Tobis Film
Sofia Coppola ("Somewhere")
"Nicht im Schatten meines Vaters"
Interview: Sofia Coppola ist irgendwo
Sofia Coppola ist die begehrteste Regisseurin Hollywoods. Mit "The Virgin Suicides" begeisterte sie viele Kritiker, für ihr Drehbuch zu "Lost in Translation" wurde sie mit einem Oscar ausgezeichnet. Obwohl "Marie Antoinette" bei Kritikern durchfiel, schaffte es der Streifen immerhin in den Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes. So überrascht es nicht, dass die 31-jährige Tochter von Meisterregisseur Francis Ford Coppola mit ihrem neusten Werk "Somewhere" dieses Jahr beim Filmfest in Venedig den Goldenen Löwen für den besten Film gewann. Das Thema klingt durchaus autobiographisch: erzählt der Film doch die Geschichte eines krisengebeutelten Hollywoodstars. Wir trafen Sofia in Berlin zu einem Gespräch über Familie, das Leben mit einem berühmten Vater und ein Hotel, das Hollywood regiert.
erschienen am 27. 11. 2010
Tobis Film
Somewhere
Ricore: Mrs. Coppola, Ihr neuer Film "Somewhere" dreht wie "Lost in Translation" von der Lebenskrise eines Schauspielers. Was fasziniert Sie an dieser Thematik so sehr?

Sofia Coppola: Nach den Dreharbeiten zu "Marie Antoinette" lebte ich in Paris und habe ständig in den Klatschblättern von Hollywoodstars in der Krise gelesen. Ich habe angefangen, mir Gedanken darüber zu machen, wie erfüllend das Leben dieser Menschen wohl wirklich ist und bin zu dem Entschluss gekommen, ein Drehbuch zu schreiben, dass den Celebrity-Wahnsinn in Amerika ins richtige Licht rückt.

Ricore: Der Film handelt vor allem von der Beziehung eines Stars zu seiner Tochter. Inwiefern wurde der Film von eigenen Erfahrungen inspiriert?

Coppola: Der Fakt, dass ich diese Welt sehr gut kenne, hat mir das Selbstbewusstsein gegeben, ein guten Porträt dieses Zirkus' abzuliefern. Auch wenn meine Kindheit nicht viel mit der im Film zu tun hatte, verstehe ich trotzdem, was es heißt, wenn dein Vater ein berühmter Mann ist.

Ricore: Der Protagonist des Films lebt in dem berühmt-berüchtigten Hotel Chateau Marmont in Los Angeles. Wie viel Zeit haben Sie während Ihrer Kindheit in Hotels verbracht?

Coppola: Immer wenn mein Vater einen Film drehte, lebten wir alle zusammen in der Nähe des Sets, wo auch immer das war. Dadurch kenne ich das Leben an verschiedenen Orten und die Atmosphäre von Hotels sehr gut. Allerdings hatten wir auch immer ein Familienzuhause, in dem meine Eltern heute noch wohnen. Zum Glück gab es diese Konstante.

Ricore: Wussten Sie von Anfang an, dass der Film hauptsächlich im Chateau Marmont spielen solle?

Coppola: Als Erstes habe ich meine Hauptfigur erschaffen, dann wurde mir allerdings sehr schnell klar, dass ein derartiger Haudegen auf jeden Fall im Chateau leben würde. So gut wie jeder Schauspieler hat zu einem gewissen Zeitpunkt mal dort gewohnt. Auch ich habe einige Zeit dort verbracht und kann bestätigen, dass es dort nur so von Stars wimmelt.
Tobis Film
Sofia Coppola ("Somewhere")
Ricore: Das Hotel gilt seit Jahrzehnten als legendäre Absteige. Led Zeppelin kurvten mit Motorrädern durch die Lobby, John Belushi starb 1982 in einem der Gartenbungalows an einer Überdosis und Helmut Newton fuhr nach einer Herzattacke seinen Cadillac an die Tore des weißen Schlosses. Inwiefern hat sich die Atmosphäre über die Jahre verändert?

Coppola: Früher gab es nicht so viele Klatschmagazine wie heute. Das Hotel wurde also nicht ständig von Dutzenden von Paparazzi belagert, was den Vorteil hatte, dass es weniger von den Leuten gab, die nur dort hingehen, um fotografiert zu werden.

Ricore: Was ist der besondere Charme dieses Hotels? Es gibt schließlich wesentlich luxuriösere Unterkünfte in Los Angeles?

Coppola: Man spürt die Geschichte des Hotels in den Zimmern. Neulich habe ich in den Räumen gewohnt, in dem Helmut Newton über Jahre seine Winter verbracht hat, das war schon etwas Besonderes. Das Chateau ist im wahrsten Sinne eine Ikone Hollywoods, das wahre Zentrum des Showgeschäfts.

