Sony Pictures
Regisseurin Nicole Holofcener ("Friends with Money")
Alter Ego und Psychosen
Interview: Nicole Holofcener kann sparen
erschienen am 8. 07. 2010
Sony Pictures
Please Give
Ricore: Woher kommt Ihre Vorliebe für sonnengebräunte Menschen?
Nicole Holofcener: Das weiß ich nicht genau. Mary hat ja schon beinahe eine orange Hautfarbe. Meine Schwester ist auch immer sehr gebräunt. Bei ihr sieht es aber natürlicher aus. Ich glaube, wir haben das eher aus humoristischen Gründen eingebaut. Denn schließlich haben viele New Yorker die Angewohnheit, in Sonnenstudios zu gehen und es mit der Farbe zu übertreiben.
Ricore: Wenn man Ihre Filme kennt, kennt man dann auch Sie?
Holofcener: Vielleicht. Ich weiß es nicht. Es ist nicht so, dass ich mich vor der Öffentlichkeit verstecke. Und tatsächlich teile ich mich durch meine Filme mit. Man kann fast sagen, dass ich durch sie gewachsen bin.
Ricore: Hatten die Schauspieler bei "Please Give" die Möglichkeit, ihre Figuren selbst mit zu entwickeln?
Holofcener: Ja, auf jeden Fall. Vor allem, wenn die Figur überhaupt keine Ähnlichkeit mit mir hat und ich selbst nicht genau wusste, wie und wer sie überhaupt sind. Manchmal ist es so, dass mir die Schauspieler Fragen stellen, ich aber die Antworten darauf nicht weiß. Dann sage ich ihnen: "Mach einfach mal!" Ich bin für gute Ideen stets offen, vor allem vor den Dreharbeiten. Danach wäre es gut, wenn alles fertig ist und wir nicht mehr viel improvisieren müssten.
Ricore: Ausgenommen Catherine Keener, Ihr Alter Ego...
Holofcener: Ja, Catherine ist mein Alter Ego und auch meine Muse. Wenn ich Drehbücher schreibe, stelle ich sie mir vor meinem inneren Auge vor. Das hilft mir. Sie hat immer gute Ideen und korrigiert und verbessert mich die ganze Zeit.
Ricore: Sie führt also über Sie Regie?
Holofcener: (lacht) Wir arbeiten eher zusammen als dass jemand den anderen führt. Catherine und ich kennen uns schon lange und haben schon mehrmals zusammengearbeitet. Wenn sie Änderungswünsche oder -vorschläge hat, dann aus gutem Grund. Das hat nichts mit Geringschätzung oder Missachtung meiner Arbeit zu tun.
Nicole Holofcener: Das weiß ich nicht genau. Mary hat ja schon beinahe eine orange Hautfarbe. Meine Schwester ist auch immer sehr gebräunt. Bei ihr sieht es aber natürlicher aus. Ich glaube, wir haben das eher aus humoristischen Gründen eingebaut. Denn schließlich haben viele New Yorker die Angewohnheit, in Sonnenstudios zu gehen und es mit der Farbe zu übertreiben.
Ricore: Wenn man Ihre Filme kennt, kennt man dann auch Sie?
Holofcener: Vielleicht. Ich weiß es nicht. Es ist nicht so, dass ich mich vor der Öffentlichkeit verstecke. Und tatsächlich teile ich mich durch meine Filme mit. Man kann fast sagen, dass ich durch sie gewachsen bin.
Ricore: Hatten die Schauspieler bei "Please Give" die Möglichkeit, ihre Figuren selbst mit zu entwickeln?
Holofcener: Ja, auf jeden Fall. Vor allem, wenn die Figur überhaupt keine Ähnlichkeit mit mir hat und ich selbst nicht genau wusste, wie und wer sie überhaupt sind. Manchmal ist es so, dass mir die Schauspieler Fragen stellen, ich aber die Antworten darauf nicht weiß. Dann sage ich ihnen: "Mach einfach mal!" Ich bin für gute Ideen stets offen, vor allem vor den Dreharbeiten. Danach wäre es gut, wenn alles fertig ist und wir nicht mehr viel improvisieren müssten.
Ricore: Ausgenommen Catherine Keener, Ihr Alter Ego...
Holofcener: Ja, Catherine ist mein Alter Ego und auch meine Muse. Wenn ich Drehbücher schreibe, stelle ich sie mir vor meinem inneren Auge vor. Das hilft mir. Sie hat immer gute Ideen und korrigiert und verbessert mich die ganze Zeit.
