ZDF/Stephan Persch
Hannelore Hoger in: Bella Block - Falsche Liebe
"Filme sind immer reduziert"
Interview: Geschichtsstunde mit Hannelore Hoger
Als Katharina de Medici in Jo Baiers "Henri 4" ist Hannelore Hoger in einer für sie ungewöhnlichen Rolle zu sehen. Immer in schwarz gekleidet, mit einem laut klackenden Stock ist sie im Film immer präsent. Dennoch wurde die Figur ihrer Meinung nach zu stark reduziert. In unserem Gespräch zeigt sich Frau Hoger, die einem breiten Fernsehpublikum durch die "Bella Block"-Krimis bekannt ist, als Verehrerin von Heinrich Mann. Auf seinen zwei Romanen basiert nämlich "Henri 4", der auf der Berlinale 2010 seine Premiere feierte.
erschienen am 3. 03. 2010
Central Film
Henri 4
Ricore: "Henri 4" basiert auf zwei historischen Romanen von Heinrich Mann. Kannten Sie sie bereits vor den Dreharbeiten?

Hannelore Hoger: Ja. Die beiden Romane "Die Jugend des Königs Henri Quatre" und "Die Vollendung des Königs Henri Quatre" sind zwei wundervolle Romane.

Ricore: Ihre Figur ist - salopp gesagt - ein intrigantes Schwein. Das ist was anderes als die üblichen Rolle von Hannelore Hoger...

Hoger: (lacht) Sie unterschätzen mich! Der Ausdruck "ein intrigantes Schwein" ist etwas albern, den Katherina de Medici ist das natürlich nicht. Diese Frau war eine große Politikerin, eine Intelektuelle, die 30 Jahre lang Königin von Frankreich war. Sie hat acht Kinder geboren, drei davon hat sie auf den Thron gehalten. Sie war eine Kämpferin für die Monarchie, nicht unbedingt für den Katholizismus. Ihr Vater war ein Medici, die berühmte Familie aus Italien. Ihre Mutter war eine französische Prinzessin. Mit nur einem Jahr wurde sie zur Waise. Sie stand im Schutz des Papstes, erbte die Religionskriege, die damals schon im Gange waren. Solche Kriege waren immer auch Machtkriege. Im Kloster wurde sie von Nonnen versteckt aufgezogen, da sie die Gegenseite als Pfand haben wollte. Später wurde sie als 14-Jährige mit dem französischen König Heinrich II. verheiratet. Das war damals so üblich.

Ricore: Am französischen Hof wurde sie aber gehasst.

Hoger: Natürlich. Sie hatte gegen allerhand Intrigen zu kämpfen. Stellen Sie sich das mal vor, am Hof, mit all den Schranzen, die mit schnellen Worten zur Hand sind, so wie Sie (lacht)! Aber natürlich, was Sie vorhin gesagt haben, das intrigante Schwein, ein Fünkchen Wahrheit steckt schon drin, vor allem durch die Verkürzungen des Films kommt dieser Eindruck verstärkt zur Geltung. Katharina de Medici steht aber für etwas. Sie war eine große Königin, hat ihren Mann geliebt, acht Kinder geboren, die natürlich etwas schräg waren. Aber sie musste versuchen, sie an verschiedene Königshäuser zu verheiraten. Das war damals so üblich. Man kann die Geschichte nicht aus der Zeit herauslösen.
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Hannelore Hoger als Katharina de Medici in "Henri 4"
Ricore: Hat es Sie enttäuscht, wie reduziert die Figur letztendlich im fertigen Film dargestellt wird?

Hoger: Wie ich Ihnen die Figur gerade geschildert habe, war im Film natürlich nicht so angelegt. Natürlich habe ich mit Jo Baier darüber gesprochen, aber er wollte das so haben. Sie ist natürlich mitverantwortlich für die Bartholomäusnacht, auch Pariser Bluthochzeit genannt, bei der Tausende Menschen getötet wurden. Sie musste damals reagieren, um nicht selber unterzugehen. Es herrschte ja Krieg. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Ich war nicht enttäuscht darüber, denn ich habe es ja gewusst und auch geahnt. Trotzdem hätte ich mir die Figur etwas komplexer gewünscht. In diesem Fall war das aber nicht möglich. Die historische Figur ist ja alles andere als einseitig - zumindest nach dem, was ich alles über sie gelesen habe.

Ricore: Glauben Sie, Heinrich Mann wäre mit der Umsetzung seiner Romane zufrieden?

Hoger: Das ist sehr schwer. Heinrich Mann wollte damals eine Gegenfigur zum Nationalsozialismus erschaffen. Heinrich von Navarra hat seine Religion immer wieder gewechselt, um Kriege zu verhindern. Insofern war er seiner Schwiegermutter nicht ganz fremd. Auch sie war eine Taktiererin. Vielleicht hatte Mann ja auch Goebbels im Sinn? Wer weiß das schon. Er war ja so geschickt, nicht alles über seine Bücher zu verraten. Das ist auch besser so. Denn wissen Sie, Schauspieler sind schon komische Leute, sie interessieren sich mehr für ihre Wirkung.

Ricore: Aber genau diese Anspielungen fehlen im Film.

Hoger: Klar, der Film ist sehr verkürzt. In den Büchern finden sich wunderbare Erzählungen. Beispielsweise schlich er immer verkleidet zu seiner Gabrielle, so vernarrt war er in sie. Einmal sagt er: "Die Wurzel meines Herzens ist tot. Sie wird nie wieder treiben." Das ist doch ein wunderbarer Satz. Aber solche Sachen finden sich auch in der heutigen Zeit wieder. Wir tun immer so, als sei das alles so weit weg. Dabei sind es nur 400 Jahre. Natürlich versuchen wir den Bogen zur Aktualität ziehen. Jo Baier hat sich dazu entschieden, die Geschichte in der Historie zu lassen. Aber er hat die Kostüme stilisiert.
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Hannelore Hoger als Katharina de Medici in "Henri 4"
Ricore: Ist es für Sie einfacher, eine historische oder eine fiktionale Figur zu spielen?

