20th Century Fox
Christian Berkel
Füchsischer Gatte von Andrea Sawatzki
Interview: Christian Berkel: Spieltrieb ungebrochen
Synchronisiert hat Christian Berkel bisher nur sich selbst. Schließlich spielte der deutsche Schauspieler in einer Reihe internationaler Produktionen mit. Zuletzt in Tom Cruises "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat" und in Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds". Für den Animationsfilm "Der fantastische Mr. Fox" von Wes Anderson machte er eine Ausnahme und sprach die Titelfigur. Im Interview verrät er, warum es ihm nichts ausmacht, öfter mal den Nazi zu spielen, warum er mit einer Rolle als Kinderschänder aber sehr wohl Probleme hätte und wie sich das Zusammenleben mit seiner Freundin Andrea Sawatzki gestaltet.
erschienen am 13. 05. 2010
20th Century Fox
Andrea Sawatzki und Christian Berkel im Synchronstudio
Ricore: Kannten Sie das Buch "Der fantastsische Mr. Fox" bevor Ihnen das Drehbuch zur Synchronisation angeboten wurde?

Christian Berkel: Nein, ich kannte es nicht. Aber ich kannte den Autor Roald Dahl und zwar durch zwei seiner Bücher. Das eine hieß "Küsschen, Küsschen", das andere "Noch ein Küsschen". Das sind - ganz anders als der Titel andeutet - fantastische, überzeichnete, teilweise auch sehr skurrile und spannende Geschichten, eigentlich eher für Erwachsene. Ich habe dann erst durch diese Arbeit erfahren, dass er sehr viel für Kinder geschrieben hat.

Ricore: Ihre Söhne dürfen nicht viel fernsehen. Haben Sie den Film den beiden schon gezeigt?

Berkel: Noch nicht. Vielleicht gibt es eine kleine Family & Friends-Premiere. Zu der würde ich sie mitnehmen. Sonst versuchen wir ja immer, die beiden aus der Presse herauszuhalten.

Ricore: Ist "Der fantastische Mr. Fox" ein Kinderfilm?

Berkel: Ich glaube, es ist ein Film für die ganze Familie. Ich hab ihn als Erwachsener wahnsinnig gerne gesehen. Für unseren Großen ist das auf jeden Fall was, der ist zehn. Der Kleine ist sieben, der hat sicher auch schon Spaß daran.

Ricore: Sie haben auch das Hörbuch zum Film eingelesen. Es unterscheidet sich etwas vom Film, nicht wahr?

Berkel: Ja, im Buch gibt es nur den Sohn von Mr. und Mrs. Fox. Der Neffe, der bei der Familie wohnt, wurde dazuerfunden. Ich lese aber das ungekürzte Originalbuch.
20th Century Fox
Christian Berkel im Synchronstudio
Ricore: Haben Sie die Rolle auch angenommen, um einen Film für Ihre Kinder zu machen?

Berkel: Das wollte ich immer schon mal machen. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, als das Angebot kam. In den letzten Jahren waren die Angebote nicht so, dass die Filme immer kindertauglich waren. Ich habe mich nicht gezielt auf die Suche nach einem Kinderfilm begeben. Aber das tue ich sowieso nicht. Manchmal funktioniert es, dass man einen Wunsch äußert, der dann auch in der Presse kursiert und plötzlich wird einem so ein Drehbuch angeboten.

Ricore: Hätten Sie Lust, einmal Regie zu führen?

Berkel: Ja, das ist durchaus ein Thema für mich. Im Moment ist es schwierig, weil ich so viel drehe. Das ist eine Sache, die ich im Hinterkopf habe. Ich habe ja Ende der 1980er-Jahre eine Regie- und Drehbuchausbildung an der Deutschen Filmakademie gemacht. Aber dann habe ich gemerkt, so ganz ohne Spielen würde es für mich nicht gehen. Aber das ist etwas, das mich beschäftigt. Ich müsste mir dann allerdings ungefähr ein Jahr Zeit nehmen, in dem ich mich ziemlich stark auf so ein Projekt konzentriere.

Ricore: Im Film muss Mr. Fox seine Leidenschaft zu jagen aufgeben. Könnten Sie die Schauspielerei ganz lassen?