Ricore: Sie führt also über Sie Regie?
Holofcener: (lacht) Wir arbeiten eher zusammen als dass jemand den anderen führt. Catherine und ich kennen uns schon lange und haben schon mehrmals zusammengearbeitet. Wenn sie Änderungswünsche oder -vorschläge hat, dann aus gutem Grund. Das hat nichts mit Geringschätzung oder Missachtung meiner Arbeit zu tun.
Sony Pictures
Catherine Keener und Nicole Holofcener sind gut befreundet
Ricore: Lieben Sie Ihre Charaktere?
Holofcener: Hmm - wenn ich eine Figur schreibe, die sehr schlimme Dinge gemacht hat, dann glaube ich, muss ich sie nicht mögen, um die Geschichte gut zu erzählen. Aber darüber denke ich ehrlich gesagt nicht wirklich nach. Sollte ich?
Ricore: Wie viel Ihrer Persönlichkeit steckt im Skript von "Please Give"?
Holofcener: Mehr als mir lieb ist. All meine Drehbücher sind persönlich. Klar, es sind meist Komödien, aber ich schütte sie immer mit dramatischen Elementen voll. Leuten, die Affären haben oder denen irgendwelche Sachen passieren. Zwar geschieht meinen Figuren immer mehr als mir selbst, aber die Ausgangsbotschaft kommt von mir.
Ricore: Dann sind Sie eigentlich Kate, Catherine Keeners Filmfigur?
Holofcener: Ja und nein. Unsere Charaktere unterscheiden sich sehr, aber ich habe ihr all meine Probleme aufgehalst (lacht). Ich bin dümmer als sie. Definitiv.
Ricore: Sie leiden also unter der sozialen Ungerechtigkeit?
Holofcener: Ja, das setzt mir sehr zu. Einerseits mein Wohlstand, andrerseits das Leid direkt vor meiner Haustür. Wie soll man da leben? Dieser Gegensatz setzt mir zu. Sie müssen wissen, ich bin in New York aufgewachsen. Als Kind haben mich Obdachlose einmal total angewidert, ein anderes Mal taten sie mir leid. Als ich sieben Jahre alt war, sah ich wie ein Mann auf der Straße mit einem Messer verfolgt wurde.
Holofcener: Hmm - wenn ich eine Figur schreibe, die sehr schlimme Dinge gemacht hat, dann glaube ich, muss ich sie nicht mögen, um die Geschichte gut zu erzählen. Aber darüber denke ich ehrlich gesagt nicht wirklich nach. Sollte ich?
Ricore: Wie viel Ihrer Persönlichkeit steckt im Skript von "Please Give"?
Holofcener: Mehr als mir lieb ist. All meine Drehbücher sind persönlich. Klar, es sind meist Komödien, aber ich schütte sie immer mit dramatischen Elementen voll. Leuten, die Affären haben oder denen irgendwelche Sachen passieren. Zwar geschieht meinen Figuren immer mehr als mir selbst, aber die Ausgangsbotschaft kommt von mir.
Ricore: Dann sind Sie eigentlich Kate, Catherine Keeners Filmfigur?
Holofcener: Ja und nein. Unsere Charaktere unterscheiden sich sehr, aber ich habe ihr all meine Probleme aufgehalst (lacht). Ich bin dümmer als sie. Definitiv.
Ricore: Sie leiden also unter der sozialen Ungerechtigkeit?
Holofcener: Ja, das setzt mir sehr zu. Einerseits mein Wohlstand, andrerseits das Leid direkt vor meiner Haustür. Wie soll man da leben? Dieser Gegensatz setzt mir zu. Sie müssen wissen, ich bin in New York aufgewachsen. Als Kind haben mich Obdachlose einmal total angewidert, ein anderes Mal taten sie mir leid. Als ich sieben Jahre alt war, sah ich wie ein Mann auf der Straße mit einem Messer verfolgt wurde.
Sony Pictures
Nicole Holofcener am Set von "Please Give"
Ricore: Sie lebten in einer gefährlichen Gegend?
Holofcener: Bin ich aus der Haustüre raus und links eingebogen, war es vollkommen sicher. Bog ich nach rechts ab, habe ich alle möglichen Menschen gesehen. Obdachlose, Drogenabhängige, Gangster. Man musste nur die Augen öffnen vor der Armut, die es dort gab. Heute bin ich dankbar dafür, dass ich am Leben bin. Das haben nicht alle aus meinem Viertel geschafft.
Ricore: Siedelten Sie die Handlung deshalb in New York an?
