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Gaël García Bernal in "Mammut"
"Filmische Realität zu eigen machen"
Interview: Papa Gaël García Bernal
Gaël García Bernal ist in den letzten Jahren zu einem beliebten Charakterdarsteller herangewachsen, der auch schwierige Rollen übernimmt. In Lukas Moodyssons Drama "Mammut" schlüpft er in die Figur eines vielbeschäftigten Familienvaters, der seine Tochter vernachlässigt. Erst durch äußere Umstände gelingt es ihm, sich seine Fehler einzugestehen. Während des Interviews setzt Bernal sein verführerisch-mexikanisches Lächeln ein. Er klärt uns über die Notwendigkeit von Prioritäten auf und spricht darüber, wie er Familie und Beruf unter einen Hut bekommt.
erschienen am 9. 06. 2010
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Gaël García Bernal mit einem Befreiungssprung in "Mammut"
Ricore: Welche Erfahrungen konnten Sie während des Films sammeln?

Gaël García Bernal: Ich habe ja leider nur ein Drittel des Films mitbekommen, da ich ansonsten in Schweden und Thailand unterwegs war. Trotzdem war es ein großartiges und sehr ambitiöses Unterfangen. Es ist auf jeden Fall eine Geschichte, die sich leichter spielen, darstellen lässt, als man sie interpretieren kann. Aber in einen Satz, in Worte lässt es sich kaum fassen, was die Geschichte will. Das ist ein Zeichen dafür, dass wir es mit einer wunderbaren Geschichte mit viel Dichte und Komplexität zu tun haben. Wir sind alle in die Atmosphäre eingetaucht.

Ricore: Sie haben privat wie beruflich viel zu tun, sind ja auch Familienvater. Wie kriegen Sie das alles unter einen Hut?

Bernal: Irgendwie muss es ja unter einen Hut passen. Es gibt da ja keine Formel oder ein allgemeingültiges Rezept. Eine Familie ist immer eine eigene Welt, in der jeder in seiner eigenen Situation lebt. Aber genau das wird im Film ja auch thematisiert. Das Grundbedürfnis der Zuneigung ist ja etwas Universelles. Im Film ist das genau die Sache, die auf dem Spiel steht. Es wird sehr hoch gepokert. Dabei entsteht eine gewisse Unsicherheit in Bezug auf die Prioritäten, die vielleicht einfach nicht richtig gesetzt sind. Die Frage die Sie mir gestellt haben, ist eigentlich eine, die sich jeder selbst oft stellen muss. Wie bekommt man das hin? Wenn man die Lebensbereiche, Arbeit und Familie auseinander dividiert, dann klappt es nicht. Man muss es als ein großes Ganzes betrachten.
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Gaël García Bernals nachdenkliche Seite im Epos "Mammut"
Ricore: Inwieweit wurden Sie durch Ihre eigene Vaterrolle im Blick auf Familie beeinflusst? Sie haben ja erst kürzlich einen Sohn bekommen.

Bernal: Da war auf jeden Fall etwas. Es wäre ja auch schlecht für mich, wenn ich sagen würde, es hätte sich gar nichts getan. Genauso könnte man danach fragen, ob der erste Aufenthalt im Meer das Verhältnis zum Wasser verändert, oder? Für mich war es das zweite Mal, dass ich die Rolle eines Vaters im Film übernommen habe. Ich hatte noch nie so eine wundervolle Tochter. Natürlich fühlte ich mich von meiner eigenen Familie getrennt. Man macht die filmische Realität zu seiner eigenen, wenn man eine Rolle spielt. Man möchte durch sein Spiel schließlich auch etwas vermitteln. Aber klar, meine echte Familie hat meine Sichtweise natürlich in vielerlei Hinsicht beeinflusst.

Ricore: Erkennen Sie Parallelen zu "Babel"?

Bernal: Ich habe daran ja gearbeitet. Ich glaube, mit solchen Vergleichen muss man sehr vorsichtig sein. Klar gibt es auf den ersten Eindruck ein paar Parallelen und der Vergleich scheint nahe zu liegen. Aber in einem Punkt unterscheiden sie sich die beiden Filme ganz erheblich. Während es bei "Babel" eigentlich um Zufälle geht, stellen die Geschichten in diesem Film das Thema, um das es geht. Und ich glaube, das ist ein ganz großer Unterschied. In "Mammut" kann man sehen, dass es im Grunde viel abstraktere Verbindungen sind. Es geht um Zuneigung in einer Familie. In den beiden Filmen werden unterschiedliche Werkzeuge verwendet, um die Geschichten miteinander zu verknüpfen. "Mammut" ist ja nicht der erste Film, in dem ein Thema in unterschiedlichen Ländern betrachtet wird. Vielleicht rührt der Vergleich mit "Babel" auch daher, dass er noch relativ aktuell ist. Aber es gibt so viele Filme, die in Bezug auf die Verknüpfung von Geschichten Parallelen aufweisen.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 9. Juni 2010
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2024