Berkel: Nein. Ganz aufgeben würde ich das nie. Ich glaube, ich werde spielen bis sie mich von der Kamera wegtragen oder von der Bühne. Mein "Spieltrieb" ist ungebrochen.

Ricore: Wie ist das in Ihrer Beziehung zu Andrea Sawatzki, die ja auch die Mrs. Fox spricht. Welche Kompromisse müssen da eingegangen werden?

Berkel: Darin sind wir über die Jahre sehr eingespielt. Wir hatten am Anfang ein paar Gespräche, in denen wir uns gefragt haben, wie wir damit umgehen, wenn etwa beide zur gleichen Zeit ein Angebot bekommen. Wir haben da eine ganz einfache Regelung: Es nimmt derjenige das Angebot an, der das interessantere hat. Wir haben uns beide zugetraut, das ehrlich zu entscheiden. Wir hatten das große Glück, dass wir niemals wirklich zu dieser Entscheidung gezwungen wurden. Wenn wir beide zur gleichen Zeit in Berlin drehen, macht das ja sowieso keinen Unterschied. Dann ist es, wie wenn andere Eltern beide zur Arbeit gehen.
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Christian Berkel
Ricore: Ist denn die Arbeit als Synchronsprecher einfacher mit der Familie zur vereinbaren?

Berkel: Ja. Der Zeitaufwand ist viel geringer. Man arbeitet am Tag nicht mehr als acht Stunden. Das ist beim Film selten so. Nach Drehschluss ist für den Schauspieler der Tag ja noch nicht zu ende. Da muss der Text für den nächsten Tag vorbereitet werden. Weil ich normalerweise nicht als Synchronsprecher arbeite, bereite ich mich womöglich da auch etwas intensiver vor, als Sprecher das normalerweise tun.

Ricore: Aber Sie haben viele Hörbucher eingesprochen...

Berkel: Das ist eine komplett andere Arbeit. Da bin ich über mehrere Tage allein am Mikrophon. Da bereite ich mich in der Regel sehr genau vor, fast wie auf eine Lesung. Da muss ich den Text ja so gut drauf haben, dass ich mich über einen Zeitraum von anderthalb Stunden überhaupt nicht verlese, dazu muss man einen Text schon sehr gut kennen. Bei einer Hörbuchaufnahme kann ich mich natürlich mal verlesen, aber wenn das zu oft vorkommt, wird es für alle Beteiligten mühsam.

Ricore: Erarbeiten Sie den Text für sich alleine zuhause oder im Studio mit Regie?

Berkel: Das meiste passiert im Studio. Beim Hörbuch geschieht das vielleicht noch intensiver. Es ist ja auch die Synchronisation eines Animationsfilms anders als wenn man einen Realfilm vertont. Wenn ein Schauspieler den Text im Original eingesprochen hat, dann muss ich seine Interpretation so gut wie möglich nachempfinden. Hier ging es um eine animierte Figur, der ich einen Teil, die Stimme hinzufüge. George Clooney hat Mr. Fox im Amerikanischen synchronisiert. Natürlich hat er die Figur nicht nur synchronisiert, sondern zum Teil mit erschaffen.

Ricore: Haben Sie sich die Clooney-Aufnahme angehört und versucht, seine Interpretation nachzuvollziehen?

Berkel: Nein. Das war nicht unsere Absicht. Ich fand Clooneys Arbeit toll. Schon allein was das Tempo angeht. Das ist sehr hoch. Aber das geben die Figuren selbst vor. Das hätte ich in jedem Fall so angelegt.
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Christian Berkel hat Spaß an seiner Arbeit
Ricore: Ist es einfacher, eine Animation zu synchronisieren, weil da die Übereinstimmung mit den Lippenbewegungen nicht ganz so exakt sein muss?

Berkel: Ich habe nicht so viele Erfahrungen mit anderen Synchronisationen. Viel schwerer ist es tatsächlich, sich selbst zu synchronisieren. Es gibt ja keine hundertprozentige Synchronität. Der Text ist eben so übersetzt, dass er so lippensynchron wie möglich ist.

Ricore: Sie sprechen Ihre Stimme für Englisch und Französisch selbst ein?