Holofcener: Ja, das war sicherlich mit ein Grund. Ich finde, woanders hätte sie gar nicht hingepasst. Ich wollte, dass man Obdachlose immer und überall sieht, an jeder Straßenecke. Das habe ich in bestimmten Gegenden in New York. Ich lebe heute in Venice, Kalifornien, auch dort gibt es Obdachlose wohin man schaut. Aber dort fahre ich mit dem Auto an ihnen vorbei. Wenn ich ihnen etwas geben will, halte ich an und steige aus. Es ist eine andere Situation als in New York.
Ricore: Glaube Sie, dass soziale Bedingungen unsere Beziehungen beherrschen?
Holofcener: Ja, ich denke schon. Ich meine, jemand aus einer gebildeten Schicht wird sich eher selten mit jemand aus einer ungebildeten Schicht einlassen, oder? Ich merke es ja selbst an mir und meinem Freundeskreis. Wir kommen alle mehr oder weniger aus ähnlichen Verhältnissen. Daher wollte ich auch das Ende des Films so haben. Ich kann es nicht beschreiben, es war einfach Intuition. Ich meine das Glück einer Tochter ist für Eltern doch unbezahlbar, oder nicht?
Ricore: Haben Künstler eine gewisse soziale Verantwortung
Holofcener: Wenn ich eine Verantwortung spüren würde, wäre ich wie paralysiert und kaum mehr imstande, meiner Arbeit nachzugehen. Ich glaube auch, dass die meisten kreativen Personen so fühlen und denken. Wenn ich danach handeln würde, wäre das Ergebnis wahrscheinlich prätentiös und langweilig. Ich als Regisseurin möchte keine Lehren verbreiten und schon gar nicht mit erhobenem Zeigefinger auf etwas zeigen.
Holofcener: Bin ich aus der Haustüre raus und links eingebogen, war es vollkommen sicher. Bog ich nach rechts ab, habe ich alle möglichen Menschen gesehen. Obdachlose, Drogenabhängige, Gangster. Man musste nur die Augen öffnen vor der Armut, die es dort gab. Heute bin ich dankbar dafür, dass ich am Leben bin. Das haben nicht alle aus meinem Viertel geschafft.
Ricore: Siedelten Sie die Handlung deshalb in New York an?
Holofcener: Ja, das war sicherlich mit ein Grund. Ich finde, woanders hätte sie gar nicht hingepasst. Ich wollte, dass man Obdachlose immer und überall sieht, an jeder Straßenecke. Das habe ich in bestimmten Gegenden in New York. Ich lebe heute in Venice, Kalifornien, auch dort gibt es Obdachlose wohin man schaut. Aber dort fahre ich mit dem Auto an ihnen vorbei. Wenn ich ihnen etwas geben will, halte ich an und steige aus. Es ist eine andere Situation als in New York.
Ricore: Glaube Sie, dass soziale Bedingungen unsere Beziehungen beherrschen?
Holofcener: Ja, ich denke schon. Ich meine, jemand aus einer gebildeten Schicht wird sich eher selten mit jemand aus einer ungebildeten Schicht einlassen, oder? Ich merke es ja selbst an mir und meinem Freundeskreis. Wir kommen alle mehr oder weniger aus ähnlichen Verhältnissen. Daher wollte ich auch das Ende des Films so haben. Ich kann es nicht beschreiben, es war einfach Intuition. Ich meine das Glück einer Tochter ist für Eltern doch unbezahlbar, oder nicht?
Ricore: Haben Künstler eine gewisse soziale Verantwortung
Holofcener: Wenn ich eine Verantwortung spüren würde, wäre ich wie paralysiert und kaum mehr imstande, meiner Arbeit nachzugehen. Ich glaube auch, dass die meisten kreativen Personen so fühlen und denken. Wenn ich danach handeln würde, wäre das Ergebnis wahrscheinlich prätentiös und langweilig. Ich als Regisseurin möchte keine Lehren verbreiten und schon gar nicht mit erhobenem Zeigefinger auf etwas zeigen.
Sony Pictures
Oliver Platt in "Please Give"
Ricore: Realität in Filmen abzubilden inkludiert aber auch stets eine gewisse Verantwortung, nicht? Sie zeigen ja nicht nur die sonnige Seite des Lebens.
