Sony Pictures
Billy Bob Thornton ist ein ungezogener Santa...
Ich hasse Shakespeare
Interview: Billy Bob is coming to town
Er säuft, flucht, furzt, hat Sex und raubt Shoppingcenter aus. Das alles macht er als Weihnachtsmann. Es bedurfte der angstlosen Weinstein-Brüder und der Chuzpe von Billy Bob Thornton. Er dachte noch nie darüber nach, was politisch korrekt ist, war sofort bereit für den witzigsten, bösartigsten und würdelosesten Weihnachtsfilm aller Zeiten vor die Kamera zu stehen. Trotzdem war "Bad Santa" im moralischen Amerika ein Riesenhit.
erschienen am 19. 11. 2004
Sony Pictures
Manche ertragen ihren Job nur mit Promilleunterstützung
Ricore: Hatten Sie Bedenken als Sie das Drehbuch lasen?

Billy Bob Thornton: Nein, überhaupt nicht! Ich bin immer noch erstaunt, wenn einige Leute das als skandalösen Film verreißen. Ich habe auf jeder Seite laut gelacht. Da gab es null Schranken, ich musste diesen Film einfach machen.

Ricore: Wie haben die Kids, die im Film mitspielen auf die vielen "bösen" Worte reagiert?

Thornton: Die waren okay damit, ich war da viel nervöser, ich entschuldigte mich ununterbrochen und erklärte ihnen, dass ich nicht wirklich der Weihnachtsmann bin, sondern nur ein Schauspieler. Aber die hatten kein Problem. Ich meine, warum auch? Diese Kids sehen "South Park"!

Ricore: Wie denken Sie persönlich über Weihnachten?

Thornton: Ich bin das Gegenteil des Typen, den ich spiele. Ich bin ungeheuer sentimental. Ich war eins von diesen Kindern, die viel zu lange an Santa Claus glauben, ich war elf oder zwölf, und sogar da verleugnete ich die Wahrheit, die die Kids in der Schule mir dauernd eintrichterten. Irgendwie muss ich aber schon mit acht oder neun Bedenken gehabt haben, denn logisch erschien mir das ja nicht...

Ricore: Wie feiern Sie Weihnachten?

Thornton: Zuhause mit den Kids. Ich habe eine Jukebox, einen Billardtisch und ein Bigscreen-TV. Mehr braucht man nicht. Da kommen alle Freunde und gehen nie wieder. Vor dem 3.Januar wird man sie nicht los.

Ricore: Irgendwelche Neujahrsvorsätze?

Thornton: Nein, die sind Zeitverschwendung. Aber ich habe eine Silvester-Tradition. Jedes Jahr am Silvester wasche ich meine Wäsche.

Ricore: Im Ernst?

Thornton: Ja! Ich beginne um 20 Uhr, dann schaffe ich ein paar Ladungen und meistens sind sie sogar vor Mitternacht noch trocken.

Ricore: Während Sie wie viel Gläser Champagner trinken?

Thornton: Normalerweise so sieben, acht.
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Billy Bob Thornton verbringt Weihnachten mit waschen und einigen Gläsern Sekt!
Ricore: Wie gefiel der Film Ihren eigenen Kindern?

Thornton: Ach, die haben einige viel schlimmere Worte schon lange bevor ich den Film machte, gekannt!

Ricore: Was halten Sie denn von all den anderen typischen Weihnachtsfilmen?

Thornton: Schmalz. Die sind doch alle unrealistisch und süßlich. Die zeigen nie den Loser. Deshalb mochte ich diesen Film: da geht es um einen verbitterten Typen, der sein ganzes Leben lang ein Loser war, und er trifft ein Kind, das sein ganzes Leben lang ein Loser sein wird. Und die beiden haben diese total diskfunktionale Connection zueinander. Aber am Ende finden sie das Gute in sich, und das ist doch viel besser als irgendein Plüschhund, der am Weihnachtsabend von irgendeinen perfekten Familie gerettet wird. Dabei wird auf heiliges Weihnachtsfeeling gemacht, während man die Leute manipuliert, die dann nichts anderes tun, als der Wirtschaft unter die Arme zu greifen, wenn ihnen bis zum Arsch teure Scheiße im Shoppingcenter angedreht wird.

Ricore: Sie sind kein Freund der politischen Korrektheit, nicht wahr?

Thornton: Nein. Ich sehe das so: in Europa und anderen Gegenden wird daraus keine große Sache gemacht. Da haben die Leute kein Problem mit Schimpfworten und Nacktheit und Sex. Mein Film "Monster's Ball" ist in Europa eine Minute länger als in Amerika. Wissen Sie warum? Weil es hier eine Zensurbehörde namens Motion Picture Association of America gibt, die eine Regel hat, wonach man fünf mal stoßen kann pro Take und nicht sechsmal. Genauso wie du fünfmal "fuck" sagen kannst, nicht sechsmal.

Ricore: Sind Sie noch immer mit Ex-Präsident Bill Clinton befreundet? Wie hat er auf Ihre Imitation in "Tatsächlich ... Liebe" reagiert?

Thornton: Clinton und ich kennen uns aus Arkansas. Einmal hat er mir sogar einen Job mit dem Arkansas Highway Department als Asphaltierer verschafft. Jahre später hab ich mal gemeint, ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm dafür dankbar sein soll oder nicht (lacht), aber mit meinen politischen Rollen hat er kein Problem. Ich habe ja schon in "Mit aller Macht - Primary Colors" James Carville gespielt, und er fand es gut.

Ricore: Gehören Sie zu der Sorte Hollywoodstars, die heimlich davon träumen in Shakespeare-Stücken auf der Bühne zu stehen?

Thornton: Oh Gott, nein! Ich hasse Reime und ich hasse Shakespeare! Der Mann hat Seifenopern geschrieben. Da dreh ich lieber den Fernseher auf. Diese blumige Sprache ist doch schwachsinnig. Total realitätsfremd.
erschienen am 19. November 2004
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Bad Santa (Kinofilm)
"South Park" meets "Santa Clause"! Wer auf der Suche nach einem fröhlich-heiteren Weihnachtsfilm ist, sollte sich vor "Bad Santa" hüten. Außer natürlich, er hat nichts dagegen, dass Billy Bob Thornton ("Ein (un)möglicher Härtefall") als unrasierter Weihnachtsmann säuft, stiehlt, auf Analsex mit dicken Frauen steht und einige hundert Mal das F-Wort mit den vier Buchstaben in den Mund nimmt. Wer sich darauf einlassen kann wird aber mit dem wohl bissigsten, komischsten und durchtriebensten..
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