Ricore: Sie wurden in eine der mächtigsten Familien Hollywoods hineingeboren. War Ihr beruflicher Weg bereits von Anfang an geebnet?

Coppola: Niemand hat mich je dazu gezwungen, mich mit Filmen zu beschäftigen, aber dadurch, dass ich ständig damit in Verbindung gebracht wurde, wurde wohl mein Interesse geweckt.

Ricore: Trotzdem haben Sie erst etwas anderes studiert, richtig?

Coppola: Ja, ich habe an einer Kunstakademie Fotografie studiert. Wie die meisten 18-Jährigen wollte ich einfach so viele verschiedene Dinge wie möglich ausprobieren. Als ich dann meinen ersten Kurzfilm gedreht habe, stellte ich fest, dass die Arbeit als Regisseurin alle meine Interessen miteinander vereinte.
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Stephen Dorff in Elle Fanning in "Somewhere"
Ricore: Als Hauptdarsteller für "Somewhere" haben Sie Stephen Dorff besetzt, von dem man in den letzten Jahren nicht viel gesehen hat. Warum fiel die Wahl ausgerechnet auf ihn? Sie hätten schließlich jeden haben können.

Coppola: Ich kenne Stephen schon seit Jahren und er ist ein wesentlich netterer Kerl, als man seinem Image zufolge erwartet. Hinzu kommt, dass er ein phantastischer Schauspieler ist. Außerdem war mir von Anfang an klar, dass ich für diese Rolle jemanden brauche, den man nicht schon in hundert Filmen gesehen hat.

Ricore: Es gibt aber auch gewisse Parallelen zwischen ihm und der Hauptfigur Ihres Filmes...

Coppola: Stimmt, genau wie meine Hauptfigur hat auch er Filme gedreht, die ihn nicht wirklich interessiert haben. Es hat natürlich auch geholfen, dass er das Image eine Party Boys hat und ständig mit neuen Frauen in Verbindung gebracht wird. Er konnte mir einige gute Tipps für die Authentizität des Films geben.

Ricore: Bisher haben Sie nur Filme gedreht, für die Sie selbst das Drehbuch geschrieben haben. Warum?

Coppola: Mir gefällt es, den Film von Anfang an zu gestalten. Es ist mir sehr wichtig, dass meine Filme persönlich sind. Das kann ich nur schaffen, wenn ich selbst das Drehbuch schreibe und meine Charaktere entwickele.

Ricore: Obwohl Sie sehr erfolgreich waren, haben Sie in den letzten zehn Jahren nur vier Filme gedreht. Wieso?

Coppola: Es gibt keinen Grund, dass ich mich zu sehr hetze. Ich nehme mir lieber meine Zeit und beschäftige mich mit dem Stoff intensiver. Außerdem beansprucht ein Film sehr viel Zeit, wenn man wie ich in alle Entstehungsschritte involviert ist. Die Spanne zwischen den einzelnen Filmen benutze ich, um die nächsten Ideen aufs Blatt zu bekommen.
Jean-François Martin/Ricore Text
Sofia Coppola
Ricore: Ihr Vater ist einer der bedeutendsten Regisseure des 20. Jahrhunderts. Spürten Sie Druck, als Sie sich entschieden, in seine Fußstapfen zu folgen?

Coppola: Als Tochter spürt man diesen Druck denke ich nicht so sehr, da in gewisser Weise weniger von einem erwartet wird. Natürlich bin ich stolz auf meinen Vater, habe aber allerdings meine eigene Art und Weise, Filme zu machen, die sich von seinem Ansatz deutlich unterscheidet. Ich stehe nicht im Schatten meines Vaters.

Ricore: Wie haben Sie Ihren eigenen Stil gefunden?

Coppola: Ich habe verschiedene Dinge ausprobiert. Ich bin Zuhause ausgezogen, zur Uni gegangen und habe sogar mein eigenes Modelabel gegründet, das in Japan sogar recht erfolgreich war.

Ricore: Sie arbeiteten eine Zeit lang auch als Schauspielerin und übernahmen sogar die Rolle von Winona Ryder in "Der Pate 3"...

Coppola: Dazu hat mich allerdings mein Vater überredet. Es war hart, denn als 18-Jährige will man genau das nicht tun, was die Eltern gerne hätten. Da ich allerdings nie Schauspielerin werden wollte, hat es mich nicht gestört, dass einige Leute mit der Entscheidung meines Vaters nicht sonderlich zufrieden waren.

Ricore: Danach wäre es trotzdem relativ einfach für Sie gewesen, Schauspielerin zu werden. Warum haben Sie sich dagegen entschieden?

Coppola: Ich hatte einfach keine Lust dazu und wollte lieber zur Uni gehen. Im Nachhinein hat mir diese Erfahrung aber geholfen, Schauspieler besser zu verstehen.
erschienen am 27. November 2010
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2024