Holofcener: Für mich fühlt sich das nicht wie Verantwortung an. Als Filmemacherin bin ich nur mir selbst gegenüber verantwortlich, eine gute Geschichte zu erzählen. Ich will nicht etwas schaffen, für das ich mich schäme oder das mich in Verlegenheit bringt. Ich fühle eine Verantwortung gegenüber meinen Figuren, vor allem möchte ich Frauen ehrlich portraitieren. Aber selbst das ist etwas Persönliches. Ich gehe nämlich nicht ins Kino, um mir Lügen anzusehen, daher will ich meine Figuren ehrlich darstellen.
Ricore: Wirken Ihre Figuren daher so normal, so bürgerlich, die sich durchaus auch mal Fehler leisten, wie echte Menschen?
Holofcener: Ja. Ich schreibe nie bewusst nette oder liebenswerte Personen. Wenn ich über jemand schreibe, dann mag ich diese Person ja schon und sie interessiert mich. Mein Problem mit Hollywoodfilmen ist dies, dass die meisten Figuren, vor allem Frauen, schwarz/weiß sind. Die meisten sind organisiert, motiviert, engagiert, kriegen alles unter einem Hut, tragen die schönsten und teuersten Kleider, weil sie die tollsten Figuren haben. In der Küche ist immer alles aufgeräumt und voller Lebensmittel. Und sie sind Single. Haben sie dann mal einen Freund, werden sie schlampig und desorganisiert. Aber so ist das Leben nicht. Und das frustriert mich.
Ricore: Aber anscheinend werden solche Filme immer wieder finanziert.
Holofcener: Ja, wenn Sony Classics nicht gewesen wäre, gäbe es "Please Give" heute nicht. Ich weiß nicht, ob jemand anderes uns finanziert hätte, denn alle haben über mein Drehbuch nur den Kopf geschüttelt. Es gab zwar viele, die gesagt haben, sie würden liebend gerne mit mir einen Film drehen, da ihnen mein letztes Projekt gut gefallen habe, aber dieses Drehbuch könnten Sie nicht machen. Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, dass ein Film ohne eine weibliche Hauptrolle funktioniere. Den meisten war das Thema auch zu ernst. Sie haben mir vorgeschlagen, eine weibliche Hauptrolle reinzuschreiben, dann hätte ich einen großen Hollywoodstar dafür gekriegt wäre alles gut gewesen.
Ricore: Sie haben sich aber geweigert?
Holofcener: Klar, am Ende wurde "Please Give" eine Low-Budget-Produktion. Ich habe mir Geld von Freunden geborgt und in ihren Appartement gedreht. Ich frage mich, ob das jemals aufhört. Ich will ja nicht einmal 30 Millionen Euro. Meistens ist soviel Geld nur Verschwendung, vor allem bei so einem Film.
Holofcener: Für mich fühlt sich das nicht wie Verantwortung an. Als Filmemacherin bin ich nur mir selbst gegenüber verantwortlich, eine gute Geschichte zu erzählen. Ich will nicht etwas schaffen, für das ich mich schäme oder das mich in Verlegenheit bringt. Ich fühle eine Verantwortung gegenüber meinen Figuren, vor allem möchte ich Frauen ehrlich portraitieren. Aber selbst das ist etwas Persönliches. Ich gehe nämlich nicht ins Kino, um mir Lügen anzusehen, daher will ich meine Figuren ehrlich darstellen.
Ricore: Wirken Ihre Figuren daher so normal, so bürgerlich, die sich durchaus auch mal Fehler leisten, wie echte Menschen?
Holofcener: Ja. Ich schreibe nie bewusst nette oder liebenswerte Personen. Wenn ich über jemand schreibe, dann mag ich diese Person ja schon und sie interessiert mich. Mein Problem mit Hollywoodfilmen ist dies, dass die meisten Figuren, vor allem Frauen, schwarz/weiß sind. Die meisten sind organisiert, motiviert, engagiert, kriegen alles unter einem Hut, tragen die schönsten und teuersten Kleider, weil sie die tollsten Figuren haben. In der Küche ist immer alles aufgeräumt und voller Lebensmittel. Und sie sind Single. Haben sie dann mal einen Freund, werden sie schlampig und desorganisiert. Aber so ist das Leben nicht. Und das frustriert mich.
Ricore: Aber anscheinend werden solche Filme immer wieder finanziert.
