Tatjana Niezel/Ricore Text
Thomas Kretschmann
Ab ins Dschungelcamp
Interview: Thomas Kretschmann gern in Hollywood
Nicht vielen deutschen Schauspielern gelingt der Sprung nach Hollywood. Wenn doch, dann ist der Aufenthalt in der Traumfabrik nur selten von Dauer Thomas Kretschmann ist einer, der es geschafft hat. Ob in Mega-Produktionen wie "King Kong" oder "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat", der Deutsche fühlt sich beruflich in Hollywood genauso wohl wie in seinem Wohnort Los Angeles. Da bringen ihn auch Enttäuschungen nicht aus dem Konzept - so als kurz vor Drehbeginn zum Stauffenberg-Film die sicher geglaubte Hauptrolle an Tom Cruise ging. Filmreporter.de verriet der 48-Jährige, warum er nie resigniert und wie strapazierend die Dreharbeiten zu "Dschungelkind" waren.
erschienen am 14. 02. 2011
Universal Pictures
Dschungelkind
Ricore: Herr Kretschmann, die Dreharbeiten zu "Dschungelkind" fanden in Malaysia statt. Wie empfanden Sie die Dreharbeiten in der Wildnis?

Thomas Kretschmann: Anstrengend (lacht). Sowohl physisch als auch psychisch. Man muss sich vorstellen, wir saßen in einem Dschungelcamp und sind von da aus jeden Tag mit einem Boot eine Stunde zum Drehort gefahren. Drei Monate saßen wir in dieser Gegend fest. Es war wahnsinnig heiß, jeden Tag herrschten über 40 Grad. Das zermürbt einen irgendwann.

Ricore: Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Kretschmann: Unter anderem habe ich mich mit Herrn Kuegler getroffen, mit dem ich die Rolle besprochen habe. Dabei habe ich mir auch meine Meinung gebildet. Wenn man eine lebende Person spielt, trägt man immer eine große Verantwortung. Man muss dieser Person einen gewissen Respekt zeigen und ihr gerecht werden. Weil Herr Kuegler ein Linguist ist, war es mir wichtig, dass ich die Sprache im Film so gut wie möglich spreche. Sich damit auseinanderzusetzen war nicht einfach, weil es keine Bezugspunkte zu irgendwelchen Sprachen gab, die wir sprechen. Das heiß, ich musste das alles wirklich lernen.

Ricore: Können Sie sich vorstellen, in der Wildnis zu leben?

Kretschmann: Nein (lacht). Während der Dreharbeiten habe ich mir oft gedacht, dass ich hier unmöglich 20 Jahre verbringen könnte. Ich würde wohl schon nach einem halben Jahr durchdrehen.

Ricore: Könnten Sie sich vorstellen, in so einer Gegend Urlaub zu machen? Oder anders gefragt: Sind Sie eher ein Grenzerfahrungsurlauber oder haben Sie es in dieser Beziehung eher gemütlicher?
20th Century Fox
Thomas Kretschmann
Kretschmann: Ich gehe in meinem Leben schon an Grenzen, da brauche ich nicht auch noch im Urlaub an meine Grenzen gehen. Aber im Grunde stelle ich mir die Frage nicht so. Ich mache einfach das, was mich interessiert. In Malaysia war ich nun wegen der Arbeit, dort muss ich also nicht so bald Urlaub machen.

Ricore: Durch die Begegnung zwischen den Ureinwohnern und der Zivilisation in "Dschungelkind" findet eine Art Austausch statt. Die Ureinwohner werden von den Kueglers zwar nicht bekehrt aber in gewisser Weise doch beeinflusst. Was können wir von ursprünglichen Menschen lernen?

Kretschmann: Durch die Begegnung mit dieser Kultur habe ich mich oft gefragt, was denn das wahre Leben ist. Auch mit Sabine Kuegler habe ich mich oft über dieses Thema unterhalten. Heutzutage funktionieren wir häufig nur und leben eigentlich nicht mehr wirklich. Das ist bei diesen Menschen anders, sie leben tatsächlich. Es mag zwar eine Befriedigung sein, etwas zu schaffen, zu leisten und zu bauen. Dennoch finde ich es wichtig, dass man nicht nur funktioniert und so dahinvegetiert. Aber im Grunde muss jeder für sich den besten Kompromiss fürs Leben finden. Das ist auch das große Thema im Film.

Ricore: Welche persönlichen Erkenntnisse haben Sie aus der Begegnung mit dieser fremden Welt gezogen?

