Warner Bros. Pictures
Robert Downey Jr. bei der Premiere von "Sherlock Holmes" 2010 in Berlin
"Es läuft grad richtig gut"
Interview: Superdetektiv Robert Downey Jr.
Für den krisenerprobten Robert Downey Jr. läufts derzeit richtig gut. Er darf ein zweites Mal in die Haut des Superhelden "Iron Man" schlüpfen und bringt gerade seine Abenteuerkomödie "Sherlock Holmes" unter der Regie von Guy Ritchie in die Kinos. In unserem Interview gibt er sich allerdings zurückhaltend bezüglich seines Erfolgs und sieht sich bescheiden als ein Arbeiter unter vielen. Eine derart gesunde Selbsteinschätzung und Bodenständigkeit hätte man dem ehemaligen Bad Boy gar nicht zugetraut.
erschienen am 28. 01. 2010
Jean-François Martin/Ricore Text
Gottesanbetender Robert Downey Jr. in Cannes 2006
Ricore: Sprechen wir kurz über Ihre für Puristen wohl problematische Herangehensweise an "Sherlock Holmes"...

Robert Downey Jr.: Meine Herangehensweise entspricht dem, was Puristen erwarten würden, falls diese wissen, wovon ich spreche. Überraschenderweise verbindet man Requisiten mit der Figur von Sherlock Holmes, die nie in den Romanen oder Kurzgeschichten auftauchen. Holmes trug nie eine Kappe, außer vielleicht mal für eine Minute. Aber selbst dann wurde sie anders beschrieben. Auch die lange Pfeife war etwas, das William Gillette benutzte, damit sein Gesicht auf der Bühne nicht verdunkelt wurde. In der Darstellung der Figur gingen wir so weit zurück, wie wir konnten, um Arthur Conan Doyles Charaktere zu zeigen, ohne übertrieben ehrfürchtig zu wirken.

Ricore: Es gelingt Ihnen, den Charakter sehr natürlich wirken zu lassen. Fiel Ihnen dies leicht?

Downey Jr.: Es ist nie einfach, entspannt zu sein. Dennoch tun wir alles, damit es so aussieht. Wir haben die Dialoge geändert, um sie natürlicher zu machen. Ich glaube, dass Doyle ein herausragender Schriftsteller und Geschichtenerzähler war. Ich wusste gar nicht, wie großartig er war, bis wir auf Aussagen, Beschreibungen und philosophische Standpunkte stießen, die Doyle durch Sherlock Holmes zum Ausdruck brachte. Bei einem so spezifischen Historienfilm, der im viktorianischen England spielt, ergeben sich gewisse Grenzen. Das ist großartig, weil es eine große Herausforderung ist.

Ricore: Werden Sie in zehn Jahren noch immer solche Charaktere spielen?

Downey Jr.: Nun, Rockstars beispielsweise behaupten, sie werden sich in einem gewissen Alter zur Ruhe setzen. Und dann denke ich an andere Typen, deren Namen ungenannt bleiben sollen. Einer davon hatte erst kürzlich mit Rachel McAdams die Hauptrolle in einem Film. Wenn das Material nach wie vor gut ist und man weiterhin gerne mit den Leuten zusammenarbeitet - warum nicht? "Sherlock Holmes" war eine lebensverändernde Erfahrung. Das liegt an den umfassenden Recherchen und weil ich so ein großes Projekt mit Joel Silver, Lionel Wigram, Susan Downey, Rachel und Jude Law umsetzen konnte. Ich finde es schade, dass Letzterer heute nicht dabei ist, er ist das Herz der Produktion. Er spielt momentan den Hamlet. Bei uns heißt es natürlich, Hamlet könne jeder spielen... Jude war ein wichtiger Teil des Projekts. Lange Antwort, kurzer Sinn: Ich würde auch in Zukunft solche Figuren spielen, wobei ich dann wohl ein weiteres Kind und ein alkoholfreies Weingut haben werde.
Concorde Filmverleih
Robert Downey Jr.
Ricore: Beschreiben Sie die Beziehung zwischen Ihnen und Jude im Film.

Downey Jr.: Sie stehen sich so nah, dass sie sich kaum ertragen können. Aber sie können nicht ohne den anderen. Während der Dreharbeiten fühlten wir uns tatsächlich so. Doyle lieferte uns im Grunde ein Zwei-Personen-Stück und er selbst ist eigentlich Watson, weil er die Geschichten erzählt, dabei aber sagt, dass Watson sie erzähle.

Ricore: Sie lieben große Auftritte, nicht wahr?

Downey Jr.: Bei der Präsentation von "Sherlock Holmes" war ich regelrecht benommen und dachte, ich würde den Boden unter der Füßen verlieren. Ich ließ mich einfach davon treiben. Heute hatte ich mich etwas besser im Griff. Normalerweise läuft das so ab: Jon Favreau sagt "Du sagst etwas Witziges und dann komme ich. Auf geht's!" Er zieht mich einfach auf die Bühne, was für mich Angsteinflößend ist. Heute bereiten wir uns darauf vor, so dass es auch für mich angenehm ist.

Ricore: "Iron Man" klingt nach viel Spaß. Hatten Sie dieses Mal so viel Spaß wie beim ersten Mal? Hatten Sie mehr Selbstvertrauen bei der erneuten Interpretation der Figur?

Downey Jr.: Das Selbstvertrauen war größer, aber ich würde nicht sagen, dass wir Spaß hatten. Wir wollten uns mehr Zeit nehmen. Wir haben die Besetzung und unseren Horizont erweitert und die Geschichte komplexer und subtiler gestaltet, obwohl man ihr nach wie vor gut folgen kann. Ich würde nicht sagen, dass es spaßig war. Wir setzten uns mit dem Stoff auseinander, um den Film so gut wie möglich zu machen.
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Sherlock Holmes
Ricore: Was war am schwierigsten an der Geschichte herauszuarbeiten?