Holofcener: Ja, wenn Sony Classics nicht gewesen wäre, gäbe es "Please Give" heute nicht. Ich weiß nicht, ob jemand anderes uns finanziert hätte, denn alle haben über mein Drehbuch nur den Kopf geschüttelt. Es gab zwar viele, die gesagt haben, sie würden liebend gerne mit mir einen Film drehen, da ihnen mein letztes Projekt gut gefallen habe, aber dieses Drehbuch könnten Sie nicht machen. Sie konnten sich einfach nicht vorstellen, dass ein Film ohne eine weibliche Hauptrolle funktioniere. Den meisten war das Thema auch zu ernst. Sie haben mir vorgeschlagen, eine weibliche Hauptrolle reinzuschreiben, dann hätte ich einen großen Hollywoodstar dafür gekriegt wäre alles gut gewesen.
Ricore: Sie haben sich aber geweigert?
Holofcener: Klar, am Ende wurde "Please Give" eine Low-Budget-Produktion. Ich habe mir Geld von Freunden geborgt und in ihren Appartement gedreht. Ich frage mich, ob das jemals aufhört. Ich will ja nicht einmal 30 Millionen Euro. Meistens ist soviel Geld nur Verschwendung, vor allem bei so einem Film.
Sony Pictures
Rebecca Hall in "Please Give"
Ricore: Rebecca Hall meinte, Sie hätten sie nicht engagiert, wäre sie berühmt gewesen. Stimmt das?
Holofcener: Das ist lustig. Ich mag es, unverbrauchte Gesichter zu nehmen, jemanden zu entdecken, bevor es wer anderer macht. Man kann in diese Personen seine eigenen Visionen hinein projizieren. Schauen Sie Sandra Bullock an: Sie ist eine wunderbare Schauspielerin, aber man vergleicht sie immer mit bestimmten Rollen und Figuren. Jemanden zu finden, der neu, unverbraucht und talentiert ist, ist eine Herausforderung. Es ist jetzt nicht so, dass ich Rebecca Hall entdeckt hätte, sie hat ja schon in einigen Projekten mitgewirkt. Aber sie war noch nie als Engländerin zu sehen. Die meisten sind geschockt wenn sie das erfahren. Und das ist großartig.
Ricore: Genauso gut wäre es eine Herausforderung, das Image eines Schauspielers zu ändern…
Holofcener: Klar, das wäre sogar eine großartige Herausforderung. Zum Teil versuche ich das ja mit Amanda Peet. Der Großteil des Publikums kennt sie aus romantischen Komödien, wo sie stets lustig und sexy ist. In "Please Give" verkörpert sie aber einen traurigen Charakter. Es ist schade, dass sehr viele gute Schauspielerinnen auf Stereotypen festgelegt werden, obwohl sie gerne auch andere Rollen annehmen würden.
Ricore: Könnten Sie sich vorstellen, Regie bei einem komplett anderen Filmstoff zu führen?
Holofcener: Schon, aber Science Fiction kann ich mir beispielsweise nicht vorstellen (lacht). Das interessiert mich einfach nicht. Wenn es aber gute Figuren sind, warum nicht? Ich meine, ich würde keine Verfolgungsjagden etc. inszenieren, weil mich das langweilt, aber man soll ja auch seine Augen und Ohren offen halten, nicht? Ich habe einmal einen Mystery-Roman adaptiert. Ich liebte das Buch und konnte es nicht mehr aus den Händen legen. Während dem Schreiben habe ich dann einige Charaktere und Handlungsstränge hinzugefügt, sodass das Drehbuch noch etwas dunkler als der Roman ist.
Ricore: Ohne Komik also?
Holofcener: Nein, also, das Buch ist nicht lustig, aber Humor ist immer und überall dabei, für mich zumindest. Tatsächlich ist das Drehbuch recht dunkel gehalten und ich hoffe, ich kann es verkaufen und es auch realisieren. Das wäre eine echte Herausforderung, weil ich so etwas noch nie gemacht habe.
Holofcener: Das ist lustig. Ich mag es, unverbrauchte Gesichter zu nehmen, jemanden zu entdecken, bevor es wer anderer macht. Man kann in diese Personen seine eigenen Visionen hinein projizieren. Schauen Sie Sandra Bullock an: Sie ist eine wunderbare Schauspielerin, aber man vergleicht sie immer mit bestimmten Rollen und Figuren. Jemanden zu finden, der neu, unverbraucht und talentiert ist, ist eine Herausforderung. Es ist jetzt nicht so, dass ich Rebecca Hall entdeckt hätte, sie hat ja schon in einigen Projekten mitgewirkt. Aber sie war noch nie als Engländerin zu sehen. Die meisten sind geschockt wenn sie das erfahren. Und das ist großartig.