Kretschmann: Grundsätzlich muss ich sagen, dass ich zunächst einmal als Schauspieler in dieser Welt gewesen bin und habe in dieser Funktion einen Film gemacht. Ich begab mich nicht in ein Kloster, um mich bekehren zu lassen. Trotzdem fand ich die Begegnung mit den Papuas sehr interessant. Ich habe viel aus dieser Erfahrung mitgenommen. Ich erkannte, wie sehr man als Mensch in dem gefangen ist, was man sich im Leben erbaut hat und in welchem Maße unsere Werte für uns zur Falle werden. Wenn man in Deutschland Menschen trifft, die fast einen Nervenzusammenbruch kriegen, nur weil an ihrem Auto ein Kratzer ist, dann wundert man sich schon, mit welchen Dingen man sich hier rumquält.

Ricore: Sie waren früher sportlich sehr aktiv. Betreiben Sie heute noch regelmäßig Sport?
20th Century Fox
Thomas Kretschmann
Kretschmann: Ich quäle mich heute nicht mehr, wie ich das früher gemacht habe. Trotzdem bin ich noch sehr aktiv. Ich gehe recht oft Surfen, fahre Snow-Board. Ich reite sehr gerne und gehe tauchen. Außerdem habe ich drei Kinder und unternehme mit ihnen oft etwas. Das ist Sport genug.

Ricore: Sie pendeln schon seit Jahren zwischen Hollywood und Deutschland. Wird dieser Spagat in Zukunft weitergehen?

Kretschmann: Eigentlich pendle ich nicht so häufig, wie es den Anschein hat. Ich lebe zwar kontinuierlich in Los Angeles, möchte aber weiterhin in Deutschland Filme machen. Das gelingt mal besser, mal schlechter. Als Schauspieler bin ich wesentlich davon abhängig, ob und welche Angebote ich bekomme. Wenn mir interessante Projekte in Aussicht gestellt werden, greife ich zu. Ich bemühe mich, die Tür zu deutschen Produktionen offen zu halten, doch wie viel letztlich zustande kommt, hängt weniger von mir ab als vielmehr von den Leuten, die mit mir arbeiten wollen.

Ricore: Finden Sie es befriedigender in Deutschland, oder in Hollywood zu arbeiten?

Kretschmann: Das hängt ganz vom jeweiligen Film ab, davon, wie gut der Inhalt ist oder die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet.

Ricore: Sie haben kurz vor Drehbeginn die Hauptrolle in "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat" an Tom Cruise verloren. Ärgert Sie das heute noch?

Kretschmann: Ärgern ist der falsche Ausdruck. Es hat viele Sachen gegeben, die nicht funktioniert haben oder die anders hätten laufen sollen. Aber ärgerlich und schade war es damals schon, dass es mit der Rolle nicht geklappt hat. Zumal ich mich schon lange mit dem Part auseinandergesetzt hatte. Aber das ist schon vielen Schauspielern passiert, insofern war dieser Fall keine Besonderheit. Natürlich finde ich es noch schade, aber so ist das nun mal in der Filmbranche.
Universal Pictures International
Thomas Kretschmann als Sprachforscher in "Dschungelkind"
Ricore: Welche Erkenntnisse haben Sie aus diesem Erlebnis gezogen?

Kretschmann: Da gibt es nicht viele Erkenntnisse, die man daraus ziehen kann. Die einzige Erkenntnis ist: Solange man nicht am Set steht und den Film dreht, gibt es den Film nicht (lacht).

Ricore: Können Sie schon etwas über Ihre nächsten Projekte sagen?

Kretschmann: Das ist schwer zu sagen. Einige Sachen, die ich machen wollte, haben sich zerschlagen. Was in Aussicht steht, ist das Projekt "Vivaldi", dessen Drehbeginn allerdings noch nicht fest steht. Aber so steht es derzeit mit vielen Projekten. Die Wirtschaftskrise hat auch die Filmwirtschaft erfasst. Zuletzt habe ich eine Rolle in "Cars 2" gesprochen. Das war mal was anderes und hat mir großen Spaß gemacht. Außerdem habe ich in der neuen amerikanischen Serie "The Cape" mitgespielt, wo ich in einer Episoden einen Superhelden verkörperte. Abgesehen davon stehen noch einige Projekte auf dem Zettel, aber Genaueres kann ich dazu nicht sagen. Wie gesagt, so lange man nicht auf dem Set steht, ist man eines Films nicht sicher.

Ricore: Können Sie sich vorstellen, auch mal Regie zu führen.

Kretschmann: Vorstellen kann ich es mir schon. Es muss nur das richtige Projekt sein.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 14. Februar 2011
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Dschungelkind (Kinofilm)
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2024