Downey Jr.: Wir haben uns Fragen gestellt wie: Was ist das Beste, das jeder von uns zu bieten hat? Wie sorgen wir dafür, dass all diese talentierten Leute, die auf ihrem Gebiet die Nummer Eins sind, alles geben? Was können sie zu einer Geschichte beitragen, die man auch einfach hätte weitererzählen können, indem man lediglich dieselben Muster bedient, einen anderen nichtssagenden Bösewicht dazu fügt und Arschtritte austeilen lässt?

Ricore: Im ersten Film gab es einen hochdramatischen Moment, als Ihr Herz herausgenommen wird. Gibt es einen solchen Moment auch im neuen Teil?

Downey Jr.: Ja. Es hat es etwas damit zu tun, was beim letzten Mal nach dem Abspann passiert ist: Nick Fury (Samuel L. Jackson) kommt herein und sagt: "Du bist ein Teil von etwas Größerem, als du denkst." Jon und ich sind beide große Fans des Buches "Writer's Journey" und von Joseph Campbell. So ziemlich jeder ist das. Es geht um das Vermächtnis des Charakters. Zudem fehlt etwas in ihm. Was ihn offensichtlich am Leben hält, ist eine verkleinerte Version eines Apparates, den sein Vater erfunden hat. Doch die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen und jemand Neues taucht auf. War Mickey Rourke nicht knallhart mit diesen Peitschen?

Ricore: Was sind das für Dinger?

Downey Jr.: Ich verstehe es nicht ganz. [lacht] Es sieht jedenfalls so aus, als hätte er dadurch besondere Kräfte. Ich weiß nur, dass Jon einige kluge Entscheidungen getroffen hat, wenn es darum ging, welche Dinge Vorrang haben sollen. Für mich geht es bei dem Film um Tonys Auseinandersetzung mit seinen tiefsten Ängsten. Um sein Pflichtbewusstsein, das Erbe seines Vaters, seine Freundschaft mit Rhodey und die nach wie vor tiefe Liebe zu Pepper (Gwyneth Paltrow).
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Iron Man 2
Ricore: War der Anzug diesmal etwas leichter?

Downey Jr.: Ja, er war etwas leichter. Aber für meinen Geschmack noch nicht leicht genug.

Ricore: Gibt es eine Dreiecksbeziehung zwischen Tony und Pepper und Tony und Black Widow (Scarlett Johansson)?

Downey Jr.: Ursprünglich konzipierten wir es als Dreiecksbeziehung, doch dann wurde uns klar, dass es in Superheldenfilmen dauernd solche Liebesdreiecke gibt. Wir wollten etwas machen, das verrückter war und ich glaube, das ist uns gelungen. Black Widow ist ein großartiger Charakter, da sie nicht das ist, was sie zu sein scheint. Pepper ist genau das, was sie zu sein scheint, wobei noch sehr viel mehr unter ihrer Oberfläche vorgeht. Und das kommt zum Vorschein.

Ricore: Durch das "Iron Man"-Franchise nimmt man Sie nun anders wahr. Überrascht sie das?

Downey Jr.: Das ist schön, aber in der Filmbranche nicht verwunderlich. Nichtsdestotrotz ist es überwältigend, weil ich immer das Gefühl hatte, dass ich so etwas machen wollte und konnte. Es ist wild.

Ricore: Inwiefern hat sich Tony Stark verändert? Worin unterscheiden sich die Handlungsbögen?

Downey Jr.: Letztes Mal sahen wir ihn als unglücklichen, charmanten Scheißkerl, der sich verändert und dann fast von der Person erledigt wird, von der er dachte, dass er ihr am meisten vertrauen könnte. Doch nur weil jemand eine lebensverändernde Erfahrung gemacht hat, bedeutet das nicht, dass sich derjenige auch wirklich verändert hat. Tonys Suche nach Trost ist geradezu archetypisch. Es ist eine Sache, zu sagen, man ist Iron Man und eine andere, eine aufrechte Person zu sein. Ich denke, er hat damit zu kämpfen, weil er sich nicht wirklich verändert hat.
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Robert Downey Jr.
Ricore: Er muss also damit ringen?

Downey Jr.: Sicher. Seine Geburtstagsparty würde wohl ziemlich bitter werden.

Ricore: Sind Sie wegen der Aussicht auf "The Avengers" aufgeregt?

Downey Jr.: Nein, nicht wirklich. Ich kenne mich mit dem Zeug nicht gut aus. Im Moment weiß ich nur, dass wir eine wirklich gute Sache am Laufen haben und es ist überaus wichtig, sie nicht zu vermasseln. Also höre ich auf die Profis und erledige weiterhin meinen Job, bis etwas anderes ansteht.

Ricore: Sie hatten ein tolles Jahr mit "Iron Man" und "Tropic Thunder". Nun haben Sie "Sherlock Holmes" und "Iron Man 2" gedreht. Ist eine Renaissance des Robert Downey Jr. in Gange?

Downey Jr.: [lacht] Das Beste, was ich tun kann und wohl auch meine Rettung war, ist, mich selbst als Arbeiter unter Arbeitern zu betrachten. Wenn ich davon abweiche, laufen die Dinge nicht so gut für mich.

Ricore: Können Sie über "Due Date" sprechen?

Downey Jr.: Ich mache den Film gerade.

Ricore: Und Sie sind der geradlinige Gegenpart zu Zach Galifianakis?

Downey Jr.: Was? Warum sollte ich das machen wollen? Ich denke, Zach und ich werden eine schöne Zeit haben.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 28. Januar 2010
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Sherlock Holmes (Kinofilm)
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2024