Ricore: Genauso gut wäre es eine Herausforderung, das Image eines Schauspielers zu ändern…
Holofcener: Klar, das wäre sogar eine großartige Herausforderung. Zum Teil versuche ich das ja mit Amanda Peet. Der Großteil des Publikums kennt sie aus romantischen Komödien, wo sie stets lustig und sexy ist. In "Please Give" verkörpert sie aber einen traurigen Charakter. Es ist schade, dass sehr viele gute Schauspielerinnen auf Stereotypen festgelegt werden, obwohl sie gerne auch andere Rollen annehmen würden.
Ricore: Könnten Sie sich vorstellen, Regie bei einem komplett anderen Filmstoff zu führen?
Holofcener: Schon, aber Science Fiction kann ich mir beispielsweise nicht vorstellen (lacht). Das interessiert mich einfach nicht. Wenn es aber gute Figuren sind, warum nicht? Ich meine, ich würde keine Verfolgungsjagden etc. inszenieren, weil mich das langweilt, aber man soll ja auch seine Augen und Ohren offen halten, nicht? Ich habe einmal einen Mystery-Roman adaptiert. Ich liebte das Buch und konnte es nicht mehr aus den Händen legen. Während dem Schreiben habe ich dann einige Charaktere und Handlungsstränge hinzugefügt, sodass das Drehbuch noch etwas dunkler als der Roman ist.
Ricore: Ohne Komik also?
Holofcener: Nein, also, das Buch ist nicht lustig, aber Humor ist immer und überall dabei, für mich zumindest. Tatsächlich ist das Drehbuch recht dunkel gehalten und ich hoffe, ich kann es verkaufen und es auch realisieren. Das wäre eine echte Herausforderung, weil ich so etwas noch nie gemacht habe.
Paramount Pictures
Sex and the City - The Pink Edition
Ricore: Sie haben vier Episoden von "Sex and the City" gedreht. Hat Ihnen die Fernseharbeit etwas fürs Kino gebracht?
Holofcener: Ich sehe Fernsehen und Kino nicht als zwei unterschiedliche Dinge. "Sex and the City" war auch nicht meine Show, ich wurde nur engagiert. Aber ich habe sie geguckt, auch wenn ich nicht dafür gearbeitet hätte. Niemand weiß so genau, was einem wirklich beeinflusst und was nicht.
Ricore: Es gibt in den USA so viele herausragende TV-Serien, dass sie manchmal sogar das Kino überschatten.
Holofcener: Sie haben absolut Recht. Gute Arbeit ist gute Arbeit. Daran kann man nicht rütteln. Es ist beispielsweise unglaublich schwer, Kinofilme zu realisieren, die auf Charakteren beruhen. Daher habe ich auch diese TV-Angebote angenommen, weil sie qualitativ hochwertig waren, wie "Six Feet Under - Gestorben wird immer". Ich bin sehr stolz darauf, das gemacht zu haben. Es ist manchmal inspirierender, im Fernsehen zu arbeiten, da das US-Kino nicht immer so toll ist, glauben Sie mir.
Ricore: Haben Sie schon mal überlegt, eine eigene Serie zu kreieren?
Holofcener: Das wäre mit Sicherheit eine interessante Herausforderung, die ich sehr gerne annehmen würde. Tatsächlich wurden mir solche Angebote schon mal gemacht. Und demnächst werde ich einen Pilotfilm inszenieren, der dann auf HBO laufen wird. Allerdings hat den jemand anderes geschrieben. Es ist aber lustig, dass Sie das ansprechen. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, die Figuren aus meinen Filmen weiter zu entwickeln. Denn ist der Film erst einmal fertig, dann ist es vorbei und ich möchte etwas Neues schaffen.
Ricore: Was sind die negativen Seiten des Independent-Kinos?
Holofcener: Geld. Man hat immer zu wenig davon. Und Drehorte, die sind auch immer rar gesät, wenn man kein Geld hat, sich Studios zu mieten. Das sind die grundlegendsten Probleme. Zeit ist auch Mangelware, aber die hätte man mit mehr Geld. Letztendlich läuft alles aufs Geld hinaus. So traurig das ist. Dennoch ist für mich Independent-Kino wunderbar, das ich niemals aufgeben würde. Niemand sagt mir, was ich zu tun habe. Ich habe das letzte Wort über den Schnitt, über den Cast, über die Musik. Ich kann über alles entscheiden. Independent bedeutet Freiheit, gerade weil wenig Geld im Spiel ist. Klar würde ich gerne mit zehn Millionen Dollar arbeiten. Ich weiß aber auch, dass dieses Geld seinen Preis hat. Wenn der Preis zu hoch ist, dann lieber Low-Budget-Produktionen.