Hoger: Manchmal sind uns fiktive Figuren oder zeitgenössische Charaktere einfach näher. Aber ich komme ja vom Theater, da gibt es ja öfters historische Figuren. Auch dieser Konflikt, dass manche Figuren nicht ihre Entsprechung erhalten, ist dort bekannt. Nehmen Sie doch den "Baader Meinhof Komplex" als Beispiel. Der Film ist auch nicht so, wie es damals war, beileibe nicht. Dafür sind Sie alle zu jung, um das zu wissen.

Ricore: Gut, man kann das aber nachlesen.

Hoger: Klar, aber die Zeit, die Atmosphäre, der Geist von damals, das kann man höchstens in Dokumentarfilmen nachvollziehen. Solche Dinge sind eben schwer einzufangen. Klar wollte man den Flair in "Der Baader Meinhof Komplex" einfangen und nachstellen. Aber das ist ganz schwer. Wenn man aus der Distanz Geschichten erzählt, muss man vorher genau wissen, welcher Aspekt mich interessiert, wie ich ihn am besten übersetze und was ich eigentlich damit sagen will. Ich bin nicht der Regisseur. Ich kann ihm zwar manche Dinge sagen, wie er mich beleuchten soll beispielsweise. Aber meistens ist dann schon alles gelaufen. Der Vertrag ist unterschrieben. Und das Team gibt sich wahnsinnige Mühe. In einem Film steckt viel Arbeitszeit, guter Wille und der Wunsch, etwas Gutes herzustellen. Manchmal ist das Endprodukt eben nicht ganz gelungen.

Ricore: Es klingt so, als würden zwei Herzen in Ihrer Brust schlagen: Das der Schauspielerin und das der Regisseurin?

Hoger: Nein, ich bin erstens keine große Regisseurin. Ich habe einige Theaterinszenierungen gemacht, die ganz gut waren, aber mehr nicht. Was glauben Sie, was so ein Projekt wie "Henri 4" Kraft und Anstrengung kostet? Abgesehen von der Zeit? Als Regisseur muss man immer wieder Abstand gewinnen. Die einzelnen Szenen werden immer wieder auseinander gerupft. Hier den Überblick zu behalten, ist schon sehr schwierig. Aber wer nichts wagt, der wird auch nie gewinnen.

Ricore: Könnten Sie sich als Regisseurin in einem kleinen Projekt vorstellen?

Hoger: Ich will mich hier nicht als Regisseurin aufspielen. Das ist ein schwerer Beruf, ebenso wie jener der Schauspieler. Er wirkt nur so leicht, wenn etwas gelungen ist. Aber man täuscht sich.
ZDF/Stephan Persch
Hannelore Hoger in: Bella Block - Falsche Liebe
Ricore: Sie haben bei Lee Strasberg gelernt. Das bedeutet Intensität, Natürlichkeit und Verschmelzung mit der Rolle. Profitieren Sie heute noch davon?

Hoger: (lacht) Strasberg mochte mich sehr, aber er würde sagen "What's that"? Nein, ich verschmelze nicht mit einer Rolle. Das behaupten vielleicht einige, die Method Acting anwenden. Ich würde das so nicht unterschreiben, aber jeder Schauspieler sollte für sich selbst beantworten, wie er diese Methode für sich in seinem Beruf anwendet. Das ist ja nichts weiter, als dass Sie Ihre Klaviatur etwas besser kennenlernen. Es geht darum, Ihren persönlichen Ausdruck noch mehr zu vertiefen, zu verstärken. Der Schauspieler hat nur sich selbst als Instrument, das lernt er mit Hilfe dieser Methode besser zu beherrschen. Das andere ist: Ein Schauspieler ist abhängig vom Umfeld, in das er gesetzt wird, vom Drehbuch, von der Sprache, von den Kollegen, der Kamera.

Ricore: Was genau lernt man dann bei Lee Strasberg?

Hoger: Man lernt, dass der Schauspieler das macht, was der Regisseur von ihm will. Hinzu kommen die Maske und alles Drumherum, mit dem man zusätzlich arbeiten kann.

Ricore: Besitzen Sie noch dieselbe Leidenschaft für Ihren Beruf wie damals, als Sie angefangen haben?

Hoger: Ich hatte immer zwischendurch kleine Durchhänger. Manchmal fragt man sich, ob das, was man da macht, sinnvoll ist. Ich musste immer sehr viel arbeiten. Was meinen Sie, bei welch schrecklichen Produktionen ich schon mitgemacht habe? Allein am Theater? Ich habe viele Höhen und Tiefen gesehen und erlebt. Aber das gehört dazu. Da können Sie fragen, wen Sie wollen. Sie sehen das auch an meinem tollen Kollegen Christoph Waltz. Mit "Inglourious Basterds" bekam er die Gelegenheit und hat sie bravourös genutzt.

Ricore: Gab es mal einen Plan B?

Hoger: Zu diesem Beruf gehört manchmal einfach nur Glück und die Begegnung mit den richtigen Menschen im richtigen Augenblick. Das kann entscheidend sein. Manchmal hat man eben kein Glück. Einige meiner Begegnungen waren glückhaft, andere nicht. Aber im Moment sitze ich hier noch ganz vergnügt und halte durch (lacht).

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 3. März 2010
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