Berkel: Französisch immer, wenn ich es zeitlich schaffe. Da bin ich akzentfrei, ich bin ja zweisprachig aufgewachsen. Englisch kam in "Walküre" und anderen internationalen Produktionen vor. Da findet der Dreh ja schon auf Englisch statt und ich muss mich auf Deutsch synchronisieren.

Ricore: Sie haben häufiger mit Andrea Sawatzki zusammen gedreht und auch Hörbücher eingesprochen. Sagen Sie da schon mal: Den Auftrag übernehme ich nur, wenn sie auch dabei ist?

Berkel: Nein. Nie hat einer von uns den anderen einer Produktion aufgedrängt. Das ist eher umgekehrt. Oft kamen Angebote für uns beide, bei denen wir dann gesagt haben, das macht für den einen oder den anderen von uns keinen Sinn. Wir schauen schon sehr genau, ob es nur das Ziel ist, uns als Paar zu buchen, weil das in die PR-Strategie passt, oder ob es uns selbst und dem Zuschauer gegenüber Sinn macht. Ich glaube, wenn der Zuschauer sehen würde, die beiden treten immer im Doppelpack auf, würde das ganze sehr schnell nicht mehr funktionieren.

Ricore: Fällt es leichter, sich für eine Sprecher-Rolle zu entscheiden als für einen Schauspielauftritt.

Berkel: Es ist zwar eine andere Arbeit als das Spielen, aber in beiden Fällen kreiert man etwas, eine Figur oder eben einen Text. Maßstab für die Entscheidung ist in beiden Fällen die Frage, ob mich dieses Buch interessiert. Egal, ob Hörbuch oder Drehbuch. Ich frage mich, will ich diesen Stoff gerne auf der Leinwand sehen oder als Hörbuch hören. Wenn das gegeben ist, sage ich zu.

Ricore: Til Schweiger hat einmal gesagt, er wolle nie einen Nazi oder einen Kinderschänder spielen. Sie sind sehr häufig als Nazi besetzt worden. Muss ein Schauspieler nicht alles spielen können?

Berkel: Alles spielen muss er nicht. Schweiger sagt ja auch nur, er möchte nicht. Er will sich einfach nicht damit identifizieren. Das kann ich verstehen. Gerade, dass er ein Problem mit dem Kinderschänder hat, kann ich sehr gut nachvollziehen. Auch ich hätte damit große Probleme.

Ricore: Wovor hat man Angst, wenn man so eine Rolle spielen soll?

Berkel: Es gibt ja Schauspieler, die versuchen eher draußen zu bleiben, sich nicht so stark mit einer Figur zu identifizieren. Solche Schauspieler versuchen dann, eine Figur auch kritisch zu spielen. Zu denen gehöre ich nicht. Ich versuche immer, meine Figur zu verteidigen - auch eine negative Figur. Einfach, weil ich glaube, dass Menschen nicht grundsätzlich böse oder gut sind, sondern bestenfalls beim einen dies beim anderen jenes überwiegt. Ich muss eine Figur mögen. Und in diesem Fall käme ich tatsächlich in Schwierigkeiten, sie zu verteidigen.
erschienen am 13. Mai 2010
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Christian Berkel wird 1957 als Sohn einer jüdischen Mutter geboren. 1938 emigriert diese aus Nazi-Deutschland über Frankreich nach Argentinien und kehrt 1953, zwei Jahre vor Christians Geburt, in ihre Heimat zurück. Christian wird in Westberlin geboren und wächst in Frankreich und Deutschland auf.Marcel Marceau. In Ingmar Bergmans "Das Schlangenei" hat der 19jährige seinen ersten internationalen Auftritt. Seine Karriere als Filmschauspieler erreicht 2001 einen ersten Höhepunkt: Für seine Rolle..
Wes Anderson inszeniert mit Roald Dahls beliebten, gleichnamigen Kinderbuch erstmals einen Animationsfilm. "Der fantastische Mr. Fox" unterscheidet sich zwar in der Form von seinen bisherigen Arbeiten, nicht aber in seinem Humor. Das Abenteuer spielt seine volle Stärke in den leisen, zurückhaltenden Momenten aus. Dies gilt besonders, wenn eine gewisse Melancholie und Tristesse zum Vorschein kommt, nur um dem Publikum einen Moment später die Oberflächlichkeit unseres menschliches Daseins vor..
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