Holofcener: Ich sehe Fernsehen und Kino nicht als zwei unterschiedliche Dinge. "Sex and the City" war auch nicht meine Show, ich wurde nur engagiert. Aber ich habe sie geguckt, auch wenn ich nicht dafür gearbeitet hätte. Niemand weiß so genau, was einem wirklich beeinflusst und was nicht.
Ricore: Es gibt in den USA so viele herausragende TV-Serien, dass sie manchmal sogar das Kino überschatten.
Holofcener: Sie haben absolut Recht. Gute Arbeit ist gute Arbeit. Daran kann man nicht rütteln. Es ist beispielsweise unglaublich schwer, Kinofilme zu realisieren, die auf Charakteren beruhen. Daher habe ich auch diese TV-Angebote angenommen, weil sie qualitativ hochwertig waren, wie "Six Feet Under - Gestorben wird immer". Ich bin sehr stolz darauf, das gemacht zu haben. Es ist manchmal inspirierender, im Fernsehen zu arbeiten, da das US-Kino nicht immer so toll ist, glauben Sie mir.
Ricore: Haben Sie schon mal überlegt, eine eigene Serie zu kreieren?
Holofcener: Das wäre mit Sicherheit eine interessante Herausforderung, die ich sehr gerne annehmen würde. Tatsächlich wurden mir solche Angebote schon mal gemacht. Und demnächst werde ich einen Pilotfilm inszenieren, der dann auf HBO laufen wird. Allerdings hat den jemand anderes geschrieben. Es ist aber lustig, dass Sie das ansprechen. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, die Figuren aus meinen Filmen weiter zu entwickeln. Denn ist der Film erst einmal fertig, dann ist es vorbei und ich möchte etwas Neues schaffen.
Ricore: Was sind die negativen Seiten des Independent-Kinos?
Holofcener: Geld. Man hat immer zu wenig davon. Und Drehorte, die sind auch immer rar gesät, wenn man kein Geld hat, sich Studios zu mieten. Das sind die grundlegendsten Probleme. Zeit ist auch Mangelware, aber die hätte man mit mehr Geld. Letztendlich läuft alles aufs Geld hinaus. So traurig das ist. Dennoch ist für mich Independent-Kino wunderbar, das ich niemals aufgeben würde. Niemand sagt mir, was ich zu tun habe. Ich habe das letzte Wort über den Schnitt, über den Cast, über die Musik. Ich kann über alles entscheiden. Independent bedeutet Freiheit, gerade weil wenig Geld im Spiel ist. Klar würde ich gerne mit zehn Millionen Dollar arbeiten. Ich weiß aber auch, dass dieses Geld seinen Preis hat. Wenn der Preis zu hoch ist, dann lieber Low-Budget-Produktionen.
Sony Pictures
Nicole Holofcener und ihre Freundin und Hauptdarstellerin Catherine Keener am Set von "Please Give"
Ricore: Die andere Sache ist, dass sehr viele gute Filme keinen Verleih finden.
Holofcener: Ja, das ist schockierend. Manchmal gehe ich in Videoläden und finde tolle Filme mit großartigen Schauspielern, von den Titeln aber habe ich noch nie gehört. Man meint, wenn Michelle Pfeiffer in einem Film mitmacht, findet der sicher einen Verleih. Gute Namen sind aber schon lange keine Garantie mehr. Das ist Angst einflößend. Ich mache mir jetzt schon Sorgen, wie ich meinen nächsten Film realisieren soll. Wahrscheinlich muss ich ihn im Haus meiner Mutter drehen. Sie würde auf jeden Fall ja sagen (lacht).
Ricore: Mit Ihnen in der Hauptrolle?
Holofcener: Ja genau. Ich werde dann alle Rollen übernehmen (lacht). Ich bin sicher, die Leute würden regelrecht die Kinos stürmen, um den Film zu sehen.
Ricore: Haben Sie sich schon mal als Schauspielerin versucht?
Holofcener: Ja, das habe ich tatsächlich. In einem fünfminütigen Kurzfilm habe ich mich mal selbst gespielt. Das war genug. Ich mag es nicht, mich auf der Leinwand zu sehen. Außerdem finde ich es enorm schwierig, über einen selbst Regie zu führen. Aber ich habe es zumindest versucht.
Ricore: Würden Sie auch auf Video drehen?
Holofcener: Mir ist es egal, mit welchem Material ich arbeite. Ich bin nicht wählerisch. Mir geht es in erster Linie darum, eine gute Geschichte zu erzählen, das kann man sowohl auf Video, auf Film oder auch in animierter Form. Das spielt keine Rolle.
