiner Meinung nach der gravierendste Unterschied zwischen Deutschland und England?

Kross: Das habe ich abgebrochen. Das war eine reine Theaterausbildung. Ich habe festgestellt, dass das nicht das Richtige für mich ist und habe nach drei Monaten aufgehört. Ich wollte das dann auch nicht einfach durchstehen, nur damit ich es gemacht habe. Trotzdem bin ich glücklich, dass ich es probiert habe, denn man musste sogar zwei Mal dafür vorsprechen. Aber es war eine Theaterschule für drei Jahre. Das ist nicht die Form, in der ich mich weiterbilden möchte. Vielleicht mache ich irgendwann mal Theater. Dann kommt so etwas eventuell in Frage.

Ricore: Und wie geht es nun für dich weiter?

Kross: Ich mache jetzt erst mal learning by doing. Das ist ja gerade das Gute an dem Beruf, dass man immer weiter lernt, wenn man spielt.
Central Film
David Kross in seiner grandiosen Vorstellung als "Der Vorleser"
Ricore: Wie ist generell dein Verhältnis zu diesem Prominentenstatus und zum Rampenlicht?

Kross: Ich habe mich eigentlich nie als Prominenter gefühlt. Es ging alles so schnell. Bei der Berlinale wusste ich nicht mehr, auf welchem Planeten ich war. Es war zuviel auf einmal, mit dem "Vorleser" und dann noch die Tatsache, dass ich auch noch für den Shootingstar nominiert war. Ich meine, ich habe da keine Probleme mit, aber das ist keine Motivation für mich, zu schauspielern.

Ricore: Aber ändert sich das Leben nicht grundlegend?

Kross: Ja, klar, in gewissen Dingen schon. Man ist dann in gewisser Weise eine öffentliche Person. Da muss man sich erst mal dran gewöhnen. Das muss ja auch für Benjamin Prüfer superkrass sein, dass seine Lebensgeschichte nun so öffentlich geworden ist. Obwohl ich finde dass er da wahnsinnig gut mit umgeht.

Ricore: Würdest du sagen, dass du dich inzwischen daran gewöhnt hat, dass man dich erkennt oder empfindest du es immer noch als unangenehm?

Kross: Ich würde sagen, es hat auch was mit Energie zu tun ob man möchte, dass man erkannt wird. Das kann man schon steuern, es kommt immer darauf an wie man durch die Stadt geht. Es ist aber auch nicht so, dass ich verfolgt werde. Wenn ich dann angesprochen werde, und die Leute sagen, dass sie meine Arbeit toll finden, dann bin ich auch dankbar. Der ganze Hype hat sich seit der Berlinale auch schon wieder etwas beruhigt.

Ricore: Was für Filme schaust du dir gerne an?

Kross: Schwer zu sagen. Manche Filme ziehen mich schon aufgrund ihrer Stars ins Kino.

Ricore: Welche Schauspieler bewunderst du?

Kross: Johnny Depp ist ein toller Schauspieler. Der ist wirklich ein Filmstar. Wenn ich weiß, dass er in einem Film mitspielt, dann gehe ich da auch rein.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 21. Januar 2010
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2024