Ricore: Hilft Ihnen die Berlinale, den Film in Amerika zu vertreiben?
Holofcener: Auf jeden Fall. Der Bär ist dann überall auf dem Filmposter zu sehen! Wie ein Stempel, der für Qualität bürgt (lacht).
Ricore: Ist der Bär in Amerika überhaupt bekannt?
Holofcener: Amerikaner wissen zumindest, was ein Stempel bedeutet, nämlich dass etwas gut ist (lacht). Klar hilft das was, deshalb wollen die Studios auch ihre Filme bei diversen Festivals unterbringen. Das bringt Aufmerksamkeit. Sie müssen schon wissen, warum sie uns alle herschicken und uns Interviews machen lassen. Das bringt gute Presse.
Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
Holofcener: Ja, das ist schockierend. Manchmal gehe ich in Videoläden und finde tolle Filme mit großartigen Schauspielern, von den Titeln aber habe ich noch nie gehört. Man meint, wenn Michelle Pfeiffer in einem Film mitmacht, findet der sicher einen Verleih. Gute Namen sind aber schon lange keine Garantie mehr. Das ist Angst einflößend. Ich mache mir jetzt schon Sorgen, wie ich meinen nächsten Film realisieren soll. Wahrscheinlich muss ich ihn im Haus meiner Mutter drehen. Sie würde auf jeden Fall ja sagen (lacht).
Ricore: Mit Ihnen in der Hauptrolle?
Holofcener: Ja genau. Ich werde dann alle Rollen übernehmen (lacht). Ich bin sicher, die Leute würden regelrecht die Kinos stürmen, um den Film zu sehen.
Ricore: Haben Sie sich schon mal als Schauspielerin versucht?
Holofcener: Ja, das habe ich tatsächlich. In einem fünfminütigen Kurzfilm habe ich mich mal selbst gespielt. Das war genug. Ich mag es nicht, mich auf der Leinwand zu sehen. Außerdem finde ich es enorm schwierig, über einen selbst Regie zu führen. Aber ich habe es zumindest versucht.
Ricore: Würden Sie auch auf Video drehen?
Holofcener: Mir ist es egal, mit welchem Material ich arbeite. Ich bin nicht wählerisch. Mir geht es in erster Linie darum, eine gute Geschichte zu erzählen, das kann man sowohl auf Video, auf Film oder auch in animierter Form. Das spielt keine Rolle.
Ricore: Hilft Ihnen die Berlinale, den Film in Amerika zu vertreiben?
Holofcener: Auf jeden Fall. Der Bär ist dann überall auf dem Filmposter zu sehen! Wie ein Stempel, der für Qualität bürgt (lacht).
Ricore: Ist der Bär in Amerika überhaupt bekannt?
Holofcener: Amerikaner wissen zumindest, was ein Stempel bedeutet, nämlich dass etwas gut ist (lacht). Klar hilft das was, deshalb wollen die Studios auch ihre Filme bei diversen Festivals unterbringen. Das bringt Aufmerksamkeit. Sie müssen schon wissen, warum sie uns alle herschicken und uns Interviews machen lassen. Das bringt gute Presse.
Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 8. Juli 2010
Zum Thema
Independent-Regisseurin Nicole Holofcener und Indie-Darstellerin Catherine Keener verbindet seit vielen Jahren eine enge Freundschaft. Dank Keeners Einsatz gelingt es Holofceener im Jahr 2006, erstmals ein größeres Budget für ihr Projekt "Friends with Money" einzusammeln. Dies ist nicht ihre erste Zusammenarbeit. Schon bei ihrem Spielfilmdebüt "Walking and Talking" übernahm Keener die Hauptrolle. Das Duo arbeitet so gerne und so oft zusammen, weil sich Holofcener in ihren Filmen vor allem..
Please Give (Kinofilm)
Darf man sein luxuriöses Leben genießen, wenn vor der Tür die Not herrscht? Nicole Holofcener strickt ihre Komödie "Please Give" um dieses ethische Problem. Entstanden ist kein Drama, sondern eine leise Komödie über vier Charaktere, die sich im New Yorker Dschungel durchkämpfen und die trotz ihrer gesellschaftlichen Stellung auf der Suche nach dem ganz persönlichen Glück sind. In der Hauptrolle ist Indie-Schauspielerin Catherine Keener zu sehen, die bereits zwei Mal für einen Oscar nominiert..